Studienseminar Koblenz Pflichtmodul 22 Lernen Lernen aus neurobiologischer Sicht • Das menschliche Gehirn konstruiert sich seine Inhalte selbst • Lernen aus neurobiologischer Sicht: synaptische Kopplungen werden umstrukturiert und/oder Übertragungseigenschaften von Synapsen werden verändert • Diese Veränderungen werden durch das limbische System gesteuert - Auf was richtet sich meine Aufmerksamkeit? - Welche Motive habe ich zu lernen? - Welche Emotionen sind damit verbunden? Lernen im Unterricht Konsequenzen • • • Wissen kann nicht übertragen werden; es wird im Gehirn eines jeden Lernenden neu konstruiert Wissensvermittlung wird durch Faktoren gesteuert, die unbewusst und deshalb nur schwer beeinflussbar sind Lernen findet nur statt, wenn das Gehirn des Lernenden einen Gewinn bzw. Sinn im Lernen und im Erwerb des Lerninhalts sieht Lernen im Unterricht Konsequenzen • Der Lehrende kann den Prozess des Lernens nicht direkt beeinflussen • Er kann jedoch die perzeptiven, kognitiven und emotionalen Randbedingungen des Lernens beeinflussen Lernen im Unterricht Konsequenzen • Was kann der Lehrende tun, um den Lernprozess in Gang zu setzen? – Eine freundliche Lernatmosphäre schaffen. Die Einstellung zum Lernen wird vor allem durch die Familie vermittelt. – Erreichen, dass die Lernenden ihm fachliche und didaktisch-pädagogische Kompetenz zuschreiben. Dies ist stark abhängig vom Selbstbild des Lehrenden. Das Limbische System • vermittelt Affekte, Gefühle und Motivation • ist der eigentliche Kontrolleur des Lernerfolgs • bewertet alles, was durch uns und mit uns geschieht, danach, – ob es gut/ vorteilhaft/ lustvoll war und wiederholt werden sollte oder – ob es schlecht/ nachteilig/ schmerzhaft war und vermieden werden sollte • fragt unbewusst: Was spricht dafür, dass sich Hinhören, Lernen, Üben etc lohnen? Hypothalamus (nach Spektrum der Wissenschaft, verändert) Limbisches System Einspeicherung • Gedächtnisinhalte werden nach Inhaltstypen analysiert und entsprechend in unterschiedlichen Schubladen abgelegt • In je mehr Schubladen unterschiedlichen Typs ein Inhalt abgelegt wird, desto leichter kann er abgerufen werden (die zuständigen Schubladen fördern sich dabei) • Je anschlussfähiger ein Inhalt an den vorhandenen Schubladeninhalt, desto besser • Je bild-, gestalt- oder sinnhafter ein Inhalt, desto besser Lernen aus neurobiologischer Sicht Lernen ist ein eigenaktiver, sich selbst organisierender neurophysiologischer Prozess. Er lässt sich in folgende Einzelschritte unterteilen: 1. Wahrnehmen 2. Erkennen 3. Verstehen 4. Speichen / Festigen 5. Erinnern / Festigen Wahrnehmen • Den Sinnesorganen sind im Gehirn Wahrnehmungsfelder zugeordnet. Diese müssen aktiviert sein („stand-bySchaltung“), damit ein Reiz wahrgenommen wird. • ADHSler haben eine Störung im Bereich der Wahrnehmung Erkennen • bedeutet Anknüpfen an Bekanntes; der Anteil des Neuen darf nicht zu hoch sein • Das „Problem“ muss sichtbar werden, d.h. ins Bewusstsein gelangen und • Interesse wecken (Motivation, passendes Verhältnis von „bekannt“ zu „neu“ Verstehen • Der neue Lerninhalt aktiviert Zellcluster im Gehirn, die synchron feuern; dadurch wird die neue Information repräsentiert • Der bekannte Anteil aktiviert Neuronennetze, die ähnliche Inhalte repräsentieren; damit wird das Neue mit Vorhandenem verknüpft • Das Erkennen von Strukturen aktiviert übergeordnete Neuronennetze, sog. Detektoren, z. B. der Detektor „Obst“ feuert bei Äpfeln, Birnen, aber auch bei exotischen, bisher unbekannten Obstsorten Festigen • findet im Schlaf statt (über den Hippocampus in den Tiefschlafphasen) • förderlich ist häufiges Wiederholen und Erinnern • förderlich ist ein starker emotionaler Kontext Erinnern • ist an andere Strukturen gebunden als das Einspeichern (gilt für das deklarative Gedächtnis) • muss also stattfinden, um den Zugriff auf die Gedächtnisinhalte zu ermöglichen • ist ein eigenständiger Lernprozess Gedächtnissysteme Autobiografisches Wissenssystem Gedächtnis semantisches G. Prozedurales Gedächtnis Priming S. d. Wiss. 9/96, S. 54 Priming erleichtertes Erinnern ähnlich erlebter Situationen und bekannter Reizmuster vgl. Fotosammlung Prozedurales Gedächtnis speichert mechanische und motorische Bewegungs- und Handlungsabläufe Wissenssystem = semantisches G. Weltkenntnisse Schulwissen Semantik + Syntax Zusammenhänge Episodisches oder autobiografisches Gedächtnis singuläre Ereignisse autobiografische Inhalte nach Ort und Zeit bestimmte Fakten vgl. Filme Die Funktion der beiden Gehirnhälften An Sprache gebunden sind das … semantische Gedächtnis + episodische Gedächtnis d.h. auf diesen Gedächtnisebenen findet Lernen nur vermittelt durch Sprache statt, Wissen wird über Begriffe abgespeichert Sprache • Das episodische und das semantische Gedächtnis (deklarative Gedächtnisse) sind unabdingbar an Sprache geknüpft • Wörter fungieren als Grundbausteine unseres bewussten Denkens • Erst nach dem Aufbau eines gesicherten Grundwortschatzes entwickeln Kinder ein deklaratives Gedächtnis Sprechen fördert die Hirnaktivität: das Gehirn ist besonders aktiv und kreativ, wenn man einen Waldspaziergang macht und seine Gedanken eher beiläufig mit einem Gesprächspartner austauscht Merkmale dieser „Lernsituation“ • Motorische Aktivität (hier: Sprechen) fördert die Hirnaktivität • Grün wirkt entspannend und löst Blockaden • Das Beiläufige der Situation lässt die Gedanken „fließen“, begünstigt das zufällige Aktivieren von Engrammen • Das Hören des selbst Gesagten und das Zuhören aktivieren das limbische System Abrufen von Gedächtnisinhalten • Der soziale Kontakt bewirkt eine positive Grundgestimmtheit, die Sicherheit vermittelt und Raum für „Luxusfunktionen“ schafft (Offenheit für Neues)