Leitfaden zur komplementär-medizinischen Beratung in der Onkologie

Werbung
Leitfaden zur komplementär-medizinischen Beratung in der
Onkologie
AG Prävention und integrative Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft
März 2014
Verantwortlich: Dr. J. Hübner, Prof. K. Münstedt,
Prof. O. Micke, PD Dr. R. Mücke, Prof. F.J. Prott
1
Komplementäre Medizin in der Onkologie
Das Ziel der komplementären Medizin in der Onkologie ist es, in erster Linie dem
Patienten Therapiemöglichkeiten an die Hand zu geben, über die er selber
eigenständig entscheiden kann und deren Durchführung in seiner Hand liegen.
Komplementäre Methoden dienen somit in erster Linie der Förderung der
Patientenautonomie. Die unmittelbare Indikation für die Anwendung komplementärer
Methoden ist es, die Wirkungen einer konventionellen onkologischen Behandlung
nebenwirkungsärmer zu gestalten, ohne die Wirksamkeit zu gefährden, ggf. diese
sogar zu verbessern. Aufgrund von möglichen unerwünschten Wirkungen der
komplementären Methoden selbst als auch aufgrund von Wechselwirkungen von
komplementären Methoden mit konventioneller Medizin ist es wichtig, dass
komplementäre Methoden nicht unkritisch eingesetzt werden. Entsprechend ist eine
Aufklärung und Beratung zu diesem Themengebiet notwendig.
Allgemeines
Eine Beratung zur komplementären und alternativen Medizin (KAM) sollte in das
onkologische Gesamtkonzept für den jeweiligen Patienten eingebunden sein. Die
Beratung sollte bevorzugt durch Fachärzte mit einem onkologischen Schwerpunkt
und
einer
langjährigen
wissenschaftlicher
Beratungspraxis
Publikationen/
Tätigkeit
zu
in
KAM
der
sowie
nachweislicher
Evidenzbasierten
Medizin
durchgeführt werden. Organisatorisch muss sichergestellt sein, dass dem Berater
rechtzeitig vor der Beratung alle Unterlagen zum Krankheitsverlauf und zur
bisherigen
sowie
aktuellen
onkologischen
Behandlung
und
ggf.
auch
zu
Begleiterkrankungen/-therapien vorliegen.
Der vorliegende Leitfaden richtet sich vor allem an Ärzte und Angehörige anderer
Berufsgruppen, die ihren Patienten eine evidenzbasierte Beratung zu KAM anbieten
wollen.
2
Evidenzbasierte Empfehlungen der AG Prävention und integrative Onkologie
der Deutschen Krebsgesellschaft für die KAM-Beratung
1. Setting der Beratung: Im Sinne der Zugänglichkeit für Patienten sollen
Beratungsangebote entweder an die Regelversorgung angegliedert oder aber
niedrigschwellig erreichbar sein.
2. Qualifikation der Beratenden: Beratungen erfordern nicht nur spezifisches
Fachwissen über KAM-Verfahren, sondern auch eine onkologische Expertise
und
Kompetenzen
in
Gesprächsführung
und
Beratung,
die
durch
entsprechende Weiterbildungen zu erwerben und zu erhalten sind.
3. Vorbereitung der Beratung: Die Vielfalt von KAM-Methoden mit den jeweiligen
Variationen sowie die individuelle Krankheits- und Therapiesituation erfordern
eine Vorbereitung. Diese kann schriftlich im Vorfeld eines Gesprächs durch
z.B. Anamnesebögen geschehen. In Abhängigkeit von der Zielgruppe und
ihren Bedürfnissen kann es alternativ auch sinnvoll sein, zwei Termine in
kurzer Folge anzubieten und den ersten vorrangig zur Erfassung der aktuellen
Situation und dem Anliegen zu nutzen.
4. Begleitpersonen sollten von Anfang an in den Prozess der Beratung
einbezogen werden. Ggf. sollten sie an andere psychoonkologische
Beratungsangebote weiter verwiesen werden.
5. Ablauf
der
Beratung:
Das
Verständnis
des
Patienten
zu
seiner
Krankheitssituation und der Therapie sollte erfragt werden – hierzu eignet es
sich z.B., den Patienten in eigenen Worten die Vorgeschichte und aktuelle
Situation berichten zu lassen (aktives Zuhören, Erkennen von emotionalen
Bezügen). Damit kann auch das laienätiologische Verständnis erfasst werden.
Einstellungen zu KAM und Erwartungen an KAM sollten ebenso wie die
bisherigen Erfahrungen mit KAM und der aktuelle Gebrauch erfragt werden.
6. Wissens- und Verständnislücken des Patienten zur Krankheitssituation sollten
vor
Beginn
der
eigentlichen
komplementärmedizinischen
Beratung
geschlossen werden. Dabei sollten persönliche Einstellungen des Patienten
respektiert werden. Respektvolle Kommunikation bedeutet allerdings auch,
divergierende Vorstellungen zwischen dem Krankheitskonzept des Patienten
und der Beraterin/des Beraters zu benennen, wenn z.B. Patienten sich selbst
die Schuld für eine Krebsentwicklung aufgrund einer „Krebspersönlichkeit“
zuschreiben.
3
7. Ob weitere Fragen durch den ersten Teil des Gesprächs hinzugekommen
sind, sollte geklärt werden und anschließend die Beantwortung der Fragen
des Patienten auf der Basis vorliegender Evidenzen erfolgen. Wenn beim
Patienten bestimmte Wünsche (z.B. Verbesserung der Prognose, Linderung
von Nebenwirkungen der konventionellen Therapie, aktiver Beitrag) oder
laienätiologische Krankheits- und Therapiekonzepte existieren, sollten diese,
wenn möglich, berücksichtigt werden.
8. Die Beratung erfolgt individuell an den Bedürfnissen, Fähigkeiten und
Ressourcen des Patienten orientiert.
9. Die
Beratung
sollte
Beratungshintergrund,
gesundheitsfördernder
ein
aber
breites
auch
Verfahren
Spektrum
anderer
an
KAM-Verfahren
supportiver
oder
als
Maßnahmen,
Therapieangebote,
z.B.
Physiotherapie, Ernährungsmedizin und körperliche Aktivität berücksichtigen.
10. Eine Beratung zu KAM sollte immer im Rahmen eines integrativen Ansatzes
erfolgen,
also
unter
Berücksichtigung
der
konventionellen
Therapiemöglichkeiten einschließlich einer palliativmedizinischen Begleitung
und der Themengebiete Ernährung und körperliche Aktivität.
11. In jeder Beratung sollte geprüft werden, ob und inwieweit ein Bedarf an
psychologischer
Unterstützung
bzw.
psychoonkologischer/psycho-
therapeutischer Begleitung bei dem Patienten besteht. Ggf. sollte der Patient
auf eine Beratungsmöglichkeit hingewiesen werden.
12. Die
wesentlichen
Inhalte
der
Beratung
sollten
in
schriftlicher,
laienverständlicher Form zusammengefasst und dem Patienten zugesandt
werden. Eine Information der betreuenden Ärzte ist sinnvoll und sollte deshalb
mit dem Patient besprochen werden.
13. Möglichst sollte ein Follow-up der Patienten erfolgen.
4
In der palliativen Situation ist zusätzlich zu beachten:
14. Die Auseinandersetzung und der Umgang mit Tod und Sterben wie auch mit
Medizin sind nicht nur persönlich unterschiedlich, sondern auch kulturell
geprägt. Ärzte berücksichtigen und respektieren die kulturelle Vielfalt ihrer
Patienten.
15. Die Auseinandersetzung mit und der Einsatz von KAM dürfen notwendige
Gespräche zwischen Arzt, Patient und Angehörigen zur Prognose und
palliativen Behandlungszielen nicht verzögern, ersetzen oder die Verfolgung
eines kurativen Ziels suggerieren.
16. Informiertheit und Aufrichtigkeit des Arztes in Bezug auf die Möglichkeiten und
Grenzen medizinischer Verfahren sind auch am Lebensende ein wesentlicher
Faktor einer tragfähigen Arzt-Patient-Beziehung. Dies ist insbesondere bei
KAM-Verfahren, für die oftmals wenig externe Evidenz vorliegt, in der
Beratung sorgfältig zu beachten.
5
Inhalte der Beratung
Allgemeine Inhalte

Was ist komplementäre und alternative Medizin?
o Unterschied zwischen komplementärer und alternativer Medizin


Bedeutung der klinischen Studien

Bedeutung der Übereinstimmung mit Konzepten der Schulmedizin
Nutzen und Risiken komplementärer und alternativer Medizin

Nutzen:
o Supportive Wirkung
o Psychische Wirkung
o Autonomie

Risiken:
o Nebenwirkungen
o Interaktionen
Bedeutung von Bewegung und gesunder Ernährung

Bewegung:
o Während der Therapie
o In der Erholungsphase
o Zur Tertiärprävention und Primärprävention von Zweitmalignomen

Ernährung:
o Während der Therapie
o In der Erholungsphase
o Zur Tertiärprävention und Primärprävention von Zweitmalignomen
6
Evidenz und Empfehlungen zu bestimmten Methoden der komplementären
oder alternativen Medizin (siehe Faktenblätter)
Die Faktenblätter haben grundsätzlich folgende Gliederung:

Methode

Wirksamkeit in Bezug auf den Verlauf der Tumorerkrankung

Wirksamkeit als supportive Therapie

Interaktionen

Unerwünschte Wirkungen

Kontraindikationen

Literatur

Abweichend dazu ist das Faktenblatt "Supportive Therapie" gegliedert. Es
handelt sich um eine Auflistung von Symptomen, ergänzt durch
komplementärmedizinische Methoden.
Die Faktenblätter sind nach Kriterien der Evidenzbasierten Medizin erstellt. Angaben
beziehen sich auf klinische Daten, in ausgewählten Fällen werden präklinische Daten
zur Evaluation von Risiken verwendet. Um die Informationen kurz zu präsentieren,
wurde auf eine abgestufte Evidenz zurückgegriffen. Im Falle, dass systematische
Reviews vorliegen, sind deren Ergebnisse dargestellt, ggf. ergänzt um Ergebnisse
aktueller klinischer Studien. Bei den klinischen Studien wurden bis auf wenige
Ausnahmen nur kontrollierte Studien berücksichtigt. Die Recherche erfolgte
systematisch in Medline ohne Begrenzung des Publikationsjahres mit einer
Einschränkung auf Publikationen in Deutsch und Englisch.
7
Herunterladen