Civis Romanus aut homo liber – Die Entwicklung des römischen Bürgerrechts Autorinnen und Autoren: Timothy Mallor, (in Gruppe mit Théo Bloudanis) Projektleiterinnen und Projektleiter: Severin Hof, Alexander Häberlin 1. Einführung In unserer Studienwoche haben wir analysiert, wie die Machtverhältnisse im römischen Reich waren. Das römische Reich durchlief mehrere Staatsformen. Am Anfang war es eine Monarchie, wurde danach etwa 509 v. Chr. zur res publica und schliesslich mehrere Jahrhunderte später zum Kaiserreich. Die politische und soziale Stellung verschiedener Gruppen hat sich daher auch weiterentwickelt, nicht nur während einem Wechsel der Staatsform, sondern ständig. In diesem Projekt sind wir der Frage nachgegangen, wer das römische Bürgerrecht hatte, was das Bürgerrecht für die Menschen bedeutete und wie sich die Situation über die Zeit entwickelt hat. 2. Material und Methoden Unsere Betreuer haben am Anfang der Woche unser Thema in fünf Teile gegliedert. Das waren die Plebs, die Verbündeten und Untertanen Roms, die Sklaven, das soziale Modell und die Situation in der Kaiserzeit. Zu diesen Gruppen wollten wir herausfinden, wie es mit ihren Rechten stand und wie und wann ihre Rechte geändert haben. Da unser sich unser Projekt mit Geschehen befasst, das weit zurückliegt, mussten wir uns auf Autoren der Antike stützen. Ihre Texte haben wir übersetzt und die für uns relevanten Aspekte notiert. Um weitere Informationen, Interpretationen und Kommentare zu bekommen, haben wir auch Teile der jeweiligen Sekundärliteratur von Mommsen und Sherwin-White und weiteren Autoren gelesen. Wir haben auch die Enzyklopädie „Der Neue Pauly“ gebraucht, um Kontextinformationen zu bekommen. Teilweise waren auch Ausschnitte von Gesetzestexten überliefert, so etwa bei der lex Plautia Papiria oder bei der constitutio Antoniniana. 3. Resultate *509 v. Chr. : Ende der Monarchie >Res publica *494 v. Chr. : secessio plebis >Erster Höhepunkt der Ständekämpfe *493 v. Chr. : foedus Cassianum 338 v. Chr. : 2. Latinischer Krieg > Neuordnung der Kräfteverhältnisse in Latium 106 v. Chr. : Geburt Ciceros 91 v. Chr. : Der Volkstribun Drusus schlägt Erteilung des Bürgerrechts an socii vor. 91 v. Chr. : Ermordung des Drusus >Bundesgenossenkrieg 89 v. Chr. : Sieg Roms, trotzdem Erteilung Bürgerrechts >lex Plautia Papiria 63 v. Chr. : Der Konsul Cicero lässt Mitverschwörer Catilinas hinrichten 62 v. Chr. : Ende des Konsultats Ciceros >Beginn der Tätigkeit Ciceros als Schriftsteller und Philosoph 44 v. Chr. : Ermordung Caesars 43 v. Chr. : Ermordung Ciceros Augusteische Zeit: Hauptquellen für die Frühgeschichte der römischen Republik: Livius, Dionysios 212 n. Chr. : constitutio Antoniniana von Caracalla > Bürgerrecht an alle Freien im imperium Romanum Abbildung 1: Zeitstrahl der römischen Geschichte Die Plebs Ziemlich bald nach der Absetzung des Königs war das Volk unzufrieden mit seinen Rechten. In der neuen res publica hatten zwar alle freie römische Bürger das Stimmrecht, aber die Patrizier hatten das System zugunsten von sich selbst geregelt. Die wichtigen Entscheidungen machten die comitia centuriata, in der nach Zensus abgestimmt wurde. Es wurden aber zunächst auch nur Adelige für die höheren Ämter und für den Senat zugelassen. Deshalb forderte die Plebs in einem Streik (secessio plebis) mehr Rechte. Der Legende nach habe der Patrizier Agrippa die Plebs überredet den Streik abzubrechen. Im Gegenzug dafür seien von der Plebs zwei plebejische Tribune, die die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Plebs zu vertreten hatten, gewählt und von den Patriziern anerkannt worden. Diese Tribune hatten das Recht gegen Gesetze der Magistraten Einspruch zu erheben (intercessio) und eine Volksversammlung, die sogenannte concilium plebis, zu berufen. Der Tribun war während seiner Amtszeit unverletzlich, aber als die einjährige Amtszeit ablief wieder anklagbar. Mit der Zeit vermehrten sich die Recht der Tribune und der Plebs. Zum Beispiel wurde es ihnen später auch erlaubt Ämter zu besetzen. 2 Die Bundesgenossen Roms Rom war schon während der Monarchie in einen Bund der latinischen Völker eingeschlossen. Dieser bestand aus einem Schutzbündnis, einem Heiratsrecht unter Latinern (ius conubii) und einem Handelsabkommen (ius comercii). Schon während der Königszeit gewann Rom an Macht innerhalb des Bundes. Die anderen Latiner haben darauf versucht die Vorherrschaft Roms zu verhindern. In der Schlacht am Lacus Regilus verloren sie aber gegen die Römer. Die Streitigkeiten wurden darauf im foedus Cassianum im Sinne der Römer, also mit Rom als mächtigster Bündnispartner, geregelt. 338 v. Chr, im 2. Latinerkrieg, kam es wieder zu einem Sieg Roms, was zur Neuordnung der Kräfteverhältnisse, zur Auflösung des Bundes und zur Annektion der Bundesgenossen führte. Je nachdem wie die jeweiligen Völker zu Rom standen, wurden sie in verschiedene Gruppen unterteilt. Einige erhielten das volle römische Bürgerrecht (municipia optimo iure), andere behielten ihre Rechte aus dem foedus Cassianum und hatten auch das aktive Wahlrecht aber nicht das passive (socii nominis Latini/ius Latinii). Bundesgenossen, die nicht ein gutes Verhältnis zu Rom hatten, mussten teilweise umsiedeln und hatten am wenigsten Rechte (ius Italicum). So ging es auch den italischen Völkern, die später erobert wurden. Weil diese Ordnung zu Spannungen führte, wurde ein Gesetz vorgeschlagen, das den Italikern das römische Bürgerrecht verleihen würde. Der damalige Konsul Drusus wurde aber ermordet, was zum Ausbruch des Bundesgenossenkriegs geführt hat, in dem die Benachteiligten das römische Bürgerrecht forderten. Trotz eines Sieges Roms war das alte System nicht mehr haltbar, weshalb in der lex Plautia Papiria allen italischen Völkern das römische Bürgerrecht erteilt wurde. Das soziale Modell und die sozialen Spannungen In der sogenannten Latifundienwirtschaft sind die Kleinbauern enteignet worden. Statt ihnen wurden auf dem Land Sklaven gebraucht, die nicht als Menschen, sondern als Eigentum und als sprechende Werkzeuge betrachtet wurden. Das enteignete, arbeitslose und deshalb bestechbare Volk zog in die Städte, was zu sozialen Spannungen geführt hat. Abbildung 2: Die soziale Ordnung Die Familien waren patriarchalisch aufgebaut. An oberster Stelle der Familie stand nämlich immer der pater familias. Er war der einzige der direkt mit der res publica, also dem Staat, zu tun hatte. Er musste auch für seine Familienmitglieder einstehen und sie im Gericht vertreten, falls sie angeklagt wurden. Unter ihm standen zum einen seine Angehörigen, also seine Frau, seine Söhne und seine unverheirateten Töchter, zum anderen auch sein Eigentum. Die dritte Gruppe, die unter dem pater standen, waren seine Clienten. Diese waren freie römische Bürger, die vom pater finanziell und sozial abhängig waren und sich unter seinem Schutz begaben. Auch wenn die Clienten und die Söhne zum Teil das Stimmrecht hatten, wirkten sie eigentlich nicht im politischen System mit, da sie der Entscheidung des paters folgten. 3 Das politische System Abbildung 3: Das politische System Roms Die römischen und latinischen Bürger waren je nach Abstimmung in zwei verschiedene Arten von Stimmgruppen eingeteilt. Bei der weniger wichtigen comitia tributa waren die Bürger nach Stämmen (tribus) eingeteilt, während bei der comitia centuriata die Bürger nach Zenturien eingeteilt waren, wobei der Zensus ausschlaggebend war, in welcher Zenturie man war. Während der res publica änderten oft Teile des Systems, beispielsweise die Zulassungsbedingungen für die Ämter, die Anzahl der Magistraten und die Mitbestimmungsmöglichkeiten der plebs und der Tribunen, aber im wesentlichen blieb das in der Abbildung gezeigte System während der res publica bestehen. Die Kaiserzeit In der Kaiserzeit wurde dieses politische System nicht abgeschafft, sondern einfach entmachtet. Die Posten und Ämter blieben, die politische Mitbestimmung der Bürger verschwand aber. Trotzdem hat Rom sich nicht als Monarchie gefühlt. Das römische Bürgerrecht blieb aber immer noch erstebenswert und in 212 n. Chr. erteilte Kaiser Caracalla mit der constitutio Antoniniana allen freien Männern im imperium Romanum das römische Bürgerrecht. Offiziell hat es geheissen, dass er den Göttern danken wollte, indem er die Anzahl der Religiösen vergrösserte. Ob das stimmt oder ob es noch weitere Beweggründe dafür gab ist aber noch unsicher. 4 4. Diskussion In dieser Studienwoche habe ich gelernt, dass sich das politische Modell Roms über mehrere Jahrhunderte entwickelt hat. Es wurde nicht auf einmal eingeführt, sondern ist immer weiter gewachsen. Das Modell hat sich aber nicht parallel zur Gesellschaft weiterentwickelt, sodass es ständig zu Krisen kam, die nur mit provisorischen Ordnungen gelöst werden konnten. Bei den antiken Texten stellt sich aber immer auch die Frage der Zuverlässigkeit. Über die Frühgeschichte der römischen Republik gibt es zum Beispiel nur zwei Autoren (Livius und Dionysios), deren Bücher noch heute existieren. Diese beiden waren für uns deshalb sehr wichtig. Gleichzeitig ist aber deshalb der Inhalt sehr ungesichert, vor allem weil sie selber mehrere Jahrhunderte nach dem von ihnen dokumentierten Geschehen gelebt und sich auf Annalistik gestützt haben, die teilweise beim Keltensturm 387 v. Chr. zerstört worden ist. Daher muss man davon ausgehen, dass teilweise dazugedichtet wurde und dass Jahreszahlen nicht exakt stimmen. Trotzdem ist zu erwarten, dass die Geschichten im Kern stimmen. Danksagung An dieser Stelle möchte ich diesen Personen und Instituten danken, die mir diese Studienwoche ermöglicht haben. Als erstes unsere Projektleiter Alexander Häberlin und Severin Hof, die uns einen Einblick in das philologische Arbeiten gegeben haben und uns vieles über die römische Geschichte beigebracht haben. Mein Dank geht auch an die Universität Zürich, an der wir eine Woche lang arbeiten durften. Ich möchte aber auch Schweizer Jugend forscht und Fabienne Odermatt für die tolle Organisation der Studienwoche danken. Literatur- und Quellenverzeichnis Bibliographie Sekundärliteratur Benario, H.W.: The Dediticii of the Constitutio Antoniniana, in: TAPA 85 (1954) 188-196. Cancik, H. (u.a.) [Hrsgg.]: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike (Stuttgart 1996-2003). Mommsen, Th.: Römisches Staatsrecht (Basel 31952). Sherwin-White, A.N.: The Roman Citizenship (Oxford 21973). Bibliographie Textausgaben P. Vergili Maronis Opera, ed. Mynors, R.A.B. (Oxford 1969). Verg. Aen. 6.756-853 Dionysi Halicarnasensi Antiquitatum Romanarum quae supersunt, ed. Jacoby, C. (Leipzig 18851929) [griechisch]. Dion. Hal. 4.49 Dion. Hal. 6.3.3 Dion. Hal. 6.95 Titi Livi Ab urbe condita. Tomus I. Libri I-V, ed. Oglivie, R.M. (Oxford 1974). Liv. 1.27-30 Liv. 1.60 Liv. 2.32-33.3 Titi Livi Ab urbe condita. Tomus II. Libri VI-X, edd. Walters, C.F., Conway, R.S. (Oxford 21938). Liv. 8.14 Polybii historiae, ed. Buettner-Wobst, Th. (Leipzig 1905) [griechisch]. Polyb. 3.22 M. Tulli Ciceronis orationes IV, ed. Clark, A.C. (Oxford 101984). Cic. Arch. 4 Corpus iuris civilis, edd. Krüger, P., Mommsen, Th., Schoell, R. (Berlin 1882 u.a.). dig. 1.5.17 5