Neugier genügt: Der Frühstart ins Forscherleben Naturwissenschaftliche Bildung im frühen Kindesalter Gisela Lück, Universität Bielefeld; Fachtagung ‚Naturwissenschaftlich-technische Bildung in Kindertageseinrichtungen‘, Pilotprojekt Oelde, LWL-Landeshaus; „Der einfachste Versuch, den man selbst durchführt, ist besser als der schönste Versuch, den man nur sieht.“ Michael Faraday Überblick 1. Naturwissenschaftliche Bildung im deutschen Bildungssystem im Vergleich zu anderen Ländern 2. Untersuchungen zum Thema ‚Naturwissenschaften im frühen Kindesalter‘ - Akzeptanz Erinnerungsfähigkeit Sprachbezug 3. Interpretation der Forschungsergebnisse Vergleich der deutschsprachigen Sachunterrichts-Lehrpläne 100% 80% 60% 40% 20% 0% Deutschland Österreich Italien [deutschsprachig] Stand: Oktober 2006 Legende: Chemie Physik Technik Biologie Umwelt-/ Gesundheitserziehung (UE/GE) Verkehrserziehung (VE) Heimatkunde (HK) Sozialerziehung (SE) Klassenbuchanalyse für den Sachunterricht Klasse 1 und 2 40 20 10 SE HK VE E UE /G Bi ol og ie ik Te ch n Ph ys i k 0 Ch em ie Prozent 30 Rendite von Bildungsinvestitionen über den Bildungsverlauf Quellen: Deutsche Telekom Stiftung: Innovationsindikator 2009, S. 49 Berechnungen des DIW Berlin Quellen: Deutsche Telekom Stiftung: Innovationsindikator 2009, S. 12 Berechnungen des DIW Berlin Plädoyer für Experimente zur unbelebten Natur • zu jeder Jahres- und Tageszeit durchführbar • mehrmals reproduzierbar • naturwissenschaftlicher Hintergrund z.T. leichter kindgerecht zu deuten • Basis für Phänomene der belebten Natur Überblick 1. Naturwissenschaftliche Bildung im deutschen Bildungssystem im Vergleich zu anderen deutsch-sprachigen Ländern 2. Untersuchungen zum Thema ‚Naturwissenschaften im frühen Kindesalter‘ - Akzeptanz Erinnerungsfähigkeit Sprachbezug 3. Interpretation der Forschungsergebnisse Anforderungen an Experimente im frühen Kindesalter zur unbelebten Natur • Versuchsdurchführung: völlig ungefährlich • Materialien: preiswert und einfach erhältlich • naturwissenschaftlicher Hintergrund gut vermittelbar • experimentell leicht durchführbar • Alltagsbezug • zuverlässiges Gelingen • Versuchsdauer von max. 20 Minuten • aufeinander aufbauend Überblick 1. Naturwissenschaftliche Bildung im deutschen Bildungssystem 2. Untersuchungen zum Thema ‚Naturwissenschaften im frühen Kindesalter‘ - Akzeptanz - Erinnerungsfähigkeit - Sprachbezug der naturwissenschaftlichen Heranführung 3. Interpretation der Forschungsergebnisse Interviewauswertung 35 30 25 Kita gehobene Mittelschicht 20 15 10 5 0 viel mittel wenig keine nicht nachgefragt gefehlt viel mittel wenig keine nicht nachgefragt gefehlt 35 30 25 Kita sozialer Brennpunkt 20 15 10 5 0 Überblick 1. Naturwissenschaftliche Bildung im deutschen Bildungssystem 2. Untersuchungen zum Thema ‚Naturwissenschaften im frühen Kindesalter‘ - Akzeptanz Erinnerungsfähigkeit Sprachbezug 3. Interpretation der Forschungsergebnisse Der Sprechanlass als Brücke zwischen Natur- und Geisteswissenschaft 1. Benennung der im Experiment verwendeten Gegenstände, Formulierung von Annahmen, Beschreibung des Beobachteten 2. Storytelling (Einbettung des Experiments in eine Geschichte) 3. Animismen (Methode der Deutung eines Naturphänomens) 4. Sprachfallen, die zu Fehlvorstellungen führen und daher thematisiert werden müssen Das Experiment als Sprechanlass: Die Benennung der Gegenstände Schale? Schüssel? Aquarium? Watte? Streichholzkiste? Gummibärchen? Glas? Becher? Tasse? Das Experiment als Sprechanlass - Vermutung: Was wird mit den Materialien getan? - Genaues Zuhören: Welches Experiment führen wir durch? - Was habe ich beobachtet? - Formulierung der ‚Warum?‘-Frage - Annahme: Was steckt ‚hinter‘ dem Experiment‘? Antworten von Kindergartenkindern, woran sie kaltes von warmem Wasser unterscheiden „…wegen hier ist Luft, von heißem Wasser kriegt man diese Luft.“ (Burcu, 5 Jahre) „…da sind kleine Tropfen von das warme Wasser.“ (Anton, 5 Jahre) „…weil das hier so´n bisschen hat wie anhauchen.“ (Vanessa, 4 Jahre) „Weil da so, ähm, so etwas weiß ist. Wie heißt das grade, hm, äh, das ist auch morgens meistens auch. Nebel!“ (Paul, 7 Jahre) „Weil hier sind, hier ist so ein bisschen warm drauf? Das ist da das kalte, weil da nichts drauf ist!“ (Mona, 7 Jahre) Storytelling – mehr als nur eine schöne Verpackung - überzeugende Untersuchungsergebnisse von F. Kubli (2002) - langjährige Erfahrungen in englischsprachigen Ländern Didaktische Vorteile des Storytelling - lernpsychologisch größere Bereitschaft, sich auf ein naturwissenschaftliches Problem ‚einzulassen‘ - Alltagsbezug herstellbar - Einbeziehung verschiedener Hirnregionen beim Lernprozess: Faktengedächtnis episodisches Gedächtnis emotionales Gedächtnis (je nach Betroffenheit) Unterschiedliche Formen des Gedächtnisses deklarativ emotional (explizit) Faktengedächtnis Weltenwissen (Orientierung für den Alltag) Expertenwissen (z.B. für Beruf) (implizit) Ich-Wahrnehmung Empfindungen Körperliche Bedürfnisse Vertrautheitsgedächtnis/ (Wieder erkennen) prozedural (entzieht sich dem Detailbewusstsein) mechanisches Erlernen von Fertigkeiten z.B. Klavierspielen oder Fahrradfahren Pauken! Episodisches Gedächtnis Erlebnisse, Autobiographisches z.B. Formeln oder Vokabeln Überblick 1. Naturwissenschaftliche Bildung im deutschen Bildungssystem 2. Untersuchungen zum Thema ‚Naturwissenschaften im frühen Kindesalter‘ - Akzeptanz - Erinnerungsfähigkeit - Sprachbezug der naturwissenschaftlichen Heranführung 3. Interpretation der Forschungsergebnisse Entwicklungspsychologie nach Jean Piaget Piaget: 1896 - 1980 sensu-motorisch 0-2 Jahre prä-operational 3-7 Jahre konkret-operational 7-11 Jahre formal-operational ab 12 Jahre Entwicklungspsychologie nach Erikson Erikson: 1902- 1994 Integrität/ Lebensekel Reifes Erwachsenenalter Erwachsenenalter Generativität/ Selbstabsorption Intimität/ Isolierung Frühes Erwachsenenalter Adoleszenz Werksinn/ Werksinn / MinderwertigMinderwerkeit tigkeit Schulalter Schulalter Initiative/ Schuldgefühl Spielalter Autonomie/ Kleinkindalter Scham Säuglingsalter Urvertrauen/ Mißtrauen Identität/ Identitätsdiffusion Chemievermittlung im Elementarbereich „Die Weisheit des Grundplans will es, dass das Individuum gerade zu dieser Zeit mehr als zu jeder anderen bereit ist, schnell und begierig zu lernen, ‚groß‘ zu werden in dem Sinne, [...] dass es sich jetzt nicht mehr nur den Menschen, sondern auch der Dingwelt zuwendet.“ Erik H. Erikson: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit Chemievermittlung in der Grundschule Im Grundschulalter wird der Wissensdrang vom Werksinn abgelöst. Die Kinder haben den Wunsch, „etwas machen zu können und es sogar gut und vollkommen zu machen“. „Es lernt sich Anerkennung zu verschaffen, indem es Dinge produziert. Es entwickelt Fleiß, […]. Es kann völlig in einer Werk-Situation aufgehen.“ Erik H. Erikson: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit