V. Oesterhelt - Seminar Sportwissenschaftliche Forschungsmethoden – SS 2003 Gruppenentwicklung Zunahme an Interaktionen beziehungsloses Nebeneinander formelle Gruppe Prozess der Gruppenbildung „soziales und emotionales Kräftefeld“ informelle Gruppenbildung Soziale Bedingtheit von Verhalten Ausbildung von sozialen Einstellungen Wunsch nach sozialer Anerkennung Beeinflussung von Verhaltensweisen und Handlungsentscheidungen Bedeutung für den Sport Definition „Soziometrie“ Soziometrie ist die quantitative Untersuchung zwischenmenschlicher Beziehungen unter dem Aspekt der Bevorzugung, Gleichgültigkeit und Ablehnung in einer Wahlsituation Bjerstedt 1956 Die Soziometrie liefert Aussagen über: Die Struktur einer Gruppe (z.B. Grad der Integration oder ihre Offenheit nach außen) Die Stellung einzelner in der Gruppe (z.B. ihren Status oder Grad der Isolation) Die informelle Struktur von Gruppen „Soziometrische Entwicklungsstadien“ nach MORENO Soziometrische Entwicklungsstadien Periode Alter I II III - ca. 8.Lj. ca. 8. - ca. 14. Lj. ca. 14. Lj. + Name der Stufe Vorstufe der sozialen Reifung Erste Stufe der sozialen Reifung Zweite Stufe der sozialen Reifung Konstanz und Differenziertheit Noch wenig ausgeprägt zunehmend zunehmend ausgeprägt Strukturmerkmale Zusammenhanglose Struktur Gruppenbildung kaum, abhängig von Erwachsenen Gruppenbildung unabhängig von Erwachsenen Gruppenbildung unabhängig und schwer einsehbar für Erwachsene Viele ungewählte und isolierte („vergesssene“) Kinder, Empathie/Einfühlung schwach ausgeprägt, wenig gegenseitige Paare Weniger ungewählte Kinder, weniger isolierte Kinder, immer mehr gegenseitige Paare Zunehmend komplexer, viele Paare, viele Isolierte, aber aufgrund „wirklicher“ Gefühle Noch wenig ausgeprägt, wenig gemeinsame Ziele zunehmend Gemeinschaftliches Handeln, gemeinsame Ziele nach gemeinsamen sozialen Normen („Codes“) Fähigkeit zu gemeinschaftlichem Handeln nach Moreno 1974 Soziometrischer Test = sozialpsychologische Methode Verfahren Dimensionen soziometrischer Forschungspläne: 1) Sympathie – Antipathie: Mit wem würden Sie am liebsten ...? Mit wem möchten Sie nicht gern ...? 2) Einstellung – Verhalten: Mit welchem Gruppenmitglied möchten Sie zusammenarbeiten? Mit welchem Gruppenmitglied haben Sie zusammengearbeitet? 3) Kriterium: Arbeit, Reise, Wohnen, Diskussion, etc. 4) Soziale Selbstwahrnehmung: Wer, meinen Sie, wird Sie wählen/ablehnen? Dimensionen soziometrischer Forschungspläne: 5) Intra – Extra – Gruppe: Wahlen auf Gruppenmitglieder beschränkt oder auf Gruppenexterne ausgedehnt 6) Art der Wahlen: a) nur positive – nur negative – beides b) Anzahl der Wahlen c) Rangfolge der Wahlen d) ein oder mehrere Kriterien 7) Ergänzungen: a) qualitative Ergänzung (anschl. Interviews, Zusatzfrage) b) Ergebnisse werden der Gruppe mitgeteilt Auswertung Soziomatrix zur Auswertung der Ergebnisse Auswertung Soziomatrix Ergebnisdarstellung Soziogramm die graphische Darstellung der Ergebnisse Ergebnisdarstellung Zeichenerklärung Soziogramm Einseitige Wahl Einseitige Ablehnung Gegenseitige Wahl Gegenseitige Ablehnung Beispiele soziometrischer Muster • Paare: zwei sich gegenseitig wählende Gruppenmitglieder • Cliquen: Bildung von Untergruppierungen, innerhalb derer sich die Personen häufig wählen; Austausch mit anderen Untergruppen gering • Sterne: ein Gruppenmitglied wird von mehreren sich untereinander wenig Wählenden vorgezogen • Stars: Personen, die im Mittelpunkt des „Sterns“ stehen • Isolierte: Gruppenmitglieder, die weder aktiv noch passiv an der Wahl teilnehmen, also nicht wählen und auch von niemandem gewählt werden • Abgelehnte: nur ablehnende Wahlen erhaltend • Vergessene: Personen, die wählen, jedoch keine Wahlen erhalten Auswertung Soziometrische Indizes Quantifizierung von Gruppeneigenschaften N = Zahl der Gruppenmitglieder X + = Anzahl der positiven Wahlen X - = Anzahl der negativen Wahlen 1. Soziometrischer Status positiver soziometrischer Status: X+ SS + = N-1 Beispiel: 2 positive Wahlen für A, 4 Gruppenmitglieder SS + (A) = 2/(4-1) = 0.67 X negativer soziometrischer Status: SS - = N-1 N = Zahl der Gruppenmitglieder n = Teilgruppe 1 2. Interessensquotient m = Zahl der Wahlen, die jedem Gruppenmitglied insgesamt zur Verfügung standen Interesse innerhalb einer Teilgruppen: I = Zahl der Wahlen in Teilgruppe n n•m 3. Anziehungsquotient Grad der Anziehungskraft einer Teilgruppe für die andere: A = Zahl der Wahlen von Teilgruppe 2 an Teilgruppe 1 (N - n) • m Gütekriterien Bäuerle 1988 Objektivität a) Durchführungsobjektivität: - Testinstruktion so weit wie möglich schriftlich - Untersuchungssituation weitgehend standardisiert - instruierte Testleiter statt Klassenlehrer => Durchführungsobjektivität sehr hoch b) Auswertungsobjektivität: - Bei Auswertung über die Soziomatrix voll gegeben - Bei ergänzendem qualitativem Teil nicht voll gegeben c) Interpretationsobjektivität: - Nicht voll gegeben bei großer Vertrautheit zwischen Testleiter und Probanden. Gütekriterien Bäuerle 1988 Reliabilität Problematisch, da Veränderungen der sozialen Beziehungen und Strukturen (mangelnde Stabilität eines Soziogramms) explizit erwünscht. Nicht eindeutig, wie weit die gefundenen Werte beruhen auf: - Veränderungen sozialer Einstellungen und Gruppenstrukturen - mangelnde Zuverlässigkeit des Messinstruments Validität Vorsicht bei der Interpretation geboten, da Wahl- oder Ablehnungskriterien sehr unterschiedlichen Ursprung haben können. Kriterien zur Durchführung / Voraussetzungen • Interesse der Untersuchungspersonen an Erhebung • Gruppenmitglieder miteinander bekannt • Vertrauensverhältnis zwischen Fragendem und Befragten • Spontane Antworten • Kein Kontakt zwischen den Testpersonen • Klare Definition des zu untersuchenden Kriteriums Erhebungsprobleme / Fehlerquellen • Soziometrischer Test nur als Momentaufnahme • Negative Wahlen vielfach nicht ehrlich beantwortet • Einfluss des Testleiters auf die Antworten • Gefühl der Prüfungssituation • Gefühl, dass Daten indiskret behandelt werden könnten • Verfälschung des Ergebnisses bereits beim Fehlen einer Person aus der Gruppe Positive Aspekte des Soziogramms Gruppenstrukturen werden deutlich => gezielte pädagogische Maßnahmen werden möglich Kritische Aspekte des Soziogramms Test nur als Momentaufnahme Validität und Reliabilität schwer greifbar Leicht wiederholbarer Test Negativ Wahlen problematisch geringer Zeitaufwand Wahl/Ablehnungskriterien bleiben verborgen (außer bei Ergänzung durch Zusatzfrage) geringer finanzieller Aufwand Umgang mit den Ergebnissen Eingriff i.d. Klassenstruktur na dann, einen schönen Tag noch!