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Medienservice Travail.Suisse – Ausgabe vom 10. Februar 2014
Die Stärke der Schweiz: ein differenziertes Bildungssystem
Die Schweizer Gesellschaft und (Volks-)Wirtschaft profitiert von einem differenzierten
Bildungssystem. Dazu gehören starke berufsbildende und allgemeinbildende Wege. Im
Unterschied zu vielen anderen Ländern macht die Schweiz nicht den Fehler, den Erfolg vor
allem vom allgemeinbildenden Weg zu erwarten. Denselben Weg geht die Schweiz auch in
der Berufsbildung, die Abschlüsse auf allen Niveaustufen anbietet. Für Travail.Suisse ist es
eine grundlegende politische Aufgabe, sich für dieses differenzierte Bildungssystem in der
Schweiz einzusetzen, wie das auch die Bundesverfassung in Art. 61a3 fordert.
Von Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse
Der Text der Bundesverfassung hat gegenüber Bund und Kantonen klare Forderungen: Bund und
Kantone “setzen sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben dafür ein, dass allgemein bildende und
berufsbezogene Bildungswege eine gleichwertige gesellschaftliche Anerkennung finden” (BV Art.
61a3). Hinter dieser Verfassungsnorm verbirgt sich eine wichtige Einsicht: Eine Gesellschaft und
(Volks-)Wirtschaft ist gut beraten, ein differenziertes Bildungssystem zu pflegen, in dem sowohl
theoretische wie praktische Ausbildungen auf den unterschiedlichsten Niveaus angesiedelt sind.
Die Stärken eines solchen Systems sind offensichtlich:

In einem differenzierten System können die Fähigkeiten und Neigungen jeder einzelnen
Person besser genutzt werden. Jeder und jede hat die Chance, einen Ausbildungsweg zu
beschreiten, der seinen/ihren Talenten entspricht.

Ein differenziertes Bildungssystem ist viel geeigneter, in einer grossen Breite die in einer
Gesellschaft und Wirtschaft vorhandenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen
weiterzugeben. Dies wird noch gestärkt, wenn das praktische Wissen in unterschiedlichen
Betrieben weitergegeben und die Vermittlung nicht allein an die Schulen delegiert wird.

In einem stark differenzierten Bildungssystem befinden sich Personen mit
unterschiedlichen Kompetenzen und einem unterschiedlichen Kompetenzenmix auf dem
Arbeitsmarkt. Das ermöglicht die Zusammensetzung von gemischten Teams. Die
Innovationsfähigkeit der Schweiz hängt auch von diesem Phänomen ab.
Vergleichbare Chancen
Dass die Verfassung die Forderung nach einer gleichwertigen gesellschaftlichen Anerkennung der
allgemein bildenden und der berufsbezogenen Bildungswege aufgenommen hat, ist nicht zufällig.
Zu stark ist die Gefahr, dass der allgemein bildende Weg als Königsweg angesehen wird. Man
verbindet mit ihm Karriere, Arbeitsplatzsicherheit, hohes Einkommen, hohes Ansehen und grosse
Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Wer immer daher die Möglichkeit hat, den allgemeinbildenden
Weg zu beschreiten, sollte dies tun – so die weitverbreitete Meinung. Man übersieht dabei aber
geflissentlich, dass dieser Standpunkt überholt ist. Dank der Positionierung der höheren
Berufsbildung im Tertiärbereich, dem Aufbau von Berufsmaturität und Fachhochschulen und einem
durchlässigen Bildungssystem versprechen die beiden Bildungswege bei entsprechendem
Engagement heute vergleichbare Chancen.
Aufgabe von Bund und Kantonen
Die Verfassung verlangt von Bund und Kantonen, sich für die gleichwertige gesellschaftliche
Anerkennung von allgemeinbildenden und berufsbezogenen Bildungswegen zu engagieren. Das
heisst in der heutigen Situation vor allem „Kommunikation“:

Kommunikation: Bund und Kantone müssen zusammen mit den Organisationen der
Arbeitswelt über das heutige Bildungssystem mit seinen vielfältigen Durchlässigkeiten
offensiv kommunizieren. Die Stärken sind aufzuzeigen und die Chancen zu benennen, die
ein differenziertes Bildungssystem für die/den Einzelne/n wie auch für Wirtschaft und
Gesellschaft insgesamt hat. Man muss die Gleichwertigkeit in der Berufswahlphase zum
Thema machen und dabei sowohl die Jugendlichen wie auch ihre Eltern, die oft noch in
alten Bildern leben, abholen. Man muss das schweizerische Bildungssystem den
internationalen Firmen näher bringen und auch die PolitikerInnen vom Wert der beiden
Wege überzeugen.

Politik der gleichlangen Spiesse: Bund und Kantone müssen sich bei ihren
bildungspolitischen Entscheidungen fragen, ob sie die Gleichwertigkeit der beiden Wege
berücksichtigen oder nicht. Das betrifft natürlich zuerst einmal die Finanzen. Es darf nicht
sein, dass der erkannte Reformbedarf der Berufsbildung, insbesondere der Reformbedarf
der höheren Berufsbildung, ausgeblendet wird, nur weil man weiss, dass die Reformen
nicht kostenneutral umgesetzt werden können. Es ist Zeit, die höhere Berufsbildung auf
eine neue finanzielle Basis zu stellen, damit alle Studierenden in diesem Bereich von
spürbaren staatlichen Unterstützungen profitieren können. Zudem sind auch sprachliche
Korrekturen vorzusehen. Zum Beispiel muss in Zukunft für die Jugendlichen auch
sprachlich klar sein, dass die A-Klasse auf Sekundarstufe I (heute: Progymnasialklassen)
nicht allein auf das Gymnasium, sondern auch auf die Berufsmaturität vorbereitet. Es wäre
daher sinnvoll, wenn in Zukunft die A-Klasse „Promaturitätsklasse“ heissen und im
Rahmen der Berufswahlvorbereitung sowohl der allgemeinbildende wie auch der
berufsbezogene Bildungsweg thematisiert würden.

Optimierung der Durchlässigkeiten: Bei der Entwicklung des Bildungssystems müssen
Bund und Kantone darauf achten, dass die Durchlässigkeit im System verbessert wird.
Beide Wege – der allgemeinbildende wie auch der berufsbezogene Bildungsweg –
profitieren, wenn das Bildungssystem durchlässig ist. Die ersten beruflichen
Entscheidungen, die üblicherweise mit 15 Jahren getroffen werden, führen in einem
durchlässigen Bildungssystem nicht mehr in eine Sackgasse. Sie können im Verlaufe des
Lebens dank der Durchlässigkeit korrigiert werden. Zu verbessern sind vor allem die
Durchlässigkeiten im tertiären Bildungssystem zwischen der höheren Berufsbildung, den
Fachhochschulen und den Universitäten.

Internationale Positionierung der höheren Berufsbildung: Die höhere Berufsbildung ist
ausserhalb der Schweiz und bei internationalen Unternehmungen in der Schweiz wenig
bekannt. Personen mit einem Abschluss der höheren Berufsbildung sind daher auf dem
europäischen und internationalen Arbeitsmarkt benachteiligt. Es muss der Schweiz
gelingen, diesen AbgängerInnen ein Diplom auszustellen, das den Abschluss der höheren
Berufsbildung eindeutig und unmittelbar als Tertiärabschluss ausweist und zugleich die
hohe praktische Professionalität dieser Personen dokumentiert.
Travail.Suisse, Hopfenweg 21, 3001 Bern, Tel. 031 370 21 11, [email protected],
www.travailsuisse.ch
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