Vorlesung Sozialmedizin WWU Münster 07.12.2009 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Dr. med. Erika Gebauer Leitende Ärztin Deutschen Rentenversicherung Westfalen www.drv-westfalen.de Abteilung Sozialmedizin 1 Sozialmedizin ist ... ein Brückenfach klinische Medizin Gesellschaft Gemeinschaft, Sozialstaat, soziale Faktoren Abteilung Sozialmedizin 2 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Erkennen sozialer Probleme/ Wechselwirkungen zur Medizin, sozialmed. Grundhaltung, ICF-Verständnis Feststellung AU (Vertragsarzt) AHB-Befundbericht Reha-Entlassungsbericht • Praxis • Krankenhaus • Reha- Klinik Gutachten Attest Befundbericht Patienten-Beratung • zu möglichen Leistungen (Reha, Hilfsmittel u. a.) • zu evtl. Antragstellung (z. B. Erwerbsminderung) • Schwerbehinderung • erläutern von Schreiben (z. B. Ablehnungsbescheid) • bei evtl. Widerspruch/Klageverfahren Abteilung Sozialmedizin 3 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Erkennen sozialer Probleme/ Wechselwirkungen zur Medizin, sozialmed. Grundhaltung, ICF-Verständnis Feststellung AU (Vertragsarzt) AHB-Befundbericht Reha-Entlassungsbericht • Praxis • Krankenhaus • Reha- Klinik Gutachten Attest Befundbericht Patienten-Beratung • zu möglichen Leistungen (Reha, Hilfsmittel u. a.) • zu evtl. Antragstellung (z. B. Erwerbsminderung) • Schwerbehinderung • erläutern von Schreiben (z. B. Ablehnungsbescheid) • bei evtl. Widerspruch/Klageverfahren Abteilung Sozialmedizin 4 Abteilung Sozialmedizin 5 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag - sonstiges Berichtswesen - 1. Attest 2. Befundbericht 3. Reha-Entlassungsbericht Abteilung Sozialmedizin 6 Zur sozialmedizinischen Basiskompetenz gehören ... Kenntnisse zur sozialen Sicherung in Deutschland Soziale Sicherung Sonstiges • Altersvorsorge für Beamte u. a. • Soziale Hilfen • Soziale Vergünstigungen bei Schwerbehinderung u. a. • Entschädigungen (Kriegsopfer u. a.) Gesetzliche Sozialversicherung • Rentenversicherung • Krankenversicherung • Arbeitsförderung • Pflegeversicherung • Unfallversicherung Abteilung Sozialmedizin 7 Das Sozialgesetzbuch (SGB) Buch I Allgemeiner Teil 1976 Buch II Grundsicherung für Arbeitssuchende 2005 Buch III Buch IV Buch V Buch VI Arbeitsförderung Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Gesetzliche Krankenversicherung Gesetzliche Rentenversicherung 1977 1989 1998 Buch VII Buch VIII Buch IX Buch X Gesetzliche Unfallversicherung Kinder- und Jugendhilfe Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen Verwaltungsverfahren, Schutz der Sozialdaten, Zusammenarbeit der Leistungsträger 1997 1991 2001 1981/83 In Kraft ab * ... * Einzelne Regelungen können auch zu anderen Zeitpunkten in Kraft treten Abteilung Sozialmedizin 1992 Buch XI Buch XII Pflegeversicherung Sozialhilfe 1994 2005 = 5 Säulen der Sozialversicherung 8 Zur sozialmedizinischen Basiskompetenz gehören ... Kenntnisse zu einigen sozialrechtlichen Begriffen • Arbeitsunfähigkeit AU • Erwerbsminderung Krankenversicherung Rentenversicherung • Grad der Behinderung GdB Schwerbehindertenrecht • Minderung der Erwerbsfähigkeit MdE Unfallversicherung • Pflegebedürftigkeit Pflegeversicherung Abteilung Sozialmedizin 9 Abteilung Sozialmedizin 10 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Erkennen sozialer Probleme/ Wechselwirkungen zur Medizin, sozialmed. Grundhaltung, ICF-Verständnis AHB-Befundbericht Reha-Entlassungsbericht • Praxis • Krankenhaus • Reha- Klinik Gutachten Feststellung AU (Vertragsarzt) Attest Befundbericht Patienten-Beratung • zu möglichen Leistungen (Reha, Hilfsmittel u. a.) • zu evtl. Antragstellung (z. B. Erwerbsminderung) • Schwerbehinderung • erläutern von Schreiben (z. B. Ablehnungsbescheid) • bei evtl. Widerspruch/Klageverfahren Abteilung Sozialmedizin 11 Feststellung von Arbeitsunfähigkeit Abteilung Sozialmedizin 12 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Erkennen sozialer Probleme/ Wechselwirkungen zur Medizin, sozialmed. Grundhaltung, ICF-Verständnis Feststellung AU (Vertragsarzt) AHB-Befundbericht Reha-Entlassungsbericht • Praxis • Krankenhaus • Reha- Klinik Attest Befundbericht Gutachten Patienten-Beratung • zu möglichen Leistungen (Reha, Hilfsmittel u. a.) • zu evtl. Antragstellung (z. B. Erwerbsminderung) • Schwerbehinderung • erläutern von Schreiben (z. B. Ablehnungsbescheid) • bei evtl. Widerspruch/Klageverfahren Abteilung Sozialmedizin 13 Gutachten Alle Gutachten folgen demselben Prinzip: Der Gutachter soll dem Entscheider als medizinischer Sachverständiger die fehlende Sachkunde ersetzen. Manche Gutachten sind Schlecht- achten Viele Gutachten sind Gut- Ziel: Sehr Gut- achten Abteilung Sozialmedizin 14 achten Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Erkennen sozialer Probleme/ Wechselwirkungen zur Medizin, sozialmed. Grundhaltung, ICF-Verständnis Feststellung AU (Vertragsarzt) AHB-Befundbericht Reha-Entlassungsbericht • Praxis • Krankenhaus • Reha- Klinik Gutachten Attest Befundbericht Patienten-Beratung • zu möglichen Leistungen (Reha, Hilfsmittel u. a.) • zu evtl. Antragstellung (z. B. Erwerbsminderung) • Schwerbehinderung • erläutern von Schreiben (z. B. Ablehnungsbescheid) • bei evtl. Widerspruch/Klageverfahren Abteilung Sozialmedizin 15 Sozialmedizinische Grundhaltung des Arztes Verständnis für Wechselwirkungen sozialer Faktoren und Gesundheit biopsychosoziales Krankheitsmodell, ICF Ethik Erkennen der eigenen Rolle als Behandler bei Prävention von chronischen Krankheitsverläufen und Invalidisierung Verständnis Akutmedizin versus „Chronikermedizin“ und Rehabilitation Verständnis für Rollenwechsel des Patienten bei Antragstellung Verständnis für Rollenwechsel des Arztes vom Behandler zum Gutachter Abteilung Sozialmedizin 16 Die ICF der WHO International classification of functioning, disability and health erfasst Menschen ganzheitlich aus der biopsychosozialen Sicht Körperfunktionen und Strukturen Aktivitäten Teilhabe unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren Die ICF ist - gemeinsame Sprache - gemeinsame Philosophie (Verständnis chronischer Krankheiten) - (Klassifikation) Die ICF ist wichtig insbesondere zum Verständnis von Krankheitsfolgen bei chronisch kranken und behinderten Menschen. (s. Vortrag Dr. Bredehöft 16.05.2009) Abteilung Sozialmedizin 17 Wann ist ein Patient „chronisch krank“? Eine Erkrankung ist nicht „chronisch“, wenn eine gewisse Zeit vergangen ist, sondern erst bei Erfolglosigkeit einer sachgerechten Therapie! Verantwortung des behandelnden Arztes: • bei Therapieregime; als Lotse im Gesundheitssystem • bei Wecken von Motivation und Selbstheilungskräften • bei Prävention der Chronifizierung und Invalidisierung Abteilung Sozialmedizin 18 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Verständnis für chronisch Kranke: „Der Arzt hat es – spätestens hier (beim Umgang mit chronisch Kranken) – nicht mit einer Krankheit zu tun, an der auch ein Mensch hängt, sondern mit einem Menschen, an dem eine Krankheit hängt.“ aus K. Dörner: „Der gute Arzt“ Abteilung Sozialmedizin 19 Akutmedizin und Rehabilitation Akutmedizin Rehabilitation Ziel „restitutio ad integrum“ Heilung „restitutio ad optimum“ bestmögliche Wiederherstellung Strategie ursächlich, kausal (ICD-Diagnose) Krankheitsfolgen orientiert, final (Krankheitsfolgenmodell ICF) Krankheitsmodell eher biomedizinisch biopsychosozial Arztrolle führt Diagnostik durch, legt Therapie fest, „bestimmend“, „Feuerwehr-Mentalität“ eher Berater, Begleiter des Rehabilitanden, „Gärtner-Mentalität“ Rolle des Patienten „Patient“ eher passiv; Befolgen ärztlicher Anordnungen Motiv: leben lernen mit der Krankheit Organisation hierarchisch; ärztliche Tätigkeit spielt zentrale Rolle interdisziplinäres Reha-Team Abteilung Sozialmedizin 20 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Der Arzt als Patientenberater zu Sozialleistungen: „Welche Sozialleistung könnte mir helfen?“ „Soll ich einen Antrag stellen? Wie/wo?“ „Reicht‘s für die Rente?“ „Wie bekomme ich einen Schwerbehindertenausweis?“ „Warum wurde mein Rentenantrag abgelehnt?“ „Soll ich Widerspruch einlegen?“ „Können Sie mir mal das Gutachten erklären?“ „Wer kann mir bei Fragen weiterhelfen: Kontaktstellen?“ Abteilung Sozialmedizin 21 Der chronisch Kranke als Patient und Antragsteller einer Sozialleistung Kurative Medizin - Behandlung - Sozialversicherung - Begutachtung - Rolle Patient Versicherter, Proband, Antragsteller, Anspruchsteller Ziel/Wunsch Heilung, gesundheitliche Besserung Erhalt der beantragen Leistung (z. B. Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts) Verständnis von „Krankheit“ Krankheit wird im medizinischen Sinne verstanden Krankheit wird im rechtlichen Sinne verstanden Bedeutung der Krankheit/ Gesundheitsstörung Störfaktor, den der Patient loswerden möchte Anspruchsgrundlage (medizinische Leistungsvoraussetzungen z. B. für eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts) Genesungsmotivation stark ambivalent, ggf. begrenzt Abteilung Sozialmedizin 22 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag Kompetenz: Jeder behandelnde Arzt braucht sozialmedizinische Basiskompetenz zur sachgerechten Behandlung seiner Patienten. Sozialmedizin in der Fort- und Weiterbildung: • Zusatzweiterbildung „Sozialmedizin“ (8 Wochen Theorie, 1 Jahr praktische Tätigkeit) • 40-stündiger Kurs „Grundlagen der medizinischen Begutachtung“ • Zusatzweiterbildung „Rehabilitationswesen“ (8 Wochen Theorie, 1 Jahr praktische Tätigkeit) Abteilung Sozialmedizin 23 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag: Fazit 1 1. Sozialmedizin ist im ärztlichen Berufsalltag präsent. 2. Sozialmedizinische Kenntnisse unterstützen die Patientenbetreuung. 3. Der „gute Arzt“ braucht sozialmedizinische Kompetenz. 4. Hauptamtliche Sozialmediziner und behandelnde Ärzte „arbeiten“ am selben Patienten. Sozialmediziner, die Leistungsanträge sozialmedizinisch prüfen, benötigen vom Behandler Information zum Patienten (Längsschnittbeurteilung und kollegialer Austausch). Abteilung Sozialmedizin 24 Sozialmedizin im ärztlichen Berufsalltag: Fazit 2 Sozialmedizin ist soziale Medizin. Sozialmedizin gehört zu den vielseitigsten Bereichen der Medizin. Abteilung Sozialmedizin 25 Sozialmedizin in der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Bei Interesse: Besuch bei uns in der Gartenstraße 194: Beratungsärztlicher Dienst, Ärztliche Begutachtungsstelle, Forschungsabteilung, Reha-Servicestellen, Bibliothek, Kantine ... Ärztliche Mitarbeit in der Abteilung Sozialmedizin Reha-Kliniken www.drv-westfalen.de Besuch, Famulatur, Dissertation, ärztliche Mitarbeit/Weiterbildungsstellen Abteilung Sozialmedizin 26 Abteilung Sozialmedizin 27