Folien - Andreas Ladner

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Politisches System Schweiz
Politisches System Schweiz
Vorlesung am Institut für Öffentliches Recht der
Universität Bern
Geschichte
Prof. Dr. Andreas Ladner
IDHEAP Lausanne
Frühjahrssemester 2012
Andreas Ladner
1
Politisches System Schweiz
Die Entstehung der Schweiz
• Staatsbildung im 19. Jh. (vom Staatenbund zum
Bundesstaat)
• Ein paradigmatischer Fall der politischen Integration!
(Deutsch 1976)
• Keine Kulturnation sondern eine Willensnation
• Verantwortlich für das Zusammenwachsen sind die
politischen Institutionen (Föderalismus und Power
Sharing)
• Eine gemeinsame Symbolik und eine gemeinsame
Geschichte wurde erst im nachhinein geschaffen
(Helvetia, Wilhelm Tell)
• Weiter: Strukturelle Eigenheiten, eine bestimmte
politische Kultur und möglicherweise haben auch die
Nachbarn etwas mitgeholfen.
Andreas Ladner
2
Politisches System Schweiz
Fragestellung
Ist die heutige Schweiz mit ihren
politischen Institutionen ein Produkt
strategischer Entscheidungen und
Weichenstellungen oder ist sie die
logische Konsequenz ihrer
geographischen Lage im Zentrum Europas
und der historischen Entwicklung?
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Politisches System Schweiz
Die wichtigsten Etappen
Die wichtigsten Etappen
Völkerwanderungen, römische Besetzung
Zugehörigkeit zum Römischen Reich deutscher Nation
Die Alte Eidgenossenschaft
Die Eidgenossen kämpfen und wachsen
Reformation - Gegenreformation
Aufklärung und Absolutismus
Vom Staatenbund zum Bundesstaat
Andreas Ladner
Auswirkungen
Kulturelle und sprachliche Pluralität
Klein- und Abkehr von der Zentralstaatlichkeit
Unabhängigkeit
Interne Konflikte, Expansion und Neutralität
Konfessionelle Spaltung
Niedergang der Ständegesellschaft
Staatenbildung und Demokratisierung
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Politisches System Schweiz
Kulturelle und sprachliche Pluralität
Mitte 1. Jh. v. Chr.
Beträchtlicher Teil der Schweiz ist besiedelt von keltischen Stämmen (Helvetier
im Mittelland, Rauriker, Nantuaten, Veragrer, Seduner). In Graubünden waren die
nicht-keltischen Rätier angesiedelt.
15 v. Chr. - 400 n.
Chr.
Die Schweiz unter römischer Herrschaft
Besetzung der Schweiz durch die Römer, Auszug der Helvetier nach
Südfrankreich (58 n. Chr.)
Einfall von Alamannen: Aventicum und Augusta Raurica zerstört (260)
Die Römer ziehen ihre Truppen nach Italien zurück 401 (Angriffe der
germanischen Goten, 410 Eroberung und Plünderung Roms)
500 - 800
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Völkerwanderung
Ostgoten dringen in Rätien ein (439)
Germanische Burgunder kommen in die Westschweiz (443)
Einbeziehung der Schweiz ins Frankenreich (537), Verwaltungseinteilung in
Gaue
Langobarden (romanisierte Germanen) lassen sich im südlichen Tessin nieder
(568)
Landnahme der Alemannen in der nördlichen Schweiz und im Mittelland (7 Jh.)
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Klein- und Abkehr von der Zentralstaatlichkeit
6. - 9. Jh.
Die Schweiz unter fränkischer Herrschaft
Verwaltungsreform, Gaue mit Grafen, Kaiser Karl der Gross (775)
Vertrag von Verdun: Aufteilung des Frankenreichs in Ostreich (Deutschland),
Mittelreich (Burgund) und Westreich (Frankreich) (834)
Das Gebiet der Schweiz fällt dem Ost- und dem Mittelreich zu. Zwei Reichen
angehörend gingen die beiden Teile der Schweiz getrennte Wege
Ost- und Mittelreich zerfallen in kleinere Einheiten, im Westreich wird die
Zentralgewalt immer stärker
10./11. Jh.
Andreas Ladner
Einbezug der Schweiz ins Deutsche Reich
Kaiser Konrad II erbt das Königkreich Burgund (1033), die ganze Schweiz wird
Teil des deutschen Reichs
Herzöge von Zähringen werden Statthalter von Burgund (1097), sie gründen Bern
und Fribourg
Nach dem Aussterben der Zähringer fallen Fribourg, Thun, Burgdorf an die
Kyburger, die hohe Gerichtsbarkeit an die Habsburger. Bern, Zürich und
Solothurn werden reichsunmittelbare Städte (1218)
6
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Die Alte Eidgenossenschaft
1231 1332
1315
Andreas Ladner
Kampf der Waldstätte um die Erlangung und Bewahrung der
Reichsfreiheit
Uri erhält Reichsfreiheit (1231)
Kaiser Friederich II gewährt Schwyz Reichsfreiheit (1240)
Tod Rudolfs von Habsburg: Bundesbrief Uri, Schwyz, Unterwalden
(1291)
Rütlischwur und Apfelschuss (1307)
Morgartenbriefe
Schlachten gegen die Habsburger: Morgarten (1315), Laupen
(1339), Sempach (1386), Näfels (1388), Vögelinsegg (1403),
Stoss AR (1405)
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Bundesbrief und Bundesbriefmuseum
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Politisches System Schweiz
Die „Schweiz“ um 1291
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Schlacht bei
Morgarten 1315
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Die Eidgenossen kämpfen und wachsen
1332 - 1389
1400 - 1515
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Die Bildung der Achtörtigen Eidgenossenschaft: Luzern (1332), Zürich
(1351), Zug (1352), Glarus und Bern (1353)
Zürich tritt als erste Reichsstadt der Eidgenossenschaft bei (1351)
Sempacherkrieg (1385-1389) Loslösung Luzerns, Zugs und Glarus von
Österreich
Weniger weitreichende Bündnisse mit Appenzell (1411) und St. Gallen (1412)
gegen das Kloster St. Gallen und mit dem Bischof von Sion (1403) und den
Oberwallisern
Die Bildung der Dreizehnörtigen Eidgenossenschaft: Freiburg (1481),
Solothurn (1481), Basel (1501), Schaffhausen (1501), Appezell (1513)
1415 erobern die Eidgenossen den habsburgischen Aargau
1460 entreissen sie Habsburg den Thurgau
1474 erklären sie dem Herzog von Burgund den Krieg -> Burgunderkriege 14741478 mit Granson, Murten und Nancy
Schwabenkrieg 1499: Die Schweiz wird faktisch vom Reich unabhängig,
Basel und Schaffhausen treten dem Bund bei.
Ausdehnung nach Süden, nachdem die Leventina und der obere Teil des
Tessins gekauft wurde, Mailänderkriege (1512, Pavia) (1513, Novara)
Schlacht bei Marignano (1515) wird zum Debakel (Söldner kämpfen auf beiden
Seiten). Ende der Grossmachtsträume und Beginn der Neutralitätspolitik.
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Politisches System Schweiz
Ende der
Grossmachtsträume
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Reformation und Gegenreformation (16./17. Jh.)
1513-1526
1527-1531
1590-1600
1618 - 1648
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Bauernaufstände in Deutschland und in den Landgebieten des Mittellandes (ZH, BE, BL, SO,
SH, SG, TG)
Aufhebung der Leibeigenschaft im Kanton Zürich (1525)
Die Reformation greift auf die Eidgenossenschaft über. Besonders Zwingli in Zürich und Calvin
in Genf verbreiten das neue Gedankengut. Die Schweiz spaltet sich in zwei konfessionelle Lager,
die sich erbittert bekämpfen.
1. Kappelerkrieg zwischen Reformierten und Katholiken. Landfriede mit Kappeler Milchsuppe
(1529)
2. Kappelerkrieg, Zwingli fällt, Landfriede zugunsten der Katholiken (1531)
Der spanische Offizier Ignatius von Loyola gründet den papsttreuen Jesuitenorden (1534)
Bern erobert die Waadt (1536)
Batholomäusnacht in Frankreich. 20'000 reformierte Hugenotten werden ermordet (1572). Die
Westschweiz nimmt tausende von Flüchtlingen auf. Hugenotten begründen die
Uhrendindustrie in Genf und im Jura
Jean Bodin (franz. Philosoph, 1530-1596) fordert absolute Vollmacht für den König (1576)
Appenzell trennt sich in 2 Halbkantone als Folge der Rekatholisierung
Hexenwahn erreicht seinen Höhepunkt, möglicherweise als Folge einer Abwehr konservativer
Kreise auf die Infragestellung göttlich-magischer Vorstellungen durch naturwissenschaftliche
Erkenntnisse
Dreissigjähriger Krieg: Die Schweiz ist nur am Rande betroffen
Westfälischer Friede (1648): Rechtliche Trennung der Eidgenossenschaft vom Deutschen
Reich
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Zwingli
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2. Kappelerkrieg
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Hexenverfolgung
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Tagsatzung in
Baden
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Absolutismus und Aufklärung
Nach 1648
1700-1798
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Thomas Hobbes fordert in seinem "Leviathan", dass die Menschen, da Egoisten, ihre natürlichen
Rechte unwiederruflich an den Staat abtragen sollten (1651)
Bauernkrieg: Bauernaufstände im Entlebuch und Emmental werden von den Städten (Luzern,
Bern) mit Unterstützung der freien Landorte und sogar von abhängigen Bauern aus den
Gemeinen Herrschaften niedergeschlagen, Bauernführer Christian Schybi und Niklaus Le
Im 1. Villmerger Krieg scheitert der Versuch Zürichs und Berns, die Bestimmungen des Kappeler
Landfriedens zu revidieren (1656)
Der franz. König hebt das Edikt von Nantes auf, Tausende von Hugenotten (franz. Reformierte)
fliehen in die Schweiz (1685)
John Locke (GB, 1632-1704) postuliert Recht auf gleiche Behandlung ungeachtet der Herkunft,
Gewaltenteilung und Volkssouveränität - Basis aller modernen demokratischen Verfassungen
(1776 USA, 1791 Frankreich, 1848 CH-Bundesverfassung) (1690).
Innerhalb der ursprünglich landwirtschaftlichen Strukturen wächst die Industrialisierung stetig,
vor allem in den reformierten Gebieten. Anfang 19. Jahrhundert ist die Schweiz eines der am
weitesten industrialisierten Gebiete in Europa. Wie in allen umliegenden Ländern versuchen auch
in der Eidgenossenschaft die Herrschenden ihre absolute Herrschaft gegen die Untertanen
durchzusetzen. Von Genf über Neuenburg, Basel und Zürich kommen die Ideen der Aufklärung in
die
Schweiz.
Aufstand
der Toggenburger gegen die weltliche Herrschaft des Klosters St. Gallen über das
Toggenburg - 2. Villmergerkrieg mit Niederlage der katholischen Orte, in den gemeinen
Herrschaften geben von nun an die Reformierten den Ton an (1712).
Montesquieu (F, 1689 - 1755) verfeinert die Idee der Gewaltenteilung (Legislative - Exekutive Judikative) (1721)
Auflehnung gegen die Ständegesellschaft: 1721 Werdenberg gegen Glarus, 1723 Lausanne,
1749 Bern, 1754 Leventina gegen Uri, 1784 Fribourger Bauern, Machtkämpfe in Zug, Luzern,
Schwyz, AI
Jean-Jacques Rousseau (Genf und F, 1712 - 1778) fordert im "Contrat Social" die
Volkssouveränität und die (demokratische) Aushandlung der gesellschaftlichen Regeln (1762)
http://www.geschichte-schweiz.ch/zeittafel-chronologie.html
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Politisches System Schweiz
Untergang der Eidgenossenschaft – helvetische Revolution
• Missstände (Oligarchie und Ausbeutung)
• Untertanenaufstände
• Aufklärung (Diderot, Voltaire, Rousseau) –
staatsbürgerliche Gesellschaften
• Französische Revolution 1789
• Einmarsch der Franzosen unter Napoleon (25. Jan.
1798)
• Am 4. April 1798 gab es keine Untertanengebiete mehr,
am 12. April wurde die unteilbare Helvetische Republik
propagiert
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Politisches System Schweiz
Alte Orte – Untertanengebiete und gemeine Herrschaften
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
Vom Staatenbund zum Bundesstaat
1798-1803
1815-1830
1830-1847
1848-1874
Helvetik: Nach dem Einmarsch französischer Truppen wird die Schweiz radikal umgestaltet: Die
Helvetische Republik wird ein republikanischer Einheitsstaat, der stark unter der Kontrolle
Frankreichs steht. In der Folge ist auch die Schweiz Kriegsschauplatz,
Mediation: Nach inneren Unruhen mit mehreren Staatsstreichen gibt Napoleon der Schweiz eine
Mediationsverfassung, die den Kantonen wieder eine gewisse Eigenständigkeit zurückgibt. Anstelle
der alten Untertanengebiete entstehen neue Kantone: Waadt, Tessin,
Nach der Niederlage Frankreichs gegen die monarchistischen Grossmächte Europas kehren Genf,
das Wallis und Neuenburg endgültig in die restaurierte Eidgenossenschaft zurück: In den 22
Kantonen wird wieder wie vor der Revolution 1798 geherrscht. (1814)
Am Wiener Kongress anerkennen die europäischen Grossmächte die "immerwährende Neutralität"
der Schweiz (1815)
Restauration: Während politisch die alten Herrschaftsformen wieder hergestellt werden, entwickelt
sich die Schweiz wirtschaftlich rasant weiter, dabei wird die Expansion des freien Unternehmertums
durch die kantonale Aufsplitterung (Zölle, Masse, Gewichte
Regeneration: Unter dem Druck der wirtschaftlichen Entwicklung werden in etwa der Hälfte der
Kantone liberale Verfassungen geschaffen, die den Bürgern wirtschaftliche und politische Freiheiten
garantieren.
Sonderbundskrieg. Die Spannungen zwischen den liberalen und den katholischen Kantonen führen
zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Nach einem kurzen, von General Dufour mit Energie und
Mässigung geführten Feldzug kapitulieren die Katholiken. (1847)
Nach dem Sonderbundskrieg, der mit einem Sieg der liberalen Kräfte in der Schweiz endet, wird die
Schweiz zu einem liberalen Bundesstaat umgestaltet. (1848)
Die Liberalen (die Freisinnigen) dominieren den neuen Bundesstaat, die Konservativen müssen sich
mit der Rolle der Opposition zufrieden geben.
Nach 26 Jahren wird die Verfassung 1874 total revidiert: Das Referendumsrecht wird neu
eingeführt.
http://www.parlament.ch/homepage/sv-services-dummy/sv-ch-schweiz-kurze/sv-ch-geschichte.htm
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Politisches System Schweiz
French troupes invaded Switzerland and
proclaimed the Helvetic Republic (1798-1803)
Andreas Ladner
22
Politisches System Schweiz
Der Berner wehren sich (Schlacht bei
Grauholz, 5. März 1798)
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
Weitere Gründe für den europäischen „Befreiungszug“ der
Truppen der französischen Revolution
Napoleon wollte nicht nur die Freiheitsrechte in die Schweiz bringen (vgl.
Kreis 1986: 27), sondern:
• Die Schweiz war ein Zufluchtsort für französische
Royalisten
• Es ging ihm um die Kontrolle der strategische wichtigen
Alpenpässe
• Schweiz sollte in ein System von ausbeutbaren
Satellitenstaaten integriert werden
• Die französische Armee konnte in der reichen Schweiz
neu aufgerüstet werden
• Mit den geraubten Staatskassen konnte der
Ägyptenfeldzug finanziert werden
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Politisches System Schweiz
Helvetik
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
Cette partition, décidée par en mars 1798 par le général Brune, provoqua un tollé général et fut
révoquée le 22 mars. La constitution de la République helvétique sera adoptée le 28 mars 1798.
Source: Marco Zanoli, Wikipedia.
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Politisches System Schweiz
Deutsch: Projekt für eine Departementalisierung der Helvetischen Republik vom 3.
Dezember 1798 Source: Marco Zanoli, Wikipedia.
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Helvetische Republik
• Offizielle Flagge (Trikolore: Grün/Gelb/Rot)
• Erstes Parlament in Aarau, gefolgt von Luzern und Bern
• Préfets und Statthalter (Waadt, Bern, Zürich) werden
eingesetzt
• Französisch und Italienisch werden Amtssprachen
• Unitarier vs. Föderalisten
(vgl. Maissen 2010:160-165)
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Politisches System Schweiz
Das Scheitern der helvetischen Republik
• Direkte Steuern, Verlust der Gemeindeautonomie,
obligatorischer Militärdienst waren unpopulär
• Schweiz wird zu einem Kriegsschauplatz im Zweiten
Koalitionskrieg (Frankreich gegen Grossbritannien,
Russland und Österreich)
• Unitarier entwerfen eine auf dem amerikanischen Muster
basierende Verfassung, die am 25. Mai 1802 in einer
Volksabstimmung angenommen wird (Nichtstimmende =
Ja-Stimmen)
• Napoleon zieht seine Truppen ab und es folgt ein
Bürgerkrieg, die helvetische Regierung flieht nach
Lausanne
(vgl. Maissen 2010:165-170)
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Mediation und gleichberechtigte Kantone
• Ende September 1802 besetzt Napoleon erneut das Land
• Och, Pestalozzi, Usteri und Stapfer reisen nach Paris und erhalten
von Napoleon die „Mediationsakte“
• Den Unitariern gefiel, dass die Privilegien der Ständegesellschaft
abgeschafft wurde, die Auflösung der Central-Regierung und die
Wiederherstellung der Souveränität der Kantone freute die
Föderalisten
• Es entstehen 19 gleichrangige Orte (Eigenständigkeit für VD, AG,
TG, GR, SO, TI)
• Die alten politischen Systeme (Landsgemeinde, Ratsherrschaft,
Zensuswahlsystem) wurden wieder eingeführt
• Schweiz erhält einen Landammann als Ansprechpartner für
Napoleon
(vgl. Maissen 2010:170-174)
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Politisches System Schweiz
Die
Entscheidung
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Politisches System Schweiz
Das Wachsen der
Eidgenossenschaft
(1815, Wiener
Kongress)
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
Regeneration
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Politisches System Schweiz
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Politisches System Schweiz
Der Sonderbundskrieg
Vgl.
Somm/Decurtins,
TA vom 4.11.2007
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Politisches System Schweiz
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Politisches System Schweiz
Verfassung
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Politisches System Schweiz
Bundesverfassung von 1848:
Angenommen mit 70.2 % (169'743 gegen 71'899 Stimmen)
Dafür 14 1/2 Kantone: ZH, BE, GL, FR, SO, BS, BL, SH, AR, SG, GR, AG,
TG, VD, NE, GE, (LU!)
Dagegen 7 1/2 Kantone:
(LU!), UR, SZ, OW, NW, ZG, AI, VS, TI
Bundesverfassung von 1874:
Angenommen mit 63.2 % (340'199 gegen 198'013 Stimmen)
Dafür 14 1/2 Kantone: ZH, BE, GL, SO, BS, BL, SH, AR, SG, GR, AG, TG,
TI, VD, NE, GE
Dagegen 7 1/2 Kantone:
LU, UR, SZ, OW, NW, ZG, FR, AI, VS
Bundesverfassung von 2000:
Angenommen mit 59.2 % (969'310 gegen 669'158 Stimmen)
Dafür 13 Kantone:
ZH, BE, LU, ZG, FR, SO, BS, BL, GR, TI, VD, NE,
GE, JU
Dagegen 10 Kantone: UR, SZ, OW, NW, GL, SH, AR, AI, SG, AG, TG, VS
Quelle: Bernhard Rütsche 2002
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Politisches System Schweiz
Vom Staatenbund zum Bundesstaat
Mit der Bundesverfassung von 1848 wurde
aus dem Staatenbund ein Bundesstaat. Es
entsteht ein souveräner Staat, basierend auf
einer Verfassung. Die Kantone sind nicht
mehr Vertragspartner, sondern unterstehen
einem gemeinsamen, übergeordneten
Gesetz, der Verfassung. Die Verfassung
räumt den Kantonen allerdings eine wichtige
Rolle ein.
Vgl. Somm, TA vom 3.1.1998
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Politisches System Schweiz
Die Herausbildung der Nationalstaaten in Europa
Europa um 1500
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Politisches System Schweiz
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Politisches System Schweiz
y = Anteil Demokratien an
der Gesamtzahl der Staaten
Herausbildung der Demokratien
Samuel P. Huntington (1992): Three Waves of
Democratization.
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
Die ersten Bundesräte 1848
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
6. Juni 1848
Totalrevision vom 12. September 1848
Die Vorlage wurde
angenommen
14. Jan. 1866
Festsetzung von Mass und Gewicht
Gleichstellung der Juden und Naturalisierten mit Bezug
auf Niederlassung
Stimmrecht der Niedergelassenen in
Gemeindeangelegenheiten
Besteuerung und zivilrechtliche Verhältnisse der
Niedergelassenen
Stimmrecht der Niedergelassenen in kantonalen
Angelegenheiten
14. Jan. 1866
Glaubens- und Kultusfreiheit
14. Jan. 1866
Ausschliessung einzelner Strafarten
14. Jan. 1866
Schutz des geistigen Eigentums
14. Jan. 1866
Verbot der Lotterie und Hasardspiele
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Die Vorlage wurde
angenommen
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Totalrevision
Die Vorlage wurde
abgelehnt
Totalrevision
Die Vorlage wurde
angenommen
14. Jan. 1866
14. Jan. 1866
14. Jan. 1866
14. Jan. 1866
12. Mai 1872
19. Apr. 1874
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
Themen der Revisionsdiskussion
• Rechtsvereinheitlichung
• Militärzentralisation
• Gesetzesreferendum (30‘000, 8 Kantone, keine
Doppelmehr), Initiative (abgelehnt)
• Organisations- und Verfahrensfragen (Volkswahl des
Bundesrates abgelehnt)
• Religionsfreiheit, Verhältnis Staat-Kirche (Keine
Kirchesteuer für konfessionslose, keine Angehörige des
Jesuitenordens in Schule und Politik, Einschränkungen
für Klöster)
• Erziehung, Soziales (Arbeiterschutz,
Primarschulunterricht nicht nur obligatorisch und
unentgeltlich, sondern auch unter staatlicher Leitung)
Andreas Ladner
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Politisches System Schweiz
Politisches Kalkül im Verfassungsentwurf 1874
• Auf die Rechtsvereinheitlichung (Obligationenrecht, Urheberrecht,
Betreibungsrecht und Konkursrecht) durch in den Bund aus der
Verfassung von 1872 wurde weitgehende verzichtet, sodass die die
Westschweizer Radikalen beruhigt werden. (Der Bund soll nur in
Sachen der Eidgenossenschaft allgemeingültige Regeln aufstellen
dürfen)
• Die Verschärfung der Kulturkampfstimmung brachte die Radikalen dazu,
ihre Reihen zu schliessen.
• Die protestantischen Waadtländer, Genfer und Neuenburger waren den
antirömischen Massnahmen ebenso geneigt wie die Deutschschweizer
Radikalen und Demokraten.
• Es ging vor allem darum, die drei Kanton VD, GE und NE zu gewinnen
um das Volks- und Ständemehr zu sichern. Man war sich bewusst, dass
für diese immer noch erheblich zentralisierende, individualistische und
laizistisch sowie westlich-wirtschaftsliberal geprägte Verfassung in den
katholisch-konservativen Kantonen keine Mehrheit zu finden war.
Andreas Ladner
Kölz 2004: 622 f.
46
Politisches System Schweiz
Totalrevision der BV 1874
Kanton
Zürich
Bern
Luzern
Uri
Schwyz
Obwalden
Nidwalden
Glarus
Zug
Freiburg
Solothurn
Basel-Stadt
BaselLandschaft
Andreas Ladner
12. Mai 1872
19. April 1874
Ja
% Ja
Ja
% Ja
49830
81%
61779
94%
50730
69%
63367
77%
9445
153
1640
212
306
4697
1333
5651
9610
5419
34%
3%
15%
6%
12%
74%
29%
21%
61%
81%
11276
332
1988
562
522
5169
1797
5568
10739
6821
38%
7%
17%
16%
18%
75%
39%
20%
65%
86%
Kanton
Schaffhausen
Appenzell A.Rh.
Appenzell I.Rh.
St. Gallen
Graubünden
Aargau
Thurgau
Tessin
Waadt
Wallis
Neuenburg
Genf
8287
83%
9236
86%
Schweiz
12. Mai 1872
19. April 1874
Ja
% Ja
Ja
% Ja
6230
93%
6596
96%
3804
37%
9858
82%
197
22534
8390
24962
17484
5871
3318
3005
7960
4541
7%
50%
42%
62%
83%
45%
6%
13%
46%
36%
427
26134
10624
27196
18232
6245
26204
3558
16295
9674
14%
56%
52%
65%
82%
33%
60%
15%
92%
77%
255609
49%
340199
63%
47
Politisches System Schweiz
Würdigung der neuen Verfassung
• Die neue Verfassung war für die nicht-liberalen Kantone
eher ein Diktat der Mehrheit, und zwar deutlich schärfer
als 1872.
• Die Linke bedauerte den Verzicht auf die
Rechtsvereinheitlichung.
• Die Radikalen bedauerten das Fortbestehen des
Ständerates und des Ständemehrs. Der Traum aus der
Schweiz ein kleines Frankreich zu machen, war
ausgeträumt.
• Die neue Bundesverfassung war ein wirtschafts- und
fortschrittfreundliches Grundgesetz. Der Weg zu einem
einheitlichen Wirtschaftraum war offen.
Kölz 2004: 610 ff.
Andreas Ladner
48
Politisches System Schweiz
Vom Referendum zur Konkordanz
• Zwischen 1874 und 1891 werden 2/3 der 19
Vorlagen abgelehnt.
• Dabei handelte es sich vor allem Vorlagen, die
unter den Begriffen einer weiterführenden
Modernisierung, Zentralisierung und
Säkularisierung zusammengefasst werden
können.
• Allerdings sind in dieser Zeit auch 140
Vorlagen durchgekommen, ohne dass sie dem
Volk unterstellt wurden.
Vgl. Kölz (2004: 633)
Andreas Ladner
49
Politisches System Schweiz
Die Obstruktionspolitik der katholischen Kantone
Non
12.05.1872
O
19.04.1874
O
23.05.1875
F
23.04.1876
F
09.07.1876
F
21.10.1877
F
30.07.1882
F
26.11.1882
F
06.12.1891
F
Revision
totale
Revision
totale
Loi fédérale
sur le droit de
vote des
citoyens
suisses
Loi fédérale
sur l'émission
et le
rembourseme
nt des billets
de banque
Loi fédérale
sur la taxe
d'exemption
du service
militaire
Loi fédérale
concernant les droits
politiques des
Suisses établis et en
séjour, et la perte
des droits politiques
des citoyens suisses
Loi fédérale
concernant les
mesures à
prendre contre les
épidémies offrant
un danger général
(No 24)
Arrêté fédéral
concernant
l'exécution de
l'article 27 de la
constitution
fédérale (No 25)
Schulvogt
Arrêté fédéral
concernant
l'achat du
chemin de fer
Central suisse
(No 39)
ZH
BE
LU
UR
SZ
OW
NW
GL
ZG
FR
SO
BS
BL
SH
AR
AI
SG
GR
AG
TG
TI
VD
VS
NE
GE
18.7
30.7
65.5
96.4
84.6
93.1
87.5
25.7
70.8
78.5
38.3
18.7
16.3
6.5
62.6
92.8
50.0
57.2
38.0
16.5
54.0
93.9
86.6
53.2
63.5
5.4
22.3
61.7
92.1
82.4
83.3
81.1
24.1
60.4
79.3
34.9
13.6
13.4
3.2
17.1
85.7
43.3
47.2
34.9
17.1
66.7
39.9
84.5
7.1
22.6
25.8
44.9
65.6
92.7
81.8
89.0
88.7
46.9
66.8
82.6
57.6
31.0
39.6
23.7
27.0
85.5
52.0
53.0
50.9
28.0
65.4
59.8
87.6
30.4
30.1
29.7
83.1
89.0
88.8
38.1
60.1
82.6
40.4
54.2
36.1
76.0
32.9
42.9
62.0
46.3
68.3
80.2
90.6
54.4
50.0
66.4
48.6
59.8
82.7
91.5
28.3
56.1
66.9
93.3
49.9
75.0
72.9
36.8
66.2
84.7
37.4
44.0
25.1
11.3
72.3
85.3
67.0
56.6
41.6
31.7
81.7
57.6
87.6
60.1
96.9
39.5
59.3
74.9
94.5
82.7
88.6
90.8
43.6
72.9
86.8
67.3
44.4
50.3
43.9
54.5
91.3
71.6
58.9
65.2
41.0
86.6
64.7
88.3
34.3
62.5
65.8
84.8
85.2
98.2
91.0
87.1
91.4
94.4
79.0
90.6
73.1
87.6
80.7
65.6
93.1
97.5
90.5
71.6
79.5
72.7
73.3
65.7
94.0
35.7
61.1
64.8
58.8
73.4
95.4
94.2
97.9
94.7
75.2
80.0
83.2
48.5
46.3
66.5
71.3
65.6
91.9
71.6
69.0
60.9
43.7
64.5
54.1
87.5
29.1
52.7
78.3
39.9
73.5
92.2
91.2
94.7
92.0
78.4
82.6
83.4
44.0
29.6
36.1
91.6
53.2
88.4
69.2
66.6
62.7
50.7
73.5
96.1
95.4
74.8
76.0
CH-Non
50.5
36.8
50.6
61.7
54.2
61.8
78.9
64.9
68.9
Andreas Ladner
50
Politisches System Schweiz
Ein weitere Schritt Richtung Nationalstaat
(1891)
• Industrialisierung und aufkommender Nationalismus in
den geeinten Nachbarländern Deutschland und Italien
verstärkten den Prozess der Nationwerdung gegen Ende
des 19. Jh. (Kriesi, Ms. S. 9 )
• 1891: Initiativrecht, erster CVP-Bundesrat (vgl. NZZ vom
8. 12.2008), 1. August wird Nationalfeiertag (-> vgl.
Interview mit Sablonier)
• Nationalorientierte Geschichtsschreibung blüht: Kampf
um Unabhängigkeit, Sempach usw.
• Es kommt zu nationalen Ausstellungen in Zürich und
Genf, Nationalarchiv, Landesmuseum, Bilder von Hodler
usw.
Andreas Ladner
51
Politisches System Schweiz
Prägende Merkmale des Staatsbildungsprozesses
in der Schweiz (Neidhart 2002: 121)
• Lange Bestandesdauer zentraler Werte und
Einrichtungen (Territorialstruktur, Föderalismus,
Räteregierungen)
• Traditionelle Legitimität zentraler Werte und Institutionen
(Volksherrschaft, Unabhängigkeit, Freiheit der
Gebietsstände, Neutralität)
• Früher Beginn bestimmter Modernisierungen
(Industrialisierung, Demokratisierung)
• Kontinuierliche Entwicklung, sukzessiver Wandel
• Institutionalisierung politischer Einrichtungen von unten
nach oben
• Verschont von Kriegen
• Exemplarischer Entwicklungserfolg
Andreas Ladner
52
Politisches System Schweiz
Kleinstaatlichkeit und Geschichtlichkeit (Neidhart
2002: 123)
• Weil die Schweiz klein und arm war, konnte sie keine
grossen Kanonen bauen und verlor gegen die
Franzosen bei Marignano (1515/1516) -> Neutralität
• Territoriale Bindungen verhinderten die Entstehung
grosser Böden und damit eines feudalen Hochadels,
was die frühe Demokratisierung möglich gemacht hat.
• Der kleine schwache Staat kann seine Angehörigen
weniger unterdrücken und muss ihnen wirtschaftliche
und politische Freiheiten eingestehen.
Andreas Ladner
53
Politisches System Schweiz
Und schliesslich:
• Die Schweiz als Schutzbündnis gegen aussen!
• (Notwendige) Solidarität im Innern (Pfister im TA vom
18.1.2005)
• Die Angst vor der Zentralisierung: Die Hauptstadt-Frage
(wikipedia)
Andreas Ladner
54
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