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Neue Politische Ökonomie:
Die ökonomische Logik des Staates
Vorlesung an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
SS 2008
Prof. Dr. Lars P. Feld
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,
ZEW Mannheim, Universität St. Gallen
(SIAW-HSG), CREMA Basel und CESifo
München
Pol. Ökonomie
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Die ökonomische Logik des Staates
Aufbau der Vorlesung
•
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•
•
Anarchie (‚Hauen und Stechen‘)
Das Zustandekommen des Verfassungsvertrages
Der Inhalt des Verfassungsvertrages
von Hayeks Theorie der sozioökonomischen
Evolution
• Zusammenfassung
Pol. Ökonomie
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Anarchie (‚Hauen und Stechen‘) I
• Anarchie als Ideal für einen freiheitlich
denkenden Menschen (Keine Macht für
Niemand)?
– Erster Nachteile:
• Kein Schutz des eigenen Freiheitsbereichs vor den
Übergriffen anderer.
– Ohne diesen Schutz sind die Freiheiten des einzelnen gering.
– Hobbes (1651): „Daraus ergibt sich klar, dass die Menschen
während der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im
Zaum haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden,
der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden
gegen jeden.“
Pol. Ökonomie
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Anarchie (‚Hauen und Stechen‘) II
• Anarchie als Ideal für einen freiheitlich
denkenden Menschen (Keine Macht für
Niemand)?
– Zweiter Nachteile:
• Keine Verwirklichung gemeinsamer Anliegen
(öffentliche Güter, Freifahrerproblematik).
• Der Verfassungsvertrag als Lösung
– Hobbes: Die Individuen unterwerfen sich
freiwillig einer absoluten Herrschergewalt,
dem ‚Leviathan‘.
– Problem: Wer beschränkt den Leviathan?
Pol. Ökonomie
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Das Zustandekommen des
Verfassungsvertrages I
• Die Verfassung als Bollwerk
gegen schlechte Regierungen
– Hume, Popper, von Hayek: Wie
beschränkt man die staatliche Macht
so, dass es schlechten und
inkompetenten Herrschern oder
Regierungen unmöglich wird, allzu
viel Schlechtes anzustellen?
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Das Zustandekommen des
Verfassungsvertrages II
• Die rechtsstaatliche Demokratie als
Verfassungsvertrag
– Überwindung ‚des Kampfes jedes gegen jeden‘
– gemeinsame Beschlussfassung in gemeinsamen
(‚öffentlichen‘) Angelegenheiten.
– Beschränkung der Staatsgewalt.
• Auch der Staat mit allen seinen Institutionen steht
unter dem Recht.
• ‚The rule of law‘.
• Das Spannungsverhältnis zwischen Demokratie- und
Rechtsstaatsprinzip.
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Das Zustandekommen des
Verfassungsvertrages III
• Zum ‚Schleier des Nicht-Wissens‘
– Rawls (1971), bei Buchanan und Tullock (1962) als
fundamentale Unsicherheit:
• In einer ursprünglichen Situation kennen die Individuen in
einer Gesellschaft ihre zukünftigen gesellschaftlichen
Positionen noch nicht.
• Sie sind daher bereit, einem Verfassungsvertrag
zuzustimmen, der die Komponenten ‚Rechtsstaat‘ (incl. ‚rule
of law‘ für den Staat) und ‚Leistungsstaat‘ enthält.
• Voraussetzung: Zustimmung nach Einstimmigkeitsregel.
• ‚geordnete Anarchie‘ (Buchanan, 1975).
• Minimax-Regel bei Risikoaversion.
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Der Inhalt des Verfassungsvertrages I
• Der Rechtsstaat
– Zuweisung exklusiver Verfügungsrechte über knappe
Ressourcen zur Abgrenzung der individuellen
Freiheitsspielräume.
•
•
•
•
Uneingeschränkte Verfügungsfreiheit des Eigentümers.
Vertragsfreiheit.
Der Rechtsstaat impliziert das Tauschsystem des Marktes.
Beschränkung der Vertragsfreiheit für ‚unveräußerliche‘
Rechte.
• Durchsetzung dieser Regeln durch Gerichte, die Polizei und
Streitkräfte.
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Der Inhalt des Verfassungsvertrages II
• Der Leistungsstaat
– öffentliche Güter
•
•
•
•
Landesverteidigung
Außenpolitik
öffentliche Gesundheit
öffentliche Infrastruktur: Verkehr, Elektrizitätsversorgung,
Wasserver- und -entsorgung, Hochwasserschutz usw.
– Verteilungsfragen: Einkommensumverteilung
– Nicht aber rechtsstaatliche Fragen
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Der Inhalt des Verfassungsvertrages III
• Zweistufiges Verfahren zur Entscheidung
über die Inhalte von Leistungs- und
Rechtsstaat
– konstitutionelle Ebene: Individuen legen auf Verfassungsebene mit Einstimmigkeit die rechtsstaatlichen
Bestimmungen und die Abstimmungsregeln für den
laufenden politischen Prozess fest.
– Im laufenden politischen Prozess wird über
leistungsstaatliche Anliegen nach diesen
Abstimmungsregeln entschieden.
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Der Inhalt des Verfassungsvertrages III
• Verfassungsreform
– In der Verfassung muss eine Reformklausel enthalten
sein, um sich an grundlegende Veränderungen der
Welt anzupassen
• Bsp.: Deutsche Wiedervereinigung
– Die anfängliche Zuteilung von Rechten und
Entscheidungsregeln muss neu diskutiert werden
können.
– Zustimmungserfordernis für Verfassungsänderungen
wie für die Verabschiedung der Verfassung selbst.
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Der Inhalt des Verfassungsvertrages IV
• Verfassungsreform
– Wer soll die Kompetenz haben, die Verfassung zu
ändern?
– Wer hat die ‚Kompetenzkompetenz‘?
– Individualistische Logik: Die Bürger, die sich der
Verfassung unterwerfen, sollten diese selbst besitzen.
– Regierung und Parlament sind nur Agenten der Bürger (Prinzipale): Qualifizierte Mehrheiten in den Parlamenten sollten für Verfassungsänderungen nicht genügen.
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Der Inhalt des Verfassungsvertrages V
• Verfassungsreform
– Delegation der Kompetenzkompetenz entspricht der
Souveränitätsaufgabe.
– Agenten können nicht mehr an einer Verselbständigung gehindert werden.
– Verfassungsänderungen bedürfen der direkten Zustimmung der Bürger, selbst wenn die Handlungskompetenz der Agenten etwa durch ein Verfassungsgericht oder die Unabänderbarkeit bestimmter
Verfassungsbestimmungen eingeschränkt wird.
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Von Hayeks Theorien der
sozioökonomischen Evolution I
• Ausgangspunkt ist ebenfalls das ökonomische
Verhaltensmodell.
• Ein Verfassungsvertrag wird hier nicht durch
explizite Willensäußerung geschlossen.
• Die Verfassung entwickelt sich quasi.
• Spontane Ordnung und abstrakte Regeln
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Von Hayeks Theorien der
sozioökonomischen Evolution II
• Spontane Ordnung
– Entsteht endogen durch gegenseitige Anpassung der
Akteure.
– Der Markt kommt ebenfalls nicht durch den planenden Willen der Individuen zustande.
– Selektionsprozess, bei dem sich die jeweils effizienteste Lösung durchsetzt.
– Wettbewerb als Prozess, als ‚Entdeckungsverfahren‘
– Dies gilt auch für staatliche Regeln.
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Von Hayeks Theorien der
sozioökonomischen Evolution III
• Abstrakte Regeln
– Die spontane Ordnung entsteht nicht voraussetzungslos, sondern innerhalb abstrakter Regeln (allgemeine
Verbote).
• Bsp.: Eigentums- und Wettbewerbsordnung
– Aber auch die abstrakten Regeln ergeben sich im
Evolutionsprozess.
– Ablehnung eines Konstruktivismus: Rechtssysteme
sind zu komplex, um konstruiert werden zu können.
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Von Hayeks Theorien der
sozioökonomischen Evolution IV
• Abstrakte Regeln
– Konstruierte Rechtssysteme können im Evolutionsprozess nicht überleben.
– Maßlose Selbstüberschätzung des menschlichen
Könnens.
– Nach Hayek werden Regeln für eine Gruppe mehr
oder weniger zufällig gefunden.
– Durchsetzung der fittesten Regeln: Selektionsprozess.
– Nur Gruppen überleben, die überlegene Regeln
entwickeln.
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Zusammenfassung I
• Der Staat als Regulativ, um ‚Hauen und
Stechen‘ zu verhindern.
• Individuelle Anreize zur Schaffung eines
Rechtsstaates (‚rule of law‘, ‚government
under the law‘) und eines Leistungsstaates.
• Entstehung einer Verfassung aus vertragstheoretischer Perspektive hinter dem Schleier
des Nicht-Wissens
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Zusammenfassung II
• Verfassungsreform nach Regeln der
Entscheidung über eine Verfassung
• Kompetenzkompetenz des Souveräns (der
Bürger).
• Kritik an der vertragstheoretischen Sicht aus
Hayeks Perspektive
• Survival of the fittest order and the fittest
rules
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Zusammenfassung III
• Survival of the group with the fittest order
and the fittest rules.
• Kritik
– Problem des Zirkelschlusses: Regeln (Gruppen) haben überlebt, weil sie am erfolgreichsten sind, und
Regeln sind erfolgreich (und sollten deshalb angenommen werden), weil sie überlebt haben.
– Fehlen eines klaren Rationalkalküls in Hayeks Ansatz
– Individuelle Entscheidungen haben immer auch
eine planende (konstruktivistische) Komponente
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Literatur
– Buchanan, J. M. (1975), The Limits of Liberty: Between Anarchy and
Leviathan, Chicago: University of Chicago Press.
– Buchanan, J. M. and Tullock, G. (1962), The Calculus of Consent,
Ann Arbor: University of Michigan Press.
– Hayek, F.A. v. (1960), Die Verfassung der Freiheit, Tübingen: Mohr
Siebeck.
– Hayek, F.A. v.(1979), Law, Legislation and Liberty: A New Statement
of the Liberal Principles of Justice and Political Economy, Chicago:
University of Chicago Press; deutsche Übersetzung: Recht, Gesetz
und Freiheit, Mohr Siebeck, Tübingen 2003.
– Hobbes, T. (1651), Leviathan or the Matter, Form and Power of a
Commonwealth, Ecclesiastical and Civil, Cambridge 1991.
– Rawls, J. A. (1971), A Theory of Justice, Cambridge: Belknap Press.
Literatur
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