Grundkurs Ökologie Biologie und Ökologie von Daphnia Anja Schanz, LB Uni Bremen, AWI Wattenmeerstation Sylt (verändert u. ergänzt nach U. Berger SS 2005) SS 2006 Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Systematische Stellung Stamm: Arthropoda (Gliederfüßer), 1 Million Arten Klasse: Crustacea (Krebse), 50.000 Arten U.-Klasse: Phyllopoda (Blattfußkrebse) > 1000 Arten Ordnung: Onychura (Krallenschwänze) U.-Ordnung: Cladocera (Wasserflöhe) Gattung: Daphnia Art: D. magna, pulex 650 Arten Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Allgemeines Verbreitung: weltweit (Kosmopoliten) Süßwasser (selten Brackwasser) Lebensdauer: 50-90 Tage D. pulex Größe der Daphnien: 0,03 bis 5 mm Komplexauge Körper von einer zweiklappigen Schale umschlossen Chitinpanzer kann nicht wachsen (Häutung) Filtrierer (Bakterien, Phytoplankton, Zooplankton) und Räuber Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Merkmale von Daphnia (Cladocera, Wasserflöhe) • Stark entwickeltes 2. Antennenpaar • (1. Antennenpaar reduziert ) • 2 Furcalkrallen („Onychura“) • Subitaneier („Jungferneier“) • Zyklomorphose (Jahreszeitlicher Gestaltwechsel) • Fortpflanzung: Heterogenie (Wechsel zwischen ein- und zweigeschlechtlicher Vermehrung) Typisch für Daphnia: Ephippium (Diapause) 2. Antenne Furcalkrallen Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Anatomie: 16 17 18 1 2. Antenne (A2 Ruderantennen/ Fortbewegung) 2 Komplexauge 3 Mitteldarmvertikel 4 Darm (beginnt am Mund, bogenförmig) 5 Herz 6 Naupliusauge (Nebenauge) 7 1. Antenne (A1 - Chemorezeptoren) 8 Thorakopoden (Blattfüße)(Filtration) 9 Carapax (zweiklappig) 10 Krallen (Furca) 11 After vor der Furca 12 Brutraum 13 Abdomen 14 Ruderborste 15 Stachel 16 Ovarium (Eierstock) 17 Filterborsten 18 Kiemensäckchen Bildquelle: http://www.cladocera.de/cladocera/cladocera.html Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Nahrungsaufnahme: • 5 Beinpaare (Blattfüße) zum Nahrungserwerb und zur Atmung (Sauerstoffaufnahme auch über gesamte Körperoberfläche) • Wasser wird durch Öffnung auf Ventralseite des Carapax eingestrudelt (Ansaugen) • Borstenränder (Filterkämme) filtern kleinste tierische und pflanzliche Organismen (Auspressen) (Größenselektion) Wasserstrom (Ansaugen) • Durch Bauchrinne wird die Nahrung zum Mund befördert, wo sie durch den Schlund (Oesophagus) aufgenommen wird Partikelstrom (Auspressen) Bild von: http://www.cladocera.de/cladocera/cladocera.html Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Nahrungsaufnahme: SEM Aufnahme der Filterorgane © MPI Plön Phänotypische Plastizität: Adaptation der Filterfläche entsprechend Nahrungsangebot. (wichtig: kann nur während Häutung modifiziert werden) http://www.mpil-ploen.mpg.de/Max-Planck-Institute for Limnology.htm Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Lebensraum • In stehenden Binnengewässern (Tümpel, Teiche bis tiefe Seen) • Permanent gefüllte Wasserkörper • Höchste Konzentrationen/Artenfülle in der Gewässervegetation (Ufergürteln) • Als Plankton in der Wassersäule (hauptsächlich im oberen Drittel, nahe der algenreichen Wasseroberfläche), an Makrophyten angeheftet und/oder in Bodennähe eines Gewässers. • Vorkommen abhängig von saisonaler Nahrungsverfügbarkeit Auch, vertikale Migration in Abhängigkeit von Jahreszeit (Phytoplanktonverfügbarkeit) und Vorkommen von Räubern (TagNachtwanderungen) Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Physikalische Anforderungen: Salinität - Vornehmlich Süßwasser, - Wenige Brackwasserarten (bis 4 ppt) Sauerstoff - Tolerant (gelöster O2 kann von 0 bis starke Übersättigung variieren) - Überleben a.G. Fähigkeit der Hämoglobinsynthese (unterstützt von hohen T) - Intolerant gegenüber feinen Luftbläschen (aufsteigende Luftblasensäule kann Daphnien töten) pH & Ammonium - pH zwischen 6.5 and 9.5 - Hoher Ammoniumgehalt + hoher pH: drastische Reduktion der Reproduktion (aber keine direkte Beeinflussung der Gesundheit der lebenden Tiere) Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Physikalische Anforderungen: Gelöste Mineralien & Schwermetalle - Cu Konz. ~ 0.01 ppm reduziert Bewegung - Zusätze von Salzen (z.B. Na2Co3 [Soda], K (KOH) [Potassium], Mg, Ca): Immobilität, eventuell Tod - P Konz. < 0.5 ppm stimuliert Reproduktion, aber > 1.0 ppm tödlich für Juvenile (aber: Daphnia magna resistent bis 5-7 ppm) - Extreme sensitiv to Metallionen: (Cu2+, Zn2+, Pestizide, Reinigungsmittel, Bleichmittel, gelöste Toxine, kontaminiertes Abwasser) Temperatur - Weiter Toleranzbereich (5-31 °C) - Topt(Daphnia magna) = 18-22 °C Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Schadstoff-Radarfalle für die Elbe Hygiene-Institut stellt neues Alarmsystem zur Entdeckung von Stõrfãllen vor. Krebse und Algen geben Gift-Warnung. Mittel, verschwiegene Schadstoffeinleitungen zu erkennen HAMBURG taz (18.6.2004) Was Rom die Gänse auf dem Kapitol waren, wird Hamburg künftig ein Krebslein sein. Die Daphnie schwimmt mit neun Artgenossen in einem Messgerät, durch das ständig Elbwasser gepumpt wird. Das Gerät erkennt, wenn sich das Verhalten der Krebse plötzlich ändert, es gleicht sich mit anderen Messgeräten ab und löst Giftalarm aus.. GERNOT KNODLER akute Toxizitätstests: z.B. Pb, Cd, Zn, Cu Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Heterogenie Parthenogenese (Jungfernzeugung) Fähigkeit der Selbst-Verdoppelung (asexuelle Reproduktion) (Nachkommen genetisch identisch mit Muttertier (Klone) Unbefruchtete Eier im Brutraum, Jungtiere schlüpfen nach 3 Tagen Nachkommen alle weiblich Änderung der Fortpflanzungsstrategie (sexuell) bei schlechteren Umweltbedingungen (z.B. Wintereinbruch) Eier aus denen Männchen schlüpfen und Befruchtungsbedürftige „Dauereier“ Nach der Befruchtung bildet sich auf dem Rücken des Weibchens ein sattelförmiges Gebilde (Ephippium); enthält zwei befruchtete Eier) Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Reproduktionsstrategie (Heterogenie) Im Mittel 4 – 22 Eier, 25 Mal pro Lebenszeit asexuell sexuell Nahrungsmangel, Überbevölkerung, niedrige Temperatur http://www.cladocera.uoguelph.ca 1-2 Latenzeier http://www.cladocera.uoguelph.ca Parthenogenese (Jungfernzeugung) Ephippien (Diapause) Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Dauereier (Diapause) Dauereier im Ephippium sind: Extrem resistent gegen schlechte Umweltbedingungen (Überwinterung) (Frost, Austrocknung) Können Jahrzehnte im Sediment ohne Sauerstoff überleben, bevor aus ihnen Weibchen schlüpfen „Versicherung“ gegen Katastrophen in der Wasersäule (Datenbank) Verschleppung durch Wassergeflügel Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Steuerfaktoren und Regulationsmechanismen Steuernde Faktoren der Populationsdynamik (Sommer et al., 1986): • Futterbedingungen, Temperatur • Räuberdruck: „top down“ Kontrolle Saisonale Muster auch in life-history Parametern Threkheld (1987): • hohe Geburtenraten im Frühjahr Abnahme in Klarwasserphase • Individuen größer bei erster Reproduktion, reduziert im Saisonverlauf Resultierende Populationsdynamik: • Dichtepeak im Frühjahr • Abnahme der Daphnienzahl während Klarwasserphase • Manchmal Herbstpeak der Populationsdichte Quantifizierung der einzelnen Faktoren a. H. empirischer Daten schwierig, da sie nicht direkt meßbar sind im Feld. Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Anpassungsstrategien an Räuberdruck (bestimmt durch „Infochemikalien“) Sommer - Änderung der Morphologie im Jahresverlauf oder bei Anwesenheit von Räubern (Zyklomorphose) siehe auch Vortrag R. Saborowski) - Änderung in „life-history“ (z.B. Individuengröße bei erster Reproduktion verringert sich) - Refugiennutzung (Vertikalwanderung) Nutzen: Minderung Räuberdruck Kosten: reduziertes Wachstum, geringere Reproduktion Winter Sommer Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Trophische Stellung/ Ökologische Bedeutung Fische, Invertebrate Räuber „top down control“ (…) Effekt auf mikrobakterielle Nahrungsketten Kontrolliert Phytoplankton Biomasse & Artenzusammensetzung, Beeinflußt saisonale Sukzession http://www.cladocera.uoguelph.ca Nährstoffe, DOC Mikroalgen, Flagellaten & Bakterien Daphnia Cladocera (Wasserflöhe) Ökologische Bedeutung positiv: • Wichtiges Bindungsglied in Nahrungsketten • Hauptnahrungsquelle für viele Fischarten (Stichlinge), Jungfische, kommerzielle Fischarten (Lachs) sowie Amphibien • Nahrung für aquatische Insektenlarven und andere Invertebraten • Aufnahme und „Nutzbarmachung“ von Phytoplankton Bedeutung für den Menschen: • Für Aquarianer: Futterquelle und zum Klären des Wassers (mögl. negative Auswirkung auf einzelne Arten durch Entnahme aus natürlichen Systemen) • Toxizitätstests • Bedeutung für Forschung (z.B. Paläolimnologie, Max Planck Institut Plön) (Populationsgenetische und evolutionsbiologische Fragen, genetische Variabilität,) ( negativ): • Obwohl für aquatische Systeme von hoher Bedeutung, zeitweilige Limitierung der Populationsgröße anderer Organismen, durch Konkurrenz um Nahrung und Sauerstoff Grundkurs Ökologie Biologie und Ökologie von Daphnia SS 2006