II. Wortlaut

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Juristische Methodenlehre
Zweiter Teil: Zusammenhänge
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
§ 5 Perspektiven auf die Methode
Vorbemerkung: Standortbestimmung
Juristische Methode
Methode der Rechtssetzung
Methode der Rechtsanwendung
- Gesetzgebungslehre
- Methode der Rechtsgeschäftsplanung
- Methode des Richterrechts
- Methode d. Gesetzesauslegung
- Methode d. Auslegung von
Rechtsgeschäften
(Einteilung nach Kramer, Juristische Methodenlehre)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
§ 5 Perspektiven auf die Methode
A. Gesetzgeber
I.
II.
III.
Entstehung eines Gesetzes
Gesetzgebungstechnik
Wechselwirkung Gesetzgeber Rechtsanwender
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
3
§ 5 Perspektiven auf die Methode
A. Gesetzgeber
II.
Gesetzgebungstechnik
§ 244 Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird
bestraft, wer
1. einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer
Beteiligter
a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches
Werkzeug bei sich führt,
b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um
den Widerstand einer anderen Person durch
Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern
oder zu überwinden,(…)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
4
§ 5 Perspektiven auf die Methode
A. Gesetzgeber
II.
Gesetzgebungstechnik
§ 250 StGB
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei
sich führt,
b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den
Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder
Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
(…)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
5
§ 5 Perspektiven auf die Methode
A. Gesetzgeber
II.
Gesetzgebungstechnik
§ 224 Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung
1.
(…),
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen
Werkzeugs,
3.
(…)
begeht,
wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in
minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft.
(2) (…)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
6
§ 5 Perspektiven auf die Methode
§ 90 BGB Begriff der Sache
Sachen im Sinne des Gesetzes sind körperliche Gegenstände.
§ 90 a BGB Tiere
Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze
geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften
entsprechend anwendbar, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
7
§ 5 Perspektiven auf die Methode
A. Gesetzgeber
I.
II.
III.
Entstehung eines Gesetzes
Gesetzgebungstechnik
Wechselwirkung Gesetzgeber Rechtsanwender
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
8
§ 5 Perspektiven auf die Methode
A. Gesetzgeber
II.
Gesetzgebungstechnik
Handbuch der Rechtsförmlichkeiten,
abrufbar unter: http://hdr.bmj.de
(soll der Standardisierung des Gesetzgebungsprozesses dienen)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
9
§ 5 Perspektiven auf die Methode
A. Gesetzgeber
I.
II.
III.
Entstehung eines Gesetzes
Gesetzgebungstechnik
Wechselwirkung Gesetzgeber Rechtsanwender
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
10
§ 5 Perspektiven auf die Methode
B. Rechtsanwender
I.
II.
III.
Richter – Verwaltungsbeamter Staatsanwalt
Rechtsanwalt
Laie
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
11
§ 5 Perspektiven auf die Methode
B. Rechtsanwender
I.
II.
III.
Richter – Verwaltungsbeamter Staatsanwalt
Rechtsanwalt
Laie
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
12
§ 5 Perspektiven auf die Methode
B. Rechtsanwender
I.
II.
III.
Richter – Verwaltungsbeamter Staatsanwalt
Rechtsanwalt
Laie
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
13
§ 5 Perspektiven auf die Methode
C. Wissenschaft
I.
II.
III.
Wechselwirkungen Wissenschaft Gesetzgeber
Wechselwirkungen Wissenschaft Rechtsanwender
Kritik – Entwicklungshilfe Überwachungsfunktion
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14
§ 5 Perspektiven auf die Methode
C. Wissenschaft
I.
II.
III.
Wechselwirkungen Wissenschaft Gesetzgeber
Wechselwirkungen Wissenschaft Rechtsanwender
Kritik – Entwicklungshilfe Überwachungsfunktion
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
15
§ 5 Perspektiven auf die Methode
C. Wissenschaft
I.
II.
III.
Wechselwirkungen Wissenschaft Gesetzgeber
Wechselwirkungen Wissenschaft Rechtsanwender
Kritik – Entwicklungshilfe Überwachungsfunktion
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
16
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
I.
II.
III.
Vorverfahren
Mündliche Verhandlung
Urteil
B. Sachverhaltsermittlung
C. Rechtsermittlung
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
17
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
I.
II.
III.
Vorverfahren
Mündliche Verhandlung
Urteil
B. Sachverhaltsermittlung
C. Rechtsermittlung
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
18
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
I.
II.
III.
Vorverfahren
Mündliche Verhandlung
Urteil
B. Sachverhaltsermittlung
C. Rechtsermittlung
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
19
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
B. Sachverhaltsermittlung
I.
II.
III.
Feststellung von Tatsachen
Unstreitiges und Streitiges
Beweiserhebung
C. Rechtsermittlung
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
20
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
B. Sachverhaltsermittlung
I.
II.
III.
Feststellung von Tatsachen
Unstreitiges und Streitiges
Beweiserhebung
C. Rechtsermittlung
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
21
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
B. Sachverhaltsermittlung
I.
II.
III.
Feststellung von Tatsachen
Unstreitiges und Streitiges
Beweiserhebung
C. Rechtsermittlung
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
22
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
B. Sachverhaltsermittlung
C. Rechtsermittlung
I.
II.
III.
Aufsuchen der streitentscheidenden Normen
Auslegung – Informationsbeschaffung
Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
23
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
B. Sachverhaltsermittlung
C. Rechtsermittlung
I.
II.
III.
Aufsuchen der streitentscheidenden Normen
Auslegung – Informationsbeschaffung
Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
24
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
A. Verfahrensablauf
B. Sachverhaltsermittlung
C. Rechtsermittlung
I.
II.
III.
Aufsuchen der streitentscheidenden Normen
Auslegung – Informationsbeschaffung
Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
25
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C. Rechtsermittlung
III. Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
1. Subsumtion
Aristoteles: Topik I 1, 100a25-27
„Eine Deduktion (syllogismos) ist also ein
Argument, in welchem sich, wenn etwas gesetzt
wurde, etwas anderes als das Gesetzte mit
Notwendigkeit durch das Gesetzte ergibt.“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
26
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C. Rechtsermittlung
III. Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
1. Subsumtion
Kant (Logik, § 41, AA IX, S. 114):
„Unter Schließen ist diejenige Function des
Denkens zu verstehen, wodurch ein Urtheil aus
einem andern hergeleitet wird. Ein Schluss
überhaupt ist also die Ableitung eines Urtheils aus
einem andern.“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
27
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C. Rechtsermittlung
III. Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
1. Subsumtion
Alle Menschen (M) sind sterblich (S).
Griechen (G) sind Menschen (M).
Also sind Griechen (G) sterblich (S).



M ist S
G ist M
G ist S
Mittelbegriff (M) ist Oberbegriff (S)
Unterbegriff (G) ist Mittelbegriff (M)
Unterbegriff (G) ist auch Oberbegriff (S)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
28
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C C. Rechtsermittlung
III. Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
1. Subsumtion
Schluss im Recht:
Obersatz ist die Norm.
Untersatz ist unser Sachverhalt.
Passen die einzelnen Merkmale, gilt die Konklusion:
Die Rechtsfolge.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
29
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C. Rechtsermittlung
III. Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
1. Subsumtion
Wer mordet (M), übertritt das Gesetz (G).
Hoeneß (H) hat nie gemordet (M).
Also hat Hoeneß (H) nie das Gesetz (G) übertreten.
Alle Füchse haben 4 Beine.
Genscher ist ein alter Fuchs.
Also hat Genscher vier Beine.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
30
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C. Rechtsermittlung
III. Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
2. Von der Subsumtion zur Auslegung
Wer kauft muss zahlen (§ 433 BGB: Obersatz)  W ist Z
K hat ein Brot gekauft. (Sachverhalt: Untersatz)  K ist W
K muss bezahlen. (Konklusion)
 K ist Z
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
31
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C. III. 2. Von der Subsumtion zur Auslegung
§ 2247 Eigenhändiges Testament
(1) Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und
unterschriebene Erklärung errichten.
(2) Der Erblasser soll in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr)
und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat.
(3) Die Unterschrift soll den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers
enthalten. Unterschreibt der Erblasser in anderer Weise und reicht diese
Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft des Erblassers und der Ernstlichkeit
seiner Erklärung aus, so steht eine solche Unterzeichnung der Gültigkeit des
Testaments nicht entgegen.
(4) Wer minderjährig ist oder Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kann ein Testament
nicht nach obigen Vorschriften errichten.
(5) Enthält ein nach Absatz 1 errichtetes Testament keine Angabe über die Zeit der
Errichtung und ergeben sich hieraus Zweifel über seine Gültigkeit, so ist das Testament
nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit
der Errichtung anderweit treffen lassen. Dasselbe gilt entsprechend für ein Testament,
das keine Angabe über den Ort der Errichtung enthält.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
32
§ 6 Anwendungssituation: Aufgaben und
Arbeitsbedingungen des Zivilrichters
C. III. Subsumtion, Auslegung und Rechtsfolge
Merksatz:
Finden die abstrakten Begriffe der Rechtsnorm in
den konkreteren Begriffen des Sachverhalts derart
eine Entsprechung, dass die letzteren als
Unterbegriffe der ersteren erscheinen, so ist die
Deduktion vollzogen und die Rechtsfolge der Norm
als Schlusssatz abgeleitet.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
33
Juristische Methodenlehre
Dritter Teil: Anwendungsfragen
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
Dritter Teil: Anwendungsfragen
§7
Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jahrhunderts
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
I. Vorbemerkungen
II. Wortlaut
III. Geschichte
IV. System
V. Teleologie
VI. Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
35
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
I. Vorbemerkungen
1.
2.
3.
Nicht Savigny!
Erfordernis und Legitimation der Auslegung
Der Streit um die subjektive und objektive
Theorie
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
36
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
I. Vorbemerkungen
1.
Nicht Savigny!
(Huber, Savignys Lehre von der Auslegung der Gesetz aus heutiger
Sicht, JZ 2003, 1 ff.)
2.
3.
Erfordernis und Legitimation der Auslegung
Der Streit um die subjektive und objektive
Theorie
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
37
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Allgemeines zum
der Auslegung“ (System I, 213)
„Geschäft
Auslegung vollzieht sich so, dass die Interpreten „sich in
Gedanken auf den Standpunkt des Gesetzgebers
versetzen, und dessen Thätigkeit in sich künstlich
wiederholen, also das Gesetz in ihrem Denken von
Neuem entstehen lassen.“
Das nennt Savigny „die Reconstruction des dem Gesetze
innewohnenden Gedankens“.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
38
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Das grammatische Element
„Das grammatische Element der Auslegung hat zum
Gegenstand das Wort, welches den Übergang aus dem
Denken des Gesetzgebers in unser Denken vermittelt.
Es besteht daher in der Darlegung der von dem
Gesetzgeber angewendeten Sprachgesetze.“
(System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, § 33)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
39
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Das logische Element
„Das logische Element geht auf die Gliederung des
Gedankens, also auf das logische Verhältniß, in
welchem die einzelnen Teile desselben zu einander
stehen.“
(System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, § 33)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
40
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Das historische Element
„Das historische Element hat zum Gegenstand den zur
Zeit des gegebenen Gesetzes für das vorliegende
Rechtsverhältniß durch Rechtsregeln bestimmten
Zustand. In diesen Zustand sollte das Gesetz auf
bestimmte Weise eingreifen, und die Art dieses
Eingreifens, das was dem Recht durch dieses Gesetz
neu eingefügt worden ist, soll jenes Element zur
Anschauung bringen.“
(System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, § 33)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
41
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Das systematische Element
„Das systematische Element endlich bezieht sich auf den
inneren Zusammenhang, welcher alle Rechtsinstitute und
Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft (§ 5).
Dieser Zusammenhang, so gut als der historische, hat
dem Gesetzgeber gleichfalls vorgeschwebt, und wir
werden also seinen Gedanken nur dann vollständig
erkennen, wenn wir uns klar machen, in welchem
Verhältniß dieses Gesetz zu dem ganzen Rechtssystem
steht, und wie es in das System wirksam eingreifen soll.“
(System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, § 33)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
42
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Differenzen zu den heutigen
vier („klassischen“) canones
• es fehlt teleologische Auslegung, zumindest sofern „gesunde“
Gesetze in Rede stehen (entgegen der damals h.M., z.B. Thibaut)
• grammatisch entspricht dem Wortlaut
• logische und systematische Auslegung würden wir als
systematische Auslegung zusammenfassen
• historisch meint i.w.S. also mit Blick auf die Veränderung
gegenüber dem vorigen Rechtszustand
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
43
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Das mangelhafte Gesetz
„Die aufgestellten Grundsätze der Auslegung (§ 33) können
genügen für den gesunden Zustand des Gesetzes, da der
Ausdruck einen in sich vollendeten Gedanken darstellt, und kein
Umstand vorhanden ist, der uns hindert, diesen Gedanken als
den wahren Inhalt des Gesetzes anzuerkennen. Es sind aber
nun noch die schwierigeren Fälle mangelhafter Gesetze
anzugeben, wodurch diese Schwierigkeiten beseitigt werden
können.“
(System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, § 35 [222])
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
44
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
Die canones nach Savigny: Die ratio legis
„Grund“ des Gesetzes bedeutet „ratio legis“ (System I, § 34 [217]), ist also nicht
Teil des Inhalts, mit diesem aber dennoch „verwandt“
„Grund des Gesetzes“ kann verstanden werden als „die Wirkung, die durch das
Gesetz hervorgebracht werden soll, so daß der Grund ... auch als Zweck oder als
Absicht des Gesetzes bezeichnet wird“ (System I, § 34 [217])
„Ungleich bedenklicher, und nur mit großer Vorsicht zulässig, ist der Gebrauch
des Gesetzgrundes zur Auslegung der Gesetze“. (System I, § 34 [220])
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
45
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
I. Vorbemerkungen
1.
2.
3.
Nicht Savigny!
Erfordernis und Legitimation der Auslegung
Der Streit um die subjektive und objektive
Theorie
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
46
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
Schweizerischer Art. 1 ZBG:
Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder
Auslegung eine Bestimmung enthält. Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen
werden, so soll das Gericht nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt,
nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde. Es folgt dabei
bewährter Lehre und Überlieferung.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
47
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
Österreichisches ABGB §§ 6 und 7:
§ 6 Einem Gesetz darf bei der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden,
als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange
und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervor leuchtet.
§ 7 Lässt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem natürlichen Sinne
eines Gesetzes entscheiden, so muss auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt
entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht
genommen werden. Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft; so muss solcher mit
Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände nach den
natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden werden.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
48
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
I. Vorbemerkungen
1.
2.
Nicht Savigny!
Erfordernis und Legitimation der Auslegung
(Hassemer, Gesetzesbindung und Methodenlehre, ZRP 2007, 213 ff.;
ders. in FS Jung, Juristische Methodenlehre und richterliche
Pragmatik, S. 231 ff)
3.
Der Streit um die subjektive und objektive
Theorie
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
49
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
I. Vorbemerkungen
1.
2.
3.
Nicht Savigny!
Erfordernis und Legitimation der Auslegung
Der Streit um die subjektive und objektive
Theorie
(Hassold, Wille des Gesetzgebers oder objektiver Sinn des Gesetzes –
subjektive oder objektive Theorie der Gesetzesauslegung, ZZP 94.
Band (1981), S. 192 ff.)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
50
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
I. Vorbemerkungen
3.
Der Streit um die subjektive und objektive
Theorie
Rüthers:
Hirsch:
Hassemer:
JZ 2006, 53 und NJW 2005, 2757;
zuletzt NJW 2011, 1856
ZRP 2006, 161
ZRP, 2007, 213
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
51
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
II. Wortlaut
Vorbemerkungen
1. Konstruktion des Rechtssatzes
a) Tatbestand – Rechtsfolge
b) Merkmale der Norm
2. Subjektive und objektive Wortlautauslegung
3. Einzelfragen und BGHZ 87, 191
a) Wortlaut als Grenze?
b) Fachsprache - Umgangssprache
c) Teleologische Extension
d) Relativität der Begriffsbildung
e) BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
52
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
C. Schmitt in JW 1934, 717:
„Alle unbestimmten Rechtsbegriffe, alle sog.
Generalklauseln sind unbedingt und vorbehaltlos im
nationalsozialistischen Sinne anzuwenden.“
Zu dieser Problematik: Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung,
2005, S. 210.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
53
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
II. Wortlaut
Vorbemerkungen
1. Konstruktion des Rechtssatzes
a) Tatbestand – Rechtsfolge
b) Merkmale der Norm
2. Subjektive und objektive Wortlautauslegung
3. Einzelfragen und BGHZ 87, 191
a) Wortlaut als Grenze?
b) Fachsprache - Umgangssprache
c) Teleologische Extension
d) Relativität der Begriffsbildung
e) BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
54
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
II. Wortlaut
3. Einzelfragen – b) Fach-/Umgangssprache
Schwab in ZNR 2000, 353
„Sobald das harmloseste Wort zum gesetzlichen
Terminus geworden ist, verliert es seine Unschuld.“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
55
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
II. Wortlaut - 3. Einzelfragen - e) BGHZ 87, 191
Sachverhalt:
Die Beklagte - eine Reiseveranstalterin - verwendet umfangreiche "Reisebedingungen",
die in ihren Prospekten abgedruckt sind. Bis Sommer 1981 enthielten diese Allgemeinen
Geschäftsbedingungen folgende Klausel:
"Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen uns ist ausgeschlossen oder beschränkt,
soweit aufgrund gesetzlicher Vorschriften, die auf die von einem Leistungsträger zu
erbringenden Leistungen anzuwenden sind, dessen Haftung ebenfalls
ausgeschlossen oder beschränkt ist."
Der klagende Verbraucherschutzverein verlangt von der Beklagten, die Klausel nicht
weiter zu verwenden.
Das Landgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (dessen
Urteil in NJW 1982, 2200 abgedruckt ist) hat ihr stattgegeben. Mit der - zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
56
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
§ 9 AGBG a.F. (Generalklausel) heute § 307 BGB
zu BGHZ 87, 191
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn
sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen benachteiligen.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine
Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der
abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages
ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet
ist.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
57
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
§ 651h BGB a.F. Zulässige Haftungsbeschränkung
zu BGHZ 87, 191
(1) Der Reiseveranstalter kann durch Vereinbarung mit dem Reisenden seine
Haftung für Schäden, die nicht Körperschäden sind, auf den dreifachen
Reisepreis beschränken,
1. soweit ein Schaden des Reisenden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig
herbeigeführt wird oder
2. soweit der Reiseveranstalter für einen dem Reisenden entstehenden
Schaden allein wegen eines Verschuldens eines Leistungsträgers
verantwortlich ist.
(2) Gelten für eine von einem Leistungsträger zu erbringende Reiseleistung
gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Anspruch auf Schadensersatz nur unter
bestimmten Voraussetzungen oder Beschränkungen geltend gemacht werden
kann, so kann sich auch der Reiseveranstalter gegenüber dem Reisenden hierauf
berufen.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
58
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191
„(…) Der Senat hält aufgrund des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des § 651 h Abs. 2 BGB sowie nach dem mit der
Vorschrift verfolgten Zweck einen Ausschluß der Haftung des
Reiseveranstalters gegenüber dem Reisenden für unzulässig. (…)“
Aus den Gründen des BGH vom 14.04.1983, Az. VI ZR 199, 82, abgedruckt in
BGHZ 87, 191:
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
59
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191
„(…) 1. Nach § 651 h Abs. 2 BGB kann sich der Reiseveranstalter
gegenüber dem Reisenden auf gesetzliche Vorschriften berufen, die
für eine von einem Leistungsträger zu erbringende Reiseleistung
gelten und nach denen "ein Anspruch auf Schadensersatz nur unter
bestimmten Voraussetzungen oder Beschränkungen geltend gemacht
werden kann". Ob diese Bestimmung dem Reiseveranstalter gestattet,
sich gegenüber dem Reisenden auf einen auf gesetzlichen
Vorschriften beruhenden völligen Haftungsausschluß zu berufen, ist
umstritten.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
60
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191
Das Schrifttum ist überwiegend der Meinung, aufgrund des
eindeutigen Wortlauts der Vorschrift sei ein solcher Haftungsausschluß
nicht zulässig (vgl. Bartl, Reiserecht, 2. Aufl., Rdn. 135; derselbe, NJW
1979, 1384, 1389; Larenz, Schuldrecht BT, 12. Aufl., S. 315; Löwe in
MünchKomm, BGB, § 651 h Rdn. 18; derselbe, Das neue
Pauschalreiserecht, S. 141 f; anders noch BB 1979, 1357, 1365 r.Sp.;
Tonner, Der Reisevertrag, § 651 h Rdn. 23; vgl. auch Palandt/Thomas,
BGB, 42. Aufl., § 651 h Anm. 1, 3 gegenüber der in der 39. Aufl.
vertretenen anderen Ansicht; Uwe Heinz, Die Rechtsstellung des
Reisenden nach Inkrafttreten der Reisevertrags-normen (1983) S. 166
m.w.N.). Die Gegenmeinung ist der Auffassung, nach § 651 h Abs. 2
BGB könne der Reiseveranstalter auch einen völligen
Haftungsausschluß vorsehen (vgl. Eberle, Der Reisevertrag, 2. Aufl.,
S. 77 f; Erman/Seiler, BGB, 7. Aufl., § 651 h Rdn. 7, 8).
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
61
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191
2. Der Senat hält aufgrund des Wortlauts und der
Entstehungsgeschichte des § 651 h Abs. 2 BGB sowie nach dem mit
der Vorschrift verfolgten Zweck einen Ausschluß der Haftung des
Reiseveranstalters gegenüber dem Reisenden für unzulässig.
a) Der Wortlaut des § 651 h Abs. 2 BGB gestattet dem
Reiseveranstalter nicht, sich gegenüber dem Reisenden auf einen
Haftungsausschluß zu berufen, der in gesetzlichen Vorschriften für die
Leistung eines Leistungsträgers vorgesehen ist. Die Auslegung einer
Vorschrift richtet sich in erster Linie nach ihrem Wortsinn sowie nach
dem Sprachgebrauch des Gesetzes, in dem die Vorschrift enthalten
ist.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
62
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191
aa) Nach dem Wortsinn bedeutet der Hinweis auf "bestimmte Voraussetzungen", daß
für die Geltendmachung des Anspruchs ein weiteres Tatbestandsmerkmal, z.B. die
Erstattung einer Anzeige, die Einhaltung einer bestimmten Form oder der Ablauf einer
Frist, erfüllt sein muß. Mit dem Hinweis auf "Beschränkungen" wird zum Ausdruck
gebracht, daß der Anspruch beispielsweise nur gegen bestimmte Personen oder nur in
bestimmter Höhe geltend gemacht werden kann. Sowohl "Voraussetzungen" als auch
"Beschränkungen" eines Anspruchs knüpfen nach dem Wortsinn der Vorschrift jedoch
an einen bereits entstandenen oder zumindest möglichen Anspruch an. Nur ein solcher
Anspruch kann unter "bestimmten Voraussetzungen oder Beschränkungen" geltend
gemacht werden. Demgegenüber ist ein "ausgeschlossener" Anspruch - entgegen der
Auffassung der Revision - nicht ein von bestimmten Voraussetzungen abhängiger oder
bestimmten Einschränkungen unterliegender Anspruch, der die Voraussetzungen nicht
erfüllt oder unter die gegebenen Beschränkungen fällt, die hier lediglich "auf Null"
zurückführen. Ein solcher Anspruch besteht vielmehr überhaupt nicht; er kann - wie
durch die Worte "ausgeschlossen" oder "Ausschluß" zum Ausdruck kommt - weil nicht
entstanden auch nicht nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen oder Wegfall
gewisser Beschränkungen geltend gemacht werden.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
63
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191
bb) Die Unterscheidung zwischen "ausgeschlossenen" und "nur unter bestimmten
Voraussetzungen oder Beschränkungen" durchsetzbaren Ansprüchen findet sich
auch sonst im Sprachgebrauch des Bürgerlichen Gesetzbuchs. So heißt es z.B. in
den §§ 250 Satz 2, 283 Abs. 1 Satz 2, 326 Abs. 1 Satz 2 und 634 Abs. 1 Satz 3,
daß in bestimmten Fällen der Anspruch ausgeschlossen ist. Andererseits knüpft
das Gesetz z.B. in § 326 Abs. 1 Satz 2 bzw. in § 634 Abs. 1 Satz 3 den Anspruch
auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung bzw. auf Wandlung oder Minderung an
die nicht rechtzeitig vorgenommene Leistung oder Mängelbeseitigung. Das BGB
bezeichnet den Ausschluß von Ansprüchen somit regelmäßig nicht umschreibend
unter Hinweis auf fehlende Voraussetzungen oder gegebene Beschränkungen,
sondern ausdrücklich mit dem Wort "ausgeschlossen". Da § 651 h Abs. 2 BGB
neben den Voraussetzungen und Beschränkungen einen Ausschluß des
Anspruchs nicht ausdrücklich erwähnt, ist davon auszugehen, daß die Vorschrift
nach ihrem Wortsinn und dem maßgeblichen Sprachgebrauch des Bürgerlichen
Gesetzbuchs die Berufung auf einen völligen Haftungsausschluß nicht gestattet.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
64
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191
b) Die Zulässigkeit eines solchen Haftungsausschlusses kann auch nicht mit
der Entstehungsgeschichte der Vorschrift begründet werden.
(…)
c) Dem Zweck der Vorschrift und ihrem Bedeutungszusammenhang kann
ebenfalls nicht entnommen werden, daß sich der Reiseveranstalter gegenüber
dem Reisenden auf völligen Haftungsausschluß berufen darf.
(…)
d) Es ist auch sach- und interessengerecht, wenn sich der Reiseveranstalter
gegenüber dem Reisenden nicht auf den völligen Ausschluß der Haftung eines
Leistungsträgers berufen kann.
(…)“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
65
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
II. Wortlaut
Schlussbemerkung
Celsus, Dig. 1, 3, 17:
„Scire leges non hoc est verba earum
tenere sed vim ac potestatem“
(Gesetze verstehen bedeutet nicht, an ihrem Wortlaut zu
klammern, sondern sich ihrer Kraft und Macht bewusst zu
werden.)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
66
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
1.
2.
3.
4.
Vorbemerkung
Historische Auslegung im engeren und
weiteren Sinne
Subjektive und objektive Theorie
Einzelfragen und nochmals BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
67
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
1.
2.
3.
Vorbemerkung
Historische Auslegung im engeren und
weiteren Sinne
Subjektive und objektive Theorie
Einzelfragen und nochmals BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
68
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
§ 11 TierSchG
zu BVerwG, Az. 3 C 7.04 vom 09.12.2004
(1)
Wer
1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer,
a) die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder
(…)
halten,
(…)
oder
8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1,
a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild,
züchten oder halten,
b) …..
will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. (…)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
69
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
1.
2.
3.
Vorbemerkung
Historische Auslegung im engeren und
weiteren Sinne
Subjektive und objektive Theorie
a) Streitstand
b) Beispiel Wahlrecht in der Schweiz
c) Ausführliche Diskussion
Einzelfragen und nochmals BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
70
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
1.
2.
3.
Vorbemerkung
Historische Auslegung im engeren und
weiteren Sinne
Subjektive und objektive Theorie
a) Streitstand
b) Beispiel Wahlrecht in der Schweiz
c) Ausführliche Diskussion
Einzelfragen und nochmals BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
71
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
Literaturhinweis zum Thema subjektive und objektive
Theorie:
Hassold, Wille des Gesetzgebers oder objektiver Sinn
des Gesetzes – subjektive oder objektive Theorie der
Gesetzesauslegung, ZZP 94. Band (1981), S. 192 ff.)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
72
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
1.
2.
3.
Vorbemerkung
Historische Auslegung im engeren und
weiteren Sinne
Subjektive und objektive Theorie
Einzelfragen und nochmals BGHZ 87, 191
a) Relevante Materialien
b) Redaktionsversehen
c) Verwerfungsargument
d) BGHZ 87, 191
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73
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
b)
Redaktionsversehen
§ 254 Mitverschulden
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten
mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu
leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der
Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf
beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines
ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder
kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden
abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende
Anwendung.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
74
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte
1.
2.
3.
Vorbemerkung
Historische Auslegung im engeren und
weiteren Sinne
Subjektive und objektive Theorie
Einzelfragen und nochmals BGHZ 87, 191
a) Relevante Materialien
b) Redaktionsversehen
c) Verwerfungsargument
d) BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
75
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte 3. Einzelfragen d) nochmals BGHZ 87, 191
„b) Die Zulässigkeit eines solchen Haftungsausschlusses kann auch nicht mit der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift begründet werden.
Der Wille des Gesetzgebers ist bei der Auslegung gesetzlicher Vorschriften dann
von Bedeutung, wenn Wortsinn und Zusammenhang der Vorschrift mit anderen
Bestimmungen für eine sinnvolle Auslegung nicht ausreichen. Angesichts des
eindeutigen Wortlauts des § 651 h Abs. 2 BGB erscheint es bereits zweifelhaft, ob
bei der Auslegung der Vorschrift auf die Gesetzesmaterialien zurückgegriffen
werden kann vgl. hierzu Bartl aaO; Erman/Seiler aaO; Löwe aaO). Dies kann
jedoch dahingestellt bleiben. Auch wenn der Wille des Gesetzgebers
berücksichtigt wird, führt eine Auslegung des § 651 h Abs. 2 BGB nämlich zu
keinem anderen Ergebnis.
[Frage der Rangfolge der Methoden]
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
76
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte 3. Einzelfragen d) nochmals BGHZ 87, 191
§ 19 Abs. 2 des Entwurfs eines Gesetzes über den Reiseveranstaltungsvertrag
(BT-Drucksache 8/786), der mit § 651 h Abs. 2 BGB nahezu wörtlich
übereinstimmt, sollte nach der Begründung eine angemessene Milderung der
strengen Haftung des Reiseveranstalters für Fehlverhalten der Leistungsträger
ermöglichen. Mit dieser Vorschrift sollte das ungereimte Ergebnis vermieden
werden, daß der Reiseveranstalter für das Verschulden eines Beförderers
uneingeschränkt einzustehen hätte, etwa im ausländischen Beförderungsrecht
aber für die Haftung dieses Beförderers Grenzen vorgesehen wären. Dem
Reiseveranstalter sollte es daher gestattet werden, auch dem Reisenden
gegenüber Haftungsbeschränkungen geltend zu machen, die für die vom
Leistungsträger zu erbringende Reiseleistung anzuwenden sind (vgl. Begründung
aaO S. 31).
[historische Auslegung im engeren Sinne]
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
77
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
III. Geschichte 3. Einzelfragen d) nochmals BGHZ 87, 191
Der Rechtsausschuß des Bundestags hat den Regelungsgehalt des § 19 Abs. 2
des Regierungsentwurfs zwar ausdrücklich in § 651 h Abs. 2 BGB übernommen.
Anders als in der Begründung des Regierungsentwurfs spricht er in seiner
Beschlußempfehlung und in seinem Bericht jedoch von der Berufung des
Reiseveranstalters auf "Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse" (vgl. BTDrucksache 8/2343 S. 12). Der Rechtsausschuß des Bundestags wollte mit der
Vorschrift also auch den Ausschluß der Haftung des Reiseveranstalters zulassen.
Er hat es aber unterlassen, dieses Begehren durch die gebotene Änderung oder
Ergänzung der Vorschrift eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Da der Wille des
Gesetzgebers in der beschlossenen gesetzlichen Regelung keinen Niederschlag
gefunden hat, ist im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift und die Begründung
zu dem ihr zugrundeliegenden Entwurf ein Ausschluß der Haftung des
Reiseveranstalters von § 651 h Abs. 2 BGB somit nicht erfaßt. Dem Willen des
Gesetzgebers, der im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommen ist, kann deshalb
keine Bedeutung beigemessen werden (vgl. Löwe aaO; Bartl aaO).“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
78
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
1.
2.
3.
Vorbemerkungen
Inneres System, äußeres System und Konkurrenzen
a)
Inneres System
b)
Äußeres System
c)
Konkurrenzen von Rechtsnormen
Subjektive und objektive Auslegung
Abschließendes Beispiel
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
79
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
Vorbemerkungen
Nochmals Savigny:
Die systematische Auslegung will den einzelnen Rechtsgedanken
„in den inneren Zusammenhang, welcher alle Rechtsinstitute und
Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft“, stellen.
Dies ist erforderlich, „weil wir den Gedanken des Gesetzgebers
nur dann vollständig erkennen, wenn wir uns klar machen, in
welchem Verhältnis diese Gesetze zu dem ganzen Rechtssystem
stehen und wie es in dieses System wirksam eingreifen soll.“
Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, 1840, S. 214
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
80
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
1.
Inneres System, äußeres System und Konkurrenzen
Unterteilung inneres und äußeres System nach
Philipp Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 139 f.
2.
3.
Subjektive und objektive Auslegung
Abschließendes Beispiel
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
81
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
1.
Inneres System
„Diese [d.h. die allgemeinen Rechtsprinzipien] heraus zu fühlen,
und von ihnen ausgehend den innern Zusammenhang und die Art
der Verwandtschaft aller juristischen Begriffe und Sätze zu
erkennen, gehört … zu den schwersten Aufgaben unserer
Wissenschaft, ja es ist eigentlich dasjenige, was unserer Arbeit
den wissenschaftlichen Charakter gibt.“
Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1840, S.
66
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
82
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
§ 254 Mitverschulden
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten
mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu
leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der
Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf
beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines
ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder
kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden
abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende
Anwendung.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
83
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
1. c)
Konkurrenzen von Rechtsnormen
aa)
Grundsatz: Kumulative Normenkonkurrenz
bb)
Im Zweifel: Keine Widersprüche
cc)
Im Zweifel: Keine Norm überflüssig
dd)
lex superior derogat legi inferiori
ee)
lex posterior derogat legi priori
ff)
lex specialis derogat legi generali
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
84
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
§ 119 BGB Anfechtbarkeit wegen Irrtums
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war
oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die
Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der
Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben
würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche
Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich
angesehen werden.
§ 133 BGB Auslegung einer Willenserklärung
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und
nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
85
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
1.
Inneres System, äußeres System und Konkurrenzen
2.
Subjektive und objektive Auslegung
3.
Abschließendes Beispiel
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
86
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
§ 224 StGB Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung
1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen
Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder
schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
87
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A. Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. System
§ 28 StGB Besondere persönliche Merkmale
(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche
die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter
oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale
die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für
den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
88
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. Teleologie
Beispiele:
BVerwG vom 09.12.2004, Az. 3 C 7.04
BVErfG vom 30.07.2008, Az. 1 BvR 326/07
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
89
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland am
Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
IV. Teleologie
1.
2.
3.
Vorbemerkungen
Der Vorgang der teleologischen Auslegung
Subjektive und objektive Zweckermittlung
Einzelfragen und nochmals BGHZ 87, 191
a) Verhältnis Wortlaut – System – Geschichte –
Teleologie
b) Der Zweck im Gesetz
c) Nochmals BGHZ 87, 191
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
90
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
BGHZ 87, 191: „c) Dem Zweck der Vorschrift und ihrem Bedeutungszusammenhang kann ebenfalls nicht entnommen werden, daß sich der Reiseveranstalter
gegenüber dem Reisenden auf völligen Haftungsausschluß berufen darf. § 651
h Abs. 2 BGB geht zwar von dem Grundgedanken aus, daß der Reiseveranstalter nicht schärfer haften soll als der Leistungsträger selbst, wenn der Schaden
des Reisenden seine Ursache lediglich im Bereich des Leistungsträgers hatte
(vgl. Löwe in MünchKomm aaO Rdn. 17). Entgegen der Auffassung der Revision sollte die mit der Vorschrift bezweckte "Haftungsgleichheit" zwischen Reiseveranstalter und Leistungsträger jedoch nicht so weit gehen, den Reiseveranstalter von seiner Haftung völlig zu entlasten. Eine solche Auslegung wäre
vielmehr - wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt - mit dem dem Reiserecht zugrundeliegenden Haftungssystem unvereinbar. Der Reiseveranstalter
könnte durch einen völligen Haftungsausschluß das Risiko, das er im Verhältnis
zu den Leistungsträgern eingeht, uneingeschränkt auf den Reisenden abwälzen.
Diese Risikoverlagerung widerspräche der zwingenden Regelung der § 651 h
Abs. 1 i.V.m. § 651 k BGB, die lediglich eine Haftungsbegrenzung, nicht aber
eine völlige Haftungsfreistellung des Reiseveranstalters zulassen will.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
91
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
d) Es ist auch sach- und interessengerecht, wenn sich der Reiseveranstalter gegenüber dem Reisenden nicht auf den völligen Ausschluß der
Haftung eines Leistungsträgers berufen kann. Allein der Reiseveranstalter
nimmt mit dem Leistungsträger Verbindung auf; in der Regel kennt nur er,
nicht aber der Reisende das für die Haftung des Leistungsträgers
maßgebende Recht. Auch ist nur der Reiseveranstalter in der Lage,
entsprechende Vereinbarungen mit dem Leistungsträger zu treffen. Sehen
die für die Leistung des Leistungsträgers maßgebenden gesetzlichen
Vorschriften einen völligen Haftungsausschluß vor, kann der Reiseveranstalter auf die Inanspruchnahme unzuverlässiger Leistungsträger oder auf
die Organisation von Reisen in derartige Länder überhaupt verzichten. Will
er die Leistungen solcher Leistungsträger dennoch in Anspruch nehmen, ist
es ihm zuzumuten, insoweit das von ihm überschaubare Haftungsrisiko zu
tragen.“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
92
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
VI. Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander
1.
2.
3.
Streitstand
Letztmals BGHZ 87, 191
Stellungnahme
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
93
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
„b) Die Zulässigkeit eines solchen Haftungsausschlusses kann auch
nicht mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift begründet werden.
Der Wille des Gesetzgebers ist bei der Auslegung gesetzlicher
Vorschriften dann von Bedeutung, wenn Wortsinn und Zusammenhang
der Vorschrift mit anderen Bestimmungen für eine sinnvolle Auslegung
nicht ausreichen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 651 h
Abs. 2 BGB erscheint es bereits zweifelhaft, ob bei der Auslegung der
Vorschrift auf die Gesetzesmaterialien zurückgegriffen werden kann
(vgl. hierzu Bartl aaO; Erman/Seiler aaO; Löwe aaO). Dies kann
jedoch dahingestellt bleiben. Auch wenn der Wille des Gesetzgebers
berücksichtigt wird, führt eine Auslegung des § 651 h Abs. 2 BGB
nämlich zu keinem anderen Ergebnis.“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
94
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
VI. Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander
1.
2.
3.
Streitstand
Letztmals BGHZ 87, 191
Stellungnahme
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
95
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
VI. Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander
§ 540 BGB Gebrauchsüberlassung an Dritte
(1) Der Mieter ist ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch
der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten.
Verweigert der Vermieter die Erlaubnis, so kann der Mieter das Mietverhältnis
außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des
Dritten ein wichtiger Grund vorliegt.
(2) Überlässt der Mieter den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem Dritten bei
dem Gebrauch zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch wenn der
Vermieter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
96
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
VI. Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander
§ 563 BGB Eintrittsrecht bei Tod des Mieters
(1) Der Ehegatte, der mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führt, tritt mit
dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein. Dasselbe gilt für den Lebenspartner
….
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
97
§ 7 Der Methodenkanon in Deutschland
am Ende des 20. Jh.
A.
Die vier klassischen Auslegungsmethoden
VI. Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander
§ 250 StGB Schwerer Raub
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
…..
2. der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl
verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am
Raub
1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
…..
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
98
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
Gliederungsübersicht:
A.
B.
C.
Einleitung
I.
Gebundenes und gesetzesübersteigendes Richterrecht
II.
Die vier Arten des Richterrechts
III.
Legitimität des Richterrechts
Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
I.
Grundlagen
II.
Lückenkategorien
III.
Lückenfüllung
Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
I.
Grundlagen
II.
Legitimation des gesetzesübersteigenden Richterrechts
III.
Bindung an das gesetzesübersteigende Richterrecht?
IV.
Inhaltliche Orientierungsgesichtspunkte
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
99
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
A. Einleitung
I.
II.
III.
Gebundenes und gesetzesübersteigendes Richterrecht (RR)
Unterteilung: intra – praeter – contra verba legis
Die vier Arten des Richterrechts
1. Gesetzeskonkretisierendes RR
2. Lückenfüllendes RR
3. Gesetzesvertretendes RR
4. Gesetzeskorrigierendes RR
Legitimität des Richterrechts
1. Gesetzeskonkretisierendes RR
2. Lückenfüllendes RR
3. Gesetzesvertretendes RR
4. Gesetzeskorrigierendes RR
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
100
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B.
I.
II.
III.
Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
Grundlagen
1.
Abgrenzung Rechtsfortbildung – Auslegung
2.
Lückenhaftigkeit des Gesetzes
3.
Legitimation
Lücken
1.
Delegationslücken
2.
Offene Lücken
3.
Verdeckte Lücken
Lückenfüllung
1.
Delegationslücken
2.
Offene Lücken
3.
Verdeckte Lücken
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
101
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B. II. 1. Lückenkategorien
Gesetzeslücke
de lege lata
(gesetzesimmanente Lücke)
de lege ferenda
(rechtpolitische Lücke)
1) intra verba legis
2) praeter verba legis
3) contra verba legis
Delegationslücke
(z.B. Generalklauseln)
offene Lücke
(z.B. Analgie)
verdeckte Lücke
(z.B. teleologische Reduktion)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
nach Kramer, Juristische Methodenlehre
102
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B.
II.
Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
1. Lückenkategorien
a) Lücken intra legem/intra verba legis
Gesetzesimmanente Lücken: z.B. Generalklauseln
b) Offene Lücken
planwidrige Gesetzeslücke. Grenze zwischen Lücke
und rechtspolitischem Fehler: Frage, ob das Gesetz –
gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht –
unvollständig ist, oder ob nur die in ihm getroffene
Entscheidung rechtspolitischer Kritik nicht standhält.
c) Verdeckte Lücke
Ausnahmelücke: Ausnahme fehlt, die nach Zweck des
Gesetzes zu erwarten wäre. Contra verba legis sed
secundum rationem legis.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
103
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B. Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
III. Lückenfüllung
1. Delegationslücken
2. Offene Gesetzeslücken
a)
Analogieschluss
b)
Größenschluss
c)
Umkehrschluss
d)
Gewohnheitsrecht
e)
Rückgriff auf Rechtsprinzipien
3. Verdeckte Gesetzeslücken
a)
Teleologische Reduktion
b)
Abgrenzung zur restriktiven Interpretation
c)
Beispiele für die teleologische Reduktion
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
104
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B. Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
III. Lückenfüllung
2. Offene Gesetzeslücken
a)
Analogieschluss
aa)
Inhalt
bb)
Einzel- und Gesamtanalogie
Beispiele Einzelanalogie:
BGH NJW-RR 2004, 778 ff.
BAG AP Nr. 13 zu § 611 BGB
BGH NJW 1999, 2896
Beispiele Gesamtanalogie:
Anspruch aus §§ 1004 I 2
i.V.m. 823 I BGB
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
105
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B. Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
III. Lückenfüllung
Beispiele Einzelanalogie:
BGH NJW-RR 2004, 778 ff.
§ 656 I BGB: Durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur
Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe wird eine
Verbindlichkeit nicht begründet. (…)
BAG AP Nr. 13 zu § 611 BGB
§ 670 BGB: Macht der beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen,
die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz
verpflichtet.
Beispiel Gesamtanalogie:
Anspruch aus §§ 1004 I 2 i.V.m. 823 I BGB
§ 1004 BGB: Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung
des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der
Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der
Eigentümer auf Unterlassung klagen.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
106
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B. Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
III. Lückenfüllung
1. Delegationslücken
2. Offene Gesetzeslücken
a)
Analogieschluss
aa)
Inhalt
bb)
Einzel- und Gesamtanalogie
b)
Größenschluss
aa)
a maiore ad minus
bb)
a minore ad maius
c)
Umkehrschluss
d)
Gewohnheitsrecht
e)
Rückgriff auf Rechtsprinzipien
3. Verdeckte Gesetzeslücken
a)
Teleologische Reduktion
b)
Abgrenzung zur restriktiven Interpretation
c)
Beispiele für die teleologische Reduktion
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
107
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
§ 314 StGB Gemeingefährliche Vergiftung
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
1. Wasser in gefassten Quellen, in Brunnen, Leitungen oder Trinkwasserspeichern oder
2. Gegenstände, die zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind,
vergiftet oder ihnen gesundheitsschädliche Stoffe beimischt oder vergiftete oder mit
gesundheitsschädlichen Stoffen vermischte Gegenstände im Sinne der Nummer 2
verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt.
(2) § 308 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.
§ 308 StGB Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion
(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine
Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder
fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter
einem Jahr bestraft.
(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen
Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf
Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.
(3) ……
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
108
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
B. Rechtsfortbildung – Gesetzesgebundenes Richterrecht
III. Lückenfüllung
1. Delegationslücken
2. Offene Gesetzeslücken
a)
Analogieschluss
aa)
Inhalt
bb)
Einzel- und Gesamtanalogie
b)
Größenschluss
aa)
a maiore ad minus
bb)
a minore ad maius
c)
Umkehrschluss
d)
Gewohnheitsrecht
e)
Rückgriff auf Rechtsprinzipien
3. Verdeckte Gesetzeslücken
a)
Teleologische Reduktion
b)
Abgrenzung zur restriktiven Interpretation
c)
Beispiele für die teleologische Reduktion
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
109
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
C. Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
I.
Grundlagen
1.
Vorbemerkungen
2.
Praktische Bedeutung
3.
Beispiel: Arbeitskampfrecht
II.
Legitimation des gesetzesübersteigenden Richterrechts
1.
Problemstellung
2.
Position des BVerfG: Soraya (BVerfGE 34, 269)
3.
Kritische Würdigung
III.
Bindung an das gesetzesübersteigende Richterrecht?
1.
Bindung kraft Gesetzes
2.
Rechtsquelle oder Rechtserkenntnisquelle? - Präjudizwirkung
3.
Problem der Rechtssprechungsänderung
IV.
Inhaltliche Orientierungsgesichtspunkte
1.
Präjudizien
2.
Wissenschaft
3.
Allgemeine Rechtsgrundsätze
4.
Rechtsvergleichung
5.
Außerrechtliche Argumente
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
110
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
C. Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
II.
Legitimation des gesetzesübersteigenden Richterrechts
Der Herrenreiter-Fall (BGH I ZR 151/56)
§ 253 BGB a.F.:
Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in
den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
§ 847 BGB a.F.:
(1)
(2)
Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung
kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige
Entschädigung in Geld verlangen.
Ein gleicher Anspruch steht einer Frauensperson zu, gegen die ein Verbrechen oder Vergehen
wider die Sittlichkeit begangen oder die durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Missbrauch
eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt
wird.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
111
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
C. Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
Der Herrenreiter-Fall (BGH I ZR 151/56)
„(…) Bereits in der Entscheidung BGHZ 13, 334, 338 hat der Senat ausgesprochen, daß die
durch das Grundgesetz Art 1, 2 geschützte Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Recht
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch als bürgerlichrechtliches, von jedem im
Privatrechtsverkehr zu achtendes Recht anzuerkennen ist, soweit dieses Recht nicht die Rechte
anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Diesem sog allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt mithin auch innerhalb der
Zivilrechtsordnung Rechtsgeltung zu und es genießt als "sonstiges Recht" den Schutz des § 823
Abs 1 BGB (vgl auch BGHZ 24, 12ff).
Die Art 1 und 2 des Grundgesetzes (…) schützen damit unmittelbar jenen inneren
Persönlichkeitsbereich, der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen
Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht und dessen Verletzung rechtlich dadurch
gekennzeichnet ist, daß sie in erster Linie sogenannte immaterielle Schäden, Schäden, die sich
in einer Persönlichkeitsminderung ausdrücken, erzeugt. Diesen Bereich zu achten und nicht
unbefugt in ihn einzudringen, ist ein rechtliches Gebot, das sich aus dem Grundgesetz selbst
ergibt. Ebenso folgt aus dem Grundgesetz die Notwendigkeit, bei Verletzung dieses Bereiches
Schutz gegen die der Verletzung wesenseigentümlichen Schäden zu gewähren.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
112
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
C. Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
Der Herrenreiter-Fall (BGH I ZR 151/56)
(…) Bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ist jedoch schon mehrfach die Ansicht
vertreten worden, daß als Freiheitsverletzung im Sinne des § 847 BGB jeder Eingriff in die
ungestörte Willensbetätigung anzusehen sei (vgl ua Staudinger, Anm II A 2c zu § 823 BGB).
Nachdem nunmehr das Grundgesetz einen umfassenden Schutz der Persönlichkeit garantiert
und die Würde des Menschen sowie das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit als einen
Grundwert der Rechtsordnung anerkannt und damit die Auffassung des ursprünglichen
Gesetzgebers des Bürgerlichen Gesetzbuches, es gäbe kein bürgerlichrechtlich zu schützendes
allgemeines Persönlichkeitsrecht, berichtigt hat und da ein Schutz der "inneren Freiheit" ohne
das Recht auf Ersatz auch immaterieller Schäden weitgehend unwirksam wäre, würde es eine
nicht erträgliche Mißachtung dieses Rechts darstellen, wollte man demjenigen, der in der Freiheit
der Selbstentschließung über seinen persönlichen Lebensbereich verletzt ist, einen Anspruch auf
Ersatz des hierdurch hervorgerufenen immateriellen Schadens versagen. (…) Das aber
bedeutet, daß auf dem zivilrechtlichen Sektor jede schuldhafte Verletzung des Rechtes am
eigenen Bilde in analoger Anwendung von § 847 BGB, wie sie aus den dargelegten Gründen
jedenfalls nach Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes geboten erscheint, die Verpflichtung
zum Ersatz auch immaterieller Schäden auslöst. (…)“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
113
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
C. Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
Die Soraya-Entscheidung des BGH (BGH VI ZR 201/63)
„(…) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß bei
schweren Persönlichkeitsverletzungen eine Genugtuung gefordert
werden kann, wenn nur so eine dem Eingriff angemessene
Wiedergutmachung des ideellen Schadens zu erreichen ist (BGHZ
35, 363; 39, 124). (…)“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
114
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
Die Soraya-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 1 BvR 112/65)
„(…) Die traditionelle Bindung des Richters an das Gesetz, ein tragender Bestandteil des
Gewaltentrennungsgrundsatzes und damit der Rechtsstaatlichkeit, ist im Grundgesetz
jedenfalls der Formulierung nach dahin abgewandelt, daß die Rechtsprechung an "Gesetz
und Recht" gebunden ist (Art. 20 Abs. 3). Damit wird nach allgemeiner Meinung ein enger
Gesetzespositivismus abgelehnt. Die Formel hält das Bewußtsein aufrecht, daß sich Gesetz
und Recht zwar faktisch im allgemeinen, aber nicht notwendig und immer decken. (…)
Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht
bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen
besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag; es zu finden
und in Entscheidungen zu verwirklichen, ist Aufgabe der Rechtsprechung. Der Richter ist nach
dem Grundgesetz nicht darauf verwiesen, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen
des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Eine solche Auffassung würde die
grundsätzliche Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung voraussetzen, ein
Zustand, der als prinzipielles Postulat der Rechtssicherheit vertretbar, aber praktisch unerreichbar ist. Richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere
erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent,
aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum
Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte
Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
115
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
Die Soraya-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 1 BvR 112/65)
Der Richter muß sich dabei von Willkür freihalten; seine Entscheidung muß auf rationaler
Argumentation beruhen. Es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene
Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche
Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft
und den "fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft"
(BVerfGE 9, 338 (349)).
Diese Aufgabe und Befugnis zu "schöpferischer Rechtsfindung" ist dem Richter jedenfalls unter der Geltung des Grundgesetzes - im Grundsatz nie bestritten worden (…).
Die obersten Gerichtshöfe haben sie von Anfang an in Anspruch genommen (vgl. etwa …). Den
Großen Senaten der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat der Gesetzgeber selbst die Aufgabe
der "Fortbildung des Rechts" ausdrücklich zugewiesen (s. z. B. § 137 GVG). In manchen
Rechtsgebieten, so im Arbeitsrecht, hat sie infolge des Zurückbleibens der Gesetzgebung hinter
dem Fluß der sozialen Entwicklung besonderes Gewicht erlangt.
Fraglich können nur die Grenzen sein, (…)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
116
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
Die Soraya-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 1 BvR 112/65)
(…) Die Frage, die Gegenstand der hier angegriffenen Rechtsprechung ist, war, wie oben
dargestellt, bereits bei den Vorarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch umstritten (s. die
Wiedergabe der Vorgeschichte bei H. Stoll in seinem Gutachten für den 45. Deutschen
Juristentag 1964, Verhandlungen des 45. DJT, Band I (1964), Teil 1, S. 51 ff., 58 ff.). Die sofort zunächst ohne Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte - einsetzende Kritik an
der gesetzgeberischen Lösung ist auch später nicht verstummt. Sie konnte sich auf die
Rechtsentwicklung in anderen Ländern der westlichen Welt berufen, die in weit höherem Maße
die Möglichkeit eines Geldersatzes auch für immaterielle Schäden anerkennen (s. bes. ...). (…)
Die Beschränkung des Geldersatzes für immateriellen Schaden auf die wenigen
ausdrücklich - und zudem mit einer gewissen "Konzeptionslosigkeit" - geregelten
Sonderfälle wurde als eine "legislative Fehlleistung" gekennzeichnet (Stoll, a.a.O., S. 124
f.). Die Kritik mußte sich verschärfen, nachdem die Zivilgerichte unter dem Einfluß der
"privatrechtsgestaltenden Kraft des Grundgesetzes" (L. Raiser) den Schritt zur Anerkennung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts getan hatten. Damit wurde eine Lücke im Blick auf die
Sanktionen, die bei einer Verletzung dieses Persönlichkeitsrechts zu verhängen waren, sichtbar;
ein Problem, dessen Bedeutung zur Zeit der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch
nicht abzusehen war, verlangte unter dem Einfluß eines geänderten Rechtsbewußtseins und der
Wertvorstellungen einer neuen Verfassung dringlich nach einer Regelung, die dem Gesetz
infolge der Enumerationsklausel des § 253 nicht zu entnehmen war.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
117
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
Die Soraya-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 1 BvR 112/65)
Die Rechtsprechung stand vor der Frage, ob sie diese Lücke mit den ihr zu Gebote
stehenden Mitteln schließen oder aber das Eingreifen des Gesetzgebers abwarten solle.
Wenn die Gerichte den ersten Weg wählten, so sahen sie sich darin von gewichtigen Stimmen
des juristischen Schrifttums bestärkt (s. etwa Nipperdey im Handbuch "Die Grundrechte", Bd. II,
1954, S. 46). Die entsprechenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und anderer
Gerichte haben deshalb von Anfang an weitgehende Zustimmung in der Rechtswissenschaft
gefunden (vgl. etwa Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 2 Abs. I Rdnr. 27; Nipperdey, a.a.O.,
S. 855 f.; Werner in Staudinger, Komm. BGB, Anm. 7 zu § 253). Darin kommt zum Ausdruck,
daß diese Rechtsprechung den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprach und nicht als
unzumutbare Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit angesehen wurde. Die
Verhandlungen des 42. und 45. Deutschen Juristentages (1957 und 1964) sowie die
Begründung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung BTDrucks. III/1237 lassen erkennen,
wie stark das Bedürfnis nach wirksamem zivilrechtlichen Schutz der Persönlichkeit, auch und
gerade durch Zubilligung einer Geldentschädigung für immateriellen Schaden, gefühlt wurde.
(…) Dieses Ergebnis ist "Recht" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG - nicht im Gegensatz, sondern
als Ergänzung und Weiterführung des geschriebenen Gesetzes.
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
118
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
Die Soraya-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 1 BvR 112/65)
Die Alternative, eine Regelung durch den Gesetzgeber abzuwarten, kann nach Lage der Dinge
nicht als verfassungsrechtlich geboten erachtet werden. Zwar hat die Bundesregierung sich
zweimal darum bemüht, das Problem des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes einer
gesetzgeberischen Lösung zuzuführen. Die in den Jahren 1959 und 1967 ausgearbeiteten
Gesetzentwürfe sind jedoch bereits in den Anfängen des Gesetzgebungsverfahrens gescheitert,
ohne daß ein gesetzgeberischer Wille erkennbar geworden wäre, es bei dem bisherigen
Rechtszustand zu belassen. Dem unter Entscheidungs-zwang stehenden Richter kann deshalb
kein Vorwurf gemacht werden, wenn er zu der Überzeugung gelangt, er dürfe nicht im Vertrauen
auf eine noch ganz ungewisse künftige Intervention des Gesetzgebers formale Gesetzestreue
auch um den Preis einer erheblichen Einbuße an Gerechtigkeit im Einzelfall üben.
Gegen die Methode der Rechtsfindung des Bundesgerichtshofs kann auch deshalb von
Verfassungs wegen nichts eingewendet werden, weil sie sich vom geschriebenen Gesetz nur in
dem zur Rechtsverwirklichung im konkreten Fall unerläßlichen Maße entfernt. Der
Bundesgerichtshof hat den § 253 BGB weder im ganzen als nicht mehr bindendes Recht
betrachtet noch gar als verfassungswidrig kennzeichnen wollen (eine Möglichkeit, die ihm, da es
sich um vorkonstitutionelles Recht handelt, offengestanden hätte). Er hat das in der Bestimmung
zum Ausdruck kommende Enumerationsprinzip unangetastet gelassen und lediglich die Fälle, in
denen der Gesetzgeber bereits die Erstattung immateriellen Schadens verfügt hat, um einen Fall
erweitert, (…) Der so gefundene Rechtssatz ist deshalb legitimer Bestandteil der Rechtsordnung
und bildet als ein "allgemeines Gesetz" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG eine Schranke der
Pressefreiheit..“
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
119
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
C. Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
I.
Grundlagen
1.
Vorbemerkungen
2.
Praktische Bedeutung
3.
Beispiel: Arbeitskampfrecht
II.
Legitimation des gesetzesübersteigenden Richterrechts
1.
Problemstellung
2.
Position des BVerfG: Soraya (BVerfGE 34, 269)
3.
Kritische Würdigung
III.
Bindung an das gesetzesübersteigende Richterrecht?
1.
Bindung kraft Gesetzes
2.
Rechtsquelle oder Rechtserkenntnisquelle? - Präjudizwirkung
3.
Problem der Rechtssprechungsänderung
IV.
Inhaltliche Orientierungsgesichtspunkte
1.
Präjudizien
2.
Wissenschaft
3.
Allgemeine Rechtsgrundsätze
4.
Rechtsvergleichung
5.
Außerrechtliche Argumente
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
120
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
§ 17a GVG
(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere
Gerichte an diese Entscheidung gebunden.
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von
Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen
Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller
auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der
Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges
bindend. (…)
§ 31 BVerfGG
(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und
der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (…)
§ 563 ZPO
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des
Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch
seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (…)
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
121
§ 9 Rechtsfortbildung und Richterrecht
C. Richterrecht – Gesetzesübersteigendes Richterrecht
I.
Grundlagen
1.
Vorbemerkungen
2.
Praktische Bedeutung
3.
Beispiel: Arbeitskampfrecht
II.
Legitimation des gesetzesübersteigenden Richterrechts
1.
Problemstellung
2.
Position des BVerfG: Soraya (BVerfGE 34, 269)
3.
Kritische Würdigung
III.
Bindung an das gesetzesübersteigende Richterrecht?
1.
Bindung kraft Gesetzes
2.
Rechtsquelle oder Rechtserkenntnisquelle? - Präjudizwirkung
3.
Problem der Rechtssprechungsänderung
IV.
Inhaltliche Orientierungsgesichtspunkte
1.
Präjudizien
2.
Wissenschaft
3.
Allgemeine Rechtsgrundsätze
4.
Rechtsvergleichung
5.
Außerrechtliche Argumente
Methodenlehre WS 2014/15 – Dozent: Dr. Stefan Schneider
122
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