Wahrung und Stärkung der Gemeindeautonomie Verwaltungsreformatorische Aspekte IKW-Band 124 der Schriftenreihe Kommunale Forschung in Österreich Linz 2012 Obersenatsrat FH-Prof. Univ.Doz. Dr. Friedrich Klug Stadt Linz - Koordination Wissenschaft Institut für Kommunalwissenschaften - IKW Linz www.ikw.co.at [email protected] Aufgaben- und Strukturreform Das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Gemeindeautonomie ist durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise gefährdet Die Finanzkraft der Gemeinden wird durch landesgesetzliche Bestimmungen durch Umverteilung zwischen den Gemeinden und zurück zu den Ländern erheblich geschwächt Ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Ländern und Kreditgebern entsteht und schwächt die politische Gestaltungsfähigkeit Nötig sind daher Aufgaben- und Strukturreformen, eine Reform des Finanzausgleiches und mehr Steuerautonomie Aufgaben, Ausgaben und Finanzierung müssen dem äquivalenten Konnexitätsprinzip entsprechen: Wer zahlt, schafft an und wer anschafft, muss auch zahlen. Mehrgleisigkeiten und damit Ineffizienzen und Transparenzdefizite sind auf den Föderalismus und kleinräumige Gemeindestrukturen zurückzuführen (Gerhard Steger) Die Gemeindeautonomie ist ein „schönes Märchen“ solange sich nichts ändert und die Zahl der Abgangsgemeinden und der Schuldenstand hoch ist (Martin Stieger) Aufgaben- und Strukturreform Die kommunale Selbstverwaltung ist einer „schleichenden Aushöhlung“ unterworfen, wie z.B. bezüglich der Rechnungshofkontrolle und Landesverwaltungsgerichtsbarkeit (Martin Huber) Ein möglicher Ausweg wäre die Bildung von Regionen mit eigenem Statut mit mehr Professionalisierung und Bürgernähe ohne Verzicht auf Identität stiftenden Symbole; insbesondere könnten übergeordnete Interessen besser geplant und gesteuert werden (Bernhard Müller) Der Vorschlag der Zusammenfassung von politischen Bezirken und die gemeinsame Aufgabenbesorgung durch den Magistrat geht ebenso in diese Richtung (Steiermark, Linz) Die unterschiedlichen landesgesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet der Kinderbetreuung, der Sozialhilfe und der Krankenanstalten sind weder transparent noch dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entsprechen (Detlef Wimmer) Kooperationen sind meist anlassbezogen und schöpfen das weitaus größere Potential einer Zusammenlegung von Gemeinden bei Weitem nicht aus, weil es an Reformwillen mangelt (Klaus Wirth) Reform des Finanzausgleichs Bestimmenden Einfluss auf die Gemeindeautonomie haben die Stabilitätspolitik der EU wegen der durch die Finanzkrise ausgelösten Budgetkrise und die Regelungen des Finanzausgleichs. Der Sparzwang und der Stabilitätspakt 2012 hemmen das Wachstum und treffen das schwächste Glied - die Gemeinden und damit die Bürger. Finanzausgleichsmittel werden von den größeren Gemeinden zu den Kleingemeinden umverteilt, sodass ineffiziente Strukturen beibehalten werden (Helfried Bauer, Bruno Rossmann) Vorschläge zur Reform des Finanzausgleichs gehen in Richtung einer aufgabenorientierten Mittelverteilung und Ausweitung der Abgabenhoheit der Gemeinden. Durch Gemeindevereinigung würden sich Transferzahlungen zum Finanzkraftausgleich erübrigen (Helfried Bauer, Margit Schratzenstaller) Das Transfergeflecht zwischen den Ländern und Gemeinden ist komplex, intransparent und unwirtschaftlich. Es widerspricht dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz. Reform des Finanzausgleichs Der negative Transfersaldo von den Gemeinden zu den Ländern beläuft sich auf ca. € 1 Mia. und ist in OÖ und Kärnten am höchsten. Durch diese Umverteilung wird der Finanzausgleich „auf den Kopf gestellt“. Die Umlagelasten für Sozialhilfe, Krankenanstalten und Landesumlagen sind für die größeren Gemeinden fast doppelt so hoch wie für Gemeinden mit weniger als 1.000 EW. Eine Entflechtung der Transfers, indem die Finanzierung der Sozialhilfe und der Krankenanstalten von der Ländern und die Finanzierung der Kinderbetreuung und der Musikschulen von den Gemeinden übernommen wird, ist anzustreben (Peter Biwald, Manuel Köfel) In NÖ wurde die Landesumlage Ende 1996 abgeschafft, eine Regionalförderung etabliert und wurden die Gemeindekrankenhäuser vom Land übernommen. Diese finanziellen Vorteile wurden durch die steigenden Gesundheits- und Sozialausgaben sowie die Auswirkungen der Finanzkrise wieder kompensiert (Christian Schleritzko) Gedanken zum Föderalismus Der Föderalismus ist eine anachronistische „heilige Kuh“ mit vier Ebenen: Bund, Länder, Bezirke, Gemeinden und die EU. Er wird als kostspieliges Relikt aus der Vergangenheit in Frage gestellt Zitat aus „Die Presse“ vom 25.5.2007: „Mindestens ein Ebene ist zu viel, nämlich die Länder mit ihren mächtigen Landesfürsten, die einen guten Teil des Steuergeldes ausgeben, ohne für die Einhebung verantwortlich zu sein - eine paradiesische Situation, die Ineffizienzen in der Verwaltung fördert“ Die kleingliedrige Gemeindestruktur Österreichs ist kostspielig. Die Gesamtausgaben je EW sind in den kleinsten Gemeinden am höchsten und erreichen die Größenordnung der Städte ab 100.000 Einwohnern, deren Aufgabenvolumen ungleich größer ist Reformen wie in Schottland (32 Kommunen), Dänemark (98 Gemeinden), sogar in der Schweiz und auch in der Steiermark zur Erreichung effizienter Mindestgrößen sind nicht mehr aufzuhalten (Österreich: 2.357 Gemeinden) Frau Brigitte Boller, Gemeindepräsidentin aus der Schweiz bringt es auf den Punkt: Gemeinden sollen nicht Spielball, sondern Gestalter der Zukunft sein, weshalb eine Gemeinde eine Größe von mindestens 4.000 bis 6.000 EW haben sollte Gedanken zum Föderalismus Die Länder würden sich nach der vorgeschlagenen Strukturreform nur mehr aus leistungsfähigen Statutarstädten zusammen setzen, jedoch keine Gesetzgebungskompetenz haben Landeshauptmann und Landesregierung müssten koordinierende Zentralfunktionen ausüben und demokratisch gewählt werden Die Funktion der Länder als „Transferzahlungs-Umverteiler“ zu „gefügigen“ Gemeinden, die am „Gängelband“ der Länder hängen, ist entbehrlich Die Gemeinden müssen leistungsfähig und finanziell unabhängig sein, um den Bürgern am besten dienen zu können Die empfohlene Verwaltungsreform würde Arbeitsplätze erhalten und vermehren, das BIP erhöhen und finanzielle Mittel generieren, die für Investitionen in die Gesundheit, Bildung, Soziales und Infrastruktur eingesetzt werden können Viel Mut, Energie und Überzeugungskraft sind nötig um die von Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft erkannten Reformen umzusetzen, ehe es zu spät ist und der Sparzwang keinen Gestaltungsspielraum mehr übrig lässt! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld! Stadt Linz Altes Rathaus Linz, Hauptplatz 1 IKW - Institut für Kommunalwissenschaften Linz, Pfarrgasse 14/EG Neun „Hundegesetze“ und tausende Hundeordnungen in den österreichischen Gemeinden - Petzi ist leicht verwirrt! Buchbestellungen bei [email protected] € 15