Einführung in die romanische Sprachwissenschaft VIII 30.11.2010 1 Semantik 2 Semantik Die Semantik (aus gr. σημαίνειν ‘bezeichnen’, ‘anzeigen’) ist ein Teilbereich der Semiotik und befasst sich mit der Bedeutung sprachlicher Zeichen, die aus drei verschiedenen Relationen hervorgeht. Diese sind abhängig von der Beziehung zur außersprachlichen Umwelt (= Referenz des sprachlichen Zeichens), von der Beziehung zu anderen sprachlichen Zeichen (= Regeln des Gebrauchs sprachlicher Zeichen sowie von der Ausdrucksabsicht des Sprechers (= das Gemeinte). 3 Semantik - SEMASIOLOGIE Semasiologie (= geht von der Form aus und Fragt nach den Inhalten) lat. HOMO, -INIS 4 „Mensch“ „Mann“ „Ehemann“ „…“ Semantik - SEMASIOLOGIE Wörterbucheintrag (der Inhalt des Ausdrucks HOMO) 5 Semantik - ONOMASIOLOGIE Onomasiologie (= Frage nach den Ausdrucksmöglichkeiten für bestimmte Inhalte) klat. UXOR, -ORIS „Ehefrau“ klat. MULIER, -IERIS 6 Semantik - ZEICHENMODELLE Zeichenmodelle (1) Ferdinand des Saussure 7 arbiträres Verhältnis Semantik - ZEICHENMODELLE Zeichenmodelle (2) Ogden/Richards 8 Semantik Arbitrarität (Willkürlichkeit des sprachlichen Zeichens) Die Arbitrarität ist relativ Motiviertheit des sprachlichen Zeichens 9 it. il fumo sp. el humo it. fumare sp. fumar Semantik Polysemie: eine Form – verschiedene Bedeutungen frz. figure „Figur“ „Gestalt“ „Aussehen“ „Gesicht“ „Bild“ (bei Spielkarten) 10 Semantik Die Semantik lässt sich grob in die folgenden vier Teilbereiche untergliedern (1) Wortsemantik (2) Satzsemantik (3) Textsemantik (4) Diskurssemantik 11 Semantik WORTSEMANTIK Die Wortsemantik ist sowohl ein Teil der lexikalischen Semantik als auch ein Teil der semantischen Interpretation, welche die Relationen zwischen Wörtern und der realen Welt definiert. 12 Semantik WORTSEMANTIK Die Satzsemantik untersucht, wie aus der Bedeutung einzelner Wörter durch ein festes Inventar an Verknüpfungsregeln die Bedeutung von größeren syntaktischen Einheiten Phrasen, Satzgliedern, Teilsätzen und ganzen Sätzen hervorgeht. Die Interpretation eines Satzes muss dabei auf einer Analyse seiner syntaktischen Struktur aufgebaut werden. 13 Semantik TEXTSEMANTIK Die Textsemantik konzentriert sich auf die Analyse der Kombination von Sätzen als reeller oder hypothetischer Sachverhalte zu Erzählungs-, Beschreibungs- oder Argumentationszusammenhängen. 14 Semantik DISKURSSEMANTIK Die Diskurssemantik arbeitet auf der Ebene von Texten verschiedener Personen, die miteinander in Beziehung stehen (Diskussion, Unterhaltung, Lehrveranstaltung…). 15 Semantik Wissenschaftsgeschichte Als Begründer der modernen Semantik gilt der französische Philologe Michel Jules Alfred Bréal (1832-1915) mit seinem Aufsatz Essai de Sémantique (1897). In seinem Cours de linguistique générale (1916) geht auch Bréals Schüler Ferdinand de Saussure auf semantische Fragestellungen ein. Er unterscheidet zwischen einem Lautbild (signifiant) und einer gedanklichen Vorstellung (signifié). 16 Semantik Wissenschaftsgeschichte Der sprachhistorisch ausgerichtete Germanist Jost Trier (1894-1970) entwickelte 1931 die lexikalische Feldtheorie. Wenn ein einzelnes Wort eine semantische Veränderung erfährt, dann ändert sich schließlich die ganze Struktur des lexikalischen Feldes. 17 Semantik Wissenschaftsgeschichte Die strukturelle Semantik Eine selbständige strukturelle Semantik entwickelte sich seit den 50er und 60er Jahren in Europa. Die strukturalistisch orientierten Linguisten übertrugen das im Rahmen der Phonologie übernommene Prinzip der distinktiven Merkmale auf die Semantik. 18 Semantik Wissenschaftsgeschichte Die strukturelle Semantik Der aus Ungarn stammende, aber vor allem in England lehrende Stephen Ullman (1914-1976) publizierte Werke wie The Principles of Semantics (1951), Précis de sémantique française (1952) sowie Semantics. An Introduction to the Science of Meaning (1962). 19 Semantik Wissenschaftsgeschichte Die strukturelle Semantik Der britische Linguist John Lyons brachte 1964 seine Structural Semantics heraus. 1966 erschien Bernard Pottiers (*1924) Sémantique e syntaxe. 20 Strukturelle Semantik 21 Semantik Wissenschaftsgeschichte Die generative Semantik In Amerika machte sich in den 60er Jahren der Einfluss der Generativistik auch in der semantischen Betrachtung der Sprache bemerkbar. Jarrold J. Katz und Jerry A. Fodor veröffentlichten 1963 in der Fachzeitschrift Language den Artikel „The Structure of a Semantik Theory“, in dem eine komponentielle Semantik vorgestellt wird. Allerdings hat sich dieser Ansatz in der Generativistik nicht etablieren können. Die lexikalische Semantik ging in der Generativistik schließlich in der Satzsemantik auf. 22 Semantik Wissenschaftsgeschichte Die Prototypensemantik Die Ende der 60er Jahre von der Psychologin Eleanor Rosch (*1938) entwickelte Prototypensemantik sorgte für einen kognitiven Paradigmenwechsel in der Linguistik. Sie fand im Rahmen ihrer Untersuchungen heraus, dass die Menschen bei der Kategorisierung von Objekten des Alltags weniger nach abstrakten Kriterien vorgehen, sondern sich vielmehr an repräsentativen Vertretern (sogenannten Prototypen) in ihrer Umwelt orientieren. So ist beispielsweise in Mitteleuropa der typische Vertreter für „Obst“ der Apfel oder für „Vogel“ der Spatz. 23 Semantik Wissenschaftsgeschichte Prototypensemantik 24 Semantik Wissenschaftsgeschichte Prototypensemantik 25 Frames-Semantik („Rahmensemantik“) Die Verben comprare / comprar / acheter und vendere / vender / vendre rufen beim Sprachbenutzer automatisch ein Handelsszenario hervor: Kunde, Käufer, Geschäft, Ware, Geld etc. 26 Lexikalische Semantik Die lexikalische Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Wortsemantik Die lexikalische Semantik beschäftigt sich sowohl mit der Bedeutung von Wörtern als auch mit der inneren Strukturierung des Wortschatzes insgesamt. Die Wortsemantik ist sowohl ein Teil der lexikalischen Semantik als auch ein Teil der semantischen Interpretation, welche die Relationen zwischen Wörtern und der realen Welt definiert. 27 Lexikalische Semantik GRUNDBEGRIFFE 28 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Denotation und Konnotation Unter der Denotation versteht man die neutrale kontext- und situationsunabhängige Grundbedeutung eines sprachlichen Ausdrucks, während die Konnotation kontext- und situationsabhängig ist. Aus denotativer Sicht bezieht sich it. volpe auf das Säugetier (Guarda, una volpe!). Unter konnotativem Aspekt versteht man darunter hingegen eine schlaue Person (Sei proprio una volpe!). 29 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Denotat und Konnotat („Inhalt und Beigeschmack“) Konventionelle Bedeutung Affektive Begleitvorstellungen Frz. la lune – sp./it. la luna Denotat „Erdtrabant“ Konnotat „romanisch“ „unheimlich“ 30 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Intension und Extension Der begriffliche Inhalt eines sprachlichen Ausdrucks (wie beispielsweise in einem Wörterbuch) wird als seine Intension bezeichnet. So besteht der begriffliche Inhalt des Substantivs hombre, homme, homen, uomo aus den Inhalten [+Mann] und [+Mensch]. 31 INTENSION 32 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Intension und Extension Unter der Extension eines sprachlichen Ausdrucks ist die Menge aller Menschen, Dinge, Sachverhalte etc. zu verstehen, auf die mit dem betreffenden Ausdruck Bezug genommen werden kann. So verweist beispielsweise das Substantiv actor, acteur, attore prinzipiell auf sämtliche Schauspieler der Vergangenheit sowie der Gegenwart. 33 EXTENSION actor attore acteur 34 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Sem und Semem Unter einem Sem versteht man das kleinste distinktive semantische Merkmal der Bedeutung eines Wortes. Seme sind elementare Bedeutungselemente, die zum Aufbau der Bedeutung eines einfachen Wortes dienen. Der Begriff wurde durch die französischen Linguisten Algirdas Julien Greimas (1917-1992) und Bernard Pottier (*1924) theoretisch ausgebaut. 35 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Sem und Semem Der Begriff des Sems beruht auf der Annahme, dass man die Bedeutung von Wörtern (Lexemen) als eine Kombination solcher Seme beschreiben kann. Jedes Wort sollte eine Kombination von Semen aufweisen, die es in mindestens einem dieser Seme von anderen Wörtern unterscheidet. Die Bedeutung eines Wortes lässt sich im Rahmen einer Komponentenanalyse als eine bestimmte Konfiguration seiner Seme darstellen. 36 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe - KOMPONENTENANALYSE S = SEM 37 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Sem und Semem Unter einem Semem versteht man die Gesamtbedeutung von Wörtern, die als Kombination von Semen (d.h. von semantischen Merkmalen) auftritt. Das Semem ist somit eine hierarchisch geordnete Struktur, bestehend aus den Semen des Wortes, das sich von dem Semem eines bedeutungsverwandten Wortes in wenigstens einem Sem unterscheiden sollte. 38 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Zum Semem des Substantivs it. ragazza / sp. muchacha gehören u.a. die Seme [menschlich], [jung] und [weiblich], während zum Semem des Substantivs it. ragazzo / sp. muchacho die Seme [menschlich], [jung], [männlich], etc. gehören. Die beiden Wörter unterscheiden sich durch die beiden Seme [männlich] und [weiblich]. 39 Lexikalische Semantik Grundbegriffe Semantische Relationen Zu den semantischen Relationen gehören Synonymie Antonymie Homonymie Polysemie Hyponymie Hyperonymie und Kohyperonymie Meronymie 40 Lexikalische Semantik Grundbegriffe SYNONYMIE 41 Semantik 42 Erste Reflexionen über Synonymie Frankreich Abbé de Pons (1683-1732), Dissertation sur les langues en général et sur la langue françoise en particulier (1716) Der 3. Artikel „De la Richesse des Langues“ befasst sich mit der Problematik der Synonyme o Keine eigentlichen Synonyme im Frz. vorhanden o Der Reichtum einer Sprache besteht darin, dass es in ihr keine vollkommenen Synonyme gibt. 43 Erste Reflexionen über Synonymie Frankreich Abbé Girard Synonymes francois, leurs différentes significations…(1718) 44 Die einzelnen Synonyme enthalten alle dieselbe Grundvorstellung („idée principale“) Jedes Synonym fügt der Grundvorstellung besondere Nebenvorstellungen hinzu („idées accessoires“) Erste Reflexionen über Synonymie Italien Carlo Costanzo Rabbi (1687- 1746) Sinonimi ed aggiunti italiani 45 raccolti da Carlo Costanzo Rabbi bolognese della Congregazione Agostiniana di Lombardia. Con un Trattato de’ sinonimi, degli aggiunti, e delle similitudini (11732) Erste Reflexionen über Synonymie José López de la Huerta - 1789 46 Erste Reflexionen über Synonymie 47 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Synonymie Echte und partielle Synonymie Echte Synonymie ist eher selten. In den meisten Fällen handelt es sich lediglich um eine partielle Synonymie. 48 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Synonymie Zur Verdeutlichung der Problematik verweist Dardano auf porzione, sezione und frazione, bei denen die Synonymie lediglich auf der gemeinsamen Bedeutung „Teil von etwas“ beruht (una porzione del tutto = una sezione del tutto = una frazione del tutto). 49 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Synonymie Bei der konkreten Verwendung der Wörter stößt die Synonymie jedoch schnell an ihre Grenzen: una porzione di torta *una sezione di torta *una frazione di torta una sezione di dell’ufficio *una porzione dell’ufficio *una frazione dell’ufficio 50 Geosynonyme (it. geosinonimi) Eine charakteristische Erscheinung in der italienischen Sprache sind vor allem die sogenannten Geosynonyme, d.h. ursprünglich dialektale Ausdrücke, die in die Standardsprache Eingang gefunden haben und jeweils die gleiche oder annähernd gleiche Bedeutung haben: 51 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Antonymie Antonymie Unter Antonymie versteht man im Allgemeinen die Gegensätzlichkeit von Wortbedeutungen. Auf lexikalischer Ebene können unterschiedliche Formen von Antonymie unterschieden werden (1) graduelle Antonymie (2) Komplementarität (3) Inkompatibilität (4) konverse und reverse Relation. 52 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: graduelle Antonymie Graduelle Antonymie Eine graduelle Antonymie liegt dann vor, wenn zwei Wörter einen Gegensatz zwischen zwei Polen bezeichnen, bei denen es aber noch diverse Abstufungen gibt. 53 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Komplementarität Komplementarität Von Komplementarität spricht man, wenn ein Bedeutungsgegensatz zwischen zwei Wörtern existiert und gleichzeitig aus der Negation des einen Wortes resultiert. Man spricht in diesem Fall auch von kontradiktorischer Antonymie. homme – femme hombre – mujer homem – mulher uomo - donna 54 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Inkompatibilität Inkompatibilität Inkompatibilität liegt bei zwei Wörtern vor, deren Relation auf dem Prinzip der Kohyponymie beruht. 55 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Hyperonym mamifère Ko-Hyponym tigre 56 Ko-Hyponym lion Inkompatibilität Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: konverse Relation KONVERSE RELATION Bei einer konversen Relation bezeichnen zwei Wörter zwar denselben Vorgang, betrachten ihn aber aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. So beschreiben die Verben fr. acheter, it. comprare, sp. comprar (‘kaufen’) und frz. vendre, it. vendere, sp. vender (‘verkaufen’) gleichermaßen den Akt eines Handels, unterscheiden sich aber aufgrund ihrer Perspektive. 57 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: reverse Relation Eine reverse Relation liegt vor, wenn zwei Lexeme inkompatibel sind. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn beide Wörter ein bestimmtes Geschehen bezeichnen, wobei das eine Wort den Anfang eines bestimmten Geschehens bezeichnet das andere hingegen das Ende, z.B. frz. commencer, it. cominciare, it. iniziare, sp. empezar (‘beginnen’) und frz. finir, terminer, it. finire, it. terminare, sp. acabar, sp. terminar (‘beenden’). 58 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Homonymie Homonymie Als Homonym wird ein Wort bezeichnet, das für verschiedene Begriffe stehen kann. Im Falle von Homonymie handelt es sich um zwei oder mehr Wörter, die zwar den gleichen Signifikanten haben, nicht jedoch das gleiche Signifikat. 59 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Polysemie Polysemie Unter Polysemie versteht man ein Wort, das infolge der Ausdifferenzierung eines gemeinsamen semantischen Kontextes für verschiedene Begriffe steht. Ein Signifikant hat mehrere Signifikate, die aber miteinander in Verbindung stehen. Ein gewisses Maß an Polysemie stellt in natürlichen Sprachen den Normalfall dar. 60 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Polysemie 61 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Polysemie Polysemie „fliegen“ frz. voler 62 „stehlen“ Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Polysemie 63 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe: Hyponymie, Hyperonymie, Kohyponymie Hyponymie, Hyperonymie und Kohyponymie Bei Hyponymie handelt es sich um den Unterbegriff, bei Hyperonymie um den Oberbegriff. 64 Lexikalische Semantik Hyperonym mamifère Hyponym lion 65 Lexikalische Semantik Hyperonym mamifère Hyponyme lion chien vache chat lièvre tigre Kohyponyme 66 Lexikalische Semantik Hyperonym mamifero Hyponyme leone cane vacca gatto lepre tigre Kohyponyme 67 Lexikalische Semantik – Grundbegriffe Meronymie Unter Meronymie versteht man eine hierarchische Teil-Ganzes-Beziehung, etwa im Bereich der Körperteile. Bei der Meronymie handelt es sich um eine lexikalische Unterordnungsbeziehung, die sich deutlich von der Hyponymie unterscheidet 68 Lexikalische Semantik corps tête cou poitrine bras coude avant-bras main Meronymie 69 poignet doit jambe Diachrone Semantik Bedeutungswandel 70 Diachrone Semantik Polysemie als Motivation für lexikalischen Wandel Lat. ALTUS, -A, -UM „hoch“ (von unten gemessen) „hochragend“, „erhaben“ „tief“ (von oben gemessen) „tief innerlich“ „laut“ (Stimme) „fest“ „geheim“ „gründlich“ „breit“ „weit zurückliegend“ (horizontal gemessen) 71 Diachrone Semantik lat. ALTUS, -A, -UM 72 [von unten gemessen] Diachrone Semantik 73 [von oben gemessen] lat. ALTUS, -A, -UM Diachrone Semantik [Einschränkung der Polysemie/Spezialisierung] vlat. ALTU, -A „hoch“ „tief“ 74 vlat. *PROFUNDU Lücke wird gefüllt Diachrone Semantik Das (neue) Antonym von ALTUS, -A, -UM [von oben gemessen] „tief“, „bodenlos“ „hoch“ (Himmel) <poet.> „weit“, „dicht“ (Wald, nacht) „bodenlos“, „unermesslich“ klat. PROFUNDUS, -A, -UM 75 Diachrone Semantik [von oben gemessen] it. profondo, -a (< lat. PROFUNDUS, -A, -UM) 76 Diachrone Semantik [von oben gemessen] sp. hondo, -a (< lat. (PRO)FUNDUS, -A, UM ) 77 Diachrone Semantik [von oben gemessen] frz. profond, -e (< lat. PROFUNDUS, -A, -UM) 78 Diachrone Semantik it./sp. alto frz. haut it. basso frz. bas sp. bajo [von unten gemessen] vlat. *BASSUS 79 Diachrone Semantik lat. ALTUS, -A, -UM [horizontal gemessen] 80 Diachrone Semantik it. largo, -a (< lat. LARGUS, -A, -UM) [horizontal gemessen] 81 Diachrone Semantik frz. large (< lat. LARGUS, -A, -UM) [horizontal gemessen] 82 Diachrone Semantik sp. ancho (< lat. AMPLUS, -A, -UM) [horizontal gemessen] 83 Diachrone Semantik lat. ALTUS, -A, -UM > it. alto, -a > sp. alto, -a > frz. haut, -e „laut“ [akustisch gemessen] 84 Diachrone Semantik it. alto, -a 85 [von unten gemessen] Diachrone Semantik sp. alto, -a 86 [von unten gemessen] Diachrone Semantik frz. haut, -e 87 [von unten gemessen] Diachrone Semantik Hyperonymie – Hyponymie (Oberbegriff - Unterbegriff) 88 Diachrone Semantik klat. FRUMENTUM „Getreide“ „Weizen“ (= wichtigstes Brotgetreide) = klat. TRITICUM > fr. froment (blé tendre) „Weizen“ > it. frumento „Weizen“ > kat. forment (oder blat) „Weizen“ > asp. hormiento „Weizen“ (nsp. trigo < lat. triticum „Weizen“) 89 Diachrone Semantik Hyperonym [klass. Latein] FRUMENTUM „Getreide“ TRITICUM SECALE HORDEUM „Weizen“ „Roggen“ „Gerste“ Hyponyme 90 Diachrone Semantik Hyperonym [Kommt außer Gebrauch] [Vulgärlatein: Italien, Gallien] FRUMENTUM „Getreide“ TRITICUM SECALE HORDEUM „Weizen“ „Roggen“ „Gerste“ Hyponyme 91 Diachrone Semantik Hyperonym FRUMENTUM „Weizen“ [Lücke] [Vulgärlatein: Italien, Gallien] CĔRĔALIS SECALE HORDEUM „Roggen“ „Gerste“ Hyponyme 92 Diachrone Semantik CERES = Göttin des Ackerbaus Hyperonym FRUMENTUM „Weizen“ CĔRĔALIS (Adj. „Getreide-“) SECALE HORDEUM „Roggen“ „Gerste“ Hyponyme 93 Diachrone Semantik Hyperonym frz. céréales „Getreide“ frz. frument frz. seigle frz. orge „Weizen“ „Roggen“ „Gerste“ Hyponyme 94 Diachrone Semantik it. cereali Hyperonym „Getreide“ it. frumento it. segale/-a „Weizen“ „Roggen“ Hyponyme it. orzo „Gerste“ 95 Diachrone Semantik Bedeutungsübertragung (Tropen) Metapher Tabu Euphemismus 96 Diachrone Semantik Metapher: Verblassen der ursprünglichen Affekthaftigkeit Umwandlung von Metaphern in neue lexikalische Einheiten Lexikalisierung von Metaphern Einsatz von Metaphern zur Vermeidung von Tabuwörtern (Euphemismen) 97 Diachrone Semantik [Metapher zur Bezeichnung des Kopfes] in Gallien und Italien Polysemie TESTA 98 Diachrone Semantik in Gallien und Italien Lexikalisierung TESTA Neue Ausdrücke 99 Diachrone Semantik [Metapher zur Bezeichnung des Kopfes] Polysemie it. zucca frz. citrouille 100 Diachrone Semantik Metonymie Lexem A steht in kausaler, räumlicher oder zeitlicher Beziehung zu Lexem B 101 Diachrone Semantik in Hispanien Metonymie CAPITIA (< Pl. von CAPITIUM „Kopföffnung einer Kutte“) sp. cabeza „Kopf“ 102 Diachrone Semantik [Metapher zur Bezeichnung des Kopfes] Polysemie sp. coco 103 Semantische Prozesse im Überblick Bedeutungserweiterung lat. VILLAM „Landhaus“ > frz. ville „Stadt“ Bedeutungsverringerung lat. CAPTIVUS, -A, -UM „gefangen“ > it. cattivo „vom Teufel gefangen“ (< CAPTIVUS DIABOLI) > „böse“ Bedeutungsspezialisierung ALTUS, -A, -UM „hoch“, „tief“, „breit“ > frz. haut, -e, sp./it. alto, -a „hoch“ Bedeutungsverbesserung lat. MANDUCARE „schmatzend/kauend essen“ > frz. manger, it. mangiare Bedeutungsverschlechterung arab. (AL-)WAZIR „Minister“ > sp. alguacil „Amtsdiener“ 104 Diachrone Semantik Volksetymologie (Paraetymologie) „Tag, an dem gearbeitet wird“ frz. jour ouvrable afrz. ouvrer „arbeiten“ 105 lat. OPERARI ouvrir „öffnen“ (< APERIRE) „Tag, an dem die Geschäfte geöffnet haben“ operare