IKT für Gehörlose bzw. Menschen mit Hörbehinderung

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IKT für Gehörlose bzw.
Menschen mit
Hörbehinderung
Teil I:
Allgemeine Grundlagen
Eine grundlegende Hypothese
• Information und Kommunikation werden
hauptsächlich durch Sprache übertragen
• Hörbehinderte haben entweder einen
eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu
gesprochener Sprache
• Daher ist die Sprachdimension die
entscheidende Dimension für die Bildung
Gehörloser und Hörbehinderter
Zahlen für Österreich
(und der Beginn der Begriffsverwirrung)
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Taub auf beiden Ohren
9.100
Taub auf einem Ohr
41.800
Schwerhörig auf beiden Ohren
177.700
Schwerhörig auf einem Ohr
137.200
Probleme beim Verfolgen von Gesprächen mit
mehr als zwei Personen
96.300
• Hörgeräusche
43.500
• Gesamtzahl von Betroffenen 456.000 (6,4%)
(Statistik Austria, Mikrozensus 1995)
Die naturwissenschaftliche Seite
mittlerer Hörverlust = Mittelwert aus den Werten bei 500,
1000 und 2000 Hertz (auf dem besseren Ohr, ohne Hörhilfen)
Dezibel = Maß für Schallintensitätsverhältnis: 6 dB = Hälfte,
20 dB = ein Zehntel, 40 dB ein Hundertstel, 60 dB ein
Tausendstel, ...
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Hörverlust bis 30 dB
Hörverlust 30-60 dB
Hörverlust 60-90 dB
Hörverlust über 90 dB
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Leichte Schwerhörigkeit
Mittlere Schwerhörigkeit
Starke Schwerhörigkeit
Gehörlosigkeit
Die Seite von Kommunikation
und Entwicklung
• Gehörlos kommunikativ: auch bei Einsatz
von Hörhilfen ist die gesprochene Sprache
nicht auffass- bzw. allein erlernbar
• ‚frühertaubt‘ (prälingual) bzw. ‚spätertaubt‘
(postlingual) macht einen großen
Unterschied (spätertaubt = gesprochene
Sprache teilweise oder ganz erlernt)
Die Begriffsverwirrung 1
Gehörstörung, Hörsturz, Hörstörung,
Gehörfehler, Schwerhörigkeit, Dysakusis –
mit vollständigem Verlust des Hörvermögens: Gehörlosigkeit, Taubheit, Anakusis –
in Verbindung mit dem Verlust des Sprechvermögens: Taubstummheit, Sordomutitas;
 Schwerhöriger;  taub.
(Duden 8, Sinn- und sachverwandte Wörter, 290)
Die Begriffsverwirrung 2
gehörlos  taub
Gehörloser  Schwerhöriger
Gehörlosigkeit  Gehörstörung
Schwerhörigkeit  Gehörstörung
schwerhörig  taub
Schwerhöriger, Hörgeschädigter, Hörbehinderter, Ertaubter, Gehörgebrechlicher
(schweiz.), Gehörloser
• taub, gehörlos, schwerhörig, törisch (bair.-öst.)
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Die Begriffsverwirrung 3, international:
‚gehörlos‘ ist nicht gleich ‚deaf‘
• gehörlos: Lautsprache
kann über das Gehör
nicht ausreichend
aufgenommen werden
• schwerhörig: kann für
Lautsprachverständnis
das Gehör in bestimmtem Ausmaß einsetzen
• deaf: unable to hear
anything or to hear
very well
• the deaf: people who
cannot hear
• deaf mute: person who
is unable to hear or
speak (sometimes
offensive)
Die Begriffsverwirrung 4, Deutsch
historisch
• Bis in die 70er Jahre: ‚taubstumm‘
(gegengleich zu sordo-muti, deaf-mute etc.)
• ab den 80ern: ‚gehörlos‘ (auf Wunsch der
Betroffenen und im Sinn der politischen
Korrektheit)
– parallel mit ‚schwerhörig‘ und ‚hörbehindert‘
– parallel mit neuer technischer Entwicklung (CI)
Begriffe als Kampfmittel 1
hörgeschädigt
neutral
beschreibend:
Oberbegriff für Gehörlose
und Schwerhörige
Kampfbegriff:
besitzt noch einen
Hörrest, der zu nutzen ist
Oft wird auch über ‚Hörgeschädigte‘ geschrieben und die
Gehörlosen und ihre Anliegen werden (bewußt oder nicht)
einfach vergessen.
Begriffe als Kampfmittel 2
gehörlos
neutral
beschreibend:
neue politisch korrekte Bezeichnung
für Gehörlose
Kampfbegriff:
negativ bewertend für Angehörige der
Gebärdensprachgemeinschaft und
'Feinde' der Lautsprache
Das Ergebnis
Ärzte und Pädagogen sagen,
ich bin hörbehindert
Wo gehör‘ ich hin?
‚hörbehindert‘
verspricht normale
Lautsprache und
normales Kind
‚gehörlos‘ verflucht
zu Gebärdensprache
und Außenseitertum
Die politische Situation:
Österreichische Ignoranz gegen
den Rest der Welt
• Das Mehrheitsargument: „Die Mehrheit der Eltern
wünscht keine Gebärdensprache!“
• Das Hörbehindertenargument: „Hörbehinderte
brauchen keine Gebärdensprache!“
• Das Aussterbensargument: „Die Gehörlosen werden innerhalb der nächsten 20 Jahre aussterben!“
Die soziale Situation
• Die überwiegende Mehrheit der
Hörbehinderten braucht nur Hörhilfen
• Wer zu einer Sprache keinen oder nur
eingeschränkten Zugang hat, ist mißtrauisch
gegen die mit Zugang
• Es gibt altes Mißtrauen zwischen
Schwerhörigen und Gehörlosen
• Schwerhörige und CI-Träger lassen sich
gegen die Gehörlosen instrumentalisieren
Ignoranz und Feindseligkeit bei
Politikern und Beamten
• Vier Anekdoten:
+ Tirol
+ ORF
+ Kärnten
+ Statistik Austria
Zwischenbilanz 2002
1. Viele Wissenschaftler, Politiker, Ärzte, Pädagogen etc. und die Medien begreifen nicht,
dass es unter den Hörbehinderten Gruppen mit
verschiedenen Bedürfnissen gibt, und da
speziell die Gehörlosen.
2. Es gibt Politiker und hohe Beamte, die gegen
die Rechte der Gehörlosen kämpfen.
1 ist vielleicht verständlich, 2 eine Schweinerei
Machen Sie den Selbsttest:
Welchen Satz würden Sie
akzeptieren?
• Sehbehinderte brauchen keine
Blindenschrift; sie sollen ihre Sehreste
einsetzen!
• Bewegungsbeeinträchtigte brauchen keinen
Rollstuhl; sie sollen ihre Mobilitätsreste
nutzen!
Die Lösung:
liberal - marktwirtschaftlich
anstatt autoritär - hinterhältig
• umfassende Information für Betroffene
(Hörbehinderte, Eltern, FrühfördererInnen,
KindergärtnerInnen, LehrerInnen, etc.)
• Abbau von Vorurteilen
• Bereitstellung aller Angebote
• Elternrecht bzw. Recht der Betroffenen auf
freie Entscheidung zwischen Angeboten
Nur ein Beispiel
• Royal National Institute for the Deaf:
RNID (http://www.rnid.org.uk/index.htm)
Allerdings:
+ Das Vereinigte Königreich hat ca. 8,7
Millionen Menschen, die gehörlos oder
schwerhörig sind.
+ RNID und andere ‚charities‘ werden z.B. aus
Glücksspielmitteln massiv gefördert.
Zielgruppen anerkennen 1
• Erwachsene, die sich entschieden haben für
a) eine ausschließliche Lautsprachorientierung
b) eine gebärdensprachliche Hauptorientierung und bilinguale Kommunikation
c) eine ‚schwebende‘ Identität in ‚beiden
Welten‘
Zielgruppen anerkennen 2
• Kinder, bei denen eine Identitätsbildung noch
nicht stattgefunden hat. Hier ist die Elternentscheidung maßgeblich, für die aber eine
neutrale Information Grundlage sein muss:
a) rein lautsprachliches Angebot zusammen mit
Hörhilfen
b) Hörhilfen, aber bilinguales Angebot
c) keine Hörhilfen, bilinguales Angebot
Bei den Hörhilfen sind nichtinvasive (Hörgeräte)
und invasive (Cochlearimplantat) zu unterscheiden
Die Alternative für
Reinlichkeitsfanatiker mit
Berührungsängsten:
Gehörlosigkeit und mit ihr die
Gebärdensprachen sind auszutilgen!
(Das zielt nicht gegen
naturwissenschaftliche Neuerungen,
sondern gegen die Insektensprayideologie)
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