Fachtagung Bildungsberatung in Wien, 3.12. 2012 Soziale Milieus und das Phänomen der Weiterbildungsabstinenz Präsentation der Ergebnisse der Studie „Weiterbildungsabstinenz und Milieuzugehörigkeit in Wien“ – Teil 2 Manfred Krenn (FORBA) Weiterbildung(sabstinenz)und aktuelle gesellschaftliche Diskurse Bildung als Voraussetzung für soziale Teilhabe – vom Hoffnungsträger für Emanzipation zur conditio sine qua non für soziale Integration „Wissensgesellschaft“ und „Lebenslanges Lernen“ als dominante Diskurse Ausdruck dieser Entwicklung Weiterbildungsabstinenz als besonders begründungsbedürftig und auch Anlass für soziale Ausgrenzung Weiterbildungsabstinenz als Problem sozialer Ungleichheit – sozialstrukturelle Hintergründe Ansatz der sozialen Milieus 2 Soziale Milieus und Bildung Weiterbildungsteilnahme stark von grundsätzlicher Haltung zu Bildung im Allgemeinen bestimmt eingelagert in gesamte Lebensweise einer Person Ähnliches Niveau an Ressourcen, ähnliche Lebenslagen, ähnliche Herausforderungen im Alltagsleben ähnliche milieuspezifische Bewältigungsstrategien, Einstellungen und soziale Praktiken Glz. Widerspiegelung der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft 3 4 Soziale Milieus und die Funktion von Bildung Obere soziale Milieus Funktion Abgrenzung nach unten, Erlangung/ Aufrechterhaltung von Hegemonie und von (stilisierter) Selbstentfaltung – mit unterschiedl. Akzentsetzungen Mittlere soziale Milieus Selbstbestimmung und Statuserhöhung bzw. – erhalt, Sicherheit und Respektabilität Unterprivilegierte soziale Milieus Bildung als Notwendigkeit zum sozialen Mithalten, kein eigenständiger Nutzen 5 Soziale Milieus und Bildung Besonderer Wert an Bourdieu orientierter Milieukonzepte Unterschiedl. Bildungsverständnisse nicht nur Ausdruck unterschiedlicher Lebensstile Widerspiegelung gesellschaftlicher Machtverhältnisse (Weiter)Bildung als wichtiges Element der Reproduktion sozialer Ungleichheit 6 Das Phänomen der Weiterbildungsabstinenz gewinnt im Zusammenhang mit den aktuellen dominanten Diskursen an Bedeutung trotz zunehmendem gesell. Zwang zur Weiterbildung hohe Anzahl von Weiterbildungsabstinenten im mainstream hpts. (objektive) Barrieren diskutiert wichtig: subjektive Orientierungen einbeziehen 7 Typologien von Weiterbildungsabstinenz 1. Dornmayr-Studie (Ö) geringe Statusmobilität Praktiker Autodidakt Versagensangst Selbstlosigkeit soziale Benachteiligung 8 Typologien von Weiterbildungsabstinenz 2. Bolder/Hendrich-Studie (D) – quant. Analyse Begünstigte ohne Bedarf (19%) Ausgegrenzte aus marginalem Lohnarbeitsmilieu (47%) mäßig begünstigte Stabilitätsorientierte (34%) 9 Typologien von Weiterbildungsabstinenz Bolder/Hendrich-Studie (D) – qualitat. Analyse Weiterbildungsoffenen Frauen-Ost Frauen-West Erfahrungswissen gegen Bildungstitel Stabilitätsorientierte 10 Resümee Relativierung objektiver Barrieren durch Einbeziehung subjektiver Motive begünstigende Faktoren ≠ Weiterbildungsbeteiligung Teilnahme ≠ Weiterbildungsorientierung schließt Berücksichtigung sozialstruktureller Aspekte nicht aus Niveau der Schul- und Berufausbildung sowie berufliche Position nach wie vor stärkste Indikatoren für (Nicht)Teilnahme an Weiterbildung aber Zusammenhang zu subjektiven Motiven, denen große Bedeutung für (Nicht)Teilnahme zukommt 11 Resümee Wichtigsten subjektiven Gründe für Nichtbeteiligung fehlender subjektiver Sinn: in Inhalt und Form befremdend von außen oktroyiert und fremdbestimmt Kosten/Nutzen-Kalkül: Kosten für Lebensqualität (monetär, psycho-sozial, zeitlich) in keinem Verhältnis zum konkreten Nutzen 12 Deutung und Bewertung von Weiterbildungsabstinenz Bewertung der Nichtteilnahme: Defizitblick Weiterbildung als grundsätzlich positiv und wünschenswert: Beseitigung von Barrieren für Beteiligung (Zugang) Gleichsetzung von Nicht-Beteiligung mit „bildungsfernen“ Einstellungen Hintergrund normativer Bildungsbegriff (sozial konstruiert) bildungsbürgerliches Milieu versetzt mit ökonomischen Verwertbarkeitskriterien Kritische Sichtweisen: Akteursperspektive Widerstandshypothese (Axmacher): Nichtteilnahme als milieugebundener Eigensinn gegen fremdbestimmte Bildungszumutungen Pädagogik: gelingendes Lernen - Lernauforderung als sinnvoll im Lebenszusammenhang: Lernwiderstand als Ergebnis formaler Weiterbildung 13 Ansatzpunkte zur Einbeziehung von weiterbildungsabstinenten Gruppen Verstärkung individueller, aufsuchender WBInformation und -beratung Entwicklung und Verbreitung arbeitsintegrierter Lernangebote didaktische Gestaltung – Berücksichtigung von Präferenzen/Vorbehalten ggü. best. Lernformen von Weiterbildungsabstinenten 14 Ansatzpunkte in der Bildungsberatung Überwindung sozio-kultureller Fremdheit: über aufsuchende Bildungsarbeit größere Nähe zur Alltagspraxis spezif. sozialer Milieus herstellen Zugang über kollegiale und freundschaftliche Netzwerke besonders vielversprechend aufsuchende Bildungsarbeit – zwei zentrale Bereiche: Aktivierung von Personen mit Nähe zu Zielgruppen Entwicklung von modellhaften, neuen Seminarkonzepten 15 Typen von BeziehungsarbeiterInnen Vertrauenspersonen Kontakt zur Zielgruppe durch hauptoder ehrenamtliche Tätigkeit im Jugend-, Sozial- oder Bildungsbereich. besitzen Vertrauen. sind engagiert und haben eigenes persönliches oder berufliches Interesse. sind informiert über Weiterbildungseinrichtungen und deren Aktivitäten. sind in bestimmten Strukturen (z.B. Kinderschutzbund, Familienzentren) verankert. 16 Brückenmenschen haben Milieunähe zur Zielgruppe (eigener Migrationshintergrund, Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit). sind angesehene Personen in ihrer Community. sind weiterbildungsbereit. sind NetzwerkerInnen und können gut Beziehungsarbeit leisten. Prinzipien subjektorientierter Bildungsberatung (Klein/Ahlke) Teilnehmerorientierung und Verantwortungsteilung Biographieorientierung Kompetenzorientierung Sicherung von biographischer Kontinuität Reflexionsorientierung Orientierung an Lerninteressen Partizipation durch Interaktion und Transparenz Prozessorientierung 17 Kriterien einer pädagogisch-didaktischen Gestaltung von Kursmaßnahmen Überwindung sozio-kultureller Fremdheit: zwei Anforderungen: Einbettung von angeleiteten Lernprozessen in Alltagspraxis ausreichender Kontrast zu belastendem Arbeitsalltag in best. Kontexten (besonders benachteil. Milieus) – Aufbrechen professionsspezifischer Abgrenzungen sozialarbeitsorientierte Erwachsenenbildung Konzept der peer-to-peer-Unterstützung: TrainerInnen aus demselben sozialen Milieu 18 Voraussetzungen für gelingendes Lernen bildungsbenachteiligter Personengruppen 19 hohe Identifikation mit dem Lerngeschehen Erfahrung von selbst organisiertem Lernen als Wendepunkt in der Lernbiographie Veränderung der Selbstbilder der Lernenden über wertschätzende, kompetenzorientierte Grundhaltung der pädagogisch Tätigen Respektieren des Status als Erwachsener Selbstbestimmtheit in der Ausgestaltung des eigenen Lernens, Mitbestimmung beim sozialen setting und bei den Lernarrangements Verantwortungsteilung für den Bildungserfolg Verständnis von Lernen als sozialer Prozess im sozialen Kontext Zentrale Schlussfolgerungen Weiterbildungsabstinenz trotz öffentl. Diskurs zu LLL bedeutendes Phänomen – Erstausbildungsniveau und berufl. Stellung hohen Erklärungswert Bewusstseinsbildung keine prioritäre Rolle kaum Unterschiede in Einstellung zu Weiterbildung Entwicklung von milieuspezif. Zugangswegen und Formaten aufsuchende Bildungsberatung und angepasste pädagogisch-didaktische Lösungen personal-, zeit- und kostenintensive Angelegenheit bedarf entsprechender Finanzierung 20 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! www.forba.at 21