Arbeitsrecht in Sanierung und Insolvenz Priv.-Doz. Dr. Georg Annuß Universität Regensburg 5. Vorlesung, 15.06.2007 2 Betriebsverfassungsrechtliche Grundlagen der Restrukturierung - Betriebsänderung (2) Der Interessenausgleich (§ 112 I 1 BetrVG) – – – – – Er regelt alle Fragen der organisatorischen Durchführung einer Betriebsänderung und enthält Regelungen, um den Eintritt von wirtschaftlichen Nachteilen für die Arbeitnehmer nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Interessenausgleich ist nicht erzwingbar. Mit der Betriebsänderung darf erst begonnen werden, wenn der Interessenausgleich im Sinne des Gesetzes versucht worden ist. Versuch setzt im Falle der Nichteinigung Scheitern der Verhandlungen in der Einigungsstelle (§ 76 BetrVG) voraus. Bei Durchführung der Betriebsänderung ohne Versuch des Interessenausgleichs oder Abweichung vom Interessenausgleich, vgl. § 113 BetrVG (Unterlassungsanspruch sehr str.!). 3 Betriebsverfassungsrechtliche Grundlagen der Restrukturierung - Betriebsänderung (3) Der Sozialplan (§ 112 I 2 BetrVG) – Regelt den Ausgleich oder die Milderung der den AN aus der Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. – Kann im Gegensatz zum Interessenausgleich durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden. – Braucht nicht vor Beginn der Betriebsänderung aufgestellt worden zu sein. – Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung (§ 112 I 3 BetrVG. 4 Betriebsverfassungsrechtliche Grundlagen der Restrukturierung - Betriebsänderung (4) Nachteilsausgleichsanspruch gem. § 113 BetrVG. Neben § 113 BetrVG auch Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bis zum Versuch eines Interessenausgleichs im Sinne des Gesetzes? Bei Verletzung der Informationspflicht nach § 111 BetrVG ist ein Bußgeld nach § 121 BetrVG möglich. § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG: Interessenausgleich braucht nicht versucht zu werden, wohl aber Sozialplanpflicht, bei Tendenzbetrieben. § 112a Abs. 2 BetrVG: Sozialplanprivileg für neugegründete Unternehmen (Interessenausgleich ist dennoch zu versuchen!). 5 Betriebsverfassungsrechtliche Grundlagen der Restrukturierung - Betriebsänderung (5) Auswirkungen von Restrukturierungen auf den Betriebsrat – § 13 Abs. 2 Nr. 1 - 3 BetrVG i.V.m. § 22 BetrVG bei Erhalt der Betriebsidentität. – § 21a BetrVG (Übergangsmandat) als „Vollmandat“, für die aus einer betrieblichen Reorganisation hervorgehenden betriebsratslosen Teile. – § 21b BetrVG (Restmandat) als reines Abwicklungsmandat. Auswirkungen von Restrukturierungen auf Betriebsvereinbarungen – Fortgeltung bei Erhalt der Betriebsidentität und in selbständig fortgeführten (betriebsratsfähigen) Betriebsteilen. – Ablösung bei Eingliederung in einen neuen Betrieb, bei dem Betriebsvereinbarungen zum gleichen Regelungsgegenstand bestehen. – Unklar, was bei Eingliederung in einen anderen Betrieb geschieht, in dem keine vergleichbare Regelung besteht. 6 Grundlagen des Tarifrechts Tarifverträge sind Verträge zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Tarifgebunden sind nur die Parteien des Tarifvertrages sowie die Mitglieder der Tarifvertragsparteien (vgl. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG). Tarifverträge können für allgemeinverbindlich erklärt werden (vgl. § 5 TVG; beachte daneben § 1 Abs. 3a AEntsG). Keine Tarifbindung im eigentlichen Sinne entsteht durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag. Tarifverträge enthalten einen schuldrechtlichen und einen normativen Teil. Äußerste Grenze der Tarifgeltung wird durch die Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Parteien und den vereinbarten Geltungsbereich der Tarifverträge gesetzt.