Zur Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung der Schweiz Emanuel A. Wüthrich, Dozent, Projektverantwortlicher Berufsreformen [email protected] Übersicht • • • • • • • • • Der Kompetenzbegriff in der Berufsbildung Kompetenzorientierung – konzeptioneller Zugang Kompetenzorientierung - Didaktischer Zugang Die triale Berufsbildung in der beruflichen Grundbildung der Schweiz Kompetenzorientierung im Berufskundeunterricht Kompetenzorientierung - Lerntheoretische Begründung Fazit Desiderata der Berufsbildung an die Sekundarstufe 1 Referenzen 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 21 Der Kompetenzbegriff in der beruflichen Grundbildung Berufliche Handlungskompetenz (BBG, 2004): «Handlungskompetent ist, wer eine berufliche Handlungssituation erfolgreich meistert. Dazu bedarf es der situationsadäquaten Mobilisierung eines Bündels von relevanten Ressourcen: Kenntnissen, Fähigkeiten/Fertigkeiten und Haltungen» (vgl. Kaiser, 2005a) 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 31 Kompetenzorientierung Konzeptioneller Zugang Berufe kompetenzorientiert entwickeln: Von beruflichen Handlungssituationen ausgehend wird das Qualifikationsprofil erstellt: Ein Beruf besteht aus ca. 30-40 Handlungssituationen, diese werden zu ca. 4 – 8 Handlungskompetenzbereichen zusammengefasst Berufliche Handlungssituation 2 Berufliche Handlungssituation 3 Berufliche Handlungssituation 1 21.8.2012 Berufliche Handlungssituation x Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 41 Das Qualifikationsprofil – das tabellarische Berufsbild 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 51 Kompetenzorientierung Didaktischer Zugang Systematisch Transfer fördern: In der Berufsbildung werden Ressourcen von beruflichen Handlungssituationen ausgehend aufgebaut: Ressource x Eigenschaften der Milch kennen Rohstoffe annehmen und lagern Berufliche Handlungssituation 2 21.8.2012 Ressource 1 Ressource 2 Berufliche Handlungssituation 3 Berufliche Handlungssituation x Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 61 Die triale berufliche Grundbildung in der Schweiz Die Ressourcen der Berufslernenden werden an drei Lernorten aufgebaut: Betrieb: baut vor allem die Ressourcen Fähigkeiten/ Fertigkeiten sowie Haltungen auf Starke Anwendungsorientierung Modellernen als dominante Lehr-Lernmethode Learning by doing (trial and error) 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 71 Die triale berufliche Grundbildung in der Schweiz Berufsfachschule: baut vor allem die Ressource Kenntnisse auf Begriffe, Konzepte, Zusammenhänge Kompetenzorientierter Unterricht mit hohem Grad an Selbststeuerung Allgemeinbildender Unterricht oder Berufsmaturität: Enkulturation oder Vorbereitung auf die Fachhochschule 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 81 Die triale berufliche Grundbildung in der Schweiz Überbetriebliche Kurse: bauen vor allem die Ressourcen Fähigkeiten/ Fertigkeiten auf Ergänzen, einüben, reflektieren der Praxis Modellernen, Peer-Learning, Arbeitsaufträge 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 91 Die triale berufliche Grundbildung in der Schweiz Handlungskompetenz hängt eng mit der Transferfähigkeit der Lernenden zusammen, daher ist die Lernortkooperation ein wichtiges Merkmal der Ausbildungsqualität. Transfer fördern, Kohärenz sicherstellen Instrumente: Lerndokumentation, Modellehrgang (Übersicht welche Ressourcen werden wann wo ausgebildet?) 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 10 1 Träges Wissen vermeiden Maxime für die Berufsfachschulen: Das in der Berufsfachschule aufgebaute Wissen muss anwendungsbezogen, relevant und verfügbar sein. 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 11 1 Kompetenzorientierung im Berufskundeunterricht - BKU zum Beispiel: das AVIVA-Modell (aus dem Kognitivismus) A = Ankommen, ins Thema einleiten > in die Situation einführen 5% V = Vorwissen aktivieren > an erlebte Situationen erinnern 10% I = Information vermitteln > Ressourcen aufbauen, an situativem Wissen anknüpfen 30% V = Verarbeiten / Üben > flexibilisieren, Ressource auf andere Situationen übertragen 40% A = Auswerten (formatives Feedback) > Selbstgesteuertes Lernen ermöglichen 15% 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 12 1 Kompetenzorientierung: Lerntheoretischer Zugang Deklaratives Wissen: Fachwissen, Begriffe und Definitionen Anwendung: bewusst und absichtsvoll, regelhaft Prozedurales (a) und sensomotorisches (b) Wissen: routiniertes Können Anwendung: (a) regelhaft, wenig bewusst (z.B. Essen) (b) rückgekoppelt, steuert gut beherrschte Abläufe (z.B. Autofahren, Skilaufen) Situatives Wissen: Erfahrungen, Erinnerungen an Erlebtes (in allen Facetten: kognitiv, emotiv, motivational, volitional…) Anwendung: wird spontan aktiviert durch assoziative Erinnerung an ähnliche Situationen. Haltungen: (savoir être) motivations- und willensbasiert, geprägt durch Einstellungen, Werte und Normen 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 13 1 Die Macht des situativen Wissens In einer Situationen der Praxis, wenn wir mit einer Problemstellung konfrontiert sind, wird unser Hirn spontan nach ähnlichen Situationen „gescannt“ und ruft entsprechend ähnliche Problemlösungsstrategien ab. An deklaratives Wissen, das wir in der Schule gelernt haben, erinnern wir uns in solchen Situationen deshalb nicht, weil für unser Bewusstsein keine Verknüpfung zwischen der Situation im Klassenzimmer und der aktuellen Situation in der sich das Problem stellt, besteht. 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 14 1 Exkurs: Konstruktivismus und Standardisieren Lernen: Kompetenzorientierung geht von individuellen Lernprozessen aus > konstruktivistisches Paradigma versus Prüfen, Bewerten Standardisierung > instruktivistisches Paradigma «Wer eine berufliche Handlungssituation erfolgreich meistert, ist beruflich handlungskompetent» vs. schriftliche Prüfungen (Fachwissen) Allgemeinbildender Unterricht: Kompetenzen zeigen können > Portfolioarbeit, Projektarbeit > Standardisierung nicht möglich 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 15 1 Fazit Kompetenzorientierung in der Berufsbildung wird durch den Bezug zu realen Handlungssituationen umgesetzt. (Erlebte) (berufliche) (Handlungs-)Situationen stehen im Mittelpunkt der Konzeption und der Didaktik beruflichen Lernens Können (erlebte) (lebensweltliche) (Handlungs-)Situationen im Mittelpunkt der Konzeption und der Didaktik der Allgemeinbildung stehen? > Diskutiert diese Frage in eurem Fach. Erstellen Sie eine SWOT-Analyse auf Flip-Chart 40’ 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 16 1 Referenzen Kaiser, H. (2005a). Wirksame Ausbildungen entwerfen ‐ Das Modell der konkreten Kompetenzen. Bern: h.e.p. verlag. Kaiser, H. (2005b). Wirksames Wissen aufbauen ‐ ein integrierendes Modell des Lernens. Bern: h.e.p. verlag. Städeli, Ch., Grassi, A., Rhiner, K., Obrist, W. (2010) Kompetenzorientiert unterrichten. Das AVIVA-Modell. Bern: h.e.p. verlag Wettstein, E., Gonon, Ph. (2009). Berufsbildung in der Schweiz. Bern: h.e.p. verlag Zbinden-Bühler, A. (2010). Berufe reformieren und weiterentwickeln. Ein handlungskompetenzorientierter Ansatz. Bern: h.e.p. verlag 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 17 1 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 21.8.2012 Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung, 18 1