KlinSA3-Verhaltenstherapie

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Verhaltenstherapie
Grundlagen
Vorlesung „Klinische Sozialarbeit“
Prof. Dr. Ralph Viehhauser
Entstehungsgeschichte der VT (1)

Anfang 20. Jhd: Erste Erforschung grundlegender Lerngesetze

1913: Watsons’ behavioristisches Manifest

1920: Watsons Experiment zur Angstkonditionierung mit dem
kleinen Albert

1924: Einzelfallstudie von Mary Cover Jones zur Behandlung einer
kindlichen Tierphobie

1930er Jahre: Weiterentwicklung der Lerntheorien in der
akademischen Psychologie Amerikas
Entstehungsgeschichte der VT (2)

Mitte des 20. Jhd: Erste größere Bewegungen in Richtung VT
 In Südafrika: Joseph Wolpes systematische Desensibilisierung
 In England: Eysencks Arbeitsgruppe am Maudsley Hospital
(„Maudsley-Gruppe“)
 In den USA: Entwicklung operanter Verfahren (unter der
Bezeichnung „Verhaltensmodifikation“)

In den 60er und 70er Jahren: Konsolidierung der VT

Seit 70er Jahre: Entwicklung kognitiver Ansätze

Seit 90er Jahre: zunehmende Professionalisierung und Weiterentwicklung der VT zu einer allgemeinen „Psychologischen
Psychotherapie“
Definition der VT (nach Yates, 1977, S. 135)
Verhaltenstherapie ist der Versuch,

den gesamten empirischen und theoretischen Wissensbestand, wie er durch den Einsatz experimenteller Methoden in der
Psychologie und ihren Nachbardisziplinen (Physiologie und
Neurophysiologie) angesammelt werden konnte, in systematischer
Weise zu benutzen,

um Entstehung und Beibehaltung abweichender
Verhaltensmuster zu erklären,

und weiterhin der Versuch, dieses Wissen bei der Behandlung
oder Prävention solcher Verhaltensweisen einzusetzen,

und zwar mit Hilfe kontrollierter experimenteller
Untersuchungen am einzelnen Patienten.
Kurzcharakteristik moderner VT (1)
Verhaltenstherapie (nach Margraf, 2003):

ist ein genuin klinisch-psychologischer Heilkundeansatz,

eine psychotherapeutische Grundorientierung,

vereinigt eine große Anzahl unterschiedlicher theoretischer
Modelle, Techniken und Behandlungsmaßnahmen,

orientiert sich an der empirischen Psychologie,

ist problemorientiert,

setzt an den prädisponierenden, auslösenden und
aufrechterhaltenden Bedingungen an,
Kurzcharakteristik moderner VT (2)

ist gegenwartsorientiert,

zielorientiert,

handlungsorientiert,

nicht auf das therapeutische Setting begrenzt,

transparent,

soll „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein,

bemüht sich um ständige Weiterentwicklung.
Definition der VT (nach Margraf, 2003, S. 3)

Die Verhaltenstherapie ist eine auf der empirischen Psychologie
basierende psychotherapeutische Grundorientierung.

Sie umfasst störungsspezifische und –unspezifische Therapieverfahren, die aufgrund von möglichst hinreichend überprüftem
Störungswissen und psychologischen Änderungswissen eine
systematische Besserung der zu behandelnden Problematik anstreben.

Die Maßnahmen verfolgen konkrete und operationalisierte Ziele auf
den verschiedenen Ebenen des Verhaltens und Erlebens,

leiten sich aus einer Störungsdiagnostik und individuellen
Problemanalyse ab und setzen an prädisponierenden, auslösenden
und/oder aufrechterhaltenden Problemänderungen an.

Die in ständiger Entwicklung befindliche Verhaltenstherapie hat den
Anspruch, ihre Effektivität empirisch abzusichern.
Operante Verfahren



Positive Verstärkung als Interventionsmethode:

Positive Verstärkung als Strategie der Festigung eines
Verhaltens

Positive Verstärkung als Strategie zum Aufbau von Verhalten

Positive Verstärkung als Strategie des Abbaus von Verhalten
i.S. einer differenziellen Verstärkung
Bestrafung als Interventionsmethode:

Bestrafung durch einen aversiven Reiz

Bestrafung durch Verstärkerentzug
Kontigenzmanagement in Form von
Verhaltensverträgen
Verhaltenstherapie ist wesentlich
mehr als die Anwendung
lernpsychologischer Techniken!!!
Vier verschiedene Betrachtungsebenen
von Psychotherapie
Basisverhalten
Strategien
Psychotherapie
Theorie
Techniken
Ansatz der „SelbstmanagementTherapie“ als Beispiel moderner VT

Autoren: Kanfer, Reinecker & Schmelzer (1996, 2003)

Hauptaugenmerk liegt auf übergeordnete Strategien und Prozesse,
die generell für therapeutische Veränderungen von Bedeutung sind.

Das zentrale Leitmotiv ist das Streben nach Selbstbestimmung
und Selbststeuerung.

Therapeut fungiert v.a. als Änderungsassistent.

Versteht sich als systematischer Anregungsprozess für Klienten,
um Änderungen in deren Leben zu erleichtern.

U.a. geht es darum, Menschen dabei zu helfen, ihre Bedürfnisse,
Motive, Ziele und Werte zu klären, sie dabei zu unterstützen, ein
für sie sinnvolles Leben führen zu können.
Kanfers 11 Gesetze der Therapie (1)
(1) Verlange niemals vom Klienten, gegen ihre eigenen
Interessen zu handeln!
(2) Arbeite zukunftsorientiert, suche nach konkreten
Lösungen und richte die Aufmerksamkeit auf die
Stärken von Klienten!
(3) Spiele nicht den „lieben Gott“, indem Du
Verantwortung für das Leben von Klienten übernimmst!
(4) Säge nicht den Ast ab, auf dem die Klienten sitzen,
bevor Du ihnen nicht geholfen hast, eine Leiter zu
bauen!
(5) Klienten haben immer recht!
Kanfers 11 Gesetze der Therapie (2)
(6) Bevor Du ein problematisches Verhalten nicht plastisch
vor Augen hast, weißt Du nicht, worum es eigentlich
geht!
(7) Du kannst nur mit Klienten arbeiten, die anwesend sind!
(8) Peile kleine, machbare Fortschritte von Woche zu Woche
an und hüte dich vor utopischen Fernzielen!
(9) Bedenke, dass die Informationsverarbeitungskapazität
von Menschen begrenzt ist!
(10)Wenn Du in der Therapiestunde härter arbeitest als
Deine Klienten, machst Du etwas falsch!
(11)Spare nicht mit Anerkennung für die Fortschritte von
Klienten!
Eingangsphase
Motivierungs- und Zielfindungsphase
Verhaltensanalyse
Zielvereinbarung
Interventionsphase
Evaluationsphase
Endphase
Für die KlinSA nützliche VT-Metastrategien sind z.B. Strategien zur …

Gestaltung einer professionellen Arbeitsbeziehung

Gesprächsführung

Strukturierung des Veränderungsprozesses

Motivierung

effektiven Zielfindung und Formulierung

Verhaltensanalyse

Selbstevaluation und Supervision

Rückfallprophylaxe
3 Gruppen von VT-Methoden
 Basisfertigkeiten (z.B. Gesprächsführung,
Beziehungsgestaltung, Motivationsarbeit)
 Störungsspezifische
Methoden
 Störungsübergeifende
Methoden
Störungsspezifische VT-Methoden

Therapieprogramme, die möglichst genau auf die speziellen
Gegebenheiten der verschiedenen Störungsbilder
zugeschnitten sind.

Leiten sich aus einer Störungsdiagnostik sowie insbesondere
einer individuellen Analyse prädisponierender, auslösender
und/oder aufrechterhaltender Bedingungen ab.

Solche Programme wurden mittlerweile für die meisten
psychischen Störungen entwickelt und überprüft. Zu den am
weitesten verbreiteten Programmen zählen z.B. diejenigen für:
Angststörungen, Depressionen, Schizophrenierückfallprophylaxe,
Alkoholabhängigkeit, Essstörungen, sexuelle Funktionsstörungen,
Partnerschaftsprobleme sowie Hyperaktivität und Aggressivität bei
Kindern.
Störungsübergreifende VT-Methoden
Maßnahmen, die jeder Verhaltenstherapeut flexibel in den jeweiligen
Behandlungsplan einfügen können muss. Hierzu zählen u.a.:

Operante Methoden

Arbeit mit Imaginationen

Konfrontationsverfahren

Rückfallpräventionsstrategien

Selbstmanagementstrategien

Euthyme Strategien

Problemlösestrategien

Psychoedukation

kognitive Methoden

Skill-Trainings

Entspannungstechniken
Bewertung der VT: Nachteile/Kritik

Die Verhaltenstherapie hat lange Zeit die Therapeut-KlientBeziehung vernachlässigt und sich zu wenig um die Realisierung
von Basisvariablen gekümmert;

war in ihrer klassischen Ausführung in der Tat zunächst recht
mechanistisch angelegt;

wird von Nicht-VTlern z.T. zu einseitig nur unter dem Aspekt ihrer
Techniken gesehen und angewandt;

hat sich z.T. zu sehr an dem pathogenetischen Paradigma der
Medizin orientiert;

hat sich bislang zu wenig mit den kreativen Potenzialen der
menschlichen Existenz beschäftigt;

hat wenig für die Selbsterfahrungsbedürfnisse (-erfordernisse)
von angehenden Therapeuten/psychosozialen Helfern zu bieten.
Bewertung der VT: Vorteile/Stärken

Relative Bescheidenheit und Orientierung an konkreten Zielen.

Nachhaltige Förderung von Selbsthilfe-, SelbstmanagementProblembewältigungskompetenzen.

Störungsspezifische Vorgehensweise. Es wird jeweils sehr
individuell nach dem optimalen therapeutischen Vorgehen bei einer
gegebenen Störung gesucht.

VT ist diejenige Therapieschule mit der stärksten empirischen
Absicherung.

Im direkten Wirkungsvergleich der verschiedenen Therapieformen
hat sich die VT in der Summe als überlegen erwiesen.

VT gestattet alles aufzunehmen, was sich an der Empirie bewährt und
ist damit in hohem Maße offen gegenüber Weiterentwicklungen.
Bedeutung der VT für die KlinSA (1)

Die KlinSA kann von der VT mehr als Techniken lernen!

In der VT sind genau die bedeutsamen Aspekte integriert, die als
unbedingte Voraussetzungen praktischen Handelns im Bereich
der psychosozialen Versorgung erscheinen, z.B.:

der Bezug zur empirischen Psychologie;

ein durchgängiges Modell zur Erklärung und zur Veränderung
psychischer Störungen,

grundlegende Aspekte des Bedingungs- und
Veränderungswissens;

die Betonung der Notwendigkeit der empirischen Überprüfung
klinischen Handelns.
Bedeutung der VT für die KlinSA (2)

VT hat einen starken Bezug zur Alltags-/Lebensweltorientierung
Klinischer Sozialarbeit.

VT kann auch dem Normalisierungsprinzip dienlich sein.

VT bietet konkrete Bewältigungshilfen (Planungs-, Strukturierungs- und Handlungshilfe). Diese sind für Klienten KlinSA oft mehr
indiziert als eine psychotherapeutisch orientierte Klärungs- und
Verstehensarbeit.

Die verhaltenstherapeutischen Methoden stellen dem Klinischen
Sozialarbeiter in vielen Situationen praktische Vorgehensmöglichkeiten bereit.
VT- Verfahren sind für die KlinSA
umso bedeutsamer, …

je mehr es um einen störungsunspezifischen Aufbau
von Ressourcen, Kompetenzen und Fertigkeiten geht,

je mehr sie im Rahmen von standardisierten SkillTrainings konzipiert sind.

je mehr es – statt um komplexe Krankenbehandlung –
um die Anwendung von übergeordneten Strategien
und Heuristiken geht.

je mehr die Anwendung einzelner VT-Bausteine in die
Zusammenarbeit eines interdisziplinären therapeutischen Teams eingebettet ist.
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