Wirtschaftspsychologie Salzburg SS-2006 ERICH KIRCHLER 1 Theoretische Psychologie Angewandte Psychologie Allgemeine Psychologie Differentielle Psychologie Entwicklungspsychologie Sozialpsychologie Gesundheits- & klinische Psychologie Wirtschaftspsychologie Schulpsychologie Forensische- / Rechtspsychologie Ökologische Psychologie ... 2 Wirtschaftspsychologie • • • • Arbeitspsychologie Organisations- (Betriebs-) psychologie Markt- & Konsumpsychologie Ökonomische Psychologie 3 Motivation und Zufriedenheit 4 Leistung Fähigkeiten Motivation situative Möglichkeiten 5 Regulationsprozesse Antriebsregulation willensmäßige Ausrichtung auf das Ziel und somit die Motivation der Arbeitenden Ausführungsregulation Steuerung der Handlungen: • sensumotorische • perzeptiv-begriffliche • intellektuelle Regulationsebene 6 Vorstellungen über das Ziel Operatives Abbildsystem + Vorstellungen über Wege der Zielerreichung Zielgerichtetes Handeln 7 Basis des operativen Abbildsystems • Arbeitsergebnisse (gewünschte Zielvorgabe) • Ausführungsbedingungen (Wissen um Rohstoffe, Funktionsweisen von Maschinen, etc.) • Transformationsbeziehungen (Eingriffspunkte, subjektive Freiheitsgrade, Steuerungstätigkeiten: Ist- zu Soll-Zustand) 8 Defizitmotive Wachstumsmotive Maslow‘s Bedürfnispyramide Selbstverwirklichung Ich-Motive (Status, Prestige, Anerkennung) Soziale Motive (Kontakt, Liebe, Zugehörigkeit) Sicherheitsmotive (Schutz, Vorsorge) Physiologische Grundbedürfnisse (Hunger, Durst) Die Aktivierung höherer Bedürfnisse hängt davon ab, ob rangniedrigere Bedürfnisse ausreichend befriedigt sind oder nicht. 9 Herzberg, Mausner & Snydermans Motivations-/Zufriedenheitskonzept keine Unzufriedenheit (bessere Kontextbedingungen) keine Zufriedenheit (schlechtere Kontextbedingungen) Zufriedenheit (bessere Kontextbedingungen) Unzufriedenheit (schlechtere Kontextbedingungen) 10 Beispiele für Hygienefaktoren und Motivatoren Hygienefaktoren (dissatisfiers) Motivatoren (satisfiers) Führungsstil Unternehmenspolitik und -verwaltung äußere Arbeitsbedingungen Beziehungen zu Gleichgestellten, Untergebenen und Vorgesetzten Status Arbeitssicherheit, Krisensicherheit Gehalt und Sozialleistungen persönliche berufsbezogene Lebensbedingungen Leistung/Tätigkeit selbst Anerkennung der eigenen Leistung Verantwortung Aufstieg und Weiterentwicklung Möglichkeit zum Wachstum 11 Job-characteristics-model von Hackman und Oldham Aufgabenmerkmale Psychologische Erlebniszustände Anforderungsvielfalt Ganzheitlichkeit der Aufgabe Bedeutsamkeit der Aufgabe Autonomie Rückmeldung aus der Aufgabenerfüllung Erlebte Bedeutsamkeit der eigenen Arbeitstätigkeit Auswirkungen der Arbeit Hohe intrinsische Motivation Hohe Qualität der Arbeitsleistung Erlebte Verantwortung für die Ergebnisse der eigenen Arbeitstätigkeit Hohe Arbeitszufriedenheit Wissen über die aktuellen Resultate, vor allem die Qualität der eigenen Arbeit Niedrige Abwesenheit und Fluktuation Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung 12 Motivationspotential-Formel ergründet, was eine gute Arbeit ausmacht Vielseitigkeit + Ganzheitlichkeit + Bedeutung 3 * Autonomie * Rückmeldung • Vielseitigkeit: Ausmaß unterschiedlicher Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Talente zur Ausführung einer Tätigkeit • Ganzheitlichkeit: Ausmaß, zu dem eine Tätigkeit die Fertigstellung eines ganzen Teils einer Arbeit erfordert • Bedeutung: Wichtigkeit einer Tätigkeit für den Ausführenden, andere Personen, die Organisation und die Umwelt • Autonomie: Ausmaß, zu dem sich ein Arbeitnehmer die Zeit und Vorgangsweise selbst einteilen kann • Rückmeldung: Ausmaß der Information über die eigene Leistungseffektivität 13 Zusammenfassung des Regelkreises der Motivation (Nerdinger, 1995, S. 168) Moderatoren Wahrgenommene Gerechtigkeit Selbstwirksamkeit Rückmeldung Aufgabenkomplexität Verfahren Verteilung Motivationale Tendenz Valenz Instrumentalität Erwartung Zielsetzung Handeln Konsequenzen herausfordernd spezifisch Bindung Handlungsversus Lageorientierung z. B. Gehalt Anerkennung Leistungsergebnis Zufrieden -heit Selbstregulation Kausalattribution internal, external stabil, variabel (kontrollierbar) 14 Theorie der Zielsetzung (Locke und Latham) basiert auf der Annahme, dass Ziele motivierend wirken Zielsetzung Moderatoren Inhalt oder Form (Komplexität, Spezifität, Schwierigkeit) Selbstwirksamkeit (self efficacy) Intensität (Zielbindung, commitment) Aufgabenkomplexität Wirkmechanismen Handlungs-richtung -intensität -ausdauer Leistung Rückmeldung Aufgabenspezifische Strategien 15 Zusammenhang zwischen Zielschwierigkeit und Leistung nach Locke und Latham (1984, S. 22) Leistung hoch mittel niedrig niedrig mittel hoch unmöglich Zielschwierigkeit Schwierige, herausfordernde, aber erreichbare Ziele führen zu besseren Leistungen. 16 Spezifische Ziele fördern die Leistung. Es gibt keine Zweideutigkeit bei der Bewertung der Ziele. Die Planung und Entwicklung von Strategien zur Zielerreichung werden initiiert. Bei mehreren Zielen werden Prioritäten gesetzt. Bei konstanter Zielschwierigkeit scheinen die motivationalen Effekte vorgegebener Ziele genauso stark zu sein wie die Effekte partizipativ vereinbarter Ziele. Bei autoritär vorgegebenen Zielen sollten einsichtige Begründungen gegeben werden. Hohe Zielbindung (Commitment) hat großen Einfluss auf die Leistung. Bei geringer Zielbindung hat die Schwierigkeit keinen Einfluss auf die Leistung. Der Zusammenhang zwischen Zielsetzung und Leistung wird durch Moderatorvariablen (Selbstwirksamkeit, Rückmeldung über erreichte Zwischenschritte oder Fehler, Aufgabenkomplexität, kulturelle Besonderheiten) reguliert. 17 Moderatorvariable: Rückmeldung informative & bewertende Rückmeldung → Leistung ↑ Rückmeldung über die Zielerreichung → Setzung neuer Ziele spezifische Rückmeldung → Informationen zur Leistungsverbesserung 18 Feedback-Intervention-Theorie (Kluger & DeNisi, 1996) a) Das Verhalten wird durch Diskrepanzen zwischen einem IstWert und einem Ziel reguliert. Diskrepanzen können die Aufmerksamkeit der Person auf sich selbst, auf die Aufgabe oder auf Arbeitsschritte lenken. b) Bei positiver Diskrepanz kann eine Person überlegen, ob sie höhere Ziele anpeilen soll. Bei negativer Diskrepanz wird die Leistung gesteigert. Wenn keine Diskrepanz besteht, wird die Leistung beibehalten. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Aufgabendetails. c) Wenn die Aufgabe klar erscheint sowie die Handlungsschritte automatisiert erfolgen, kann die Rückmeldung die routinisierte Ausführung vorübergehend stören. Wenn die Aufgabe nicht klar erscheint, werden Hypothesen generiert und getestet. d) Wenn die Aufmerksamkeit auf das Selbst der Person gelenkt wird, wird die Rückmeldung über Diskrepanzen die Person bewegen, die Relevanz des Handlungsziels zu überlegen und eventuell aufzugeben. 19 Kausalattribution Kausalattributionstheorien erklären die Ursachen, die Personen für ihr Handlungsergebnis verantwortlich machen. Ursachendimensionen (Weiner): - Lokation - Stabilität - Kontrollierbarkeit 20 Gerechtigkeit Verfahrensgerechtigkeit (prozedurale Gerechtigkeit) Verteilungsgerechtigkeit 21 Regeln der prozeduralen Fairness • • • • • • Konsistenz Unvoreingenommenheit Genauigkeit Korrekturmöglichkeit Repräsentativität Ethische Rechtfertigung 22 Mittlere Prozente der Diebstahlrate unter verschiedenen Bedingungen der Information (nach Nerdinger, 1995, S. 158) Mittlere Diebstahlrate inadäquate Erklärung 8 6 adäquate Erklärung 4 Kontrollgruppe 2 0 vorher während nachher Zeitperiode bezogen auf die Gehaltskürzung 23 Verteilungsgerechtigkeit Verteilungsgerechtigkeit funktioniert nach der Maxime „Gibst du mir – geb‘ ich dir“ (Homans) Je eher die Belohnung, die der Leistung folgt, individuellen Maßstäben genügt, um so zufriedener sollte ein Individuum mit der eigenen Arbeit sein. Zur Bewertung des Lohns vergleichen sich Mitarbeiter mit Kollegen oder Personen in ähnlichen Situationen. 24 Arbeitszufriedenheit + Hohe Leistung Hohe Fehlzeiten, Kündigungshäufigkeit 25 Modell der Arbeitszufriedenheit nach Bruggemann et al. (1975) Allgemeine Merkmale der Arbeitssituation (Ist-Wert) Generelle Bedürfnisse und Erwartungen (Soll-Wert) Konkrete Merkmale der Arbeitssituation (Ist-Wert) Konkrete Bedürfnisse und Erwartungen bezogen auf die Arbeitssituation (SollWert) Differenz Soll-IstWert Stabilisierende Zufriedenheit Diffuse Unzufriedenheit ? ? ? Erhöhung des Anspruchsniveaus Aufrechterhaltung des Anspruchsniveaus Senkung des Anspruchsniveaus Aufrechterhaltung des Anspruchsniveaus Verarbeitung von Befriedigung und Frustration Richtgröße für weitere Entwicklungen der Bedürfnisse und Erwartungen und der Einstellung zum Arbeitsverhalten Neue Problemlösungsversuch e Konstruktive Arbeitsunzufriedenheit Ohne neue Problemlösungsversuch e Fixierte Arbeitsunzufriedenheit PseudoArbeitszufriedenheit Resignative Arbeitszufriedenheit Stabilisierte Arbeitszufriedenheit Progressive Arbeitszufriedenheit Verfälschung der Situationswahrnehmung ? 26 Korrelationen (Six & Kleinbeck) Arbeitszufriedenheit und Leistungen: r = +.14 (selten r >.30) Arbeitszufriedenheit und Absentismus: r = -.09 Arbeitszufriedenheit und Fluktuation: r = -.20 bis -.40 27 Fehlerquellen bei der Messung • Subjektivität der Realität • Subjektive Strukturen • Soziale Erwünschtheit • Banale Ereignisse und Stereotypen • Verfügbarkeitsheuristik • Rekonstruktion und Rationalisierung • Präferenzinstabilität • Stimmung und Bewertung • Differenziertheit • Spezifische versus globale Fragen • Antwortalternativen 28 Führung 29 Zusammenfassung der Inhalte von Führungsdefinitionen (Neuberger, 1990) Führung ist ... Gruppenphänomen, das die Interaktion zwischen zwei oder mehreren Personen einschließt. Durchsetzung von Herrschaft auf dem Wege der Motivierung. Intentionale soziale Einflussnahme. 30 Führung ist ... Führung zielt darauf ab, durch Kommunikationsprozesse Ziele zu erreichen. Steuerung und Gestaltung des Handelns anderer Personen. Prozess der Ursachenzuschreibung an individuelle soziale Akteure. 31 Führung, Macht und Einfluss Typologie von Macht von French & Raven (1959) 1. Reward power oder Belohnungsmacht 4. Referent power oder Identifikationsmacht 2. Coercive power oder Bestrafungsmacht 5. Expert power oder Expertenmacht 3. Legitimate power oder Positionsmacht 6. Information power oder Informationsmacht 32 Information: Stanford-Prison-Experiment http://www.prisonexp.org/ http://www.prisonexp.org/video.htm http://www.bbc.co.uk/science/theexperiment/ 33 Typologie der Führungstheorien nach Jago (1982) Universelle Führungstheorien Persönlichkeitseigenschaften Führungsverhalten Kontingenztheorien Eigenschaften der Führungspersönlichkeit Führungspersönlichkeit in Kontext von Situation Interaktionsverhalten der Führungskraft Wechselwirkung der Variablen Situation und Verhalten 34 Charismatische Führung „Charismatische Menschen sind Magneten, denen man sich mit leisem Grauen und gleichzeitig fasziniert nähert. Unendlich weit sind sie entfernt und gleichzeitig ein Teil von einem selbst. Man fühlt ein Stück Ich in einem solchen Wesen und alles andere gleichzeitig auch. Es zieht an, lockt und macht Immer-dran-denken-müssen. Man spürt Zukunft, Antwort, Wissen, Kraft.“ (Klaus Woltron in einem Interview mit Holger Rost, trend 6/95) 35 Charaktereigenschaften von charismatischen Führungskräften: • hohes Selbstvertrauen • Dominanz • Entschlossenheit • starke Überzeugung von den eigenen Ideen • starkes Machtbedürfnis • Sensibilität gegenüber der Umwelt 36 Visionär-charismatische Führung Verwissenschaftlichung des Führungsprozesses Sinnentleerung der Arbeit Charismatische Führungspersonen sind besonders erfolgreich in jenen Organisationen, deren Aufgaben eine ideologische Komponente enthalten oder wenn sich Unternehmen in einer Krise befinden, welche eine radikale 37 Veränderung erfordert. Situative Reifegradtheorie von Hersey & Blanchard (1977) Ein passender Führungsstil, der in Übereinstimmung mit den Modellen aufgabenund mitarbeiterorientiert sein kann, ist je nach Situation zu wählen. 38 Situative Reifegradtheorie von Hersey & Blanchard Berücksichtigte Situationsvariable: REIFEGRAD DER MITARBEITER Job maturity (aufgabenrelevante Fertigkeiten und fachspezifisches Wissen) Psychological maturity (Leistungsmotivation und Selbstsicherheit) 39 Situative Reifegradtheorie von Hersey & Blanchard Reifegrad der Mitarbeiter 4 Stufen R1 R2 R3 R4 Hersey (1986) beschreibt den Reifegrad anhand der FÄHIGKEITEN und WILLIGKEIT der Mitarbeiter. 40 4 Reifegradstufen (R1 bis R4) der Mitarbeitern Reifegrad Nicht fähig/nicht willig: Der Mitarbeiter ist nicht fähig und es fehlt ihm an Verpflichtung und Motivation. Alltagsbeispiel Ein Mitarbeiter muss den Umgang mit einer neuen Maschine lernen. Er weiß nicht, wie man sie bedient und hat auch kein Interesse, dies zu lernen. Nicht fähig/unsicher: Der Mitarbeiter ist nicht fähig und es fehlt ihm an Vertrauen. Jemand nimmt seine erste Flugstunde. Er hat keine Vorstellung, was im Cockpit zu tun ist und hat kein Zutrauen zu seinen Fähigkeiten, das Flugzeug zu fliegen. R1 41 4 Reifegradstufen (R1 bis R4) der Mitarbeitern Reifegrad Nicht fähig/willig: Der Mitarbeiter hat nicht die Fähigkeit, aber ist motiviert und versucht es. Alltagsbeispiel Dem Mitarbeiter fehlt es an Übung an der Maschine, aber er unternimmt Anstrengungen, um qualifiziert zu werden. Nicht fähig/ vertrauensvoll: Der Mitarbeiter hat nicht die Fähigkeit, aber ist vertrauensvoll, so lange die Führungskraft ihm Anleitung gibt. Nach ein paar Stunden ist der Flugschüler noch nicht fähig, das Flugzeug alleine zu fliegen, aber er ist begeistert und fühlt sich allmählich sicher, so lange der Lehrer im Cockpit sitzt. R2 42 4 Reifegradstufen (R1 bis R4) der Mitarbeitern Reifegrad Fähig/nicht willig: Mitarbeiter hat die Fähigkeit, eine Aufgabe zu erledigen, aber er ist nicht willig, diese R3 Fähigkeit einzusetzen. Alltagsbeispiel Der Mitarbeiter kann nun mit der Maschine umgehen, aber die Arbeit langweilt ihn. Fähig/unsicher: Mitarbeiter hat die Fähigkeit, aber ist unsicher und ängstlich, die Aufgabe allein zu erledigen. Vor dem ersten Alleinflug ist der Flugschüler noch nervös und ängstlich, obwohl er dazu jetzt qualifiziert ist. 43 4 Reifegradstufen (R1 bis R4) der Mitarbeitern Reifegrad Fähig/willig: Mitarbeiter hat die Fähigkeit zu einer Aufgabe und macht sie gerne. Alltagsbeispiel Der Mitarbeiter kann mit der Maschine umgehen und hat Freude daran, sie zu bedienen. Fähig/vertrauensvoll: Der Mitarbeiter hat die Fähigkeit zu einer bestimmten Aufgabe und ist vertrauensvoll, sie alleine zu erledigen. Mit 100 Stunden Alleinflug im Logbuch ist der Pilot nun fähig und vertrauensvoll, das Flugzeug alleine zu fliegen. R4 44 stark Telling Situative Reifegradtheorie von Hersey & Blanchard Selling ParticiDelepating gating Ausmaß der Orientierung Beziehungsorientierung wenig Aufgabenorientierung R1 R2 R3 R4 45 46