Internationales Institut für Management Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Gruppen im Betrieb 1. Definition 2. Formen von Gruppen im Betrieb 3. Leistungsvorteil von Gruppen Rückblick: Ergebnisse der Hawthorne-Studie Produktionsleistung wird durch soziale Normen bestimmt. „Nichtwirtschaftliche“ Bestätigungen beeinflussen das Verhalten der Arbeiter. Arbeiter handeln als Mitglieder einer Gruppe. Neue Anforderungen werden an die Führung gestellt: Normgebung, Beachtung informeller Führung, Bedeutung der Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Untergebenen Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Daher der Schluss ... „Da die informelle Organisation einer natürlichen Bedingung menschlicher Motivierung entspreche, gebiete die Klugheit, die informellen Gruppen nicht zu zerschlagen, sondern zu fördern und für die Unternehmensziele zu gewinnen.“ (Schein zit. n. Breisig, 1990, S. 57) Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Taylor Formelle und informelle Gruppe Mayo et al. Wie entsteht eine Gruppe im psychologischen Sinn ? Personale Bedingung: Kontakthäufigkeit, Ähnlichkeit Organisationale Bedingung: Nähe, Direktheit der Kommunikation, Verflechtung der Arbeitsaufgaben Welche Folgen hat die Gruppenbildung Motivierung, Leistungsvorteil, Kompetenzerweiterung Unterschiedliche Bewertung Binnen- und Außengruppe Gefahr: Überakzentuieriung von Unterschieden Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Definition Von einer Gruppe wird gesprochen, wenn ... mehrere Personen eine längere Zeit unmittelbar (face to face) miteinander interagieren und sich dabei eine Rollendifferenzierung ergibt, gemeinsame Normen herausbilden und sich ein „Wir-Gefühl“ entwickelt. Rosenstiel, L.v. (1992). Grundlagen der Organisationspsychologie (3. Auflage). Stuttgart: Poeschel. Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Arbeitsgruppen im Betrieb (später genauer) Für Arbeitsgruppen gilt zusätzlich: Sie sind Teil einer übergreifenden Organisation und damit in bestimmte strukturelle und technologische Rahmenbedingungen eingebettet. Zudem zeichnen sich Arbeitsgruppen durch das Verfolgen gemeinsamer Ziele aus. Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Definitionsbestandteile – Was heißt: Mehrzahl von Personen ? Es sind zumindest drei Personen, da erst dann die typischen gruppendynamischen Phänomene auftauchen (z.B. Koalitionsbildung). Sehr große Gruppen zerfallen in der Regel in kleinere Gruppen (7 +/- 2). Gruppenbildung wird z.B. durch Häufigkeit interpersonaler Kontakte und wahrgenommene Ähnlichkeit gefördert. Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Was heißt: Längere Zeitspanne Erst wenn die Gruppe über einen längeren Zeitraum besteht und interagiert, kann sich ein spezifisch von der Gruppe gefärbtes Erleben und Verhalten entwickeln. Typischer Phasenablauf nach Tuckman: Forming - Storming - Norming -Performing vgl. Projektmanagement Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Was heißt: Direkte Interaktion Die Gruppenmitglieder können miteinander kommunizieren (vgl. virtuelle Teams). Die tatsächlichen (bzw. möglichen) Interaktionen lassen sich über Kommunikationsstrukturen darstellen. komplexen Aufgaben ist z.B. die „Totale“ von Vorteil, bei einfachen Aufgaben das „Rad“. Bei Kommunikationsmodelle helfen bei der Analyse der Interaktionen z.B. Trennung von Beziehungs- und Inhaltsebene Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Was heißt: Rollendifferenzierung In Gruppen kommt es zu Rollendifferenzierungen, selbst wenn das nicht vorgegeben oder diskutiert wurde. (Welche Funktion hat XY?) So bilden sich z. B. häufig (nicht immer!) „Führer“ heraus. In vielen Fällen kann zwischen einem Tüchtigkeits- (Zielerreichung!) und einem Beliebtheitsführer (Zusammenhalt!) unterschieden werden. Außerdem gibt es Spezialisten, Mitläufer, Außenseiter, Sündenböcke... Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Was heißt: Gemeinsame Normen Es entstehen Richtlinien, wie man sich zu verhalten hat: was man tun und was man lassen sollte. Die Richtlinien sind implizit oder explizit. In Arbeitsgruppen existieren Normen z. B. bezogen auf die Leistungserbringung: Einzelne Gruppenmitglieder sollen weder zu wenig noch zu viel arbeiten. Tendenz zur Konformität Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Was heißt: Wir-Gefühl (Kohäsion) Kohäsion ist das Ausmaß wechselseitiger positiver Gefühle. Das Steigen der Kohäsion führt zu erlebter Zusammengehörigkeit, zu einem Wir-Gefühl. Es führt sowohl zu Zufriedenheit als auch zur strikteren Einhaltung der Normen. Wir-Gefühl steht für das Vorhandensein emotionaler Beziehungen zwischen den Mitgliedern. Mit dem Begriff „Team“ wird der Mannschaftsgeist einer Gruppe betont. Es ist ein besonders stark ausgeprägtes Wir-Gefühl vorhanden (vgl. Teamentwicklung). Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Konformität: Gefahren Gruppendenken (Group thinking, vgl. Janis, 1982) Konformitäts- und Entscheidungsdruck Rationalisierung Gruppeneigene Moral Selbstzensur Stereotypisierung im Hinblick auf Meinungsgegner Illusion der Unanfechtbarkeit und Einstimmigkeit Selbsternannte „mindguards“ Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Formen der Gruppenarbeit im Betrieb (Klassische) Projektgruppe Qualitätszirkel, Gesundheitszirkel (teilautonome) Arbeitsgruppe Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie (Klassische) Projektgruppe Projektgruppen setzen sich meistens aus Experten und Führungskräften mehrerer Abteilungen zusammen. keine eigene institutionalisierte Organisationsstruktur Die Teilnahme ist (meist) nicht freiwillig. Sie sind für die Lösung eines konkret vorgegebenen und abteilungsübergreifenden Arbeitsauftrages verantwortlich. Sie arbeiten nur für die Dauer der Projektbearbeitung zusammen (zeitlich befristet). Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Qualitätszirkel ... sind kleine moderierte Gruppen von 5 bis 10 Mitarbeitern der unteren Hierarchieebene, die sich regelmäßig auf freiwilliger Grundlage treffen, um selbstgewählte Probleme aus dem eigenen Arbeitsbereich zu bearbeiten. QZ bestehen parallel zur betrieblichen Arbeitsorganisation. Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Teilautonome Arbeitsgruppen Kleine, funktionale Einheiten der regulären Organisationsstruktur, die konstant zusammenarbeiten; Verantwortung für die Erstellung eines kompletten Produkts oder einer Dienstleistung wird der Gruppe übertragen. Kollektive Handlungsspielraumerweiterung (Konzepte des Job enlargement, Job enrichment und Job rotation werden verknüpft.) Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Prinzipien der Gruppentechnologie 1. Stufe: Teilefamilie Zusammenfassung fertigungstechnisch ähnlicher Teile 2. Stufe: Fertigungsmittel Zusammenfassung der für Komplettbearbeitung einer Teilefamilie benötigten Fertigungsmittel 3. Stufe: Arbeitsgruppen Zusammenfassung der zur Fertigung der Teilefamilie benötigten gleichartige qualifizierten Arbeiter in einer Gruppe 4. Stufe: Fertigungsinsel Integration konstruktiver, planender und steuernder Tätigkeiten für die Fertigung der Teilefamilie Prof. Dr. Heiner Dunckel Quelle: Bierbaum, H. & Muster, M. (1988). Ende des Taylorismus? In: Bleicher, S. & Stamm, J. (Hrsg.), Fabrik der Zukunft. Hamburg, S. 26 Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Organisation mit überlappenden Gruppen nach Lickert Hierarchieebene der Organisation: höchste Ebene mittlere Ebene unterste Ebene Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Quelle: Greif, 1983, S. 106 Analyse von Gruppen Zu unterscheiden ist die Analyse der Gruppenaufgaben bzw. der Gruppenstrukturen sowie der Gruppenbeziehungen (Problem häufig: Überbetonung des sozialen Aspekts). * Gemeinsame Aufgabenorientierung * Autonomie und Selbstregulation Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie 2.1 Gruppenbeziehungen Es sind verschiedene Strukturdimensionen denkbar: Kohärenz-, Koalitions-, Kommunikations- oder Führungsstrukturen. Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Beispiel nach Sader (1991) Ziel ist das Erstellen eines Soziogramms. Es wird eine Frage ausgewählt, die auf die jeweilige Zielstellung passt, z. B.: „Mit wem möchten Sie gemeinsam ein Referat halten?“ „Wer sollte das 3. Semester im ASTA vertreten?“ „Zu wem hast Du Vertrauen?“ Jeder beurteilt jeden. Alle Aussagen ergeben eine Matrix. Die Matrix läßt sich graphisch umsetzen. Sie kann die Grundlage für Veränderungsmaßnahmen oder Rückmeldungen sein. Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Zur Analyse der Strukturen Japanische Fertigungsteams: Fließband, sequentielle Abhängigkeit, Standardisierung, geringe Segmentierung, Meistersteuerung, Leistungsdruck ... Teilautonome Arbeitsgruppen: Fertigungsinseln, Fertigungsflexibilisierung, individuelle und kollektive Spielräume, Meister als Koordinator, vereinbarte Leistungsgrenzen ... (Antoni, 1994) Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Autonomiegrade: Ausgangspunkt Raumverband gleichzeitiges Arbeiten mehrerer Personen im gleichen Raum an verschiedenen Aufträgen Sukzessivverband Individuell zugewies. Teilaufgabe als Bestandteil einer vorgeg. Auftragsfolge Integrativverband arbeitsteilig abgestimmte gleichzeitige Erfüllung einer Aufgabe durch mehrere Personen. Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Autonomiekriterien nach Gulowsen Gruppe entscheidet über qualitativen und quantitativen Ziele wo, wann sie arbeitet und an welchen weiteren Tätigkeiten sie sich beteiligt Fragen der Produktionsmethoden interne Aufgabenverteilung Mitgliedschaft interne (Führungs)struktur wie die Aufgaben zu erledigen sind Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Kollektive Handlungsregulation Als Kernaufgabe werden Arbeitsaufgaben oder Teile von Arbeitsaufgaben bezeichnet worden, die mindestens gemeinsame Planungen und Abstimmungen beinhalten. Die kollektive Handlungsregulation kann unterschiedlich ausgeprägt sein und sich auf folgende Kernaufgabensegmente beziehen: Selbstverwaltung, Qualifizierungsplanung und Personalentwicklung, Lösungsvorschläge für technischorganisatorische Probleme, gemeinsame Auftragsdurchführung, Arbeitsverteilung und Personaleinsatzplanung, arbeits-systeminterne Produktionsfeinplanung und -steuerung, arbeitssystemübergreifende Produktionsplanung (Weber, 1997). Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Modetrend Gruppenarbeit? Repräsentativbefragung von knapp 3000 Beschäftigten Erfragt wurden: Partizipation, Kooperation, Autonomie Acht Typen von Arbeitsstrukturen – nur bei positiver Ausprägung des Faktors Kooperation wird eine „Arbeitsstrukturtyp“ als kooperativ bezeichnet. Als Gruppenarbeit gilt eine kooperative Struktur nur, wenn a) b) Offizielle Anerkennung im Betrieb Gemeinsame Arbeitsaufgabe (vgl. Kernaufgabe) 1. Frage: Wieviel Prozent der Beschäftigten arbeiten in Gruppen? Es wurden - je nach Ausprägung der Dimensionen Partizpation und Autonomie vier Typen von Gruppenarbeit identifiziert: Selbstbestimmte Gruppenarbeit, kontrollierte Gruppenarbeit, einflusslose Gruppenarbeit und zwangsläufige Gruppenarbeit 2. Frage: Wieviel Prozent der Beschäftigten arbeiten in selbstbestimmter Gruppenarbeit? Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Wann ist eine Gruppe leistungsfähiger? Rahmenbedingungen und Interessen Aufgabenzusammenhang in überschaubaren/kleinen Arbeitseinheiten Möglichkeit unmittelbarer Kooperation und Kommunikation Gleiche Verbalisierungsmöglichkeit Fachliche und soziale Ergänzung der Gruppenmitglieder Sympathie Kooperativ vs. Kompetitiv Vertrauensorganisation/Beteiligungskultur ... Aufgabenangemessenheit je nach Typ: Additiv Kompensatorisch Disjunktiv Konjunktiv – ganzheitlich Konjunktiv – aufteilbar Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Wann ist eine Gruppe leistungsfähiger? Gruppen- und Motivationseffekte Social facilitation: erhöhte Anstrengung in Gegenwart anderer (Rivalität, höhere Aktivierung, Selbstdarstellung etc.) Social compensation: erhöhte Anstrengung, obwohl die anderen keinen nennenswerten Beitrag zur Gruppenleistung bringen (Schutz Schwächerer, durch Beitrag glänzen etc.) Social loafing (sozialer Müßiggang, Reduktion der eigenen Leistung in der Gruppe) Free rider („Trittbrettfahrer“, Entscheidung, eigene Anstrengung in der Gruppe zu reduzieren) „Sucker“-Effekt (Unterstellung, dass andere in der Gruppe Trittbrettfahrer sind und man bei Anstrengung der „Dumme“ ist) Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie Vor- und Nachteile Nachhaltige Veränderung der Organisation Veränderung der Führungsaufgaben und –funktionen Neue Entlohnung Qualifizierung in fachlicher und sozialer Hinsicht Personaleinsatz nach betriebswirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten Neue Form der Arbeitsteilung und Koordination usw. Voraussetzungen sind: „Vertrauensorganisation und Beteiligungskultur; weitgehend stabile Rahmenbedingungen Prof. Dr. Heiner Dunckel Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie