LITERATURSERVICE

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Ausgabe 3/2011
L I T E R AT U R S E RV I C E
FÜR DEN PÄDIATER
Neue Erkenntnisse für Sie gelesen
und kommentiert von J. Spranger,
Universitäts-Kinderklinik Mainz und
E. Harms, Universitäts-Kinderklinik Münster
Hypothermie reduziert Mortalität und
Morbidität bei hypoxämisch-ischämischer
Enzephalopathie des Neugeborenen
Mit der Frage ob sich Mortalität und Morbidität
nach peripartaler Asphyxie und hypoxämisch-ischämischer Enzephalopathie reduzieren lassen, wurden
208 ausgetragene Neugeborene mit entsprechender Symptomatik randomisiert: 107 Neugeborene
der Gruppe (A) wurden auf eine mittlere Kerntemperatur 33,8° C unterkühlt, 101 Neugeborene der
Gruppe (B) bei einer mittleren Kerntemperatur von
37° C gepflegt [1]. Die peripartale Asphyxie war aus
Apgarwert, Beatmungsnotwendigkeit und pH-Werten diagnostiziert worden, die hypoxämisch-ischämische Enzephalopathie nach modifizierten SarnatKriterien bestimmt [Finer J (1981) Pediat 98:112]. Die
Hypothermie wurde innerhalb der ersten 6 Stunden
post partum in Angriff genommen, durch Herabsetzen der Inkubator-Temperatur und Auflegen von
Kältepackungen erreicht, und über 72 Stunden fortgeführt. In der Kontrollgruppe (B) starben 67/101
Kinder (66,3 %), in der Hypothermie-Gruppe (A)
55/106 Kinder (51,4 %). Im Alter von zwei Jahren
hatten 77,3 % der unbehandelten Kinder sensomotorische und andere Entwicklungsdefekte gegenüber 60,4 % der behandelten Kinder.
KOMMENTAR: Mit anderen Worten gesagt, müssen statistisch sieben Neugeborene behandelt werden, um das Leben eines von ihnen zu retten; die übrigen sechs hätten auch ohne Behandlung überlebt.
Die Intervention äussert sich nicht in einer erhöhten
Zahl von Behinderungen. Im Gegenteil: Sie vermindert die Zahl von Entwicklungsdefekten. Die Länder
überspannende, multizentrisch geprüfte Intervention bestätigte frühere Pilotstudien und war so erfolg-
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reich, dass die Studie vorzeitig abgebrochen, d. h.
jedes Neugeborene mit entsprechender Symptomatik behandelt wurde. Faszinierend ist die Einfachheit
der Methode, entscheidend ihr früher Beginn [2].
Referenzen: [1] Jacob SE, Morley CJ, Inder TE, et al. (2011) Wholebody hypothermia for term and near-term newborns with hypoxic-ischemic encephalopathy. Arch Pediatr Adolesc Med 165:
692-700. [2] Kawano G, Iwata O, Iwata S, et al. (2011) Determinants of outcomes following acute child encephalopathy and encephalitis: pivotal effect of early and delayed cooling. Arch Dis
Child 96:936-941. JS
Erhöhte Sterblichkeit frühgeborener
Kinder im jungen Erwachsenenalter
Unter etwas mehr als 670.000 zwischen 1973-1979 in
Schweden geborenen Einzelkindern, die das erste Lebensjahr überlebten fanden sich rund 28.000 ehemals
Frühgeborene [1]. Bis zum Ende des 5. Lebensjahrs
war ihre Sterblichkeit gegenüber Reifgeborenen auf
das 1,5 fache bei Frühgeborenen der 34.-36. Schwangerschaftwoche und auf das 5-fache bei Frühgeborenen der 22.-27. SSW erhöht. Jede zusätzlich in utero
verbrachte Woche senkte das Sterblichkeitsrisiko um
ca. 10%. Vom 6.-18. Lebensjahr war die Mortalität
ehemals Frühgeborener nicht erhöht. Danach stieg sie
jedoch erneut an und zwar bis zum 38. Lebensjahr um
den Faktor 1,31 (34.-36. SSW) bis 1,91 (22.-27.SSW).
Ursachen waren vermehrte Sterbefälle an angeborenen Fehlbildungen, Asthma (ausschliesslich bei sehr
kleinen Frühgeborenen [2]), endokrinologischen und
kardiovaskulären Krankheiten.
KOMMENTAR: Angeborene Fehlbildungen führen
häufig zu einer Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche und sie – vor allem angeborene Herzfehler – erklären einen Teil der erhöhten Sterblichkeit in den ersten fünf Lebensjahren. Gemessen an
der Sterblichkeit geht es den ehemals Frühgeborenen über die 13 Jahre danach relativ gut, bevor die
relative Sterblichkeit wieder steigt. Ist es nun der natürliche Verlauf oder die Transition der ärztlichen
Versorgung, welche die Sterblichkeit nach dem Jugendalter wieder ansteigen lässt, oder beides?
1
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Referenzen: [1] Crump C, Sundquist K, Sundquist J, Winkleby M (2011)
Gestational age at birth and mortality in young adulthood. J Am Med
Ass 306:1233-1240. [2] Crump C, Winleby MA, Sundquist J, Sundquist
K (2011 ) Risk of asthma in young adults who were born preterm: A
Swedish national cohort study. Pediatrics 127: e913-920. JS
Pulsoximetrie-Screening verbessert die
Frühdiagnostik angeborener Herzfehler
Beim Pulsoximetrie-Screening wird beim Neugeborenen die Sauerstoffsättigung der rechten Hand und
eines Fußes in Ruhe gemessen. In einer umfangreichen Studie an 20.055 Neugeborenen wurde jetzt in
England die Verlässlichkeit des Verfahrens zur Entdeckung angeborener Herzfehler getestet [1]. Als auffälliger Befund wurde eine Sättigung von <95% oder/
und eine Differenz von >2 % gewertet. Kinder, bei denen postnatal schon vor dem Screening Symptome
eines angeborenen Herzfehlers auftraten, wurden
nicht in die Studie aufgenommen. 53 Kinder hatten
schwerere Herzfehler, davon 24 kritische. Die Sensitivität des Pulsoximetrie-Screenings war 75 % für kritische Herzfehler und 49 % für alle angeborenen Herzfehler, die Spezifität betrug 99,2 %. Nimmt man die
35 Kinder heraus, bei denen schon auf Grund pränataler Befunde der Verdacht auf einen angeborenen
Herzfehler geäußert war, so betrug die Sensitivität
für kritische Herzfehler 58 %, für alle 29 %. Man kann
es aber auch so ausdrücken: durch das PulsoximetrieScreening wurden in der Studie 18 Kinder mit angeborenen, auch kritischen Herzfehlern diagnostiziert, bei
denen pränatal kein Verdacht bestand und die bis
zum Screeningzeitpunkt klinisch unauffällig waren.
Die Autoren schlussfolgern, dass es sich um ein einfaches und sicheres Screeningverfahren handelt, dessen Sensitivität höher ist als die pränatalen Untersuchungen und die postnatale klinische Untersuchung.
KOMMENTAR: Das Pulsoximetrie-Screening ist ein
einfaches Verfahren, mit dem die Frühdiagnostik angeborener Herzfehler verbessert werden kann. Nebenbei werden auch respiratorische Erkrankungen
und schwerere Infektionen mit erfasst. Der Nutzen
dieser Untersuchung spricht für dessen Einführung
als Routinemaßnahme bei allen Neugeborenen.
Referenz: [1] Ewer AK, Middleton LJ, Furmston AT et al. (2011)
Pulse oximetry screening for congenital heart defects in newborn
infants (PulseOx): a test accuracy study. Lancet 378: 785–94. EH
Orale Schnell-Rehydratation bei akuter
Gastroenteritis vertretbar
Kann eine mittelschwere Dehydratation infolge einer
viralen Gastroenteritis mit Elektrolyt-Glukoselösungen per Magensonde in vier Stunden ausgeglichen
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werden oder ist eine langsame Rehydratation über
24 Stunden vorzuziehen? Insgesamt 228 Kleinkinder
mit einer akuten Gastroenteritis und mittelschwerer
Dehydratation wurden in Gruppe A oder B randomisiert [1]. 119 Patienten der 4-Stunden-Gruppe (A) erhielten 100 ml/kg einer OR-Lösung über vier Stunden in der Tagesklinik per Sonde. Die meisten (92)
dieser Kinder konnten nach Hause entlassen und
nach 24 Stunden dort nachuntersucht werden. Neun
Kinder mussten wieder in die Klinik aufgenommen
werden. 109 Patienten der 24-Stunden-Gruppe (B)
erhielten das geschätzte Flüssigkeits-Defizit von
5-7 % des Körpergewichts in 6 Stunden, den Rest des
24-Stunden-Flüssigkeits-Bedarfs in den darauffolgenden 18 Stunden. Während der gesamten Beobachtungsdauer von bis zu 7 Tagen verloren 11,8 %
der Kinder der Gruppe (A) mehr als 2 % des Körpergewichts gegenüber 9,2 % der Gruppe (B) – der Unterschied in der Zahl dieser primären Therapie-Versager war statistisch nicht signifikant. 24 Stunden
nach Therapiebeginn zeigte sich ein leichter Vorteil
für Gruppe (A), in der nur 9/119 (8 %) der Kinder
noch Dehydratationszeichen aufwiesen gegenüber
18/109 (17 %) in Gruppe (B).
KOMMENTAR: Nach dieser Untersuchung ist ein
Versuch vertretbar, ein Kind mit akuter Gastroenteritis und mässiger Dehydratation in der Praxis oder
Ambulanz rasch zu rehydrieren und nach Hause zu
schicken. In etwa einem Viertel der Fälle wird dies
nicht gelingen und etwa 10 % werden nach der Entlassung erneut aufgenommen werden müssen. Voraussetzung ist in jedem Fall eine gute häusliche Betreuung. Sie zu überprüfen bedürfte es vorzugsweise
eines altmodischen Hausbesuchs.
Referenz: [1] Powell CVE, Priestley SJ, Young S, Heine RG (2011)
Randomized clinical trial of rapid versus 24-hour rehydration for
children with acute gastroenteritis. Pediatrics 128: e771-e778. JS
Gastroösophagealer Reflux als Ursache
chronischen Hustens
Bei 45 Kindern mit chronischen, anderweitig nicht erklärten Hustenanfällen wurde mittels ph-metrie und
Impedanzmessung nach einem gastroösophagealen
Reflux gesucht [1]. Mit der 24-Stunden pH-Messung
wurden saure Refluxe erfasst, mit der Impedanzmessung zusätzlich neutrale oder schwach saure Refluxe. Hustenanfälle wurden per Hand notiert und in
Beziehung zu den Messergebnissen gesetzt. Pathologische Refluxmuster wurden bei 24 Kindern gefunden, davon etwa ein Drittel mit neutralem oder nur
schwach saurem Mageninhalt. 18 der 24 Kinder hatten keinerlei klinische Hinweise auf einen GE-Reflux,
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vier Kinder gelegentliches Erbrechen und saures Aufstossen, zwei Kinder epigastrische Schmerzen. Eine
zeitliche Assoziation zwischen Reflux und Hustenanfall fand sich bei 17 der 24 Kinder sowohl mit saurem
als auch mit neutralem Refluxinhalt. Generell reichten die Refluxe der 24 Kinder mit pathologischem
Muster in höhere Ösophagus-Abschnitte als bei den
21 Kindern mit normalem Refluxmuster.
KOMMENTAR: Der Gold-Test fehlt: Verschwanden
die Hustenanfälle mit entsprechender Therapie des
(vermutet) ursächlichen GE-Refluxes? Immerhin,
wenn man häufigere Ursachen wie Asthma, chronische Bronchitis, Infektionen der oberen Luftwege
oder auch einen aspirierten Fremdkörper, eine Tuberkulose ausgeschlossen hat, darf man einmal an einen
gastroösophagealen Reflux denken. In einer früheren
Untersuchung wurde er bei sechs von 108 Kindern
mit chronischem Husten als Ursache vermutet [2].
Referenzen: [1] Borrelli O, Marabotta C, Mancini V, et al. (2011)
Role of gastroesophageal reflux in children with unexplained
chronic cough. J Pediat Gastroenterol Nutr 53:287-292. [2] Asilsoy S, Bayran E, Agin H, et al. (2008) Evaluation of chronic cough
in children . Chest. 134:1122-1128. JS
Die mikrobielle Vielfalt auf einem
Bauernhof schützt Kinder vor der
Entwicklung von Asthma
Seit längerem ist bekannt, dass Kinder, die in ländlicher Umgebung auf einem Bauernhof aufwachsen,
deutlich seltener ein Asthma bronchiale oder eine
Atopie entwickeln als Kinder in städtischer Umgebung. Von der Arbeitsgruppe von Frau Prof. von Mutius aus München, die seit langem diese Fragen wissenschaftlich bearbeitet, wurden jetzt die Ergebnisse
zweier Studien (PARSIFAL und GABRIELA) publiziert, die den mikrobiellen Unterschied der beiden
Umgebungen herausarbeiten.
In die PARSIFAL-Studie wurden 6843 Grundschulkinder in Bayern eingeschlossen, entweder auf einem
Bauernhof lebend oder in derselben Region nicht auf
einem Bauernhof lebend. Der Staub aus Matratzen
wurde durch single-strand conformation polymorphismus (SSCP) Analysen auf bakterielle DNA untersucht. In die GABRIELA-Studie wurden 9668 Grundschulkinder aus Süddeutschland, der Schweiz und
Österreich eingeschlossen, in deren Kinderzimmer
der Staub gesammelt und anschließend durch konventionelle Kulturtechniken auf Pilze und Bakterien
untersucht wurde. In beiden Studien wurde eine stärkere mikrobielle Exposition der auf Bauernhöfen lebenden Kinder gefunden bei gleichzeitig geringerer
Prävalenz von Asthma und Atopie. Die Vielfalt von
Bakterien- bzw. Pilzspezies wurde als „diversity-
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scores“ angegeben, die mit dem Auftreten von Asthma invers korrelieren, d.h. die Wahrscheinlichkeit für
das Auftreten von Asthma ist umso geringer je größer die Vielfalt von Bakterien und Pilzen im Lebensraum ist. Als besonders beutend für diesen Effekt
wurden Bakterien der Spezies Listeria monocytogenes, Bacillus und Corynebakterien, sowie Schimmelpilze der Spezies Eurotium identifiziert.
Die Autoren diskutieren zwei mögliche Mechanismen für den beobachteten Effekt: (1) Mikroorganismen triggern das angeborene Immunsystem. Es ist
deshalb denkbar, dass die mikrobielle Vielfalt die Induktion von regulatorischen T-Zellen in Richtung T1Helferzellen bewirken und nicht in Richtung T2-Helferzellen, wie sie für Asthma typisch sind. (2) Die
Besiedlung der Atemwege mit apathogenen mikrobiellen Spezies könnte die Kolonisierung mit pathogenen Keimen zurückdrängen.
KOMMENTAR: Auch wenn der genaue Mechanismus des protektiven Effektes noch nicht bekannt ist,
so stützen diese Befunde doch wieder die „Hygienetheorie“. Die Antigenkarenz mag für die Behandlung
bereits allergisch Erkrankter eine wichtige Maßnahme sein, für die Protektion vor allergischen Erkrankungen könnte sie sich aber letztlich als Irrweg herausstellen.
Referenz: [1] Ege MJ, Mayer M, Normand AC, et al. (2011) Exposure to Environmental Microorganisms and Childhood Asthma. N
Engl J Med 364:701-9. EH
Die Behandlung von persistierendem
Asthma bronchiale kann durch Anti-IgE
Antikörper unterstützt werden
Der humanisierte monoklonale Anti-IgE-Antikörper
Omalizumab ist bereits als wirksames Therapieprinzip zur Behandlung schwerer Formen und Exazerbationen von Asthma bronchiale erkannt und zugelassen. Jetzt wurden die Ergebnisse einer randomisierten,
doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie von 419
in Städten lebenden Kindern mit persistierendem
Asthma bronchiale publiziert [1]. Verglichen wurde
die Standardtherapie mit einer Standardtherapie plus
zusätzlicher Gabe von Omalizumab alle zwei bis vier
Wochen über einen Zeitraum von 60 Monaten. Die
Dosierung von Omalizumab erfolgte nach IgE-Spiegel (0,016 mg/kg KG/IU IgE). Im Ergebnis nahm in der
Behandlungsgruppe die Anzahl der Tage mit Asthma-Symptomen signifikant ab, ebenso die Exazerbationen und die seasonale Zunahme von Symptomen.
Gleichzeitig konnte der Bedarf der Standardmedikation in der Behandlungsgruppe reduziert werden.
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KOMMENTAR: Diese Studie belegt den längerfristigen zusätzlichen Nutzen einer Anti-IgE Behandlung
für die Therapie des Asthma bronchiale. Allerdings
muss noch geklärt werden, für welche Art der Sensibilisierung der Nutzen am größten ist. Langfristige
Nebenwirkungen sind gegenwärtig nicht absehbar.
Entscheidendes Hindernis sind derzeit noch die Kosten, die beim gegenwärtigen deutschen Listenpreis
zwischen 3.900 und 37.500 € für die Studiendauer
pro Patient zusätzlich betragen hätten.
Referenz: [1] Busse WW, Morgan WJ, Gergen PJ, et al. (2011) Randomized Trial of Omalizumab (Anti-IgE) for Asthma in Inner-City
Children. N Engl J Med 2011;364:1005-15. EH
Isolierte Coxarthritis durch Borreliose
Die Borreliose-Arthritis äussert sich meist mit intermittierenden Schmerzen und Schwellung mehrerer
Gelenke, vorzugsweise der Kniegelenke. Bei acht
Kindern und Jugendlichen traten isoliert Hüftschmerzen auf. Im sonographisch nachgewiesenen und
punktierten Gelenkerguss fanden sich zwischen
20.000 und 50.000 /µL segmentkernige Leukozyten
[1]. Die Blutsenkung war auf Werte zwischen 31 und
95mm/h erhöht. Unter dem Verdacht einer eitrigen
Hüftgelenksentzündung wurde eine antibiotische
Therapie eingeleitet. Die Kulturen blieben jedoch
steril. Dagegen wurden mittels Western blot und
ELISA Borrelien IgG Antikörper nachgewiesen. Die
antibiotische Therapie mit Amoxicillin oder Doxacyclin wurde über 4 Wochen fortgesetzt; weitere chirurgische Maßnahmen waren nicht erforderlich.
KOMMENTAR: Bei isolierten Hüftschmerzen wird
man in erster Linie an ein Trauma, Coxitis fugax, M
Perthes oder Epiphyseolyse denken. Nehmen die Beschwerden zu, findet sich sonographisch ein deutlicher Erguss, liegen systemische Entzündungszeichen vor, ist eine Coxitis wahrscheinlich; antibiotische
Behandlung, Punktion und ggfl. chirurgischer Eingriff werden erforderlich. Die präzise Diagnose, ob
septisch oder Borrelien-bedingt, kommt erst mit den
Laborwerten. Hinsichtlich der Borreliose sind SerumIgM Antikörper oder ein positiver Polymerasebefund
hilfreicher als erhöhte IgG-Titer.
Referenz: [1] Glotzbecker MP, Minander S, Kocher S, et al. (2011)
Primary lyme arthritis of the pediatric hip. J Pediatr Orthop.
31:787-790. JS
Eine sterile Liquorpleozytose ist ein
häufiger Befund bei einem akuten Harnwegsinfekt im frühen Säuglingsalter
Bereits seit Jahren gibt es Berichte, dass bei jungen
Säuglingen im Rahmen eines nachgewiesenen aku-
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ten Harnwegsinfektes häufiger auch eine erhöhte
Zellzahl im Liquor gefunden wird [1]. Zu diesen Beobachtungen sind jetzt die Ergebnisse einer breit angelegten multizentrischen Studie veröffentlicht
worden, die im Auftrag der American Academy of
Pediatrics Daten über einen Zeitraum von mehr als
elf Jahren gesammelt hat [2]. 1190 Säuglinge mit einem akuten Harnwegsinfekt im 2. Lebensmonat
wurden untersucht. Eine Liquorpleozytose mit einer
Zellzahl von > 10/µl (entspricht 30/3 /µl) wurde bei
214 Kindern (= 18,0 %) gefunden, von > 30/µl bei 66
Kindern (5,5 %). Kulturell blieben diese Liquores alle
steril. Die Ursache für diese geringe, aber nachweisbare Pleozytose ist unklar, vermutet wird eine systemische Folge des Inflammationsprozesses. Trotz
gleichermaßen erfolgreicher Therapie des Harnwegsinfektes wurden aber Patienten mit einer Liquorpleozytose über einen längeren Zeitraum intravenös mit Antbiotika behandelt.
KOMMENTAR: Auf den ersten Blick mögen einem
diese Ergebnisse als nebensächlich erscheinen. Sie
nehmen aber die Unsicherheit über einen solchen Liquorbefund, der sonst unnötigerweise zu längerer
und intensiverer Antibiotikatherapie veranlassen
könnte.
Referenzen: [1] Adler-Shohet FC, Cheung MM, Hill M, et al.
(2003) Aseptic meningitis in infants younger than six months of
age hospitalized with urinary tract infections. Pediatr Infect Dis J
22:1039–1042. [2] Schnadower D, Kuppermann N, Macias CG,
et al. (2011) Sterile Cerebrospinal Fluid Pleocytosis in Young Febrile Infants With Urinary Tract Infections. Arch Pediatr Adolesc
Med 165(7):635-641. EH
Serum Procalcitonin als Indikator eines
hochgradigen Vesicoureteralen Refluxes
Etwa 30 % aller Kinder mit einer Harnwegsinfektion
haben einen vesikoureteralen Reflux. Er ist meist
leichter Natur, verschwindet spontan, bedarf keiner
Behandlung. Seltener beim ersten Harnwegsinfekt,
häufiger bei rezidiverenden Harnwegsinfektionen
wird man an einen höhergradigen Reflux denken
und die Indikation zu einer Zystopyelographie stellen. Procalcitonin ist ein Infektions-Indikator. In einer
Meta-Analyse wurden die Angaben von 656 Kinder
im Alter zwischen einem Monat und vier Jahren verwertet, bei denen anlässlich eines ersten fieberhaften Harnwegsinfekts Serum-Procalcitonin bestimmt
und eine Miktions-Zystopyelographie durchgeführt
worden war [1]. Dabei erwies sich ein erhöhtes Serum-Procalcitonin als guter Indikator eines höhergradigen Refluxes (≥ Grad 3) mit einer Sensitivität
von 93 %, einer Spezifität von 43 %, einem positiven Vorhersagewert von 14 % und einem negativen
Vorhersagewert von 96 %.
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KOMMENTAR: Aus den Beurteilungsziffern ergibt
sich, dass sich nicht jeder Reflux in einem erhöhten
Procalcitoninwert zeigt, und dass umgekehrt ein erhöhtes Procalcitonin andere Gründe als einen vesikoureteralen Reflux haben kann. Nichtsdestoweniger
wird man bei einem normalen Procalcitoninwert mit
der Indikation zur Zystopyelographie zurückhaltend
sein, bei einem erhöhten Wert eher zu weiterführenden Untersuchungen neigen.
Referenz: [1] Ortega-Evangelio G, Alcon JJ, Alvarez-Pitti, et al.
(2011) Grisel syndrome. Eur J Pediatr 170:965–968. [2] Haugen
EB, Benth JS, Nakstad B (2011) Manual therapy in infantile torticollis: a randomized, controlled pilot study. Acta Paediatrica 100:
687-690. EH
Referenz: [1] Leroy S, Romanello C, Galetto-Lacour A, et al.(2011)
Procalcitonin is a predictor for high-grade vesicoureteral reflux in
children: Meta-Analysis of individual patients data. J Pediatr 159:
644-651. JS
In den ersten zwei Lebensjahren leiden bis zu 20%
aller Kinder an rezidivierenden Otitiden. Häufige Ursache sind Pneumokokken-Infektionen. In einer prospektiven Studie wurden 46 Säuglinge und Kleinkinder mit einem heptavalenten Pneumokokken
Impfstoff geimpft und mit einer Gruppe von 50
nicht-geimpften Kindern verglichen [1]. Probanden
und Kontrollkinder galten als ‚Otitis-gefährdet‘,
wenn eine erste Otitis bereits vor dem 6. Lebensmonat aufgetreten war. Erfahrungsgemäß entwickeln
sich bei 60-80 % dieser Kinder rezidivierende Otitiden. Bis zum Ende des 2. Lebensjahres traten in der
Impfgruppe 149 und in der Kontrollgruppe 214 Otitiden auf. Dies entspricht einer Reduktion von 26 %.
Entsprechend reduzierte sich die Zahl der eingesetzten Paukenröhrchen von 22 auf 10 und die Zahl von
Überweisungen an den HNO-Arzt von 357 auf 211.
Vergessene Krankheitsentität: „Maladie
de Grisel“ – Torticollis mit nicht-traumatischer atlantoaxialer Subluxation
Ausgehend von einem Fallbeispiel befasst sich dieser
Review [1] mit den Ursachen, der Diagnostik und der
Therapie des Torticollis im Kindesalter. Der Symptomenkomplex wird selten diagnostiziert, tritt aber bei
Kindern häufiger als bei Erwachsenen auf. Ursache der
im Verlauf auch radiologisch nachweisbaren atlantoaxialen Subluxation ist in der Hälfte der Fälle eine Infektion im HNO-Bereich, am häufigsten eine Pharyngitis. Die Assoziation Halsschmerzen + Fieber + Torticollis
sollte daher immer an diesen Symptomenkomplex denken lassen. Es wird angenommen, dass sich die ohnehin
im Kindesalter hohe Elastizität der Ligamente durch Infektionen im HNO-Bereich noch verstärkt und es so
leichter zu einer atlantoaxialen Subluxation kommen
kann. Frühzeitige Analgesie, Immobilisierung, eventuell Sedierung und Antibiotikagabe werden empfohlen,
um eine längerfristige Subluxation zu verhindern, die
im ungünstigen Fall sogar zu einer bleibenden Schädigung von Nervenwurzeln führen kann.
KOMMENTAR: Obwohl der von dem französischen
HNO-Arzt P. Grisel schon 1930 beschriebene Symptomenkomplex gerade bei Kindern häufiger auftritt,
wird diese Krankheitsentität in der deutschen pädiatrischen Literatur kaum beschrieben. Die vorhandenen
Berichte stammen meist von Orthopäden und HNOÄrzten. Letztere beobachten den Grisel-Symptomenkomplex häufiger nach Tonsillektomien. Eigentlich ist
zu erwarten, dass diese Entität auch in der ambulanten pädiatrischen Versorgung häufiger gesehen wird.
Frühzeitige Diagnose und Therapie können am ehesten Folgeschäden verhindern. Der Torticollis des Grisel-Symptomenkomplexes (atlantoaxiales Gelenk)
hat natürlich nichts mit der Pseudodiagnose „KiSSSyndrom“ zu tun, bei dem angeblich der atlantooccipitale Übergang betroffen sein soll, und das durch
Manualtherapie nicht beeinflussbar ist, wie eine kürzlich publizierte Studie ergeben hat [2].
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Pneumokokken-Impfung reduziert
Häufigkeit von Otitiden
KOMMENTAR: Vor Ende des 2. Lebensjahrs ist eine
primäre antibiotische Behandlung der akuten Otitis
media vorteilhaft [2]. Sinkt durch die PneumokokkenImpfung die Zahl von Otitiden, sinkt auch die Verordnung von Antibiotika und die damit verbundene Entwicklung bakterieller Resistenzen. Die vergleichsweise
geringe Reduktion der Zahl von Otitiden hängt möglicherweise damit zusammen, dass Otitis-anfällige
Kinder schlechter auf Impfstoffe ansprechen [3]. Dafür wird ein Mangel an T-helper und T-memory Zellen
verantwortlich gemacht, der seinerseits mit der Otitis-Neigung zusammenhängen mag.
Referenzen: [1] Gisselsson-Solén M, Melhus A, Hermansson A
(2011) Pneumococcal vaccination in children at risk of developing
recurrent acute otitis media – a randomized study. Acta Paediat
100:1354-1358. [2] s. Hipp Lit. Serv. 2/11. [3] Kaur R, Casey JR, Pichichero E (2011) Serum antibody responses to five streptococcus
pneumonia proteins during acute otitis media in otitis-prone and
non-otitis-prone children. Pediatr Infect Dis J 30:645-650. JS
Influenza-Impfung bei Kindern effektiver
mit Lebend- als mit inaktiviertem Impfstoff
In insgesamt 17 Studien wurden etwas mehr als
22.000 Kinder, davon 3018 Kleinkinder zwischen
zwei und fünf Jahren, entweder mit Influenza Lebend- oder Tot-Impfstoffen geimpft. Der Impfeffekt
errechnete sich aus dem Vergleich der Infektions-
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Häufigkeit bei geimpften vs ungeimpften Kindern. Er
lag beim Lebendimpfstoff bei 73 %-83 % gegenüber 53 %-68 % bei Totimpfstoff [1].
Fällen war eine zusätzliche Kraniotomie erforderlich.
In 5/13 Fällen waren initiale Schädel-CTs als normal
befundet worden.
KOMMENTAR: Die Mitteilung scheint überflüssig,
da in Deutschland nur Influenza-Totimpfstoff zugelassen ist. Der in der Schweiz vorübergehend zugelassene Lebendimpfstoff wurde 2001 wegen vermehrt beobachteter Fazialisparesen zurückgezogen.
Mittlerweile wurden jedoch Tausende von Kindern
mit Lebendimpfstoff ohne Komplikationshäufung
geimpft [1,2] und der Impfstoff ist in den USA zumindest bei Kindern über zwei Jahren zugelassen.
Durch seine nasale Applikationsform ist er attraktiv.
Darüber hinaus möge das Referat an den segensreichen Effekt der Influenzaimpfung – lebend oder totfür Kinderärztin und Kinderarzt selbst erinnern.
KOMMENTAR: Das wohl wichtigste Ergebnis dieser
rückblickenden Untersuchung waren negative initiale Computer-Tomographien bei fünf Kindern. Sie waren in drei Fällen ohne, in zwei Fällen mit Kontrastmittel durchgeführt worden. Bei Verdacht auf eine
bakterielle intrakranielle Sinusitis-Komplikation ist
primär ein MRT indiziert.
Referenzen: [1] Hull HF, O’Connor H (2011) Optimizing protection
against influenza in children eligible for the vaccine for children
program. Pediat Infect Dis J 29:910-914. [2] Belshe RP, Eduard
KM, Vesikari T (2007) Live attenuated versus inactivated influenza vaccine in infants and young children. New Engl J Med
356:685-696. JS
Intrakranielle Empyeme/Abszesse nach
Sinusitis
Zwischen 2000 und 2009 wurden in der Universitätskinderklinik Cleveland, Ohio 57 Kinder mit intrakraniellen bakteriellen Komplikationen nach Sinusitis
behandelt. In den meisten Fällen lag eine Immundefizienz vor, bedingt durch iatrogene Immunosuppression bei Neoplasmen und Organ-Transplantationen.
Zwei Kinder litten an einer zystischen Fibrose. Eine
isolierte, meist nach Infektionen der oberen Luftwege aufgetretene Sinusitis ohne Grundkrankheit hatten 13 Kinder. Intrakranielle Komplikationen manifestierten sich mit Kopfschmerzen, Fieber, Schnupfen,
periorbitaler oder frontaler ödematöser Schwellung
sowie neurologischen Auffälligkeiten wie Schläfrigkeit, Krampfanfällen, Paresen, Sprachstörung, meningitischen Reizerscheinungen. Labortechnisch fanden sich Zeichen einer bakteriellen Infektion wie
Leukozytose, erhöhtem CRP, beschleunigter Blutsenkung. Epidurale und/oder subdurale Empyeme sowie
ein Hirnabszess wurden mittels MRT diagnostiziert,
antibiotisch und operativ mit endoskopischer Ausräumung der Nasennebenhöhlen behandelt. In neun
Referenz: [1] Hicks CW, Weber JG, Reid JR, Moodley M (2011).
Identifying and managing intracranial complications of sinusitis
in children. Pediatr Infect Dis J 30: 222-226. JS
Hippotherapie bei Cerebralparese
erfolgversprechend
Unter Anleitung und Aufsicht von Fachkräften durchgeführtes therapeutisches Reiten nutzt den harmonisch-repetitiven, rhythmischen Bewegungsablauf
des geführten Pferds und wird durch die muskelentspannende Wärme des tierischen Körpers unterstützt. Es soll Kontrolle und Koordination von Kopfund Rumpfmuskulatur sowie den Gleichgewichtssinn
von Kindern mit Zerebralparese fördern. Eine MetaAnalyse von 8 kritisch gewerteten Untersuchungen
zeigte einen deutlichen therapeutischen Effekt bei
76/ 84 (90%) Kindern mit verschiedenen Formen der
Zerebralparese[1]. Verglichen damit brachte konventionelle Physiotherapie/Beschäftigungstherapie oder
Übung am Bewegungsgerät (‚künstlicher Sattel‘) Erfolge bei 21von 39 (54%) Kindern. Das Chancenverhältnis (odds ratio) zugunsten der Hippotherapie-Effekte war 25,4 (CI 4,35-147,5), p <0,001.
KOMMENTAR: Die Bewertung einer therapeutischen Maßnahme wie der Hippotherapie hängt vom
angestrebten Behandlungsziel und damit von Form
und Schwere der Bewegungsstörung ab. Hier Mittelwerte zu schaffen ist schwierig, gilt aber für Prüfwie für Kontrollgruppe. Insofern scheint das therapeutische Reiten ein erwägenswertes Angebot an
Kind, Eltern und Krankenkasse zu sein.
Referenz: [1] Zadnikar M, Kastrin AJ (2011 ) Effects of hippotherapy and therapeutic horseback riding on postural control or balance in children with cerebral palsy: a meta-analysis. Develop Med
Child Neurol 53: 864-891. JS
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Die vorstehenden Zusammenfassungen können und sollen eine
Lektüre der jeweils angegebenen Referenzliteratur nicht ersetzen. Die Zusammenfassungen verstehen sich vielmehr als Hilfestellung für den Kinderarzt. Sie sollen ihm helfen, sich wichtige
Informationen schnell zu erschließen.
Lit.serv. Päd. 3/2011 – 41747 - 11.2011
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier
HiPP Pädiater-Service 3/11
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16.11.11 07:40
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