Kopf-Halskarzinome - TAKO | Tiroler Arbeitskreis für Onkologie

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Kopf-Halskarzinome
Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und
Nachsorgeuntersuchungen in Tirol
Vorwort
Kopf-Halstumore umfassen Neubildungen von der Lippe bis zum Eingang
der Speiseröhre sowie Neubildungen der Nase und Nasennebenhöhlen, der
Kopfspeicheldrüsen und der Haut von Kopf, Gesicht und Hals. Malignome
der Schilddrüse werden in diesen Empfehlungen nicht behandelt. Bei den
bösartigen Neubildungen der Kopf-Halsregion handelt sich ganz überwiegend
um Karzinome. Diese sind Gegenstand der vorliegenden Empfehlungen
zu Diagnostik, Therapie und Nachsorgeuntersuchungen in Tirol des Tiroler
Arbeitskreises für Onkologie (TAKO).
Den rechtlichen Rahmen für Diagnostik, Therapie und Nachsorge von
Kopf-Halskarzinomen bilden neben zivil-, straf- und berufsrechtlichen
Bestimmungen unter anderem das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz,
das Tiroler Krankenanstaltengesetz, die Vereinbarung zur Sicherstellung
der Patientenrechte (Patientencharta), das Gesundheitsqualitätsgesetz, der
Österreichische Strukturplan Gesundheit 2010 sowie der Rehabilitationsplan
2009 der GÖG. Der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) enthält
Empfehlungen zur abgestuften integrierten Versorgung mit speziellen
Strukturen auf ambulanter und stationärer Ebene mit dem Ziel einer
flächendeckenden Verbesserung der onkologischen Versorgung unter
Einbeziehung der gesamten Behandlungskette von der Früherkennung
über die Diagnostik und Behandlung bis hin zur Nachsorge mit messbaren
Ergebnissen.
Im intramuralen Bereich unterscheidet der ÖSG zwischen onkologischem
Referenz­zentrum
(ONKZ),
onkologischem
Schwerpunkt
(ONKS)
und
assoziier­­ter onkologischer Versorgung (ONKA). Kennzeichen von ONKZ und
ONKS ist u.a. die Vorhaltung aller im interdisziplinären Team (Tumorboard)
vorgesehenen Fachbereiche sowie weiterer zuständiger Sonderfächer und
die Sicherstellung der Radioonkologie in räumlicher Nähe. Aufgaben der
ONKA umfassen die Erbringung von Therapie und Übernahme weiterer
Leistungen in Abstimmung mit kooperierenden ONKZ und/oder ONKS sowie
Notfall­versorgung. Dies erfolgt in Kooperation mit dem ONKZ und/oder dem
ONKS und dem jeweiligen Tumorboard. Im extramuralen Bereich sieht der
ÖSG die Aufgaben primär bei Früherkennung, Diagnostik, Nachsorge sowie
supportiver Therapie.
Kern der Versorgung in einem ONKZ und ONKS ist ein interdisziplinäres
Tumorboard, dem neben dem Organfach Vertreter der Inneren Medizin/
Hämato-Onkologie, der Radiodiagnostik, der Radioonkologie und der
Pathologie
unter
Gleichberechtigung
der
beteiligten
Fachrichtungen
angehören. Im Tumorboard ist jede Person mit einer malignen Neuerkrankung
Kopf-Halskarzinome Vorwort
3
anzumelden. Dabei ist jene Abteilung zunächst zuständig (Case manager),
die den Patienten dem Tumorboard vorstellt. Das Tumorboard stellt zunächst
das verbindliche TNM-Stadium fest und erstellt oder ändert vorhandene
Behandlungsvorschläge. Es besteht Dokumentationspflicht.
Schilddrüsenkarzinome
werden in diesen
Empfehlungen
nicht abgehandelt
Für den intra- und extramuralen Bereich soll mit den vorliegenden
Empfehlungen das rasch wachsende Wissen auf dem Gebiet der Kopf-Hals
Onkologie zusammengefasst, bewertet und unter Berücksichtigung der hoch
entwickelten medizinischen Infrastruktur allen onkologisch tätigen Ärzten in
Tirol angeboten werden. Für die Erstellung dieser Empfehlungen wurden eine
Reihe von Empfehlungen und Leitlinien unter anderem der European Society
for Medical Oncology (1), der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische
Onkologie (2), der Deutschen Krebsgesellschaft (3), der Arbeitsgruppe
für Hals- und Gesichtschirurgie der Schweizerischen Gesellschaft für
ORL, Hals- und Gesichtschirurgie, des National Cancer Institute der USA
(4) sowie die Practice Guidelines des National Comprehensive Cancer
Networks der USA (5) berücksichtigt. Neben diesen Leitlinien wurden
Review- Artikel aus Core-Journalen herangezogen (1;6). Für Patienten mit
fortgeschrittenem Tumorstadium liegen zwei umfangreiche prospektive
Untersuchungen der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG) und der
European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) zur
postoperativen Radio- und Radiochemotherapie vor, die erheblichen Einfluss
auf die Therapie von PatientenInnen mit Kopf-Halskarzinomen genommen
haben (7-9).
Ich möchte mich bei allen Autoren für die ausgezeichnete Zusammenarbeit
bei der Erstellung dieser TAKO-Empfehlungen, aber auch im klinischen Alltag
und bei gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten bedanken.
Univ.-Prof. Dr. Herbert Riechelmann
Leitung und Koordination
4
Kopf-Halskarzinome Vorwort
TAKO
Vorstand und Mitwirkende
TAKO Vorstand
Univ.-Prof. DI Dr. Peter Lukas
Strahlentherapie-Radioonkologie, Innsbruck
Prim. Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Gattringer
Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl
Innere Medizin, Kufstein
Hämatologie & Onkologie, Innsbruck
Prim. Univ.-Doz. Dr. Ewald Wöll
Innere Medizin, Zams
ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Eisterer
Innere Medizin, Innsbruck
ao. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder
Hämatologie & Onkologie, Innsbruck
Univ.-Doz. Dr. Eberhard Gunsilius
Hämatologie & Onkologie, Innsbruck
Dr. Stefan Kastner
Ärztekammer Tirol
Obmann
1. Obmann-Stv.
2. Obmann-Stv.
Schriftführer
1. Schriftführer-Stv.
2. Schriftführer-Stv.
Kassier
Ärztekammervertreter
Mitwirkende in der Arbeitsgruppe Kopf-Halskarzinome
Dr. Ulrike Beier
Dr. Silvia Brunold
Zahnersatz und Zahnerhaltung, Innsbruck
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Innsbruck
Doz. Dr. Michael Fiegl
Hämatologie & Onkologie, Innsbruck
Dr. Oliver Galvan
HNO, Innsbruck
Prim. Dr. Paul Goller
Lisa-Maria Griesser
HNO, Brixen
Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck
Prof. Dr. Ingrid Grunert
Doz. Dr. Frank Kloss
Zahnersatz und Zahnerhaltung, Innsbruck
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Innsbruck
Andrea Kofler
HNO, Innsbruck
Julia Lobenwein
HNO, Innsbruck
Dr. Susanne Maislinger
Medizinische Psychologie, Innsbruck
Prof. Dr. Hans Maier
Pathologie, Innsbruck
Dr. Roland Moschen
Medizinische Psychologie, Innsbruck
Dr. Wilhelm Oberaigner
Klinische Epidemiologie, Innsbruck
Primar Dr. Peter Ostertag
HNO, Kufstein
Dr. Georg Pall
Innere Medizin, Onkologie, Innsbruck
Prof. Dr. Gerhard Pierer
Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Innsbruck
Dr. Andrea Posch
Prof. Dr. Michael Rasse
Strahlentherapie-Radioonkologie, Innsbruck
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Innsbruck
Prof. Dr. Thomas Rettenbacher
Dr. Ursula Riccabona
Radiologie, Innsbruck
Anästhesie und Intensivmedizin, Innsbruck
Prof. Dr. Herbert Riechelmann
HNO, Innsbruck
Koordinator
Dr. Ulrich Rieger
Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Innsbruck
Dr. Markus Rungger
Prof. Dr. Matthias Schmuth
Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck
Dermatologie und Venerologie, Innsbruck
Kopf-Halskarzinome TAKO Vorstand und Mitwirkende
5
Prof. Dr. Hans-Ulrich Strohmenger
Anästhesie und Intensivmedizin, Innsbruck
Dr. Arpad Sztankay
Strahlentherapie-Radioonkologie, Innsbruck
Dr. Hagen Thomas
Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck
Dr. Christian Uprimny
Nuklearmedizin, Innsbruck
Prof. Dr. Irene Virgolini
Nuklearmedizin, Innsbruck
Doz. Dr. Gerlig Widmann
Radiologie, Innsbruck
Prim. Doz. Dr. Ewald Wöll
Internistische Onkologie, Zams
OA Dr. August Zabernigg
Internistische Onkologie, Kufstein
Prof. Dr. Patrick Zorowka
Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck
Satz, Gestaltung und Version
Dr. Eugen Preuß
Version 1.0
Copyright: pdl 2011
6
Kopf-Halskarzinome TAKO Vorstand und Mitwirkende
pdl, Innsbruck
Inhaltsverzeichnis
1
Epidemiologie
1.1
Epidemiologische Daten in Tirol
1.2
Das Tumorregister des IET
1.3
Früherkennung und Prävention
13
15
16
1.3.1 Populations-basiertes Screening (Massenscreening)
1.3.3 Speichel-Screening
17
18
2
Ätiologie und Histopathologie
19
2.1
Ätiologie
2.2
Pathogenese
2.2.1
Genetisches Progressionsmodell
2.2.2
Tumorstammzellen
2.2.3
Tumorimmunologie
2.2.4
Tumorprogression
2.2.5
Prognosefaktoren
2.3
Histopathologie
2.3.1
Dysplasien, Carcinoma in situ, intraepitheliale Neoplasie
2.3.2
Plattenepithelkarzinome
2.3.3
Adenokarzinome
2.3.4
Maligne Speicheldrüsentumore
2.3.5
Andere Malignome
2.4
Häufige Lokalisation von Metastasen von Kopf-Hals-Tumoren
2.5
Bearbeitungsempfehlungen Pathologen
3
Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilungen
3.1 Tumor-Lokalisationen und T-Stadien nach UICC 2010
1.3.2 Selektives (inzidentes risikoorientiertes) Screening
20
21
22
24
27
29
3.1.1 Lippen
3.1.2 Mundhöhle
3.1.3 Oropharynx
3.1.4 Nasopharynx
3.1.5 Hypopharynx
3.1.6 Larynx
3.1.7 Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen
3.1.8 Speicheldrüsen
3.1.9 Kopf- und Gesichtshaut
3.2 N-Stadien
30
31
32
33
34
36
37
38
39
3.2.1 N-Stadien außer Nasenrachen und Haut
3.2.2 N-Stadien Nasenrachen
3.2.3 N-Stadien Karzinome der Haut
40
Kopf-Halskarzinome Inhaltsverzeichnis
7
40
41
3.3 M-Stadien
3.4 UICC-Stadiengruppierung
3.4.1 UICC-Stadiengruppierung außer Nasenrachen und Haut
3.4.2 UICC-Stadiengruppierung Nasenrachenkarzinom
42
43
3.4.3 UICC-Stadiengruppierung Haut
3.5 R-Status (Residualtumor)
3.6 Fakultative Deskriptoren
3.6.1 Lymphgefäßinvasion
3.6.2 Veneninvasion
3.6.3 Perineurale Invasion (ab 2010)
3.7 44
Abgeleitete und andere Klassifikationschemata
3.7.1 Lokal begrenzt (limited), lokoregionär fortgeschritten (advanced) und
rezidiviert oder metastatisch (recurrent or metastatic)
3.7.2 Klassifikation nach Prognose des AJCC Cancer Staging Manual
3.7.3 Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorregister
45
3.8 Ersterkrankung, Rezidiv, Zweittumor
46
4
Diagnostisches Vorgehen
4.1 Diagnoseverzögerung
4.2 Komorbidität und Performance Status
4.3 Klinische Untersuchung
4.4 Bildgebende Verfahren
47
48
49
4.4.1 Halssonographie
4.4.2 Computertomographie Kopf-Hals
50
4.4.3 Computertomographie Thorax
4.4.4 Kernspintomographie
51
4.5 Sicherer Umgang mit CT, MR und US Kontrastmittel
4.6 Nuklearmedizinische Diagnostik
4.6.1 PET/CT
53
4.6.2 Knochenszintigraphie
4.7 Panendoskopie in Narkose
54
55
4.8 Sentinel-Lymphknotenbiopsie
4.9 Abklärung bei Verdacht auf Halslymphknotenmetastase bei
56
4.10 unbekanntem Primärtumor (CUP Syndrom)
Zahnärztliche Diagnostik und Planung der dentalen Rehabilitation
4.10.1 Maßnahmen prä radiationem
57
58
4.10.2 Maßnahmen intra radiationem
4.11
Erheben des Ernährungsstatus, Ernährungstherapie, Perkutane
endos­ko­pische Gastrostomie
8
Kopf-Halskarzinome Inhaltsverzeichnis
4.12 Diagnostik von Hören, Stimme, Sprechen, Schlucken
60
4.12.1 Erstuntersuchung
4.12.2 Stimmlosigkeit und Stimmersatz
61
4.12.3 Besonderheiten bei einzelnen Tumorlokalisationen
4.12.4 Chemotherapie/Radiochemotherapie
62
4.12.5 Zusammenfassung
5
Therapie
5.1 Therapiegrundsätze bei Erstdiagnose
5.2 Chirurgische Therapie
5.2.1
Indikation zur chirurgischen Therapie – Resektabilität und
64
65
Operationsrisiko
5.2.2 Empfohlene chirurgische Verfahren unter kurativem Ansatz
66
aufgeschlüsselt nach Tumorlokalisation
5.2.3 Prinzipien der chirurgischen Therapie des Halses
5.2.4 Präoperative anästhesiologische Untersuchung und gemeinsame
71
74
perioperative Planung
5.2.5 Indikation zur präliminaren Tracheotomie bei Kopf-Hals Eingriffen
75
5.2.6 Palliative chirurgische Verfahren
5.2.7
Empfehlung zur perioperativen Ernährung bei ausgedehnten
tumorchirurgischen Eingriffen der Kopf-Halsregion
5.3 Radiotherapie, Radiochemotherapie und Radioimmuntherapie
77
5.3.1 Radiotherapie
5.3.2 Radiochemotherapie (RCT)
5.3.3 Radioimmuntherapie
5.4 Systemische Therapie
79
81
82
5.4.1 Palliative systemische Therapie
5.4.2
Präoperative neoadjuvante Chemotherapie bei Erstbehandlung
83
fortgeschrittener Tumorstadien
5.4.3
Induktionschemotherapie vor kombinierter Radiochemotherapie bei
84
Erstbehandlung fortgeschrittener Tumorstadien
5.5 Feststellung des Remissionsstatus
5.6 Phase I Rehabilitation
5.7
Therapiegrundsätze bei Rezidiv, Tumorpersistenz oder
85
Fernmetastasierung
Kopf-Halskarzinome Untertitel
9
86
87
6
Nachsorge und Rehabilitation
6.1 Nachsorgeuntersuchungen
6.1.1 Erkennung von Rezidiven oder persistierender Tumorerkrankung
6.1.2 Erkrankungsfolgen
88
6.1.3 Laboruntersuchungen
6.1.4 Ernährung, Körpergewicht, Leistungsfähigkeit
6.1.5 Dentale Nachsorge
89
90
6.1.6 Sozialmedizinische Betreuung in der Nachsorge
6.2 Phase II Rehabilitation
6.2.1 Geeigneter Zeitpunkt und Dauer für Phase II Rehabilitation
91
10
6.2.2 Erforderliches Behandlungsangebot
6.3 Ambulantes Behandlungsangebot und Home-Care
92
6.4 Selbsthilfegruppen
93
7
Psychosoziale Aspekte und Psychoonkologie
7.1 Begriffsdefinition „Psychoonkologie“
7.2 Grundprinzipien der psychoonkologischen Versorgung
94
96
7.3 Psychoonkologische Versorgungskonzepte und Interventionen
7.4 Behandlungsbedarf und Indikationsstellung in der Psychoonkologie
97
8
Literaturverweise
Kopf-Halskarzinome Untertitel
Abkürzungen
AHB
Anschlussheilbehandlung
AJCC
American Joint Committee on Cancer
ASA
American Association of Anesthsiologists
CDDP
Cis-Diaminodichloroplatin (Cisplatin)
CR
Vollständiges Ansprechen (complete response)
Abkürzungen
CUP
Carcinoma of unknown primary
DCO
Death Certificate Only
ECOG
Eastern Cooperative Oncology Group
EE
enterale Ernährung
EORTC
European Organisation for Research and Treatment of Cancer
GÖG
Gesundheit Österreich GmbH
HPV
Humane Papillomaviren
IET
Institut für klinische Epidemiologie der TILAK
KHT
Kopf-Hals-Tumorboard
mRND
modifiziert radikale Halslymphknotendissektion
NC
Keine Veränderung (no change)
ONKA
assoziierte onkologische Versorgung
ONKS
onkologischer Schwerpunkt
ONKZ
onkologisches Referenzzentrum
ORL
Oto-Rhino-Laryngologie
ÖSG
Österreichischer Strukturplan Gesundheit
PD
Progressive Erkrankung (progressive disease)
PE
parenterale Ernährung
PR
Partielles Ansprechen (partial response)
RCT
Radiochemotherapie
RND
radikale Halslymphknotendissektion
SL
Sentinel Lymphknoten
SLB
Sentinel-Lymphknotenbiopsie
SND
selektive Halslymphknotendissektion
TAKO
Tiroler Arbeitskreis für Onkologie
TILAK
Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH
TIVA
Total intravenöse Anästhesie
UICC
Union for International Cancer Control
Kopf-Halskarzinome Abkürzungen
11
1 Epidemiologie
Der Kopf-Hals-Region werden der ICD-O3 folgend Malignome der
Regionen Lippen und Mundhöhle, Pharynx, Larynx, Nasenhöhle und
Nasennebenhöhlen, Große Speicheldrüsen und Schilddrüse zugerechnet.
Weltweit erkranken pro Jahr um die 310.000 Frauen und 800.000 Männer
und versterben 210.000 Frauen und 500.000 Männer an einem Karzinom
im HNO-Bereich. Damit liegen die Karzinome im HNO-Bereich weltweit in
der Häufigkeit der Tumorgruppen an vierter Stelle. Die altersstandardisierte
Rate (pro 100.000) ist bei den Frauen in Westeuropa mit 7 deutlich niedriger
Karzinome
im HNO-Bereich
weltweit
an vierter Stelle
als in den weniger entwickelten Ländern (mit 12) und bei den Männern mit
37 etwas höher als in den weniger entwickelten Ländern (mit 30). In allen
Regionen erkranken etwa drei Mal so viele Männer wie Frauen an einem
Karzinom im HNO-Bereich. Das individuelle Risiko bis zum Alter 74 an einem
HNO-Karzinom zu erkranken, liegt bei den Frauen bei 0.7% und bei den
Männern bei 2.4%.
1.1 Epidemiologische Daten in Tirol
In Tirol erkranken pro Jahr um die 140 Patienten (ca. 40 Frauen und 100
Männer) an einem Karzinom im HNO-Bereich, damit hat diese Karzinom­
gruppe einen Anteil von 4% an allen neudiagnostizierten bösartigen
Erkrankungen und liegt an der siebten Stelle der Häufigkeit (10). Bezüglich
der Krebsmortalität liegen die Karzinome im HNO-Bereich mit etwa 45 Todes­
In Tirol erkranken
pro Jahr um die
140 Patienten
an einem Karzinom
im HNO-Bereich
fällen (ca. 10 Frauen und 35 Männer) pro Jahr und einem Anteil von 3% an
der zehnten Stelle in der Häufigkeit der Krebstodesfälle. Das Verhältnis von
Frauen zu Männern ist in Tirol 1:3.
Den größten Anteil nehmen die Larynxkarzinome ein (27%), gefolgt von
Tonsillen (8%), Mundboden (7%), restliche Mundhöhle, Hypopharynx, rest­
Abbildung 1:
Vergleich Inzidenz- und Mortalitätsrate HNO außer Larynx mit EU-Ländern
(altersstandardisierte Rate pro 100 000, rot: bei Frauen; blau: bei Männern )
Kopf-Halskarzinome Epidemiologie
13
Abbildung 2:
Zeitliche Entwicklung altersstandardisierte Rate HNO (außer Larynx) in Tirol
(pro 100 000); 3-Jahres-Glättung
licher Oropharynx und Lippen mit jeweils 6%. Im Vergleich zu den EU-Ländern
liegen die altersstandardisierten Raten der Karzinome im HNO-Bereich ohne
Larynx in Tirol bei den Frauen deutlich über dem EU-Durchschnitt (Inzidenz
und Mortalität) und bei den Männern im EU-Durchschnitt (s. Abbildung 1), die
Larynxkarzinome bei den Männern liegen unter dem EU-Durchschnitt.
Knapp
1000 TirolerInnen
haben ein
Kopf-Halskarzinom
(Prävalenz)
Das durchschnittliche Alter bei Diagnose liegt bei 63 Jahren, 10% der
weiblichen und 15% der männlichen Patienten sind jünger als 50. Die Anzahl
der prävalenten Karzinome im HNO-Bereich beträgt in Tirol um die 250
Frauen und 700 Männer. Diese Schätzungen sind im Wesentlichen konsistent
mit Prävalenzschätzung der Statistik Austria.
Die altersstandardisierte Inzidenzrate der Karzinomen im HNO-Bereich ohne
Larynx zeigt bei den Frauen im letzten Jahrzehnt eine Zunahme der Inzidenz
und Mortalität um 3% pro Jahr und bei den Männern ebenfalls eine Zunahme
von 1% pro Jahr (jeweils statistisch signifikant, siehe Abbildung 2). Die
Inzidenz der Larynxkarzinome hat bei den Männern 3% pro Jahr statistisch
14
signifikant abgenommen. Die regionale Verteilung auf Bezirksebene zeigt
Kopf-Halskarzinome Epidemiologie
bei einigen Schwankungen keine statistisch signifikant erhöhten oder
erniedrigten Raten im Vergleich zum Landesdurchschnitt.
Das relative Fünfjahresüberleben der Karzinome im HNO-Bereich ohne Larynx
liegt bei den Frauen bei 65% und ist fast identisch zu den Vergleichsdaten
aus den USA und bei den Männern mit 50% statistisch signifikant schlechter
als die Vergleichsdaten aus den USA mit 60%. Bei den Larynxkarzinomen
beobachten wir in Tirol ein relatives Fünfjahresüberleben von 70% (besser als
Das relative
Fünfjahresüberleben
liegt bei ca. 55%
die Vergleichsdaten aus den USA mit 60%, aber nicht statistisch signifikant).
Diese Überlebensdaten beruhen auf den Diagnosejahren 2001-2005 (wegen
der fünfjährigen Nachbeobachtung bis 2010). In der Eurocare-4-Studie wurde
basierend auf den Daten 1995-99 bei den Karzinomen im HNO-Bereich für
Österreich ein relatives Fünfjahresüberleben von 37% berechnet, das unter
dem EU-Durchschnitt mit 39% lag und bei den Larynxkarzinome ein relatives
Fünfjahresüberleben von 63% und damit identisch mit dem EU-Durchschnitt.
Die seit 2008 erhobenen 1-Jahresüberlebensraten liegen über dem EUDurch­schnitt und sind mit den Daten aus den USA vergleichbar.
1.2 Das Tumorregister des IET
Das Tumorregister Tirol erhält Daten über neu auftretende Tumorfälle von den
Tiroler Krankenhäusern und Sanatorien. Niedergelassene Fachärzte werden
über die Sanatorien erfasst. Tumorfälle werden nur in Ausnahmefällen
ausschließlich von Praktikern behandelt, über die Pathologie-Befunde werden
auch solche Tumorfälle registriert (Basisdokumentation). Dies führt zu einem
sehr hohen Grad an Vollständigkeit. Daneben führt das Tumorregister Tirol
für einige Kliniken der Universitätsklinik Innsbruck ein Krankenhausregister
für Tumoren mit einem wesentlich detaillierteren Dokumentationsumfang
(Spezialdokumentation). Um einen möglichst hohen Grad an Vollständigkeit
Zur möglichst vollständigen
Erfassung in klinischen
Registern eignen sich die
ICD-10 Codes C00-C15,
C30-C34, C39, C40, C41,
C43, C44, C49, C69-C72,
C76-C80, C97, D00-D04,
D09, D37, D38 und D48
zu erreichen, werden Pathologiedaten, Krankenhausabgangsdiagnosen
sowie Abteilungsdaten verwendet. Nach Abgleich mit der Datenbank werden
solche Befunde, für die kein Tumor gemeldet wurde, nachrecherchiert.
Schließ­lich werden in einem relativ aufwändigen Verfahren für diejenigen
Tumor­todesfälle, für die keine Meldung eines Krankenhauses vorliegt, über
Kranken­häuser und niedergelassene Ärzte nach medizinischen Daten
recherchiert und gegebenenfalls nachdokumentiert. Falls keine weiteren
Informationen gefunden werden, wird der Tumorfall als DCO-Fall ausgewertet
(Death Certificate Only).
Kopf-Halskarzinome Epidemiologie
15
1.3 Früherkennung und Prävention
Die wichtigste Präventivmaßnahme sind allgemeine Programme gegen
Nikotinkonsum. Es gibt nur wenige Daten zu Vorsorgeprogrammen speziell
Risikogruppe:
Raucher über 45
mit erhöhtem
Alkoholkonsum
bei Kopf-Hals-Tumoren. Ungefähr 70% der Patienten mit Kopf-HalsTumoren der Innsbrucker Universitäts-HNO-Klinik stellen sich erstmals
mit fortgeschrittenen Tumorstadien vor. Da das Tumorstadium eng mit
dem Überleben korreliert, erscheint es plausibel, dass Früherkennung die
Prognose von Kopf-Hals-Tumoren verbessert. Hierzu liegen allerdings keine
gesicherten Daten vor. Die relevante Risikogruppe sind Männer über 45 mit
erhöhtem Alkohol- und Nikotinkonsum, Immunsupprimierte und Menschen,
die schon mal ein Kopf-Halskarzinom hatten.
1.3.1 Populations-basiertes Screening (Massenscreening)
Unter anderem für Haut- Mamma- und Prostatakrebs gibt es in Tirol ein
sehr erfolgreiches Populationsscreening durch das Angebot für gezielte
Vorsorgeuntersuchungen. Das Department für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
der Universität Baltimore führte im April 2008 ein populations-basiertes
kostenloses Kopf-Hals-Tumor Screening im Rahmen der von der Yul Brynner
Foundation gesponserten Oral, Head and Neck Cancer Awareness Week
durch. Die Mehrzahl der Teilnehmer waren weibliche Nicht­raucherinnen
Populations-basierte
Vorsorgeprogramme
derzeit nicht zielführend
(70%). Bei immerhin 10% der Teilnehmer fanden sich Verdachts­momente,
die eine weiterführende Diagnostik auslösten. Dieses Ergebnis zeigt,
dass die relevante Zielgruppe über Programme zur speziellen Vorsorge­
unter­suchung nur unzureichend erreicht wird. Außerdem sind gezielte
Vorsorgeuntersuchungen wie Mamma- oder PSA-Screening bei Kopf-HalsTumoren ökonomisch kaum zu rechtfertigen. Es wurde kalkuliert, dass ca.
18.000 Bürgerinnen und Bürger gescreent werden müssten, um ein Leben
zu retten. Dabei bezieht sich diese Zahl auf die leicht detektierbaren Mund­­
höhlen­­karzinome, nicht auf die schwieriger zu erfassenden Mund­rachen­
karzinome oder andere Kopf-Hals Tumorlokalisationen.
Ein grundsätzliches Problem bei allen Screening-Untersuchungen ist, dass
die oft zitierten 7 Warnsymptome (s. Tabelle) nicht Frühsymptome darstellen,
sondern mit der Ausnahme der Heiserkeit bei Tumoren der Stimmlippe
bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium anzeigen. Darüber hinaus sind
diese Symptome unspezifisch, so dass eine hohe Fehldetektionsrate besteht.
16
Kopf-Halskarzinome Epidemiologie
Typische 7 Warnzeichen
für Kopf-Halstumoren
laut American Cancer
Society
Schluckbeschwerden
Fremdkörper- und Kloßgefühl im Hals
ins Ohr ausstrahlende Schmerzen
Husten, manchmal mit Blutauswurf
Heiserkeit
Schmerzen oder Kratzen im Hals
Knotenbildung am Hals
1.3.2 Selektives (inzidentes risikoorientiertes) Screening
Eine rezente Übersichtsarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass eine sinnvolle
Früherkennung von AllgemeinmedizinerInnen durchgeführt werden kann
(incidental screening). Hierbei werden Patienten mit Risikofaktoren, die
sich in der Regel aus Kopf-Hals unabhängigen Gründen vorstellen, einer
standardisierten Untersuchung der Kopf-Hals-Region unterzogen. Weil
Angehörige von Risikogruppen insgesamt eher selten zum Zahnarzt gehen,
erfolgt inzidentes (also im Rahmen eines ohnehin stattfinden Arztbesuches)
risikogruppen-orientiertes Screening am ehesten durch AllgemeinärzteInnen.
Die Detektionsrate von Kopf-Hals-Tumoren bei Allgemeinärzten wird auf ca.
1:63000 Konsultationen geschätzt.
Eine der umfangreichsten inzidenten risikogruppen-orientierten Screening
Projekte wurde in Boston durchgeführt. Dabei wurden 4611 RaucherInnen
über 40 Jahre von Allgemeinärzten (primary care physicians) in Stadtbezirken
Risikogruppen-orientiertes
Screening durch
AllgemeinärzteInnen
mit bekannt hoher Inzidenz von Kopf-Hals-Tumoren systematisch anhand
eines Untersuchungsbogens erfasst. Der Untersuchungsbogen enthielt
Fragen nach 4 von 7 Kopf-Halstumor-relevanten Warning-Signs der American
Cancer Society, nämlich persistierende Halsschmerzen, Knoten am Hals,
Schluck­schwierigkeiten und persistierende Heiserkeit. Außerdem wurde
nach Gewichtsverlust gefragt und die Mundhöhle auf tumorverdächtige
Veränderungen untersucht. Von den 4611 PatientenInnen wurden 318
Patienten wegen pathologischer Befunde zur weiterführenden fachärztlichen
Unter­suchungen überwiesen. Von diesen 318 Patienten waren lediglich
4% auch wegen Kopf-Hals-Symptomen zum Allgemeinarzt gegangen.
Die Fachuntersuchungen nahmen dann 208 Patienten auch tatsächlich in
Anspruch. Zuletzt wurden 6 Krebsdiagnosen verifiziert, wobei 4 Diagnosen
durch die Screening-Untersuchung festgestellt wurden und 2 Diagnosen erst
3 Jahre später. Somit ergibt sich in etwa eine Detektionsrate von ca. 1:1000
bei inzidentem, risikogruppen-orientiertem Screening. Dabei ist aber nicht
bekannt, ob die 4 berichteten detektierten Tumore auch ein prognostisch
günstiges, frühes Tumorstadium aufwiesen.
Kopf-Halskarzinome Epidemiologie
17
1.3.3 Speichel-Screening
Das Screening von Speichelproben wird in erster Linie bei Mund­höhlen­
karzinomen durchgeführt, gelingt aber möglicherweise auch für andere KopfHals-Tumorlokalisationen. SolCD44 war bei Tumorpatienten im Speichel
zwar hochsignifikant erhöht, zeigte aber keine ausreichende Diskrimination
zwischen Tumorpatienten und Kontrollen. Bahar und Koautoren konnten
bei der Untersuchung von Antioxidantien im Speichel ebenfalls keine
ausreichende Diskrimination erreichen. Mittels Microarry-Analysen identi­
fizierten Wong und Mitarbeiter 7 Transskripte im menschlichen Speichel
(DUSP1, H3F3A, IL1B, IL8, OAZ1, SAT und S100P), die in Kombination
mit einer Sensitivität und Spezifität von 90% Tumorpatienten von Kontrollen
diskriminierten. Sethi und Koautoren konnten an Speichelproben von 27
Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren und von 10 Kontrollen mittels multiplex
ligation-dependent probe amplification (MPLA) an Hand der Genprodukte von
2 Genen (PMAIP1 und PTPN1) eine vollständige Diskrimination erreichen.
Mittels quantitativer methylierungs-spezifischer PCR (Q-MSP) konnten
Carvalho und Mitarbeiter Paneele hypermethylierter Promotersequenzen
in Blutserum (CDH1, CCND2, TIMP3, HIC1 und PGP9.5) und Speichel
(MINT31, CCNA1, DCC, p16) identifizieren, die Kopf-Tumorpatienten mit
hoher Spezifität, allerdings geringer Sensitivität detektierten.
18
Kopf-Halskarzinome Epidemiologie
2 Ätiologie und
Histopathologie
2.1 Ätiologie
Risikofaktoren für die Entstehung von Plattenepithelkarzinomen der
Kopf-­Hals-Region sind chemische Noxen, in aller erster Linie Alkoholund Tabakkonsum. Über die fatale Rolle von Alkohol und Rauchen für
Entstehung und Rezidiv von Kopf-Hals-Karzinomen wissen lediglich 15% der
Betroffenen Bescheid. Eine Sicherungsaufklärung über diese Risiken dient
Alkoholkonsum und
Rauchen sind die
wichtigsten Risikofaktoren
für Kopf-Halskarzinome
der Gefahrenabwehr im Interesse des Patienten. Eine weitere wesentliche
ätiologische Bedeutung haben Humane Papillomaviren (HPV). Sie spielen
eine besondere Rolle in der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen bei
Nikotin- und Alkoholabstinenten. In 80-90% aller HPV-DNA-positiven Platten­
epithelkarzinome wird HPV Typ 16 gefunden. Weiterhin spielen physikalische
Noxen (radioaktive Strahlen und chronische mechanische Irritation, z.B.
durch scharfkantige Zähne), berufliche Schadstoffexposition (Schwarz­
deckenarbeiter,
Maler,
Schreiner, Asbestarbeiter)
sowie
Ernährungs­­
faktoren und familiäre sowie genetische Disposition eine Rolle. Arbeiter in
der Holzindustrie haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Adeno­­
karzinomen der Nasennebenhöhlen. Kopf-Hals-Karzinome treten bei immun­
supprimierten Patienten gehäuft auf. Generell treten Platten­epithel­karzinome
des oberen aerodigestiven Trakts häufiger bei Männern auf.
2.2 Pathogenese
2.2.1 Genetisches Progressionsmodell
Nach dem genetischen Progressionsmodell entstehen Kopf-Hals-Karzinome
aus präneoplastischen Veränderungen. Dabei führen epigenetische Mechanismen, Genamplifikationen und Gendeletionen zur Aktivierung von Onkogenen und zu Funktionsverlust von Tumorsuppressorgenen. Da häufig DNAReparaturmechanismen und apoptoseinduzierende Mechanismen funktionell
beeinträchtigt sind, entsteht eine hohe genomische Instabilität, in deren Folge
zahlreiche weitere Mutationen auftreten. Obwohl der Tumor initial aus einem
Zellklon entsteht, kommt es durch die genomische Instabilität zu einer hohen
Zellheterogenität im Tumor. Dies äußert sich auch in der hohen Aneuploidie,
Polyploidie und einer Vielzahl chromosomaler Anomalien von Kopf-HalsTumoren. Insbesondere unter dem selektiven Druck einer Therapie können
strahlen- oder chemotherapieresistente Zellklone entstehen.
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
19
Abbildung: Genetisches Progressionsmodell von Kopf-Hals Karzinomen
2.2.2 Tumorstammzellen
Bei Tumorstammzellen handelt es sich um CD44+ Zellen in KopfHalskarzinomen, die extensiv proliferieren können und ca. 10% der
Tumorzellen in Kopf-Hals-Tumoren ausmachen(11). Tumorstammzellen
sind in der Lage, im Tiermodell Implantattumoren zu induzieren, während
die übrigen Tumorzellen dies kaum vermögen. Es wird vermutet, dass
diese Zellen für die Repopulation nach Strahlen- oder Chemotherapie
ausschlaggebend sind.
2.2.3 Tumorimmunologie
Kopf-Hals-Tumorzellen exprimieren einige weitgehend tumorspezifische
Antikörper. Tumorantigene, die eine humorale Immunantwort induzieren,
können mittels serologischer Analyse rekombinanter Expressions-Libraries
(SEREX) und über Microarray-Analysen identifiziert werden. Zu den KopfHals-Tumorenantigenen
gehören
unter
anderem
der
EGF-Rezeptor,
VEGF-Rezeptor, Ep-CAM, einige CD44 Splice-Varianten, p16 sowie die
Somatostatinrezeptoren 2 und 5. Nasenrachenkarzinome exprimieren
gehäuft EBV-Antigene. Trotz der Expression von Tumorantigenen gelingt es
dem Immunsystem nicht, die Tumorzellen zu eliminieren.
Zu den Faktoren, die die Abwehrlage von Kopf-Halstumorpatienten
beeinträchtigen gehören Alkohol- und Tabakkonsum, HPV-Infektion und
schlechter
Ernährungszustand.
Kopf-Hals-Tumorzellen
entgehen
der
humoralen und zellulären Immunüberwachung zusätzlich gezielt über
unterschiedliche Mechanismen. Sie „verstecken“ sich vor dem Immunsystem,
20
unter anderem durch geringe HLA-Klasse I Rezeptor-Expression. Andererseits
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
supprimieren sie die Aktivität von Immunzellen systemisch und insbesondere
lokal. Tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) gehören überwiegend zu CD4+
CD25+ FoxP3+ regulatorischen T-Zellen, die Immuntoleranz induzieren.
Darüber hinaus supprimieren Tumorzellen die Aktivität unterschiedlicher
Immunzellen durch Freisetzung immunsupprimierender Faktoren wie IL-10,
TGF-ß und PGE2.
2.2.4 Tumorprogression
Unter Tumorprogression versteht man die Ausbreitung maligne transformierter
Zellen im Organismus. Zu den Mechanismen der Tumorprogression zählen
Invasion, Destruktion, Angiogenese, Ausbildung eines bindegewebigen
Stromas (Desmoplasie), Verlust der Zelladhäsion und Einbruch in Lymphund Blutgefäße, Extravasation und Metastasenbildung.
2.2.5 Prognosefaktoren
Prognosefaktoren ermöglichen Aussagen über die Überlebens­wahr­schein­
lichkeit. Relevante klinische Prognosefaktoren bei Platten­epithelkarzinomen
umfassen Tumorgröße, Tumorlokalisation, Halslymphknotenstatus, Fern­
metastasierung, Performance-Status, und Erst- vs. Rezidiverkrankung. Alter
und Geschlecht spielen eine untergeordnete Rolle. Nach chirurgischem
Vorgehen sind R-Status und extrakapsuläres Lymphknotenwachstum als
Klinische
Prognosefaktoren:
Tumorgröße,
Tumorlokalisation,
Halslymphknotenstatus,
Fernmetastasierung
weitere prognostisch relevante Parameter verfügbar. Prognostisch relevant
ist auch das Vorliegen einer ausgeprägten desmoplastischen Stromareaktion
in den Lymphknotenmetastasen. Ein positiver Lymphknotenbefund erhöht
signifikant die Wahrscheinlichkeit von hämatogenen Fernmetastasen,
stärker noch bei extranodaler Tumorinfiltration. Daneben gibt es zahlreiche
tumorbiologische Parameter mit prognostischer Bedeutung wie z.B. das
Ausmaß der EGFR Expression oder der p16-Status. Prädiktive Faktoren
sollen Aussagen darüber ermöglichen, welche Therapieverfahren erfolg­
versprechend sind und eine individuell optimierte Therapieempfehlung
ermöglichen. Die Datenlage zu prädiktiven Faktoren bei Kopf-Halstumoren
ist inkonsistent.
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
21
2.3 Histopathologie
Als Grundlage der histopathologischen Klassifikation von Kopf-Halstumoren
wird die World Health Organization Classification of Tumours, Pathology &
Genetics, Head and Neck Tumours, empfohlen (12).
2.3.1 Dysplasien, Carcinoma in situ, intraepitheliale Neoplasie
Zu den präneoplastischen Veränderungen werden die Leukoplakie mit den
Unterformen verruköse Hyperplasie (früher: orale floride Papillomatose)
und proliferative verruköse Hyperplasie sowie die Erythroplakie gezählt,
aus der sich im Verlauf jeweils eine squamöse intraepitheliale Neoplasie
(SIN) mit geringer (low grade) oder hochgradiger (high grade) Dysplasie
(siehe Tabelle 1) und schließlich ein invasives Karzinom entwickeln können.
Die Entartungsrate bei der Leukoplakie liegt abhängig vom Dysplasiegrad
zwischen 3 und 10%, bei der Erythroplakie bei über 50%, wiederum variabel
je nach Lokalisation der Präkanzerose (am höchsten an Mundboden, Zunge
und Lippe).
In Tirol wird für intraepitheliale Läsionen die Klassifikation der WHO (siehe
z.B. Barnes 2005) empfohlen (s. Tabelle 1, Spalte links).
Tabelle 1
2005
WHO Classification
Squamous Intraepithelial
Neoplasia (SIN)
Squamous cell hyperplasia
Ljubljana Classification Squamous
Intraepithelial Lesions (SIL)
Squamous cell (Simple) hyperplasia
Mild dysplasia
SIN 1
Basal/parabasal cell hyperplasia*
Moderate dysplasia
SIN 2
Atypical hyperplasia**
Severe dysplasia
SIN 3***
Atypical hyperplasia**
Carcinoma in-situ
SIN 3***
Carcinoma in-situ
2.3.2 Plattenepithelkarzinome
Die häufigsten malignen Neubildungen der Kopf-Halsregion sind Platten­
epithel­karzinome. Typische Merkmale sind ein unterschiedliches Ausmaß an
Keratini­sierung und invasives Wachstum.
Sonderformen des Plattenepithelkarzinoms
Verruköses Karzinom
Vorwiegend exophytisches Wachstum, seltener Tumor des älteren Menschen,
22
lokalisiert meist in der Mundhöhle (Gingiva und Wangenschleimhaut) oder
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
im Larynx. Der Tumor sitzt breitbasig auf, zeigt plumpzapfiges infiltratives
Wachstum mit oft scharf gezogen erscheinender Abgrenzung gegenüber der
Epithelunterlage und ist gekennzeichnet durch ein Epithel, das die üblichen
zytologischen Malignitätskriterien vermissen lässt. Die Diagnosestellung
kann besonders in der Abgrenzung zu nichtmalignen Läsionen wie einem
Die häufigsten malignen
Neubildungen der
Kopf-Halsregion sind
Plattenepithelkarzinome
Platten­epithelpapillom, einer verrukösen Hyperplasie oder einer reaktiven
inflamma­torischen papillomatösen Plattenepithelhyperplasie schwierig sein.
Spindelzellkarzinom
Biphasischer Tumor aus Zellen eines Plattenepithelkarzinoms und pleo­
mor­phen spindeligen Zellelementen, die als eine sekundär entwickelte
sarkomatoide Tumorkomponente betrachtet werden. Wenn in einer Biopsie
die Plattenepithelkomponente nicht erfasst ist, kann die Abgrenzung zu
anderen Spindelzellsarkomen oder einer nodulären Fasziitis problematisch
sein.
Basaloides Plattenepithelkarzinom
Seltene Variante, die bei hoher Tendenz zu einer lymphogenen und hämato­
genen Metastasierung ein aggressives Verhalten aufweist. Lokalisation
meist Zungenbasis, Sinus piriformis und supraglottischer Larynx. Der Tumor
zeigt ein Nebeneinander eines konventionellen Plattenepithelkarzinoms und
einer Komponente aus kleinen basaloiden Zellen in soliden läppchenartigen
Komplexen.
Adenoides Plattenepithelkarzinom (akantholytisches Plattenepithelkarzinom)
Selten; entsteht meist im Bereich der (Unter-)Lippe. Der Tumor zeigt durch
Akantholyse ausgebildete pseudoglanduläre Spaltbildungen ohne Ausbildung
echter Drüsen und ohne Vorliegen von Mukozyten. Die vorhandene Keratini­
sierung hilft in der Abgrenzung zum adenoid-zystischen Karzinom und
mukoepidermoiden Karzinom.
Adenosquamöses Karzinom
Kontroversieller gemischter Tumor, meist im Larynx bei Männern.
Papilläres Plattenepithelkarzinom
Seltene Variante.
Nasopharyngeales Karzinom/Lymphoepitheliales Karzinom (Schmincke-Tumor)
Undifferenziertes epidermoides Karzinom mit prominenter lymphatischer
Reaktion, typischerweise des Nasopharynx, assoziiert mit Nachweis von
Epstein-Barr-Virus mittels In-situ-Hybridisierung oder PCR am Tumorgewebe.
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
23
2.3.3 Adenokarzinome
Ausgangsorte können die großen und kleinen Speicheldrüsen, seromuköse
Drüsen der Nasenhöhle, der Nasennebenhöhlen und der oropharyngealen
und laryngealen Schleimhaut sein. Die histologische Präsentation ist sehr
unterschiedlich. Die Varianten der Speicheldrüsenkarzinome sind in Abschnitt
Maligne Speicheldrüsentumore separat aufgelistet.
Adenokarzinom vom intestinalen Typ
Adenokarzinome
des NNH-Systems treten
gehäuft nach beruflicher
Holzstaubexposition auf
Zum Teil Assoziation mit Staubexposition in der Holzindustrie, in diesen Fällen
meist Männer betroffen und meist lokalisiert im Sinus ethmoidalis. Bei Fällen
ohne Staubexposition meist Frauen mit Lokalisation im maxillären Antrum.
Sie gelten als aggressive Karzinome mit Rezidivneigung und Tendenz zu
Lymphknoten- und Fernmetastasen.
Low-grade Adenokarzinom/nasopharyngeales papilläres Adeno­karzinom
Seltene Tumore, meist in der Nasenhöhle. Als low-grade klassifizierte
Karzinome haben eine gute Prognose.
2.3.4 Maligne Speicheldrüsentumore
Sie entstehen de novo oder manchmal aus (den wesentlich häufigeren)
gutartigen Speicheldrüsentumoren:
Maligner Mischtumor
Entsteht fast immer aus einem pleomorphen Adenom, meist Bild eines gering
differenzierten Adenokarzinoms NOS. Minimal invasive Karzinome haben
eine fast ebenso exzellente Prognose wie gutartige Tumore, breit invasive
jedoch sind extrem aggressiv und zeigen bei Diagnosestellung oft bereits
Lymphknoten- und Fernmetastasen. Die Invasionstiefe ist prognostisch
relevant, über 1,5 mm extrakapsuläre Invasion ist mit signifikant schlechterer
Prognose assoziiert.
Myoepitheliales Karzinom
Zu 50% Entstehung de novo, sehr variable Histologie mit meist typischem
immunhistochemischen Profil, variable Prognose.
Basalzell-Adenokarzinom
Low-grade Adenokarzinom meist der Parotis mit aggressiv- infiltrativem
Wachstum,
Nekrosenbildung,
Ausbreitung.
24
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
perineuraler
und/oder
perivaskulärer
Mukoepidermoides Karzinom
In vielen Serien der häufigste maligne Speicheldrüsentumor, meist der
Parotis, mit typischer Histologie. Verhalten und Prognose variieren abhängig
von Stadium und Tumordifferenzierung, wobei es kein international aner­
kanntes Grading-Schema gibt. High-grade Tumore zeigen meist schon Fernoder Lymphknotenmetastasen.
Azinuszellkarzinom
Lokalisiert in >90% der Fälle in der Parotis, äußerst variable und varianten­
reiche Histologie.
Adenoid-zystisches Karzinom
Nach WHO drei Varianten (tubulär, glandulär/kribriform, solid). Langsam
wachsender, breit infiltrativer Tumor mit Tendenz zu perineuraler Ausbreitung.
Unter allen lokalen malignen Tumoren höchste Rezidivrate (über 70%) auch
Adenoid-zystische
Karzinome: Nachsorge
über mind. 10 Jahre
nach 10 oder mehr Jahren. In bis zu 50% Fernmetastasen, Lymph­knoten­
metastasen eher selten. Prognostische Faktoren sind Lokalisation, Stadium,
Grad, neurale Infiltration und Radikalität der Operation.
Polymorphes low-grade Adenokarzinom
Zweithäufigstes enorales Speicheldrüsenkarzinom, ca. 60% der Fälle am
Gaumen lokalisiert. Histologisch und zytologisch monomorpher, aber infiltrativ
wachsender Tumor mit sehr guter Prognose bei radikaler Entfernung,
Rezidive auch nach Jahren kommen aber nicht so selten vor und liegen dann
oft sinunasal, seltener im Bereich der Orbita oder sogar intrakraniell.
Kribriformes Adenokarzinom der Zunge
Erst 1999 beschriebene, seltene Entität, morphologisch Ähnlichkeiten mit
polymorphem low-grade Adenokarzinom oder mit papillärem Schilddrüsen­
karzinom (immunhistochemisch aber immer Thyreoglobulin-negativ). Bei
Diagnose­stellung immer bereits Lymphknotenmetastasen beschrieben.
Epithelial-myoepitheliales Karzinom
Seltener Tumor aus epithelialen und myoepithelialen Komponenten und
duktaler Architektur, prognostisch als low-grade oder intermediate-gradeKarzinom einzustufen.
Klarzellkarzinom
Tumor der kleinen Speicheldrüsen an Gaumen, Zunge und Mundboden,
bestehend aus monomorphen hellen Zellen ohne myoepitheliale Differen­
zierung, mit guter Prognose.
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
25
Speicheldrüsengangkarzinom
Karzinom der Drüsenausführungsgänge mit einer Histologie, die dem
duktalen Mammakarzinom ähnelt. Der klinische Verlauf ist abhängig vom
Differenzierungsgrad und dem Stadium (intraduktal oder bereits invasiv).
Mehrere histologische Varianten sind beschrieben. High-grade Karzinome
gehören zu den aggressivsten Speicheldrüsenkarzinomen. Hohes Risiko
der Lymphknotenmetastasierung, klinisch negative Halslymphknoten sind
histologisch oft bereits befallen. Die prognostische Relevanz des her2/neuStatus ist bei diesem Karzinom noch unklar.
Sebazäres Karzinom
Sebazäre Drüsen kommen vor allem in der Glandula parotis vor. Die
Prognose ist abhängig von Differenzierungsgrad und Ausdehnung und
scheint etwas besser zu sein als bei gleichartigen Karzinomen der Haut.
Sebazäres Lymphadenokarzinom
Extrem seltene, publikationswürdige Entität.
Zystadenokarzinom
Multizystischer Tumor mit invasiver Ausbreitung, bei niedrigem Grad und
Stadium mit guter Prognose.
Muzinöses Adenokarzinom
Subtypen: Kolloidkarzinom und Siegelringzellkarzinom, typische massive
intra-/extrazelluläre Schleimbildung, als high-grade Tumore eingestuft.
Adenokarzinom Not Otherwise Specified (NOS)
Adenokarzinome duktaler oder glandulärer Differenzierung, die keine
diagnostischen Kriterien für einen anderen Adenokarzinomtyp aufweisen.
Kleinzelliges (neuroendokrines) Karzinom
In dieser Lokalisation seltener Tumor, eine Metastase eines Lungenkarzinoms
ist prinzipiell klinisch auszuschließen. Die Prognose ist besser als bei
gleichartigen Tumoren der Lunge.
Großzelliges (undifferenziertes) Karzinom
Seltener, aggressiver, breit invasiv wachsender Tumor, der bei Diagnose­
stellung oft bereits inoperabel ist. Auch hier sollte eine Metastase
ausgeschlossen werden. Tritt oft zusammen mit einem anderen gutartigen
oder malignen Speicheldrüsentumor auf.
26
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
Primäres Plattenepithelkarzinom
Wenn ausgehend von den Speicheldrüsen, immer ein aggressives Karzinom
mit schlechter Prognose.
Lymphoepitheliales Karzinom (siehe oben)
2.3.5 Andere Malignome
Olfaktorisches Neuroblastom (Ästhesioneuroblastom)
Ausgehend von olfaktorischen Stammzellen der Riechschleimhaut, meist in
Nasen- und Nasennebenhöhlen. Neuroendokriner Tumor mit hoher Rezidivund Metastasierungsneigung, auch nach über 20 Jahren, weshalb immer ein
Langzeit-Follow-up angezeigt ist.
Seltene maligne Tumoren des oberen aerodigestiven Trakts sind Sarkome,
Lymphome und das maligne Melanom.
2.4 Häufige Lokalisation von Metastasen von Kopf-Hals-Tumoren
Häufigste Absiedlungsorte von Kopf-Hals-Tumoren sind die Lymphknoten
der oberen und tiefen Halsregion, vornehmlich auf der Seite des Primär­
tumors. Hauptsitz von Fernmetastasen sind die Lungen. Dieser Umstand
führt zu der manchmal nicht klärbaren Frage, ob es sich bei einem epider­
moid differenzierten Lungentumor um eine Metastase des bekannten Platten­
epithel­karzinoms des oberen aereodigestiven Systems oder um ein zweites
Primum der Lunge handelt.
2.5 Bearbeitungsempfehlungen
Pathologen
der
Operationspräparate
für
Die Aufgabe des Pathologen ist es, alle für den Kliniker möglicherweise
bedeutsamen Informationen über den resezierten Tumor in seinen Befund
einzuschließen. Dazu gehören Angaben über den histologischen Typ, den
Differenzierungsgrad, die Tumorausdehnung, die Tumordicke, das Wachs­
tums­muster, Vorliegen oder Fehlen von perineuraler Ausbreitung und
Gefäß­invasion sowie die Evaluation der Resektionsgrenzen mit Angabe
des Tumorabstandes zu definierten Absetzungsrändern. Letzteres setzt
voraus, dass vom Chirurgen am Operationspräparat Richtungsangaben
mit Faden- oder Nadelmarkierungen klar gekennzeichnet werden. Bei
Schleim­hautresektaten wird die Arbeit für den Pathologen erleichtert,
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
27
wenn sie auf einer Korkplatte aufgespannt werden. Wenn Neckresektate
zur Beurteilung vorliegen, müssen die Anzahl der Tumorherde bzw. der
befallenen Lymphknoten, ihre Größe, ihre Lokalisation und Seite in Bezug
zum Sitz des Primärtumors und Angaben zu einer allfälligen extrakapsulären
Tumorausbreitung aufgelistet werden.
28
Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie
3 Tumor-Lokalisationen
und Stadieneinteilungen
Die Festlegung und Dokumentation des Tumorbezirks sowie die klinische
(prätherapeutische) TNM Klassifikation (cT, cN und cM Stadium) ist
unerläßlich für die Auswahl und Bewertung der Therapie. Die verbindliche
Festlegung des klinischen Tumorstadiums erfolgt im Rahmen einer inter­
disziplinären Konferenz (Tumorboard) unter Berücksichtigung der klinischen
und bildgebenden Untersuchungsergebnisse. Bestehen im Einzelfall Zweifel
bezüglich der korrekten Zuordnung zu der T-, N-und M-Kategorie, soll
Das klinische Tumorstadium
wird im Tumorboard
unter Berücksichtigung
der klinischen und
bildgebenden
Untersuchungsergebnisse
festgestellt
die niedrigere, d. h. weniger fortgeschrittene Kategorie gewählt werden.
Overstaging ist für den Patienten möglicherweise nachteiliger als Under­
staging. Understaging führt dazu, dass eine Behandlung am Ende nicht
wie geplant durchgeführt werden kann. Overstaging führt dazu, dass
möglicher­­weise wirksamere oder schonendere Therapieverfahren gar nicht
erst zum Zuge kommen. Das initiale TNM-Stadium bleibt unverändert und
wird nicht durch den weiteren Krankheitsverlauf beeinflusst. Das klinische
TNM-Stadium wird durch das pathologische TNM-Stadium (postoperative
histopatho­logische Klassifikation) ergänzt, nicht ersetzt.
3.1 Tumor-Lokalisationen und T-Stadien nach UICC 2010
In Anlehnung an die UICC-Klassifikation wird die Kopf-Hals Region in
folgende Bezirke eingeteilt (13;14): Lippen, Mundhöhle, Oropharynx, Naso­­
pharynx, Hypopharynx, supraglottischer Larynx, glottischer Larynx, Sub­
glottis, Nasenhöhle/Siebbeinzellen, Kieferhöhle, Speicheldrüsen und Kopfund Gesichtshaut. Die Orts-Bezeichnung des Tumors erfolgt nach dem
Bezirk, in dem der gedachte Masseschwerpunkt des Tumors liegt. Es kann
nur ein Bezirk namensgebend sein (es gibt demnach kein Oro-Hypopharynx­
karzinom). Die Bezirke werden weiter aufgeschlüsselt und es werden ihnen
mehr­­stufige Unterbezirke zugeordnet. Nach UICC gehören Schilddrüsen­
karzinome zu den Kopf-Hals-Tumoren, sie werden jedoch in diesen
Die Orts-Bezeichnung
des Tumors erfolgt nach
dem Bezirk, in dem
der gedachte
Masseschwerpunkt
des Tumors liegt
Empfehlungen nicht abgehandelt
3.1.1 Lippen
Häufiger ätiologischer Faktor in dieser Lokalisation ist die Sonneneinstrahlung.
Die Tumorgröße bestimmt das T Stadium. Perineurales Wachstum kann zur
Ausbreitung in die Mandibula führen, weshalb diese bei Staging und Followup immer mituntersucht werden sollte.
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
29
Unterbezirke
der Lippe
1. Oberlippe, Lippenrot (C00.0)
2. Unterlippe, Lippenrot (C00.l)
3. Mundwinkel (C00.6)
T-Stadien
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
Tl
Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung
T2
Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter
Ausdehnung
T3
Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung
T4a Lippe
T4b
Tumor infiltriert durch kortikalen Knochen, den N. alveolaris
inferior, in Mundhöhlenboden oder in Haut (Kinn oder Nase)
Tumor infiltriert Spatium masticatorium, Processus
pterygoideus oder Schädelbasis oder umschließt die A.
carotis interna
3.1.2 Mundhöhle
Plattenepithelkarzinome der Zunge entwickeln sich meist seitlich, sind
tief infitrativ und haben das höchste Metastasierungsrisiko unter allen
epidermoiden Karzinomen der Mundhöhle. Wangenkarzinome können nach
außen penetrieren. Im Bereich der Gingiva des Ober- und Unterkiefers
können Karzinome mit entzündlich-reaktiven Schleimhautveränderungen
verwechselt werden und umgekehrt. Karzinome haben bei Diagnosestellung
meist einen radiologisch abzuklärenden Bezug zum Kieferknochen.
Unterbezirke
1. Mundschleimhaut
a) Schleimhaut der Ober- und Unterlippe (C00.3,4)
b) Wangenschleimhaut (C06.0)
c) Retromolargegend (C06.2)
d) Sulcus buccomandibuIaris und -maxillaris (C06.1)
2. Oberer Alveolarfortsatz und Gingiva (C03.0)
3. Unterer Alveolarfortsatz und Gingiva (C03.1)
4. Harter Gaumen (C05.0)
5. Zunge
a) Zungenrücken und Zungenrand vor den Papillae
vallatae (C02.0,l)
b) Zungenunterseite (C02.2)
6. Mundboden (C04)
30
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
Tl
Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung
T2
Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter
Ausdehnung
T3
Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung
T 4a
Tumor infiltriert durch kortikalen Knochen in äußere
Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus,
M. palatoglossus und M styloglossus), Kieferhöhle oder
Gesichtshaut
T4b
Tumor infiltriert Spatium masticatorium, Processus
pterygoideus oder Schädelbasis oder umschließt die
A. carotis interna
T-Stadien
Anmerkung: Eine nur oberflächliche Erosion des Knochens oder eines
Zahnfaches durch einen Primärtumor der Gingiva berechtigt nicht zur
Einordnung eines Tumor als T4.
3.1.3 Oropharynx
Plattenepithelkarzinome der Tonsillen neigen zu rascher Tiefeninfitration
mit Ausbreitung in die Zungenbasis und die laterale Pharynxwand sowie zu
Wachstum unter intakter Mukosa in Richtung Nasopharynx. Sie entwickeln
sich oft multifokal aus einem ausgedehnten Carcinoma in situ. An der
Zungenbasis entstandene Karzinome zeigen schon in frühen Stadien zu über
70% Lymphknotenmetastasen, eventuell auch bilateral.
1. Vorderwand
(glossoepiglottische Region)
a) Zungengrund (hinter den Papillae
Unterbezirke
circumvallatae)
b) Vallecula (C10.0)
2. Seitenwand (C10.2)
a) Tonsillen (C09.9)
b) Fossa tonsillaris (C09.0) und
Gaumenbögen (C09.1)
c) Glossotonsillarfurche (C10.2)
3. Hinterwand (C10.3) 1)
4. Obere Wand
a) Orale Oberfläche des weichen
Gaumens (C05.1)
b) Uvula (C05.2)
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
31
T-Stadien
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung
T2
Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter
Ausdehnung
T3
Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung
T4a
Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, wie Larynx, äußere
Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus, M.
palatoglossus und M. styloglossus), Lamina medialis des
Processus pterygoideus, harten Gaumen und Unterkiefer
T4b
Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, wie M. pterygoideus
lateralis, Lamina lateralis des Processus pterygoideus,
Schädelbasis oder umschließt die A. carotis interna
3.1.4 Nasopharynx
Die WHO Klassifikation unterscheidet Plattenepithelkarzinome (keratini­
sierend), nicht-keratinisierende Karzinome (bei diesen differenzierte und
undifferenzierte Tumore) und basaloide Plattenepithelkarzinome. Diese
Tumore verlaufen klinisch ungünstiger, wenn die Symptomatik länger als ein
Jahr besteht, die Histologie des Tumors eine Verhornung aufweist, die tiefen
Hals­lymph­knoten befallen sind, Hirnnerven befallen sind und Fernmetastasen
vorliegen.
Unterbezirke
1. Dach und Hinterwand: beginnt auf Höhe des Übergangs zwischen
hartem und weichem Gaumen und endet an der Schädelbasis (C11.0,1)
2. Seitenwand: schließt die Rosenmüller-Grube ein (C11.2)
3. Untere Wand, entsprechend der nasalen Flache des weichen Gaumens
(C11.3)
T-Stadien
T1
Tumor auf den Nasopharynx begrenzt oder mit Ausbreitung
auf den Oropharynx und/oder Nasenhöhle
T2
Tumor mit parapharyngealer Ausbreitung*
T3
Tumor infiltriert Knochenstrukturen der Schädelbasis und/
oder Nasennebenhöhlen
T4
Tumor mit intrakranieller Ausbreitung und/oder Befall
von Hirnnerv(en), Fossa infra temporalis, Hypopharynx,
Augenhöhle, Spatium masticatorium
* Parapharyngeale Ausbreitung bedeutet die posterolaterale Infiltration
32
jenseits der Fascia pharyngeobasilaris.
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
3.1.5 Hypopharynx
Hypopharynxkarzinome
haben
generell
eine
ungünstige
Prognose.
Submuköse Ausbreitung unter intakter Schleimhaut, frühe Neigung zu
Lymph­gefäßeinbrüchen und –metastasen sowie zu Fernmetastasen sind
typisch. Karzinome der Postkrikoidregion sind mit Plummer-Vinson-Syndrom
und Mangelernährung assoziiert. Sie neigen zur Ausbreitung nach inferior
und Vorwachsen gegen Trachea und Ösophagus.
1. Pharyngoösophageale Grenze (Postkrikoidgegend) (C 13.0):
Erstreckt sich von der Höhe der Aryknorpel mit Verbindungsfalten
bis zum Unterrand des Ringknorpels und bildet die Vorderwand des
Hypopharynx.
Unterbezirke
2. Sinus piriformis (C12.9): Erstreckt sich von der pharyngoepiglottischen
Falte bis zum oberen Ende des Osophagus. Er wird seitlich vom
Schildknorpel und medial von der hypopharyngealen Oberfläche
der aryepiglottischen Falte (C13.1) sowie von Ary- und Ringknorpel
begrenzt.
3. Hypopharynxhinterwand (C 13.2): Erstreckt sich zwischen der Höhe
des oberen Randes des Zungenbeines (oder des Bodens der Vallecula)
bis zur Höhe des Unterrandes des Ringknorpels und vom Apex eines
Sinus piriformis zum anderen.
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor auf einen Unterbezirk des Hypopharynx begrenzt und
2 cm oder weniger in größter Ausdehnung
T2
Tumor infiltriert mehr als einen Unterbezirk des Hypopharynx
oder einen benachbarten Bezirk oder misst mehr als 2 cm,
aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung, ohne
Fixation des Hemilarynx
T3
Tumor misst mehr als 4 cm in größter Ausdehnung oder
Tumor mit Fixation des Hemilarynx
T4a
Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, z. B. Schild-/Ringknorpel,
Zungenbein, Schilddrüse, Ösophagus, zentrale Weichteile
des Halses.
T 4b
Tumor infiltriert prävertebrale Faszien, umschließt die
A. carotis interna oder infiltriert Strukturen des Mediastinums
T-Stadien
Anmerkung: Die zentralen Weichteile des Halses schließen die gerade
Halsmuskulatur und das subkutane Fett ein.
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
33
3.1.6 Larynx
Traditionell werden diese Tumore – auch in der TNM Klassifikation – in
Tumore der Supraglottis, Glottis und Subglottis unterteilt. Prognostisch
bedeutsam sind hier die Tumorgröße, der Lymphknotenstatus, und bei
Lymph­knotenmetastasen das Vorhandensein einer extrakapsulären Tumor­
ausbreitung. Supraglottische Larynxkarzinome neigen zu bilateraler Hals­
lymph­knotenmetastasierung.
SupragIottischer Larynx
Unterbezirke
a) Suprahyoidale Epiglottis einschließlich freiern Epiglottisrand, lingualer
(vorderer) und laryngealer Oberfläche
b) Aryepiglottische Falte, laryngeale Oberfläche
c) Arytenoidgegend
d) Infrahyoidale Epiglottis
e) Taschenfalten
T-Stadien
34
T1
Tumor auf einen Unterbezirk der Supraglottis begrenzt, mit
normaler Stimmlippenbeweglichkeit
T2
Tumor infiltriert Schleimhaut von mehr als einem
benachbarten Unterbezirk der Supraglottis oder Glottis oder
eines Areals außerhalb der Supraglottis (z. B. Schleimhaut
von Zungengrund, Vallecula, mediale Wand des Sinus
piriformis), ohne Fixation des Larynx
T3
Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation,
und/ oder Tumor mit Infiltration des Postkrikoidbezirks, des
präepiglottischen Gewebes und/oder geringgradiger Erosion
des Schildknorpels (innerer Kortex)
T4a
Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/oder breitet sich
außerhalb des Kehlkopfes aus, z. B. Trachea, Weichteile
des Halses eingeschlossen äußere Muskulatur der Zunge
(M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und
M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse,
Ösophagus
T4b
Tumor infiltriert den Prävertebralraum, mediastinale
Strukturen oder umschließt die A. carotis interna
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
Glottischer Larynx
Unterbezirke
a) Stimmlippen
b) Vordere Kommissur
c) Hintere Kommssur
T1
Tumor auf Stimmlippe(n) begrenzt (kann auch vordere oder
hintere Kommissur befallen), mit normaler Beweglichkeit
T1a
Tumor auf eine Stimmlippe begrenzt
T1b
Tumorbefall beider Stimmlippen
T2
Tumor breitet sich auf Supraglottis und/oder Subglottis
aus und/oder Tumor mit eingeschränkter Stimm­lippen­
beweglichkeit
T3
Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation
und/oder Invasion der Postkrikoidgegend und/oder des
präepiglottischen Gewebes und/oder des paraglottischen
Raumes mit geringgradiger Erosion des Schildknorpels
(innerer Kortex)
T4a
Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/oder breitet sich
außerhalb des Kehlkopfes aus, z. B. Trachea, Weichteile
des Halses eingeschlossen äußere Muskulatur der Zunge
(M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und
M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse,
Ösophagus
T4b
Tumor infiltriert den Prävertebralraum, mediastinale
Strukturen oder umschließt die A. carotis interna
T-Stadien
Subglottis
T1
Tumor auf die Subglottis begrenzt
T2
Tumor breitet sich auf eine oder beide Stimmlippen aus,
diese mit normaler oder eingeschränkter Beweglichkeit
T3
Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation
T4a
Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/oder breitet sich
außerhalb des Kehlkopfes aus, z. B. Trachea, Weichteile
des Halses eingeschlossen äußere Muskulatur der Zunge
(M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und
M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse,
Ösophagus
T4b
Tumor infiltriert den Prävertebralraum, mediastinale
Strukturen oder umschließt die A. carotis interna
T-Stadien
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
35
3.1.7 Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen
Über 50% der Tumore sind im Sinus maxillaris lokalisiert. Wegen der
unspezifischen Frühsymptomatik werden viele dieser Tumore erst in einem
fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. In der Regel handelt es sich um
verhornende epidermoide Karzinome. Die Gruppe der nicht-keratinisierenden
Karzinome in dieser Region hat eine über viele Jahrzehnte kontroversielle
Nomenklatur; heute noch verwendete Synonyme sind Zylinderzellkarzinom
und Übergangszellkarzinom (amerikanische Literatur). Bei den Karzinomen
der Siebbeinregion handelt es sich meist um Adenokarzinome.
Nasenhöhle und Siebbeinzellen
Unterbezirke
1) Nasenhöhle
a) Septum
b) Nasenboden
c) Laterale Wand
d) Vestibulum
2) Siebbeinzellen
a) rechts
b) links
T-Stadien
36
T1
Tumor auf einen Unterbezirk der Nasenhöhle oder
Siebbeinzellen beschränkt, mit oder ohne Arrosion des
Knochens
T2
Tumor in zwei Unterbezirken eines Bezirkes oder
Ausbreitung auf einen Nachbarbezirk innerhalb des NasenSiebbeinzellen-Areals, mit oder ohne Arrosion des Knochens
T3
Tumor breitet sich in die mediale Orbita oder den
Orbitaboden aus oder in Kieferhöhle, harten Gaumen oder
Lamina cribrosa
T4a
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen:
Inhalt der vorderen Orbita, Haut von Nase oder Wange,
minimale Ausbreitung in vordere Schädelgrube, Processus
pterygoideus, Keilbeinhöhle oder Stirnhöhle
T4b
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen:
Orbitaspitze, Dura, Gehirn, mittlere Schädelgrube,
Hirnnerven ausgenommen den maxillären Ast des N.
trigeminus V2, Nasopharynx, Clivus
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
Kieferhöhle
T1
Tumor auf die antrale Schleimhaut begrenzt ohne Arrosion
oder Destruktion des Knochens
T2
Tumor mit Arrosion oder Destruktion des Knochens
(ausgenommen die posteriore Wand) einschließlich
Ausdehnung auf harten Gaumen und/oder mittleren
Nasengang
T3
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden
Strukturen: Knochen der dorsalen Wand der Kieferhöhle,
Subkutangewebe, Boden oder mediale Wand der Orbita,
Fossa pterygopalatina, Sinus ethmoidalis
T4a
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen:
Inhalt der vorderen Orbita, Wangenhaut, Processus
pterygoideus, Fossa infratemporalis, Lamina cribrosa,
Siebbeinzellen, Stirnhöhle
T4b
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen:
Orbitaspitze, Dura, Gehirn, mittlere Schädelgrube,
Hirnnerven ausgenommen den maxillären Ast des N.
trigeminus V2, Nasopharynx, Clivus.
T-Stadien
3.1.8 Speicheldrüsen
Unterbezirke
Glandula parotis (C07.9)
Glandula submandibularis (C08.0)
Glandula sublingualis (C08.1)
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
T1
Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung, ohne
extraparenchymatöse Ausbreitung
T2
Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter
Ausdehnung, ohne extraparenchymatöse Ausbreitung
T3
Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung und/oder mit
extraparenchymatöser Ausbreitung
T4a
Tumor infiltriert Haut, Unterkiefer, äußeren Gehörgang,
N. facialis
T4b
Tumor infiltriert Schädelbasis, Processus pterygoideus oder
umschließt A. carotis interna
T-Stadien
Anmerkung: „Extraparenchymatöse Ausbreitung“ ist die klinische oder makro­
s­kopische Infiltration von Weichteilen oder Nerven, ausgenommen die unter
T4a und T4b aufgelisteten. Der lediglich mikroskopische Nachweis entspricht
nicht der „extraparenchymatösen Ausbreitung“ als Klassifikations­kriterium.
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
37
3.1.9 Kopf- und Gesichtshaut
Unterbezirke
Lippenhaut (ohne Lippenrot) (C44.0)
Augenlid (C44. 1)
Haut des äußeren Ohres (C44.2)
Andere Partien der Gesichtshaut (C44.3)
Haut von Kopf und Hals (C444)
Haut des Stamms (einschließlich Analrand und perianale Haut) (C44.5)
Haut von oberer Extremität und Schulter (C44.6)
Haut von unterer Extremität und Hüfte (C44.7) Skrotum (C63.2)
T-Stadien
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
T1
Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung, ohne
extraparenchymatöse Ausbreitung
T2
Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter
Ausdehnung, ohne extraparenchymatöse Ausbreitung
T3
Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung und/oder mit
extraparenchymatöser Ausbreitung
T4a
Tumor infiltriert Haut, Unterkiefer, äußeren Gehörgang,
N. facialis
T4b
Tumor infiltriert Schädelbasis, Processus pterygoideus oder
umschließt A. carotis interna
Anmerkung: „Extraparenchymatöse Ausbreitung“ ist die klinische oder makro­
skopische Infiltration von Weichteilen oder Nerven, ausgenommen die unter
T4a und T4b aufgelisteten. Der lediglich mikroskopische Nachweis entspricht
nicht der „extraparenchymatösen Ausbreitung“ als Klassifikationskriterium.
38
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
3.2 N-Stadien
3.2.1 N-Stadien außer Nasenrachen und Haut
Die regionären Lymphknoten bei Kopf-Hals-Tumoren sind die Kopfund Halslymphknoten einschließlich der oberen mediastinalen Gruppe.
Metastatischer
Lymphknotenbefall
in
anderen
Regionen
wird
als
Fernmetastasierung kodiert. Das Stadium pN0 erfolgt nach selektiver NeckDissektion und histologischer Untersuchung üblicherweise von 6 oder
mehr Lymphknoten oder nach radikaler oder modifiziert-radikaler NeckDissektion und histologischer Untersuchung üblicherweise von 10 oder
mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind,
aber die Zahl der üblicherweise untersuchten Lymphknoten nicht erreicht
wird, soll pN0 klassifiziert werden. Wenn die Größe ein Kriterium für die pNKlassifikation ist, werden die Metastasen, nicht die Lymphknoten gemessen.
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Einzelner, auf der Seite des Tumors gelegener und bis zu
3 cm großer Lymphknoten
N2a
Einzelner, auf der Seite des Tumors gelegener und 3-6 cm
großer Lymphknoten
N2b
Mehrere, auf der Seite des Tumors gelegene und bis zu
6 cm große Lymphknoten
N2c
beidseitige oder auf der gegenüberliegenden Seite gelegene
und bis zu 6 cm große(r) Lymphknoten
N3
Lymphknoten, die größer als 6 cm bemessen sind
N-Stadien außer
Nasenrachen und Haut
In der Mittellinie gelegene Lymphknoten gelten als ipsilateral.
3.2.2 N-Stadien Nasenrachen
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase(n) in unilateralen Lymphknoten über der
Supraklavikulargrube, 6 cm oder weniger in größter
Ausdehnung
N2
Metastase(n) in bilateralen Lymphknoten über der
Supraklavikulargrube, 6 cm oder weniger in größter
Ausdehnung
N3a
> 6 cm in größter Ausdehnung
N3b
Ausdehnung in die Supraklavikulargrube
N-Stadien Nasenrachen
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
39
3.2.3 N-Stadien Karzinome der Haut
Regionäre Lymphknoten für Hauttumore der Kopf-Hals-Region sind
ipsilaterale präaurikuläre, submandibuläre, zervikale und supraklavikuläre
Lymphknoten.
N-Stadien Haut
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Regionäre Lymphknotenmetastase(n) in einem
Lymphknoten, 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung
N2
Metastase(n) in einem Lymphknoten, mehr als 3 cm, aber
nicht mehr als 6 cm in größter Ausdehnung oder in multiplen
Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung
N3
Metastase(n) in einem Lymphknoten, mehr als 6 cm in
größter Ausdehnung
3.3 M-Stadien
Es gibt kein Mx mehr!
Mx wurde in der 7. Auflage der UICC-TNM-Klassifikation abgeschafft.
M0
Keine Fernmetastasierung
M1
Fernmetastasierung vorhanden
Die Kategorie M1 kann wie folgt spezifiziert werden:
40
PUL
Lunge
OSS
Knochen
HEP
Leber
BRA
Hirn
LYM
Lymphknoten (außer regionäre Lymphknoten
MAR
Knochenmark
PLE
Pleura
PER
Peritoneum
ADR
Nebenniere
SKI
Haut
OTH
Andere Organe
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
3.4 UICC-Stadiengruppierung
3.4.1 UICC-Stadiengruppierung außer Nasenrachen und Haut
Auf der Basis des T-, N- und M-Stadiums werden UICC-Stadien ermittelt.
UICC-Stadien außer Nasenrachenkarzinom und Haut sind:
T
N
M
Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium III
T3
N0
M0
T1-3
N1
M0
T1-3
N2
M0
T4a
N0-2
M0
jedes T
N3
M0
T4b
N0-3
M0
jedes T
jedes N
M1
Stadium IVA
Stadium IVB
Stadium IVC
UICC-Stadien außer
Nasenrachen und Haut
3.4.2 UICC-Stadiengruppierung Nasenrachenkarzinom
T
N
M
Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium IIA
T2a
N0
M0
Stadium IIB
T2b
N0, N1
M0
Stadium III
T1, T2a, T2b
T3
N2
N0, N1, N2
M0
M0
Stadium IVA
T4
N0, N1, N2
M0
Stadium IVB
jedes T
N3
M0
Stadium IVC
jedes T
jedes N
M1
UICC-Stadien Nasenrachen
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
41
3.4.3 UICC-Stadiengruppierung Haut
UICC-Stadien Haut
T
N
M
Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium III
T3
N0
M0
T1-3
N1
M0
T1-3
N2, N3
M0
T4
Jedes N
M0
jedes T
jedes N
M1
Stadium IV
3.5 R-Status (Residualtumor)
Das Fehlen oder Vorhandensein von Residualtumor (Resttumor) nach
Behandlung wird durch die R-Klassifikation beschrieben. Die Angabe des
R-Status ist grundsätzlich nicht auf die Situation nach chirurgischer Therapie
begrenzt, aber durch die Einteilung zum Teil impliziert und wird im klinischen
Alltag ganz überwiegend für den Resektionsstatus nach chirurgischer
Therapie verwendet. Die R-Klassifikation ist aus historischen Gründen nicht
obligater Bestandteil der TNM·Klassifikation. Aufgrund ihrer prognostischen
Bedeutung ist sie aber, insbesondere nach chirurgischer Therapie,
unerlässlich.
UICC-Klassifikation
des R-Status
RX
Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt
werden
R0
Kein Residualtumor
R1
Mikroskopischer Residualtumor
R2
Makroskopischer Residualtumor
Ob makroskopischer Residualtumor verbleibt (R2), wird vom Operateur
anhand der intraoperativen Vollständigkeit der Tumorresektion bewertet und
im Operationsbericht vermerkt. Ob mikroskopischer Residualtumor vorliegt,
wird anhand des minimalen Abstands der Tumorgrenzen vom Resektatrand
im Rahmen der histopathologischen Aufarbeitung bewertet. Grundlage hierfür
sind die Standards des Royal College of Pathologists (15)
42
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
Klassifikation
kleinster Abstand zwischen
Tumor und Resektatrand
in sano (R0)
> 5 mm*
knapp in sano
(R-Status im Einzelfall zu klären)
kleinster Abstand zwischen
5 mm und 1 mm
non in sano (R1)
kleinster Abstand unter 1 mm
Randbildung (R1)
Tumor im Resektatrand
* Bei Laserresektionen > 3 mm
3.6 Fakultative Deskriptoren
3.6.1 Lymphgefäßinvasion
Lx
Lymphgefäßinvasion kann nicht beurteilt werden
L0
Keine Lymphgefäßinvasion
L1
Lymphgefäßinvasion
3.6.2 Veneninvasion
Vx
Veneninvasion kann nicht beurteilt werden
V0
Keine Veneninvasion
V1
Mikroskopische Veneninvasion
3.6.3 Perineurale Invasion (ab 2010)
PnX
perineurale Invasion kann nicht beurteilt werden
Pn0
keine perineurale Invasion
Pn1
perineurale Invasion
3.7 Abgeleitete und andere Klassifikationschemata
Um eine einfachere Beschreibung der untersuchten Populationen und eine
Prognose- und Risikostratifizierung zu erreichen, sind weitere vom UICCStadium abgeleitete Klassifikationsschemata gebräuchlich. Außerdem wird
zwischen resektablen und nicht-resektablen Tumoren unterschieden. Diese
Deskriptoren werden in zahlreichen Publikationen gebraucht, um die unter­
suchte Population zu charakterisieren.
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
43
3.7.1 Lokal begrenzt (limited), lokoregionär fortgeschritten (advanced)
und rezidiviert oder metastatisch (recurrent or metastatic)
Die häufige
Klassifizierung
'locally advanced'
reicht von
T1N1 bis T4bN3
Deutsch
Englisch
UICC-Stadien
Frühstadien
Lokal begrenzt
early stage
limited
I und II
lokoregionär
fortgeschritten
locally advanced
III bis IVb
Rezidiv oder
Fernmetastase
recurrent or
metastatic
Präfix r
IVc
3.7.2 Klassifikation nach Prognose des AJCC Cancer Staging Manual
Prognosegruppe
TNMMerkmale
UICCKlassifikation
low-risk
T1-2 N0
I-II
intermediate
risk
T3 N0
T1-3 N1
III
high-risk
T4a N0-N1
T1-T4a alle N2
IVa
very high risk
T4b alle N
alle T N3
IVb
poor prognosis
alle T und N
M1
IVc
Niedriges Risiko
Intermediäres Risiko
Hohes Risiko
Sehr hohes Risiko
ungünstige Prognose
3.7.3 Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorregister
Gruppe
Kürzel
TNM-Merkmale
In situ
I
Tis N0 M0
Lokal
L
T1-3 N0
Regional
R
T4, alle N, M0
alle T, N>0, M0
Fernmetastasen
M
alle T, alle N, M1
Systemerkrankung
S
nicht anwendbar
unbekannt
X
Der Nachteil dieses Klassifikationsschlüssels ist die fehlende direkte
Zuordnung zu UICC-Stadien.
44
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
3.8 Ersterkrankung, Rezidiv, Zweittumor
Ein erstmaliges Auftreten eines Kopf-Hals-Karzinoms bei einem Patienten
wird als Ersterkrankung definiert. Ein erneutes Auftreten eines Karzinoms
innerhalb einer 5 Jahres- Frist in einem Bereich, in dem der Patient bereits
Zweitkarzinome sind im
Kopf-Halsbereich häufig
ein Karzinom hatte, wird als Rezidiv und nach den 5 Jahren als Zweittumor
klassifiziert. Die Definition von Mehrfachkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich
wurde erstmals von Warren und Gates (16) aufgestellt und später modifiziert
(17). Danach soll ein Zweittumor, der innerhalb einer 5-Jahresfrist entsteht,
durch mindestens 2 cm nicht neoplastisch veränderte Mukosa von dem
Primär­­­tumor oder dem Resektionsrand nach Entfernung des Ersttumors ent­
fernt sein. Treten die Zweittumoren gleichzeitig oder innerhalb von 6 Monaten
auf, so bezeichnet man sie als synchron. Werden sie mehr als 6 Monate zeit­
lich versetzt diagnostiziert, so bezeichnet man sie als metachron.
Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung
45
4 Diagnostisches
Vorgehen
Minimal erforderlich ist eine vollständige Anamnese mit Dokumentation der
Leitsymptome, des Zeitpunkts des Beginns der Symptome, Angaben zum
Alkoholkonsum (Drinks pro Tag) sowie des Nikotinkonsums (pack years) und
Erfassung von Begleiterkrankungen (s. Komorbiditäten). Diagnoseweisend
ist die Inspektion des oberen Aerodigestivtraktes, im Bedarfsfall mit starren
oder flexiblen Optiken sowie die Palpation von Mundhöhle und Oropharynx.
Bei tumorverdächtigen Veränderungen muss eine histologische Sicherung
durch Biopsie herbeigeführt werden. Dies kann in Lokalanästhesie oder im
Rahmen einer Untersuchung in Narkose (Panendoskopie, s.u.) erfolgen.
Bildgebend ist ein CT (oder MR) mit Kontrastmittel der Primärtumorregion,
von Hals und Thorax, sowie eine CT- oder ultrasonografische Untersuchung
des Oberbauches erforderlich.
Leitsymptome
Symptome von Kopf-Hals-Tumoren umfassen Schmerzen im Wangen-,
Zungen- oder Gaumenbereich, nicht heilende Wunden auf der Lippe oder
innerhalb der Mundhöhle, Knoten oder Geschwüre auf der Lippe, innerhalb
der Mundhöhle oder des Rachens, weiße oder rote Flecken am Zahnfleisch
oder der Zunge, Blutungen, Schmerzen oder Taubheitsgefühl im Mund,
nicht heilende Halsentzündung oder „Fremdkörpergefühl“ im Hals, Kauoder Schluckschwierigkeiten, Kieferschwellungen (Zahnprothese passt
nicht mehr oder wird unangenehm), Kieferöffnungsstörungen, Störungen
der Zungenmobilität, Stimmklangveränderungen, Ohrschmerzen und
meist harte, indolente Knoten am Hals.
4.1 Diagnoseverzögerung
Die Mehrzahl der Patienten mit Kopf-Halstumoren stellen sich mit prog­
Vom ersten Symptom bis
zur Einleitung der Therapie
vergehen oft Monate
nostisch ungünstigem fortgeschrittenem Tumorstadium im onkologischen
Referenz­zentrum oder Schwerpunkt vor. Es stellt sich die Frage, ob die
Zeit­spanne vom ersten Auftreten krankheitstypischer Symptome bis zur
Diagnose­sicherung (Diagnoseverzögerung, Diagnostic delay) hierfür eine
wesentliche Ursache ist und ob eine Verkürzung dieser Zeitspanne zu einem
höheren Anteil von Patienten mit prognostisch günstigen frühen Tumorstadien
führt. In den meisten Untersuchungen lag die Zeitspanne zwischen Auftreten
erster Krankheitssymptome und der Erstvorstellung im Behandlungszentrum
bei deutlich über 3 Monaten. Hinzu kommt die Zeitspanne zwischen
Erstvorstellung im onkologischen Zentrum und Einleitung der definitiven
Therapie, die in den meisten Untersuchungen ca. 4 Wochen beträgt. Die
Datenlage über den Zusammenhang zwischen Diagnoseverzögerung und
Krankheitsstadium bei Aufnahme im Zentrum/Schwerpunkt ist inkonsistent.
46
Ein solcher Zusammenhang kann derzeit nicht belegt werden. Möglicherweise
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
ist die Kinetik der Erkrankung für das Krankheitsstadium bei Aufnahme von
größerer Bedeutung. Trotzdem gilt, dass alle Personen mit Verdacht auf einen
Kopf-Halstumor unverzüglich in einem onkologischen Referenzzentrum oder
Schwerpunkt vorgestellt werden sollen und im Zentrum ohne vermeidbaren
Zeitverlust einer definitiven Therapie zugeführt werden müssen.
Allgemein wird die Diagnoseverzögerung in 2 Phasen geteilt: die patienten­
bezogene Diagnoseverzögerung ist die Zeitspanne zwischen Erstauftreten
von Krankheitssymptomen und Aufsuchen eines/r Arztes/Ärztin und die
arztbezogene Diagnoseverzögerung ist die Zeitspanne zwischen Erst­
konsultation eines Arztes/Ärztin und der Vorstellung im onkologischen
Referenz­zentrum bzw. onkologischem Schwerpunkt.
Phaseneinteilung der
Diagnoseverzögerung
4.2 Komorbidität und Performance Status
Patienten mit Kopf-Halstumoren haben neben dem Tumorleiden häufig
weitere Begleiterkrankungen (Komorbidität). Diese haben Einfluss auf die
Prognose des Tumorleidens und beeinflussen die Therapieempfehlung. Im
Hinblick auf die Prognose des Tumorleidens wurden mehrere Komorbiditäts­
indices entwickelt. Diese beruhen teils auf detaillierten Untersuchungen
zu Erkrankungen einzelner Organsysteme, teils wird zur Bewertung des
allgemeinen Gesundheitszustandes ein Scorewert abgeschätzt. In mehreren
Untersuchungen zeigte sich der American Association of Anesthsiologists
(ASA) Score als aussagekräftiger Parameter für den Einfluss der Komorbidität
auf die Prognose des Tumorleidens. Es wird empfohlen, den ASA-Score
als Komorbiditätsindex zu verwenden. Als Indices für den PerformanceStatus sind der Karnofski-Index und der Eastern Cooperative Oncology
Group (ECOG) Performance Status gebräuchlich. Beide Indices haben bei
Kopf-Halstumoren einen geringen Aussagewert, da bei Patienten mit KopfHalstumoren ganz überwiegend Werte von 80%-100% (Karnofsky) bzw. 0
oder 1 (ECOG) erhoben werden.
Zusätzliche Risikofaktoren sind oft jahrelanger Nikotin- und C2H5OH Abusus,
daraus resultierend Uneinsichtigkeit bezüglich der Tumorerkrankung und
der daraus notwendigen Reduktion der zugeführten Noxen.
Komorbiditäten
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
47
4.3 Klinische Untersuchung
Es wird ein vollständiger fachspezifischer Untersuchungsstatus erhoben. Dies
umfasst die endoskopische Untersuchung des oberen Aerodigestivtraktes
mit starren oder flexiblen Optiken, wenn möglich die Palpation des
tumorsuspekten Bezirkes und die palpatorische Untersuchung des Halses.
4.4 Bildgebende Verfahren
Synopsis von klinischer
Untersuchung und
bildgebenden Verfahren
ausschlaggebend
Bildgebende Verfahren dienen der Identifikation und Ausdehnungsbestimmung
des Primärtumors, von lokoregionären Metastasen und von Fernmetastasen
sowie der Erkennung von Rezidiven(18;19). Darüber hinaus sind sie essen­
tiell für die interdisziplinäre Kommunikation sowie die Dokumentation der
Tumorausdehnung, die interdisziplinäre stadiengerechte Planung und Durch­
führung der Therapie und hierbei insbesondere der Operationsplanung,
der Einschätzung der Prognose und für den Vergleich unterschiedlicher
Therapien an vergleichbaren Patienten. Bildgebende Verfahren müssen
die für das klinische Staging relevanten Fragen nach Infiltration von Haut,
Muskeln, Nerven (perineurale Invasion), Gefäßen (Sinus cavernosus,
Carotis communis und interna) Knochen und Schädelbasis, Knorpel,
Ösophagus, Mediastinum sowie der prävertebralen Faszie beantworten.
Für die Operationsplanung relevant ist unter anderem die Frage nach einer
Mittellinienüberschreitung bei Zungen- und Zungengrundtumoren oder
die Beteiligung von präepiglottischem Fettkörper, subglottischem Raum,
Aryknorpel und vorderer Kommissur bei Larnyxkarzinomen.
Primärtumore und Halslymphknotenmetastasen können sich der klinischen
Untersuchung und auch der sensitivsten Bildgebung einschließlich moderner
nuklearmedizinischer Techniken entziehen. Dies rührt daher, dass es sich oft
um Tumorzellnester von einigen 1000 Zellen handelt, die erst im weiteren
Krankheitsverlauf proliferieren und sich klinisch manifestieren. Dies ist typisch
für sogenannte okkulte Halsmetastasen. Die Ausbreitung von Tumoren der
Kopf-Hals-Region erfolgt oft entlang bindegewebiger fetthaltiger GewebsLamellen. Das Wachstum entlang dieser Gewebslamellen kann bild­gebend
detektiert werden. Die Beteiligung des Gefäß-Nervenbündels, perineurales
Wachstum
oder
extrakapsuläres
Tumorwachstum
bei
Lymph­knoten­
metastasen sind wichtige Informationen bildgebender Verfahren.
48
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
Minimal
erforderliche
bildgebende
Staginguntersuchungen
umfassen
eine Oberbauchsonographie und ein Röntgen-Thorax in zwei Ebenen
sowie eine Halssonographie. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ohne
Schnittbilddiagnostik eine ev. submuköse Tumorausbreitung nicht beurteilt
werden kann und insbesondere kleinere Lungenmetastasen vielfach nicht im
Röntgen-Thorax erkennbar sind.
Empfohlen wird ein CT der Primärtumorregion, von Hals und Thorax
sowie vom Oberbauch.
Empfehlung
Werden bei diesen oder sensitiveren Untersuchungen keine Hinweise für
lokoregionäre oder Fernmetastasen gefunden, wird cN0 bzw. cM0 kodiert.
4.4.1 Halssonographie
Die Halssonographie ist ein sensitives und spezifisches diagnostisches
Verfahren zur Detektion von metastasensuspekten Halslymphknoten. Es sind
zahlreiche Kriterien zur Differenzierung von normalen und tumorbefallenen
Halssonographie
auch für engmaschiges
follow up
Lymphknoten entwickelt worden, die brauchbare Hinweise zur Dignität
liefern. Die Sonographie eignet sich zudem gut zur Darstellung von Zungenund Zungengrundtumoren. Insbesondere beim CUP-Syndrom lässt sich
die Sonographie zur gezielten Biopsie oder Drahtmarkierung eines patho­
logischen Halslymphknoten verwenden.
4.4.2 Computertomographie Kopf-Hals
Die Computertomographie der Kopf-Halsregion mit Kontrastmittel ist die
Standarduntersuchung zur Bildgebung von Kopf-Halstumoren. Weiter­
CT ist das
Standardverfahren
führende Untersuchungen der Primärtumorregion und der loko­regionären
Lymphabflusswege sind nur bei besonderen Fragestellungen erforderlich.
Das CT mit Kontrast bildet den Tumor weitgehend größentreu ab und lässt
die Beziehungen zu wichtigen Nachbarschaftsstrukturen erkennen. Eine
ausreichend sensitive und spezifische Abbildung von Halslymphknoten wird
erreicht. Dabei werden folgende Einstellungen bevorzugt:
Scanbereich
Os frontale oberhalb des Sinus frontalis bis oberes Mediastinum. Bei starken
Zahnmetallartefakten ist die Akquisition einer 2. Schichtung mit Angulierung
zur Okklusionsebene notwendig.
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
49
Scaneinstellungen
120kV, 150mAs, Kollimation 32-128 x 0,5-0,6 mm, pitch 0.8-1.2, (rekonstr.)
Schichtdicken axial, coronar und sagittal jeweils 2-3 mm, Rekonstruktions­
intervall 2-3 mm, Kern WT (plus gegebenfalls Knochen). Rekon­struktionen im
Knochenkern sind obligat bei V.a. Infiltration der Schädel­basis und bei NNHTumoren.
Kontrastmittel
obligat, Konzentration ≥ 300 mgJ/ml, Volumen 100-120 ml, Injektionsrate
2-2,5 ml/sec., Startverzögerung 60-80 sec.
4.4.3 Computertomographie Thorax
Beim primären Staging wird ein CT des Thorax empfohlen, das günstiger­
weise zugleich mit dem Kopf-Hals-CT durchgeführt wird. Bronchialsystem
und Lungen sind eine häufige Lokalisation von simultanen Zweittumoren
und Fernmetastasen. Andererseits bestehen oft unspezifische Befunde,
die im Verlauf kontrolliert werden. Ungünstig ist es, wenn erst im Rahmen
von Verlaufskontrollen erstmals ein Thorax-CT durchgeführt und ein Befund
detektiert wird. Man kann nicht zwischen neuaufgetretenem und vorbe­
stehendem Befund differenzieren, wenn primär ein weniger sensitives bild­
gebendes Verfahren durchgeführt worden war.
4.4.4 Kernspintomographie
Kernspin, wenn im CT
zahlreiche Zahnartefakte
zu erwarten sind
oder bei speziellen Fragen
zur Weichteilinfiltration
Die Kernspintomographie ist die bildgebende Modalität mit dem höchsten
Weichteilkontrast. Kernspintomographische Untersuchungen sind unter
anderem indiziert bei Unverträglichkeit von Kontrastmitteln für CT und der
Abklärung von Tumorinfiltration von Muskeln, Knorpel, Knochen, Orbita und
intrakraniellen Strukturen. Das MR ist als primäres bildgebendes Verfahren
indiziert, wenn aufgrund des Zahnstatus im CT zahlreiche Zahnartefakte zu
erwarten sind, die die Tumorregion überstrahlen. Dabei werden folgende
Einstellungen empfohlen:
Spule
Kopf + Halsspule, (additiv Oberflächenspulen)
Untersuchungsbereich
Sinus frontalis bis Jugulum (coronar), axiale Schichten adaptiert auf Lokal­
befund.
50
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
Sequenzen
STIR/TIRM: koronar, 3 mm Schichtdicke, 256-512er Matrix
T1-SE: axial 3 mm Schichtdicke, 256-512er Matrix
T2-TSE +/- Fatsat: axial 3mm Schichtdicke, 256-512er Matrix
T1-SE nach i.v. KM (Gadolinium) mit Fatsat: axial (plus koronar bei Mund­
höhlen und Larynxtumoren sowie V.a. Schädelbasisinfiltration) 3 mm Schicht­
dicke, 256-512er Matrix
T1-GRE/VIBE Fatsat nach i.v. KM: koronar 3 mm mit axialen und sagittalen
Rekonstruktionen.
MR-Angio nach i.V. KM und Time of flight Angio bei Gefäßfehlbildungen,
-tumoren, Glomustumoren.
4.5 Sicherer Umgang mit CT, MR und US Kontrastmittel
Es werden die ESUR (European Society of Urogenital Radiology)
Guidelines für Kontrastmittel empfohlen (siehe http://www.esur.org/ESUR_
Guidelines.23.0.html)
4.6 Nuklearmedizinische Diagnostik
4.6.1 PET/CT
CT und PET stellen komplementäre Untersuchungmodalitäten dar. Mit Hilfe
moderner kombinierter PET/CT-Kamerasysteme ist es möglich, Tumore
in einem Untersuchungsgang sowohl rein morphologisch mittels CT als
PET/CT bei CUP-Syndrom
oder bei unklaren
radiologischen Befunden
auch hinsichtlich Metabolismus mit Hilfe der PET zu charakterisieren.
CT- und PET-Bilder werden überlagert dargestellt und beurteilt. Je nach
Anforderung kann eine vollwertige diagnostische CT mit Kontrastmittel
oder lediglich eine sogenannte „low-dose“-CT durchgeführt werden, die der
Abschwächungskorrektur der PET-Daten dient und nur für lokalisatorische
Zwecke herangezogen werden kann. Bei HNO-Tumoren ist 18F-FDG
(Fluor­deoxy­glucose) der Tracer der Wahl. Die meisten Tumore, wie zum
Beispiel das Plattenepithelkarzinom, zeigen einen gesteigerten Glucose­
meta­­bolismus. FDG als Glucoseanalogon wird dadurch im Gegensatz zu
normalem Gewebe vermehrt in Tumorzellen angereichert. Einzelne, seltene
Tumor­­entitäten, wie zum Beispiel das adenoidzystische Karzinom, können
aber auch FDG-negativ sein und sind somit für eine FDG-PET nicht geeignet.
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
51
Primärstaging
Der Stellenwert der FDG-PET/CT in der Primärdiagnostik wird in der Literatur
unterschiedlich diskutiert. Es herrscht kein Konsens, ob die FDG-PET /CT
prinzipiell im Primärstaging zum Einsatz kommen sollte. Sinnvoll erscheint die
FDG-PET bei unklaren Befunden in der rein morphologischen-radiologischen
Bildgebung. Insbesondere in der Differenzierung zwischen maligner versus
reaktiver Lymphadenopathie bei morphologisch vergrößerten Lymphknoten
sowie in der Charakterisierung von nicht eindeutig zuordenbaren Befunden
in der radiologischen Bildgebung (z.B. unklarer Lungenrundherd) kann
die PET richtungsweisend sein. Zusätzlich sei das Potential der PET als
sogenannte Markerfunktion erwähnt. Mit Hilfe der PET-Information können
synchrone Karzinome bzw. Fernmetastasen festgestellt werden, die in der
morphologischen Bildgebung unentdeckt bleiben.
CUP-Syndrom
Die Abklärung eines CUP-Syndroms stellt eine klare Indikation für eine FDGPET/CT dar. Um allerdings falsch positive Befunde durch postinterventionelle
entzündliche Veränderungen zu vermeiden, sollte die PET möglichst vor
einer invasiven Abklärung bzw. Durchführung von Biopsien erfolgen.
Therapiemonitoring/Therapiekontrolle
Für eine Bewertung der FDG-PET/CT im Therapiemonitoring ist die Daten­
lage zu wenig aufschlussreich. Beim Einsatz der FDG-PET im Abschluss­
staging ist darauf zu achten, dass ein ausreichender Abstand zur durch­
geführten Therapie eingehalten wird, um einerseits falsch negative Befunde
bei Chemotherapie bzw. falsch positive Befund bei Radiatio infolge post­
radio­gener entzündlicher Veränderungen zu vermeiden (Chemotherapie:
6 Wochen nach Therapieabschluss; Strahlentherapie: 3 Monate nach
Therapie­abschluss).
Tumornachsorge/Rezidivdiagnostik
Mit der FDG-PET
ist es möglich
narbige, ametabole
Veränderungen von vitalem
Tumorgewebe abzugrenzen
Die FDG-PET/CT wird nicht als Standarduntersuchung im follow-up
empfohlen. Radiologische Methoden, insbesondere die CT sind hierfür
ausreichend. Beim Rezidivverdacht und im speziellen bei inkonklusiven
bildmorphologischen Befunden stellt die FDG-PET jedoch eine sinnvolle
Ergänzung dar. Mit der FDG-PET ist es möglich narbige, ametabole
Veränderungen von vitalem Tumorgewebe abzugrenzen. Jeder positive PETBefund muss aber histologisch verifiziert werden, um entzündungsbedingte,
falsch positive Befunde auszuschließen.
52
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
4.6.2 Knochenszintigraphie
Mittels der Knochenszintigraphie ist es möglich pathologische ossäre Prozesse
darzustellen, die mit einem gesteigertem Knochenstoffwechsel einhergehen.
Neben benignen Veränderungen, wie zum Beispiel Entzündungen und
degenerativen Veränderungen werden damit auch osteoblastische bzw.
gemischtförmige Knochenmetastasen nachgewiesen. Festzuhalten ist, dass
Knochenszintigraphie
bei klinischem oder
radiologischem Verdacht
auf (seltene) ossäre
Metastasierung
rein osteolytische Metastasen sowie maligne Knochenmarksinfiltrationen
mit dieser Methode nicht erkannt werden können. Bei HNO-Karzinomen
ist der Einsatz bei lokal fortgeschrittenen Tumoren bzw. bei Tumoren mit
nachgewiesenen extraossären Fernmetastasen sinnvoll, weiters in der
Abklärung unklarer ossärer Herde in anderen Untersuchungsmodalitäten.
4.7 Panendoskopie in Narkose
Die Panendoskopie dient der genauen Bestimmung der Tumorausdehnung,
der
Sicherung
der
histologischen
Diagnose
durch
Gewebsbiopsie
verdächtiger Bezirke sowie dem Ausschluss von simultanen Zweittumoren
Panendoskopie
in Vollnarkose
im Regelfall erforderlich
(20). Bei der Panendoskopie wird die chirurgische Resektabilität des
Tumors festgestellt. Sie ist deswegen in erster Linie bei Patienten indiziert,
bei denen eine chirurgische Therapie in Frage kommt oder bei denen eine
Biopsie­gewinnung ohne Narkose nicht zumutbar ist. Bei der Panendoskopie
wird in Vollnarkose (meist total intravenöse Anästhesie) die Mundhöhle,
der Rachen, der Kehlkopf, der Tracheobronchialbaum und die Speiseröhre
meist mit starren Rohren unter Zuhilfenahme von Optiken und/oder eines
Operations­mikroskops visualisiert. Nur mit starren Rohren können die
Weich­teile angehoben und die Schleimhaut von Mundhöhle und Rachen
gestrafft werden. Dadurch können sonst in Schleimhautfalten verborgene
Veränderungen detektiert werden. Bei Halslymhknotenmetastasen bei
unbekanntem Primärtumor (CUP-Syndrom) werden, sofern kein Primärtumor
visualisiert werden kann, Routinebiopsien aus dem Nasenrachen und dem
Zungengrund gewonnen und eine Tonsillektomie durchgeführt (21). Die
Visualisierung des Tracheobronchialbaumes gelingt mit starren Endo­
skopen im Regelfall bis zu den Segmentbronchien und den Abgängen der
Subsegmentbronchien, die Visualisierung des Ösophagus bis zur Kardia.
Wesentliche Risiken umfassen das Narkoserisiko, Zahnschäden und
die Perforation der Speiseröhre. Eine genaue Evaluation bezüglich der
Intubierbarkeit, aber auch der Möglichkeit einer ausreichenden Masken­
beatmung sollte präoperativ erfolgen, um in Übereinkunft mit dem Chirurgen
einen sicheren Atemweg zu gewährleisten; bei schwierigen Verhältnissen
empfiehlt sich eine fiberoptische Wachintubation. Zu den Kontra­indikationen
gehören die Unmöglichkeit zur orotrachealen Intubation z.B. in Folge einer
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
53
Kieferklemme oder HWS-Veränderungen. Die Möglichkeit zur Tracheotomie
muss gewährleistet sein und der Patient muss hierüber aufgeklärt werden.
Die Ausdehnung eines Tumors an der Schleimhautoberfläche kann visuell
Sorgfältige Palpation
der Tumorregion und
des Zungengrundes
während einer Panendoskopie am besten festgestellt werden. Tumore
können unter der intakten Schleimhautoberfläche eine wesentlich größere
Aus­dehnung haben, die sich visuell nicht erschließt (submuköses Wachs­
tum). Deswegen ist die manuelle oder instrumentelle Palpation des Tumors
unerlässlich. Eine palpatorische Untersuchung des Zungengrundes wird in
jedem Falle durchgeführt. Zur Feststellung submukösen Wachstums sowie
der Tiefeninfiltration sind die Ergebnisse bildgebender Verfahren zu berück­
sichtigen.
Über die Panendoskopie ist ein Operationsbericht zu erstellen. Dokumentiert
werden die Schleimhautbefunde der einzelnen Bezirke und Unterbezirke
Tumorzeichnung
auf Formblättern
des oberen Aerodigestivtraktes sowie die tatsächlichen Tumorgrenzen, also
einschließlich palpatorisch erfassbarer submuköser Anteile. Diese werden
zusätzlich in einer Tumorzeichnung auf geeigneten Vorlagen genau skizziert.
4.8 Sentinel-Lymphknotenbiopsie
Sentinel-Lymphknoten (SL) liegen in der initialen lymphatischen Drainage
einer
primären
bösartigen
Läsion.
Die
Sentinel-Lymphknotenbiopsie
(SLB) dient der Detektion subklinischer Metastasen in SL beim cN0-Hals.
Der Primärtumor wird mit einem Radiotracer (meist Technetium-Tc99mSchwefel­kolloid oder -Albumin-Mikrokolloid) intramukodermal umspritzt und
der Abfluss des Tracers in die SL wird mit einer Gammakamera dokumentiert
(Lympho­szintigraphie). Am gleichen Tag verwendet der Operateur an der
zuvor durch Gammaszintigraphie identifizierten Stelle eine steril überzogene
hand­gehaltene Gamma-Sonde, um intraoperativ transkutan die Lage der SLs
zu bestätigen. Daraufhin kann der SL freigelegt und zur histopathologischen
Unter­suchung geschickt werden. Da die histopathologische Detektion im
Schnell­schnitt nicht ausreichend zuverlässig ist, erfolgt im Falle des Nach­
weises von Mikrometastasen nach HE-Färbung möglichst in Seriens­chnitten
die kurative Behandlung des Halses in einem zweiten Schritt gesondert. SLB
können bei T1 und T2 Tumoren von Gesichts- und Kopf­haut, Mundhöhle
und Oropharynx durchgeführt werden. Andere Kopf-Hals-Lokalisationen
sind der Injektion des Radiotracers in der Regel nicht ohne Vollnarkose
zugänglich. Aufgrund der Besonderheiten des zervikalen Lymphsystems
54
gibt es am Hals meist mehrere SL und häufig einen bilateralen Abfluss, so
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
dass zur vollständigen Sentinel-Entfernung meist mehrere Lymphknoten
entfernt werden müssen. SL in der Nähe des Primärtumors sind aufgrund
von Streustrahlung schwer zu finden. Bei Kopf-Hals Karzinomen der
Sentinel-Lymphknotenbiopsie derzeit
kein Standardverfahren
Primärtumorstadien > T2 ist die SLB unzuverlässig. Die Ausdehnung und
das Volumen dieser Tumore machen aberrante Abflusswege wahrscheinlich.
Voroperierte oder vorbestrahlte Patienten sind für die SLB nicht geeignet.
Zusammengefasst sind für die SLB bei frühen oralen und oropharyngealen
Plattenepithelkarzinomen derzeit 3 Indikationen anerkannt: (1) Staging des
ipsilateralen Halses bei einseitigen cT1/2 cN0 Tumoren, (2) Staging des ipsiund kontralateralen Halses bei Tumoren in der Mittellinie oder Tumoren mit
Überschreiten der Mittellinie (CT1/2 cN0) und (3) Staging des kontralateralen
Halses bei Tumoren in der Mittellinie oder Tumoren mit Überschreiten der
Mittellinie (CT1/2 cN>0 ipsilateral)(22).
Da die selektive Halslymphknotendissektion eine nur unwesentlich höhere
Morbidität als die SLB aufweist und zugleich therapeutisch wirksam ist, wird
beim cN0 Hals in erster Linie die selektive Halslymphknotendissektion anstatt
einer SLB empfohlen.
4.9 Abklärung bei Verdacht auf Halslymphknotenmetastase bei
unbekanntem Primärtumor (CUP Syndrom)
Halslymphknotenmetastasen eines Plattenpithelkarzinoms erscheinen meist
ca. 5% CUP-Syndrome
als harte indolente zervikale Knoten. Lässt sich bei einer fachgerechten
klinischen Untersuchung des oberen Aerodigestivtraktes ein Suspicium für
einen Primärtumor im lymphatischen Quellgebiet eines Halslymphknotens
nachweisen, so folgt die histologische Sicherung ausschließlich aus dem
Primär­tumor-Suspicium. Ist das Primärtumor-Suspicium histologisch positiv,
ist keine weitere histologische Abklärung des Halslymphknoten erforder­lich,
sondern man kann mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einer Hals­
lymph­knotenmetastase ausgehen. Findet sich kein Primärtumor-Suspicium,
wird zur zytologischen oder histologischen Abklärung eine Feinnadelbiopsie
oder eine Stanzbiospie aus dem Knoten durchgeführt. Für die Diagnostik bei
CUP-Syndrom ist im Regelfall ein PET/CT vor der obligatorischen Panendo­
skopie mit repräsentativen Gewebeentnahmen sinnvoll.
Eine offene Biopsie aus einer potentiellen Halslymphknotenmetastase
führt wegen Tumorzellverschleppung zu einer Verschlechterung der
Prognose und darf nicht erfolgen.
Beachte
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
55
4.10 Zahnärztliche
Rehabilitation
Zahnmedizinische
Diagnostik erforderlich
Diagnostik
und
Planung
der
dentalen
Das Ziel der dentalen Betreuung von Patienten mit Kopf-Halstumoren ist
es, orale Komplikationen zu minimieren und eine Reduktion lokaler und
systemischer Infektionen während und nach der onkologischen Therapie
zu erreichen. Dazu ist eine enge Kooperation zwischen den behandelnden
Kliniken, den Zahnambulatorien der Krankenkassen und dem nieder­
gelassenen Bereich notwendig. Die Maßnahme können in Maßnahmen prä,
inter und post radiationem eingeteilt werden.
4.10.1 Maßnahmen prä radiationem
Obligatorisch ist die dentale Fokussuche zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
spätestens
3
Wochen
vor
Beginn
der
geplanten
Strahlentherapie.
Sie beinhaltet eine gründliche zahnärztliche Untersuchung, die durch
radiologische Aufnahmen ergänzt wird. Eine Panoramaaufnahme (OPTG)
und ein Einzelbildstatus werden empfohlen. In den Fällen, wo es durch
einen intraoralen Tumor zu Komplikationen bei den Einzelzahnaufnahmen
kommt
(Schmerzen),
sollte
mindestens
eine
Panoramaaufnahme,
Bissflügelaufnahmen und wenn möglich bei jedem Zahn mit einer apikalen
Transluzenz und jedem nicht sensiblen Zahn ein Einzelbild angefertigt
werden. Ziel ist das Auffinden von Zähnen die potentiell als Infektionsherd zu
betrachten sind (Risikozähne). Liegen diese Zähne im oder in der Nähe des
Strahlenfeldes, sollten sie präventiv entfernt werden, um als Spätkomplikation
die infizierte Osteoradionekrose zu vermeiden.
Aufgrund der Gefäßversorgung sind die Molaren im Unterkiefer besonders
kritisch zu untersuchen. Hierfür muss das voraussichtliche Strahlenfeld zur
Fokussuche bekannt sein. Damit wird eine adäquate Extraktionsplanung
möglich.
Diese
Extraktionen
müssen
in
einem
genügend
langem
Zeitraum (mindestens 10-14 Tage) vor Beginn der Strahlentherapie und/
oder Chemotherapie erfolgen, damit eine entsprechende Wundheilung
gewährleistet werden kann. Als potentielle Foki gelten:
• Alle endodontisch versorgten Zähne
• Alle nicht sensiblen Zähne
• Fortgeschritten parodontal geschädigte Zähne
• Fortgeschritten kariös zerstörte Zähne
• Teilretinierte Zähne mit Risiko zur Schlupfwinkelinfektion
• Insuffizient konservierend versorgte Zähne, bei deren Restauration eine
Beteiligung der Pulpa erwartet werden kann, da dies eine Wurzelbehandlung
56
zur Folge hätte
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
Desweiteren beinhaltet die Fokussuche eine umfassende zahnärztliche
Untersuchung mit Sensibilitätsstatus und Kariesdiagnostik der einzelnen
Zähne, Beurteilung der konservierenden und prothetischen Versorgung und
Beurteilung des parodontalen Status. Insbesondere Zähne, deren konser­
vierende Versorgung mehr als 50% ausmacht und die im Strahlenfeld liegen,
sind kritisch zu beurteilen. Die möglichen Infektionsherde und zahnärztlichen
Befunde werden interdisziplinär diskutiert und die notwendigen Maßnahmen
mit dem Patienten und seinem betreuenden Zahnarzt besprochen.
Vor der tumortherapeutischen Behandlung sollten folgende orale Sanierungs­
maßnahmen erfolgen:
• Extraktion der Risikozähne
• Glätten scharfer Kanten an Zähnen, Füllungen und Zahnersatz
• Notwendige konservierende Maßnahmen
• Ggf. Abtragen scharfer Knochenkanten
• Wenn metallische prothetische Konstruktionen oral fest auf Implantaten
verankert sind (Stegkonstruktionen), die eine hohe Ordnungszahl im
Elementensystem vorweisen, müssen diese entfernt werden (z.B. Gold 79)
• Anfertigung von Schutzschienen zur Verringerung der Streustrahlung
ausge­hend von metallischen Füllungen in der Mundhöhle die gleichzeitig
als Applikationsträger für die Fluoridierungsmaßnahmen (s.unten) einge­
setzt werden können
• Orale Prophylaxe durch Fachpersonal (Prophylaxeassistentinnen):
- Entfernung aller harten und weichen Beläge am Restzahnbestand
- Motivation und Instruktion zu überdurchschnittlicher Mundhygiene
(Mund­hygieneprotokoll)
- Instruktion Anwendung Fluoridierungsschiene und Fluoridgel 1,1% zur
Kariesprophylaxe
- Hilfe bei der Zubereitung der Mundspüllösung (z.B. Natriumhydrogen­
carbonat­mundspüllösung)
• Ernährungsberatung
In jedem Fall ist das zeitliche Fenster bis zum Beginn der Strahlentherapie zu
berücksichtigen.
4.10.2 Maßnahmen intra radiationem
In der Phase der tumortherapeutischen Bestrahlung bis zirka 6 Wochen
danach sollten alle zahnärztlichen und chirurgischen Behandlungen unbedingt
vermieden werden, die mit einer Wundsetzung einhergehen. Jede Schädigung
der Mundschleimhaut stellt eine potentielle Eintrittspforte für Infektionserreger
dar, die durch prophylaktische Maßnahmen vermieden werden sollte. Die
Mukositis ist direkt durch toxische Zytostatika (z.B. Fluorouracil 5-FU,
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
57
Methotrexat) und indirekt durch Übelkeit, Erbrechen und Unterernährung
bedingt. Zur Prophylaxe sind in diesem Zeitraum zahnhygienische Maß­
nahmen und Mundspüllösungen (Natriumhydrogencarbonatlösung, Fluorid­
lösungen und Caphosol zur Remineralisation) und Salbeitee geeignet.
Zur Vermeidung einer Prothesendruckstelle, die als Epitheldefekt eine
Bestrahlungs­pause erzwingen würde, gilt unter Bestrahlung eine strenge
Prothesen­karenz (auch 3 Monate bis zu 6 Monaten nach dem letzten
Bestrahlungs­termin). Im Idealfall wird die Mundschleimhaut während der
Bestrahlung einmal wöchentlich untersucht (bei Infektionen ggf. AB-Gabe,
Fungo­statikum). Desweiteren können folgende Maßnahmen unterstützend
verfolgt werden:
• Ernährungsberatung (Karenz externer Noxen wie Alkohol, Nikotin, scharfe
Speisen, stark zuckerhaltige Lebensmittel etc.)
• Regelmäßiges Befeuchten der Mundhöhle
• Täglicher Einsatz der Fluoridierungsschiene
• Trismusprophylaxe-Mundöffnungsübungen
• Stimulierung der Speichelflußrate:
• Pilocarpin 5,0 mg 3/d bis 10 mg 3/d
• künstlicher Speichel (Mouthkote, Xerolube, Moistir, Salivart, Sage)
• Biotene Produkte Kaugummi, Zahnpasta
• Akupunktur zur Stimulierung der Speichelflußrate
4.11 Erheben des Ernährungsstatus, Ernährungstherapie, Perkutane
endoskopische Gastrostomie
Mangelernährung und Kachexie sind bei Patienten mit Kopf-Halstumoren
Bei fortgeschrittenen
UICC-Stadien ist
prätherapeutisch meist eine
PEG-Anlage indiziert
häufig und unbehandelt prognostisch ungünstig. Bei Patienten mit KopfHalskarzinomen soll im Rahmen der Erstdiagnose und wiederholt im weiteren
Krankheitsverlauf ein Screening des Ernährungszustandes erfolgen. Als
Instrument wird das Hauptscreening des Nutrition Risk Screening 2002
(NRS), ergänzt um das Präalbumin als biochemischer Marker empfohlen.
Der Score beinhaltet die Erhebung anthropometrischer Daten (BMI), eine
Beurteilung der oralen Nahrungszufuhr, eine Wertung des Schweregrades
der Erkrankung, sowie das Alter des Patienten. Das numerische Ergebnis
soll dokumentiert werden. Bei Patienten mit einem Scorewert ≥ 3 im NRSHaupt­screening soll eine Ernährungstherapie durch eine Fachkraft für
Diätologie eingeleitet werden. Unter onkologischer Therapie sind zumindest
wöchentliche Ernährungsvisiten durchzuführen. Nachkontrollen finden im
Rahmen der onkologischen Nachuntersuchungen statt und werden überdies
58
dem Bedarf entsprechend geplant.
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
Diagnostischer Work Flow
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
59
Eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) ist indiziert, wenn
mit Störungen der Nahrungsaufnahme zu rechnen ist, die eine perorale
Bedarfsdeckung über mehr als 14 Tage unwahrscheinlich machen. Alternativ
zur endoskopisch perkutanen Gastrostomie kann eine CT-gesteuerte
Gastrostomie oder eine chirurgische Gastrostomie erfolgen. Bei kurzfristiger
(<14 Tage) Verhinderung der peroralen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
kommt eine nasogastrale Ernährungssonde in Betracht.
4.12 Diagnostik von Hören, Stimme, Sprechen, Schlucken
Die Kopf- und Halsregion beherbergt Strukturen wichtiger funktionaler
Systeme wie des Hörens, der Stimmbildung, des Sprechens und Schluckens,
Stimme, Sprechen,
Schlucken:
Ausführliche Diagnostik
und Beratung
die für die Integration des Patieten in seine Umgebung von großer Bedeutung
sind. Zur Beurteilung ihrer Funktionalität werden folgende diagnostische
Maßnahmen empfohlen:
• Erhebung
des
ohrmikroskopischen
Befunds
sowie
audiometrische
Abklärung des Hörvermögens,
• Erhebung des Stimmstatus inklusive diagnostischer Lupenlaryngoskopie
und - wenn möglich - Endo-Stroboskopie,
• Spiegeltechnische und endoskopische Beurteilung der Artikulation,
• Beurteilung des Schluckvermögens (i.d. R. mittels flexibler Video-Endo­­
s­kopie).
4.12.1 Erstuntersuchung
Der TAKO empfiehlt eine phoniatrische Konsultation unmittelbar nach
Diagnose­­stellung bzw. nach Festlegung des Tumortherapiekonzeptes. Dazu
sollte der Patient/die Patientin ggf. eine Begleitperson beiziehen. Bei der
ärztlichen Erstuntersuchung kann festgestellt werden, welche Aus­wirkung
die Tumortherapie auf die oben genannten Strukturen und deren Funktions­
ausfall haben kann. Dabei werden mögliche präventive sowie erforderliche
rehabilitative Maßnahmen geplant. Der Patient/die Patientin und ggf. die
Begleitperson werden darüber ausführlich informiert und über die Modalitäten
der Hör-, Stimm-, Sprech- und Schluckrehabilitation nach Tumortherapie
aufgeklärt.
Sollte bei der Erstuntersuchung bereits eine gravierende Schluckstörung als
Folge der Tumortherapiekonzeptes festgestellt werden, ist die baldige Anlage
einer PEG- Sonde zu empfehlen.
60
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
4.12.2 Stimmlosigkeit und Stimmersatz
Bei Tumoren im Bereich der stimmbildenden Organe strebt die Tumortherapie
grundsätzlich den Stimmerhalt an. Dies ist in einigen Fällen aber nicht möglich,
sodass ein partieller oder totaler Stimmverlust eintritt (Kehlkopfteilresektion
oder totale Kehlkopfentfernung), der einen Ersatzsphonationsmechanismus
notwendig macht. Die mögliche Ersatzphonation hängt vom Ausmaß der
notwendigen Resektion und den verbleibenden Reststrukturen des Larynx
und/oder der oropharyngealen Strukturen ab. Deshalb ist zur Einschätzung
der Stimmrehabilitation eine phoniatrische Konsultation notwendig.
Als Standardverfahren der Stimmrehabilitation bei Kehlkopflosigkeit ist derzeit
der Einsatz einer Stimmprothese (Stimmventil) bei pharyngotrachealer Fistel­
anlage etabliert. Da die Prothese wegen Besiedelung mit Candidaspezies
und konsekutiver Undichte des Stimmventils (Stimmverschlechterung,
Aspiration) nur zeitlich begrenzt benutzt werden kann, muss sie regelmäßig
gewech­selt werden. Die Benutzungsdauer beträgt im Mittel etwa 3 Monate,
variiert jedoch zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten.
Zusätzlich zur operativen Stimmrehabilitation mittels Shuntbildung und
Stimm­­prothese besitzt das Erlernen der Ruktusstimme (Oesophagusersatz­
stimme) als funktionelle Stimmrehabilitation nach wie vor seine Bedeutung.
Bei ungenügender Stimmgebung mit der Stimmprothese ist mit der erlernten
Ruktusstimme eine lautsprachige Verständigung möglich. Bei bestehenden
Kontraindikationen für den Einsatz von Stimmprothesen (z.B. einer
pulmonalen Grunderkrankung) ist die Ruktusstimme weiterhin eine etablierte
Alternative der Stimmrehabilitation.
Die Stimmrehabilitation mittels Stimmprothese und Ruktusstimme ermög­licht
bei den meisten Patienten eine zufriedenstellende sprachliche Kommuni­
kation. Als dritte Form der Stimmrehabilitation nach totaler Kehlkopf­ent­
fernung steht in indizierten Fällen die elektronische Sprechhilfe zur Verfügung,
die auch eine kurzfristige Verständigung ermöglicht.
4.12.3 Besonderheiten bei einzelnen Tumorlokalisationen
Bei Lippenkarzinomen sind die Lippenform und möglicherweise der Mund­
schluss beeinträchtigt. Eine Rehabilitation zur Verbesserung der Artikulations­
fähigkeit und der Schluckfunktion ist hier je nach Ausmaß indiziert.
Mundhöhlentumore haben häufig Bewegungsstörungen oder Substanz­
verluste der Zunge zur Folge, die zu Behinderungen der oralen Schluck­
phase und zu Artikulationsstörungen führen können. In diesen Fällen ist
eine Rehabilitation zur Verbesserung der Artikulation und vor allem Schluck­
funktion erforderlich.
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
61
Pharyngeale Tumoren können, je nach Lokalisation, zu einer Beein­
trächtigung der Gaumensegelbeweglichkeit führen. Die Folgen sind Nasalität
(Rhinophonia aperta), Dysphagie (nasale Penetration) und Mittel­ohr­
belüftungs­störungen (Tubenfunktion).
Auch hier sind rehabilitative Maßnahmen angezeigt.
Bei Tumoren im Bereich des Hypopharynx und Larynx sind Stimmund Schluckstörungen eine mögliche Folge, die sich mitunter bei einer
notwendigen Radiochemotherapie weiter verstärken können. Eine Stimmund insbesondere Schluckrehabilitation zur Verhinderung einer Aspiration
sind hier dringend indiziert. Bei ausgeprägten Schluckstörungen kann eine
lang­fristige parenterale Ernährung mittels Sondennahrung nötig werden,
um eine Mangelernährung zu verhindern. Hierzu ist die Anlage einer PEGSonde angezeigt.
Die Hörrehabilitation erfolgt nach ohrmikroskopischer Befunderhebung und
audiologischer Diagnostik. Die Schluck-, und Stimmrehabilitation sowie die
Verbesserung der Artikulation werden nach differenzierter (endoskopischer)
Diagnostik der Strukturen zur Stimmfunktion und des Schluckvermögens
durchgeführt.
4.12.4 Chemotherapie/Radiochemotherapie
Vor, während und nach Chemotherapie oder Radiochemotherapie mit CDDP
werden wegen dessen Ototoxizität audiologische Kontrolluntersuchungen
empfohlen. Bei akut auftretender Hörminderung unter CDDP Therapie
ermöglicht ein Wechsel zu Carboplatin eine Verringerung der Ototoxizität.
Unter Chemotherapie/Radiochemotherapie entwickelt sich oft eine Mucositis,
welche die Rehabilitation erschweren kann. Bei starker Schmerzsymptomatik
und/oder erheblicher Schleimhautschwellung ist es dann notwendig, die
Rehabilitation kurzfristig zu unterbrechen.
4.12.5 Zusammenfassung
Eine Rehabilitation bei Störungen des Hörens, der Stimmbildung, des
Sprechens und des Schluckens nach Tumortherapie ist indiziert, um dem
Patienten eine Reintegration in seine Umgebung zu ermöglichen eine
adäquate Lebensqualität zu bieten.
Die Rehabilitation setzt eine phoniatrische Diagnostik zur Eruierung
„funktioneller
Reserven“
und
Erstellung
eines
individuellen,
mehr­
dimensionalen Rehabilitationskonzepts für eine gezielte Therapie voraus.
Dabei kommen neben den notwendigen medizinischen Maßnahmen zur
62
organischen oder funktionellen Verbesserung der Stimm,-Sprech-und
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
Schluck­funktion die logopädische Therapie, Ergotherapie, Physiotherapie
sowie eine entsprechende Ernährungsberatung zum Einsatz.
Während der Rehabilitation sind regelmäßige phoniatrische Kontrollen
angezeigt, um optimal aufeinander abgestimmte rehabilitative Maßnahmen
jederzeit im Therapieverlauf zu gewährleisten.
Die Rehabilitation soll möglichst früh beginnen („Akutrehabilitation“). Es ist
damit zu rechnen, dass sie - mit Unterbrechungen - über einen längeren
Zeitraum hinweg durchgeführt werden muss.
Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen
63
5 Therapie
5.1 Therapiegrundsätze bei Erstdiagnose
Im Regelfall erfolgt die Therapie von Tumoren der Stadien I und II
unimodal chirurgisch oder radiotherapeutisch, die der fortgeschrittenen
Stadien multimodal. Dabei sind die genaue Ausdehnung des Tumors, die
Histologie, seine Beziehung zu kritischen Strukturen, der zu erwartende
posttherapeutische Defektzustand, der Allgemeinzustand und vor allem der
Wunsch des Patienten zu berücksichtigen. Bei Resektabilität (s.u.) wird die
primäre chirurgische Therapie mit oder ohne postoperative Radiotherapie
empfohlen, andernfalls die primäre Radiotherapie oder Radio­chemotherapie
. (bei Larynxkarzinomen wird der Organerhalt durch teilablative chirurgische
Verfahren oder primäre kombinierte Radiochemotherapie empfohlen). Bei
Therapiealgorithmus
64
Kopf-Halskarzinome Therapie
prätherapeutischem Verdacht auf extra­kapsuläres Lymphknotenwachstum
wird eine primäre RCT und 6 Wochen nach Abschluss der Primärtherapie
bei vollständigem Ansprechen des Primärtumors eine geplante Hals­
lymphknotendissektion empfohlen. Bei Kopf-Halstumoren der Tumor­stadien
III und IV ist nach primärer chirurgischer Therapie eine postoperative
Radiotherapie indiziert. Gelingt bei primärer chirurgischer Therapie keine R0Resektion oder wenn postoperativ extra­kapsuläres Lymphknotenwachstum
festgestellt wird, ist eine postoperative Radio­chemotherapie indiziert.
6-12 Wochen nach Abschluss der Primärtherapie soll eine Kontrolle des
Remissionsstaus erfolgen. Bei Tumorpersistenz nach Abschluss der Initial­
therapie ist wenn möglich eine Salvage-Chirurgie indiziert.
5.2 Chirurgische Therapie
5.2.1 Indikation zur chirurgischen Therapie – Resektabilität und
Operationsrisiko
Chirurgische Verfahren können unter kurativem und palliativem Ansatz
eingesetzt werden. Eine chirurgische Tumorresektion unter kurativem
Ansatz ist nur indiziert, wenn der Tumor resektabel ist. Der Begriff Resek­
tabilität ist nicht durch internationale oder nationale Leitlinien definiert.
Unter Resektabilität wird verstanden, dass der Tumor und loko­regionäre
Kurative chirurgische
Therapie nur, wenn
R0-Resektion mit großer
Wahrscheinlichkeit
erreichbar
Metastasen mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem adäquaten Sicherheits­
abstand bei für den Patienten vertretbarer Morbidität entfernt werden können.
Adäquater Sicherheitsabstand bedeutet, dass am histo­patho­logischen
Resektionspräparat allseits ein Abstand von 5mm zwischen Tumor­rand und
Resektatrand nicht unterschritten wird (R0). Es wird geschätzt, dass ca.
75% der Patienten nach R1 Resektion gegenüber 25% nach R0 Resektion
ein Lokalrezidiv entwickeln. Da das Tumorpräparat durch Entnahme und
Fixierung um etwa 30% schrumpft (23), muss die Resektion intraoperativ
allseits mit einem chirurgischen Sicherheitsabstand von 10mm zum
sichtbaren oder tastbaren Tumorrand erfolgen, um einen histopathologischen
Sicherheitsabstand von 5 mm zu gewährleisten. Bei Laserresektionen kann
ein etwas geringerer Resektionsabstand gewählt werden, da der Laserschnitt
selbst einen Durchmesser von ca. 0,5 mm hat und sich an ihn eine ca. 0,5 mm
große Verkohlungs- und Nekrosezone anschließt. Tumor­freie Nachresektate
haben keine vergleichbare Aussagekraft wie eine R0 Resektion, weil nicht
gewährleistet ist, dass die Nachresektate an der richtigen Stelle entnommen
wurden (24). Bei Resektion von Tumoren fortgeschrittener Tumorstadien sind
in der Regel rekonstruktive Verfahren erforderlich, um den entstandenen
Defekt zu versorgen. Eine R1-Resektion ist eine Indikation zur Nachresektion
Kopf-Halskarzinome Therapie
65
oder zur postoperativen Radiotherapie (Stadium I/II) oder kombinierten
Radiochemotherapie (Stadium III/IV) (9), die mit einer wesentlichen höheren
Morbidität einhergeht als die adjuvante Radiotherapie nach R0 Resektion
(25). In der Regel ist bei Fernmetastasierung keine primäre chirurgische
Therapie von Primärtumor und lokoregionären Metastasen indiziert.
Operationsplanung
in enger Abstimmung
mit dem Anästhesie-Team
Neben der Resektabilität ist die Einschätzung des Operationsrisikos wesent­
liche Entscheidungsgrundlage. Eine präoperative anästhesiologische Unter­
suchung und gemeinsame perioperative Planung ist eine grundsätzliche
Voraussetzung der chirurgischen Therapie von Kopf-Halstumoren.
5.2.2 Empfohlene chirurgische Verfahren unter kurativem Ansatz
aufgeschlüsselt nach Tumorlokalisation
Die chirurgischen Verfahren richten nach dem T und N Stadium und werden
im Folgenden tabellarisch dargestellt. Die Empfehlungen lehnen sich an die
Empfehlungen des ACO-ASSO Manual der Österreichischen Gesellschaft
für chirurgische Onkologie (2), die Kurzgefassten Interdisziplinären Leitlinien
2008 - Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen
der Deutschen Krebsgesellschaft (3), die Empfehlungen für die Abklärung,
Behandlung und Nachsorge von Patienten mit Karzinomen des Kopf-HalsBereiches der Schweizerischen Gesellschaft für Oto-Rhino-Laryngologie,
Hals- und Gesichtschirurgie (26) sowie die Clinical Practice Guidelines Head
and Neck Cancers des National Comprehensive Cancer Network der USA (5)
an. Bei den folgenden chirurgischen Therapieempfehlungen ist T4 mit T4a
gleichzusetzen, da ein Tumorstadium T4b im Regelfall bedeutet, dass der
Tumor nicht resektabel ist.
66
Kopf-Halskarzinome Therapie
Lippenkarzinom
cT1
cT2
cN0
Resektion
Resektion +
Defektrekonstruktion
cN1
Resektion +
mRND
cN2a/b
Resektion +
mRND
cN2c
Resektion +
mRND bds.
cN3
Resektion +
RND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND bds.
Resektion +
Defektrekonstruktion +
RND
cT3
cT4a
Resektion +
Defektrekonstruktion +
SND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND bds.
Resektion +
Defektrekonstruktion +
RND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
SND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND bds.
Resektion +
Defektrekonstruktion +
RND
Bei Primärtumoren nahe der Mittellinie oder cN2c ist die bilaterale SND und/
oder mRND anzustreben. Bei cT1cN1 Tumoren kann eine ipsilaterale SND
anstatt einer mRND erwogen werden. Bei Tumorstadien >T2 kann eine
kontralaterale SND auch bei klinischem negativem kontralateralem Hals
erwogen werden.
Mundhöhlenkarzinom
cT1
cN0
cN1
cN2a/b
cN2c
cN3
enorale
Resektion +
SND
enorale
Resektion +
mRND
enorale
Resektion +
mRND
enorale
Resektion +
mRND bds.
enorale
Resektion +
RND
cT2
enorale Resektion +
Defektrekonstruktion +
SND
enorale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
enorale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
enorale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND bds.
enorale Resektion +
Defektrekonstruktion +
RND
cT3
cT4a
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
SND
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND bds.
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
RND
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
SND
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
mRND bds.
transfaziale Resektion +
Defektrekonstruktion +
RND
Kopf-Halskarzinome Therapie
67
Bei Primärtumoren nahe der Mittellinie oder cN2c ist die bilaterale SND und/
oder mRND anzustreben. Bei cT1cN1 Tumoren kann eine ipsilaterale SND
anstatt einer mRND erwogen werden. Bei Tumorstadien >T2 kann eine
kontralaterale SND auch bei klinischem negativem kontralateralem Hals
erwogen werden.
Oropharynxkarzinom
cT1
cT2
cT3
cT4a
cN0
transorale
Resektion +
SND
transorale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
SND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
SND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
SND
cN1
transorale
Resektion +
mRND
transorale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND
cN2a/b
transorale
Resektion +
mRND
transorale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND
cN2c
transorale
Resektion +
mRND bds.
transorale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND bds.
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND bds.
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
mRND bds.
cN3
transorale
Resektion +
RND
transorale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
RND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
RND
transfaziale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion +
RND
Bei Primärtumoren nahe der Mittellinie oder cN2c ist die bilaterale SND und/
oder mRND anzustreben. Bei cT1cN1 Tumoren kann eine ipsilaterale SND
anstatt einer mRND erwogen werden. Bei Tumorstadien >T2 kann eine
kontralaterale SND auch bei klinischem negativem kontralateralem Hals
erwogen werden.
Nasopharynxkarzinom
Das
Nasopharynxkarzinom
stellt
im
Regelfall
keine
Indikation
zur
chirurgischen Therapie des Primärtumors dar. Wenn nach Abschluss
der Radiotherapie der Primärtumor nicht mehr, wohl aber resektable
regionäre Lymphknotenmetastasen nachweisbar sind, ist eine Neckdissection angezeigt. Bei großen Metastasen (N3a), vor allem beim
Plattenepithelkarzinom, kann in besonderen Fällen eventuell eine Neck-
68
dissection vor der Radiotherapie durchgeführt werden.
Kopf-Halskarzinome Therapie
Hypopharynxkarzinom
cN0
cT1
transorale
Resektiona) +
SND
cN1
transorale
Resektion a) +
mRND
cN2a/b
transorale
Resektion a) +
mRND
cN2c
transorale
Resektion a) +
mRND bds.
cN3
transorale
Resektion a) +
RND
cT2
transorale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ SND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND bds.
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ RND
a)
cT3
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ SND
cT4a
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ SND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND bds.
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND bds.
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ RND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ RND
a)
in der Regel mit einem Operationslaser
b)
Hemilaryngo-Hemipharyngektomie nach Laccourreye
c)
Laryngektomie und (Hemi)pharyngektomie in der Regel erforderlich
Supraglottisches Karzinom
cN0
cT1
transorale
Resektiona) +
SND
cN1
transorale
Resektion a) +
mRND
cN2a/b
transorale
Resektion a) +
mRND
cN2c
transorale
Resektion a) +
mRND bds.
cN3
transorale
Resektion a) +
RND
cT2
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ SND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND bds.
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ RND
cT3
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ SND
cT4a
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ SND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND bds.
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND bds.
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ RND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ RND
Kopf-Halskarzinome Therapie
69
Aufgrund der Häufigkeit bilateraler zervikaler Metastasierungen ist eine
beidseitige SND und/oder mRND anzustreben.
a)
in der Regel mit einem Operationslaser
b)
supraglottische Laryngektomie oder supracricoidale Laryngektomie mit
Cricohyoidopexie (CHP), gelegentlich Laryngektomie erforderlich
c)
Laryngektomie und (Hemi)pharyngektomie in der Regel erforderlich
Glottisches Karzinom
cN0
cT1
transorale
Resektiona) +
SND
cN1
transorale
Resektion a) +
mRND
cN2a/b
transorale
Resektion a) +
mRND
cN2c
transorale
Resektion a) +
mRND bds.
cN3
transorale
Resektion a) +
RND
cT2
transorale oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ SND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND bds.
transorale a) oder
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ RND
a)
a)
b)
cT3
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ SND
cT4a
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ SND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ mRND bds.
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ mRND bds.
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion b)
+ RND
transzervikale Resektion
+ Defektrekonstruktion c)
+ RND
in der Regel mit einem Operationslaser
vertikale Hemilaryngektomie oder supracricoidale Laryngektomie mit
Cricohyoidoepiglottopexie (CHEP)
c)
Laryngektomie und (Hemi)pharyngektomie in der Regel erforderlich
Subglottisches Karzinom
T1–4: Keine standardisierte Therapie, da der Tumor sehr selten ist. Beim
operativen Vorgehen ist meist eine Laryngektomie notwendig. Selten
sind Teilresektionen möglich, in der Regel ist eine bilaterale Halslymph­
knotendissektion einschließlich Level VI erforderlich (paratracheale Lymph­
knoten).
70
Kopf-Halskarzinome Therapie
5.2.3 Prinzipien der chirurgischen Therapie des Halses
Klassifikation und Terminologie der Halsdissektionen
Die Klassifikation und Terminologie des
Committee for Head and Neck Surgery
and Oncology der American Academy of
Otolaryngology-Head and Neck Surgery
(27;28) hat sich inter­national durchgesetzt
und wird für Tirol empfohlen. Demnach
werden
die
Hals­lymph­­knotenstationen
des rechten und des linken Halses
bestimmten Leveln und Unterleveln zuge­
ordnet wie in neben­stehender Abbildung
und unten­stehender Tabelle dargestellt.
Nach dem Ausmaß der Resektion werden
die Halsdissektionen in vollständige Hals­
dissektionen (Resektion aller Level I-V)
und selektive Halsdissektionen eingeteilt, bei denen weniger als die Level I-V
reseziert werden.
Nach der Indikation werden Halsdissektionen in elektive und therapeutische
Halsdissektionen unterteilt. Die elektive Halsdissektion wird im Gegensatz zur
therapeutischen Halsdissektion per definitionem beim cN0-Hals durchgeführt
und dient der Erkennung und Entfernung okkulter Halsmetastasen. Okkulte
Halsmetastasen sind weder palpatorisch noch mit modernen bildgebenden
Verfahren zu detektieren und können pathohistologisch extrakapsuläres
Okkulte Halsmetastasen
bei cN0-Hals ließen sich
histopathologisch in 33%
der Dissektionspräparate
nach elektiver ND
nachweisen
Wachstum zeigen (29). Okkulte Halsmetastasen bei cN0-Hals ließen sich
histopathologisch in 33% der Dissektionspräparate nach elektiver ND
nach­weisen (30). Sie machen sich durch Halslymphknoten-Frührezidiv
nach erfolgter Therapie bemerkbar, wenn die initial nicht detektierten
metastatischen Tumorzellnester in den Halslymphknoten proliferieren und
klinisch manifest werden. Durch die elektive ND oder die elektive Bestrahlung
wird die Häufigkeit von Halsrezidiven reduziert (31;32).
Zur elektiven Halsdissektion gibt 2 Alternativen: Engmaschige Kontrollen und
elektive Bestrahlung der zervikalen Lymphabflusswege. Zu den Ergebnissen
engmaschiger Kontrollen liegen nur wenige Daten vor. Das erforderliche
sehr enge Follow up ist eine Belastung für den Patienten. Möglicherweise
entstehen mehr Fernmetastasen, wenn Halsmetastasen nicht rechtzeitig
erkannt werden und die Heilungsrate bei fortgeschrittenem Halsrezidiv ist
Kopf-Halskarzinome Therapie
71
ungünstig. Bei Primärtumorlokalisationen mit einer Wahrscheinlichkeit für
okkulte zervikale Metastasen von 25% oder mehr sollte eine elektive Hals­
dissektion oder eine elektive Halsbestrahlung erfolgen. Eine elektive Hals­
dissektion soll nach den Grundsätzen für selektive Halsdissektionen (s.
unten) erfolgen.
Level und Unterlevel des Halses
Level
Sublevel
Bezeichnung
I
Ia
Ib
II
submentale
Gruppe
submandibuläre
Gruppe
obere juguläre
Gruppe
Grenzen
kranial des Zungenbeins, kaudal des M. mylohyoideus, ventral
des dorsalen Randes der Glandula submandibularis
zwischen den medialen Rändern der anterioren Bäuche des
M. digastricus
posterolateral zu Level Ia
kraniokaudale Ausdehnung von der Schädelbasis bis
zum Zungenbein, dorsal des Hinterrandes der Glandula
Submandibularis, ventral des dorsalen Randes des
M. sternocleidomastoideus
IIa
der V. jugularis interna benachbart
IIb
dorsal der V. jugularis interna
III
mittlere juguläre
Gruppe
kraniokaudale Ausdehnung vom Zungenbein bis zum kaudalen
Rand des Ringknorpels, ventral des dorsalen Randes des
M. sternocleidomastoideus
IV
untere juguläre
Gruppe
kraniokaudale Ausdehnung vom kaudalen Rand des Ringknorpels
bis in Höhe der Schlüsselbeine, ventral einer Linie, welche
den dorsalen Rand des M. sternocleidomastoideus und den
posterolateralen Rand des M. scalenus anterior verbindet, lateral
zur A. carotis communis
V
nuchale Gruppe,
hinteres
Halsdreieck
VI
VII
72
kraniokaudale Ausdehnung von der Schädelbasis bis zu den
Schlüsselbeinen, dorsal einer Linie, welche den dorsalen Rand
des M. sternocleidomastoideus und den posterolateralen Rand
des M. scalenus anterior verbindet, anterior zum ventralen Rand
des M. trapezius
Va
kraniokaudale Ausdehnung von der Schädelbasis zum kaudalen
Rand des Ringknorpels, dorsal zum dorsalen Rand des
M. sternocleidomastoideus
Vb
kraniokaudale Ausdehnung vom Ringknorpel bis zu den
Schlüsselbeinen, dorsal einer Linie, welche den dorsalen Rand
des M. sternocleidomastoideus und den posterolateralen Rand
des M. scalenus anterior verbindet
anteriore cervikale kraniokaudale Ausdehnung vom kaudalen Rand des Zungenbeins
Gruppe
bis zum kranialen Rand des Manubrium sterni, medial der
A. carotis communis
obere
mediastinale
Gruppe
Kopf-Halskarzinome Therapie
kaudal des kranialen Randes des Manubrium sterni medial der
A. carotis communis
Vollständige
Halsdissektionen:
radikale
und
modifiziert
radikale
Halsdissektion
Vollständige
Halsdissektionen
umfassen
zumindest
die
vollständige
Resektion der Fett-Lymphknotempakete der Halslevel I-V. Sie sind bei
klinisch positiven Halslymphknoten (>cN0) indiziert und werden nach der
Resektion der drei Halsstrukturen m. sternocleidomastoideus, v. jugularis
interna und n. accessorius weiter unterteilt in:
• Radikale Halsdissektion (RND) mit Resektion aller drei genannten
Strukturen
• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt von m. sternocleido­
mastoideus, n. accessorius und v. jugularis interna
• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt von m. sternocleido­
mastoideus und v. jugularis interna
• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt von n. accessorius
und v. jugularis interna
• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt des n. accessorius
Welche Form der vollständigen Halsdissektion durchgeführt wird, hängt von
Lokalisation, Ausdehnung und Infiltrationsverhalten der tumorbefallenen
Halslymphknoten ab.
Andere theoretisch mögliche Varianten kommen selten vor, können sich
aber intraoperativ ergeben
Anmerkungen
Der Begriff ‚funktionelle Halsdissektion‘ entspricht vom Resektionsausmaß
der mRND mit Erhalt von m. sternocleidomastoideus, n. accessorius
und v. jugularis interna, allerdings liegt hier ein besonderes von Suarez
und Bocca etabliertes chirurgisches Konzept unter Berücksichtigung der
Faszienräume des Halses vor.
Selektive Halsdissektionen
Bei der selektiven Halsdissektion werden nur bestimmte Halslymphknotenlevel
reseziert. Grundlage hierfür ist die Beobachtung, dass in Abhängigkeit von
der Lokalisation des Primärtumors bestimmte Halslymphknotenareale
häufig, andere selten okkulte Halslymphknotenmetastasen aufweisen.
Die typische Indikation für eine selektive Halsdissektion ist der cN0Hals und der klinisch fragliche cN1 Hals. Sie hat vor allem diagnostische
In ausgewählten Fällen
kann auch bei cN1 Hals
eine selektive
Halsdissektion
indiziert sein
Bedeutung. Bestätigt sich auch histopathologisch das Fehlen von Hals­
lymph­knotenmetastasen, kann bei R0-Resektion eines Primärtumors <T3
auf eine postoperative Radiotherapie in der Regel verzichtet werden (33).
Kopf-Halskarzinome Therapie
73
Erbringt die histopathologische Aufarbeitung des entnommenen FettHalslymphknotenpaketes eine klinisch nicht erkannte Metastasierung, ist in
der Regel eine postoperative Radiotherapie indiziert.
Für Karzinome von Lippen und Mundhöhlen umfasst die selektive
Halsdissektion die Level I-III, für Karzinome von Oropharynx, Hypopharynx
und Larynx die Level II-IV (bei subglottischen Karzinomen und fort­
geschrittenen glottischen und hypopharyngealen Tumoren einschließlich
Level VI), für Hauttumoren der seitlichen und hinteren Kopfhaut die Level
II-V. Bei selektiven Halsdissektionen wird die Glandula submandibularis im
Gegensatz zu vollständigen Halsdissektionen in der Regel belassen. Bei
mittellinienüberschreitenden oder mittelliniennahen Primärtumoren ist die
bds. selektive Halsdissektion oder die Kombination von vollständiger und
selektiver Halsdissektion indiziert.
Bei Mundhöhlen und Larynkarzinomen <T3 muss der Level IIB nicht in die
selektive Halsdissektion inkludiert werden, da hier okkulte Metastasen selten
sind und die Funktion des N. accessorius bei Dissektion des Levels IIB
gefährdet ist.
5.2.4 Präoperative anästhesiologische Untersuchung und gemeinsame
perioperative Planung
Die genaue präoperative Evaluation erfasst außer den üblichen Vorunter­
Enge Abstimmung
von Chirurgie
und Anästhesie
suchungen eine Erhebung des Venenstatus sowie der zu erwartenden
Intubationsschwierigkeiten. Eine gemeinsame perioperative Planung umfasst
auch die Vereinbarung der Intubationsdauer sowie eine mögliche Anlage
einer Tracheotomie.
Eine verlängerte Intubationsdauer wird empfohlen bei
• kombinierten endopharyngeotrachealen Operationen mit Eröffnung des
Halses von außen,
• beidseitigen Eröffnungen des Halses im Sinne von beidseitigen Neck
Dissektionen,
• ausgedehnten einseitigen Halsoperationen mit und ohne Eröffnung des
Pharyngealschlauches,
• vermehrter interaoperativer Schwellung und Blutung,
• Revisionen einer Nachblutung,
• ausgedehnten enoralen und transoralen Resektionen,
• drohenden oralen und oropharyngealen Nachblutungen und drohender
Aspiration,
74
• Schwellungen im Bereich des Pharynx, Zungengrundes oder Larynx.
Kopf-Halskarzinome Therapie
Nach einer vereinbarten verlängerten Intubation erfolgt vor geplanter
Extubation eine neuerliche gemeinsame Inspektion des Operationsgebietes
und des oberen Luftweges.
5.2.5 Indikation zur präliminaren Tracheotomie bei Kopf-Hals Eingriffen
Bei zahlreichen onkochirurgischen Eingriffen im Kopf-Hals Bereich ist eine
geplante, präliminare Tracheotomie indiziert. Vorteile einer präliminaren
Tracheotomie
umfassen
neben
Sicherheitsaspekten
(Nachblutung,
Eine präliminare
Tracheotomie
ist häufig sinnvoll
Schwellung, Aspiration) die schnellere Entwöhnung von der künstlichen
Beatmung sowie die Möglichkeit für frühe Mobilisation und frühe Verlegung
auf Normalstation. Nachteile sind die mit der präliminaren Tracheotomie
verbundene Morbidität (Infektion, Pneumonie, Halsemphysem/Pneumo­
thorax, Trachealstenose, Blutungen) die eingeschränkte Kommunikation,
mögliche Schluckprobleme und die mögliche Notwendigkeit eines Tracheo­
stoma­verschlusses als Zweiteingriff.
Eine präliminare Tracheotomie sollte bei Tumoreingriffen im Rachen und
Larynxbereich, bei Tumorstadien > T1, bei vorbestehenden Lungen­erkran­
kungen und positiver Alkoholanamnese erwogen werden.
5.2.6 Palliative chirurgische Verfahren
Palliative chirurgische Verfahren sind bei Kopf-Hals-Tumoren häufig erforder­
lich. Die häufigsten Palliativeingriffe sind die Tracheotomie bei tumor­
bedingter Atemnot, transorales Tumordebulking meist mit dem Operations­
laser zur Verbesserung von Atmen und Schlucken sowie die transorale
Glottiserweiterung zur Behebung von tumorbedingter Atemnot.
5.2.7 Empfehlung zur perioperativen Ernährung bei ausgedehnten
tumorchirurgischen Eingriffen der Kopf-Halsregion
Bei längerdauerndem intravenösem Ernährungsaufbau empfiehlt sich die
Anlage eines zentralvenösen Zugangs. Bei den angegebenen Präparaten
handelt es sich um Beispiele, es können alternativ ähnliche zugelassene
Präparate zur Ernährung eingesetzt werden.
Bei größeren tumorchirurgischen Eingriffen
wird die Anlage
eines ZVK empfohlen
Kopf-Halskarzinome Therapie
75
Enteral/peripher-venöser Ernährungsaufbau
Tag
Kcal
Sonde
EE (Sonde)
OP
1
2
3
PE (peripher-venös)
Kcal
Gesamt
1000 ml Glukose 5%,
Elektrolytlösung
200
250 ml Isosource Standard®
20 ml/h
250
1206 ml Structokabiven peri®
830kcal
1030
500 ml Isosource Standard®
40 ml/h
500
1206 ml „StructoKabiven peri®
830 kcal“
1330
750 ml Isosource Standard®
60 ml/h
750
1904 ml „StructoKabiven peri®
1300 kcal“
2050
Enteral/zentral-venöser Ernährungsaufbau
Tag
Kcal
Sonde
EE (Sonde)
1000 ml Glukose 5%,
Elektrolytlösung
OP
1
2
3
PE (peripher-venös)
Kcal
Gesamt
200
250 ml Isosource Standard®
20 ml/h
250
25ml/h
Structokabiven EF® 1477 ml
900
500 ml Isosource Standard®
40 ml/h
500
40ml/h
StructoKabiven EF® 1477 ml
1480
750 ml Isosource Standard®
60 ml/h
750
50 ml/h
StructoKabiven EF® 1477 ml
1950
Anmerkungen:
Voraussetzung: Stoffwechselstabiler Patient, 60-70 kg KG.
Beginn früh enteral (12-24h), minimal enteral (10-25 ml/h), Steigerung nach
Verträglichkeit
Flüssigkeit: Bevorzugt enterale Zufuhr je nach Bilanz
Monitoring: Glukose, Triglyceride.
Wasser- und fettlösliche Vitamine (Bsp.: Soluvit, Vitalipid): Bei mehrtägiger
Gabe von Tag 1
EE = enterale Ernährung; PE = parenterale Ernährung
Quellen: AKE, DGEM (Leitlinie Enterale und Parenterale Ernährung, 2008)
76
Kopf-Halskarzinome Therapie
5.3 Radiotherapie, Radiochemotherapie und Radioimmuntherapie
Die Strahlentherapie kann als alleinige Therapieform oder adjuvant
postoperativ durchgeführt werden. Die präoperative Strahlentherapie ist nicht
mehr üblich, weil sich diese in zwei vergleichenden Studien bezüglich der
Lokalrezidivrate (34;35) und in einer Untersuchung auch hinsichtlich des
Überlebens (35) gegenüber einer postoperativen Radiotherapie unterlegen
zeigte. Am häufigsten wird in der Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren die
perkutane Strahlentherapie mit Energien zwischen 4 und 15 Megaelektronen­
volt [MeV] mithilfe eines Linearbeschleunigers (LINAC) eingesetzt. Zur
Immobilisation sind die Anfertigung einer individuellen thermoplastischen
Maske, einer Fixationsschiene des Oberkiefers bzw. die Lagerung in einer
Kopfschale erforderlich. Vor der RT ist eine Zahnsanierung unerlässlich.
5.3.1 Radiotherapie
Primäre konventionell fraktionierte Radiotherapie
Eine alleinige konventionell fraktionierte Radiotherapie kann bei Tumoren
in den UICC Stadien I und II in kurativer Intention durchgeführt werden.
Schlechtere Ergebnisse bringt die primäre Radiotherapie bei MuskelKnorpel- oder Knocheninfiltration (36). Als Alternative zur primären
Operation beruht die Entscheidung zur Radiotherapie auf vergleichbar
Standard ist eine
CT-gestützte 3D Planung,
anzustreben ist eine
intensitätsmodulierte
Bestrahlung
guten Heilungsraten und der Möglichkeit eines guten funktionellen und
ästhetischen Ergebnisses (37). Bei höheren Tumorstadien verfolgt die
primäre konventionell fraktionierte Radiotherapie in der Regel eher palliative
Ziel­setzungen. Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten
3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es
werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 70Gy, die
Lymph­abflusswege zwischen 50 und 60Gy.
Primäre hyperfraktionierte Radiotherapie
Die hyperfraktionierte Radiotherapie ist eine Alternative zur kombinierten
Radiochemotherapie oder Radioimmuntherapie, wenn diese Verfahren nicht
zur Therapie geeignet sind. Bei der Hyperfraktionierung werden in der Regel
zwei Bestrahlungen pro Tag mit einer jeweiligen Dosis von weniger als 2 Gy
durchgeführt. Durch die Hyperfraktionierung wird die Dosisintensität erhöht.
In einer Untersuchung der MARCH Gruppe (Meta-Analysis of
Radiotherapy in Carcinomas of Head and neck Collaborative Group)
zeigte sich eine Überlegenheit der hyperfraktionierten Strahlentherapie bei
fortgeschrittenen Tumorstadien (III und IV) gegenüber der konventionell
fraktio­nierten
Strahlentherapie,
während
akzelerierte
Therapieregime
Kopf-Halskarzinome Therapie
77
keine Vorteile brachten (38). Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer
CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte
Bestrahlung. Es werden zweimal täglich 1,3Gy appliziert. Die Primär­tumor­
region erhält 70,2Gy, die Lymphabflusswege zwischen 49,4 und 59,8Gy.
Brachytherapie
Die Brachytherapie ermöglicht die Verabreichung von biologisch hoch­wirk­
samen Dosen im unmittelbaren Tumorbereich bei gleichzeitiger Schonung
des umliegenden, nicht tumorbefallenen Gewebes und führt dadurch einer­
seits zur ausgezeichneten lokalen Tumorkontrolle, anderseits zu einer akzep­
ta­blen Nebenwirkungsrate. Neben der hohen Konformität bietet die kurze
Gesamtbehandlungszeit einen zusätzlichen strahlenbiologischen Vorteil.
Brachytherapie sinnvolles
therapeutisches Konzept
Die Brachytherapie kann sowohl als primär definitive Monotherapie bei
Tumoren in Frühstadien (Stad. I. und II.), als auch in Kombination mit einer
perkutanen Radio(Chemo)therapie zur lokalen Dosisaufsättigung (Boost) mit
kurativer Intention durchgeführt werden. Sie ist auch in der Rezidiv­situation
nach vorangegangener Radiotherapie als Salvagetherapie oder auch als
palliative Therapiemaßnahme ein wertvolles Instrument der Therapie.
Voraussetzung einer erfolgreichen Behandlung sind die sorgfältige Patienten­
selektion und eine enge und harmonische interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Eine Indikation zur Brachytherapie kann bei Tumoren im Nasopharynx,
Oropharynx und in der Mundhöhle gestellt werden. Applikationstechniken
der Brachytherapie beinhalten Methoden der interstitiellen-, endoluminalen-,
endocavitären- oder Kontaktbestrahlung. Betont werden muss, dass für die im
deutschen Sprachraum allgemein verwendete high-dose-rate Brachytherapie
(HDR) die Datenlage deutlich spärlicher ist als für die um Jahrzehnte länger
angewandte low-dose-rate Brachytherapie (LDR). Eine Alternative zu den
LDR- und HDR-Verfahren bietet das pulsed-dose-rate- (PDR) Verfahren,
welches die radiobiologischen und bestrahlungstechnischen Vorteile der
LDR- und der HDR- Brachytherapie vereint, allerdings nur in wenigen
hochspezialisierten Zentren zur Verfügung steht.
Postoperative adjuvante Radiotherapie
Vorteil der postoperativen Radiotherapie ist die Möglichkeit der präziseren
Indikationsstellung zur Dosis der Radiotherapie aufgrund der auf patho­
logisch-anatomischen
Befunden
begründeten
Stadieneinteilung
und
Konstellation der individuellen Risikosituation. Strahlenbiologischen nach­
teilig sind der postoperativ veränderte Gefäßstatuts und die dadurch bedingte
78
relative Hypoxie mit reduzierter Strahlensensibilität.
Kopf-Halskarzinome Therapie
In den UICC-Stadien I und II ist bei den meisten Tumorlokalisationen
entweder eine alleinige Tumorresektion oder eine alleinige Radiotherapie
indiziert.
Die
Kombination
von
Tumoresektion
und
postoperativer
adjuvanter Strahlentherapie ist in der Regel in den UICC Stadien III und
Postoperative
Radiotherapie bei
fortgeschrittenen Stadien
nach R0 Resektion
IV indiziert (39). Ausgenommen hiervon ist die R1 oder R2 Resektion und
das extrakapsuläre Lymphknotenwachstum, bei denen eine postoperative
Radio­chemo­therapie indiziert ist (9). Eine postoperative RT ist auch im
Stadium I und II bei Lymphangiosis carcinomatosa, perineuraler Invasion
und Gefäßeinbruch indiziert. Die Datenlage spricht auch bei pT1pN1 und
pT2pN1 nach R0-Resektion eher dafür, eine postoperative Radiotherapie
einzu­leiten (40;41). Individuell zu entscheiden ist die Empfehlung bei pT3pN0
glottischem Larynxkarzinom nach Laryngektomie mit R0 Resektion. Die
Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzu­
streben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es werden einmal täglich
2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 60Gy, die Lymphabflusswege
50Gy.
5.3.2 Radiochemotherapie (RCT)
Die Radiotherapie kann mit einer Chemotherapie kombiniert werden.
Dies kann sequentiell, alternierend oder simultan (konkomitant) erfolgen.
Dabei hat sich die konkomitante RCT gegenüber den sequentiellen
Formen als überlegen erwiesen (42). Die primäre kombinierte RCT ist bei
fortgeschrittenen Tumorstadien (UICC III und IV) der alleinigen RT überlegen,
geht allerdings mit einer erhöhten Morbidität einher. Die RCT kann primär
erfolgen bei nicht-resektablen fortgeschrittenen Kopf-Halskarzinomen oder
mit dem Ziel des Organerhalts bzw. des Erhalts der Organfunktion bei
Pharynx- und Larynxkarzinomen. Die postoperative RCT ist indiziert bei R1Resektion und extrakapsulärem Wachstum von Halslymphknotenmetastasen.
Bei Lymphangiosis carcinomatosa, perineuraler Invasion und Gefäßeinbruch
bei fortgeschrittenen Tumorstadien ist die postoperative RCT zu erwägen.
Zum Ausschluss von Kontraindikationen gegen eine Chemotherapie muss
vor Beginn einer RCT eine Freigabe durch einen Hämatologen/Onkologen
erfolgen.
Kopf-Halskarzinome Therapie
79
Primäre RCT
Primäre konkomitante RCT
Alternative zu OP + RT bei
fortgeschrittenen Stadien
Die primäre RCT ist bei nicht-resektablen fortgeschrittenen Kopf-Hals­
karzinomen indiziert und kann mit dem Ziel des Organerhaltes bzw. der
Organfunktion bei resektablen Pharynx- und Larynxkarzinomen durchgeführt
werden. Für Larynx und Hypopharynxkarzinome wurden die Indikationen
zum Organerhalt vom internationalen Larynx Preservation Consensus Panel
beschrieben. Demnach ist der Larynxerhalt durch RCT indiziert bei Patienten
mit T2 und T3 Karzinomen des Larynx oder Hypopharynx, die nicht für
einen partielle Laryngektomie in Frage kommen, keine Tracheotomie, keine
Schluck­störung, keine Aspirationen und ein Alter unter 70 Jahren aufweisen.
In einem kürzlich erschienen Cochrane Report war die kombinierte RCT der
alleinigen RT bei nicht-resektablen Mundhöhlen- und Oropharynxkarzinomen
überlegen. Allein CDDP basierte RCTs waren hinsichtlich der Gesamt­
mortalität der alleinigen RT bei einer OR von 0,66 (95% CI 0,57-0,77)
überlegen. Zusätzlich 5-FU zu CDDP zeigte keine Verbesserung gegenüber
allein CDDP basierten RCTs (OR im Vergleich zur alleinigen RT 0,71, 95% CI
0,62-0,81). Andere RCT-Kombinationen zeigten teils schlechtere Ergebnisse
als die alleinige CDDP-basierte RCT (43)
Als Referenzverfahren bei nicht resektablen Tumoren oder zum Organerhalt
bei resektablen Tumoren wird die kombinierte RCT mit 70 Gy und 100 mg/m2
Cisplatin an den Tagen 1, 22 und 43 angesehen. (44) Die Strahlenbehandlung
erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine
intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es werden einmal täglich 2Gy appliziert.
Die Primärtumorregion erhält 70Gy, die Lymphabflusswege zwischen 50 und
60Gy.
Postoperative RCT mit CDDP
Postoperative RCT
nach R1-Resektion
oder extrakapsulärem
Lymphknotenbefall
In zwei unabhängigen prospektiven randomisierten Untersuchungen (EORTC
#22931 und RTOG # 9501) wurde eine postoperative normofraktionierte RT
mit 60-66 Gy in einem Untersuchungsarm um CDDP 100 mg/m2 an den
Tagen 1, 22 und 43 ergänzt. Die Untersuchungen zeigten konsistent eine
Überlegenheit der postoperativen RCT gegenüber der alleinigen RT. Der
Vorteil der postoperativen RCT gegenüber der postoperativen alleinigen RT
beschränkte sich auf Patienten nach R1-Resektion oder mit extrakapsulärem
Lymph­knoten­befall. Die Kombination von normofraktionierter RT ( 60-66 Gy)
mit 3 Zyklen CDDP mit 100 mg/m2 wird derzeit wegen der guten Datenlage
durch diese beiden großangelegten Untersuchungen als Referenzverfahren
der postoperativen RCT angesehen. Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form
80
einer CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte
Kopf-Halskarzinome Therapie
Bestrahlung. Es werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion
erhält 70Gy, die Lymphabflusswege zwischen 50 und 60Gy.
Alternative primäre und postoperative RCT mit 2 Zyklen täglicher CDDP
Gabe 20 mg/m2 mit 5-FU
Alternativ kann ein anderes CDDP Dosierungsschema in Kombination mit
5-FU verwendet werden. Hierbei werden 20 mg/m2 an den Tagen 1 bis 5
und 29 bis 33 in Kombination mit 5-FU als kontinuierliche Infusion über 120
Stunden mit einer Tagesdosis von 600 mg/m2 Körperoberfläche gegeben
(45). Es werden 70 Gy bei primärer RCT gegeben und 60-66 Gy nach R1
Resektion bzw. extrakapsulärem Lymphknotenwachstum.
Alternative primäre und postoperative RCT mit 2 Zyklen Mitomycin C
(MMC) und 5-Flurouracil (5-FU)
Aufgrund der guten Verträglichkeit empfehlen wir eine kombinierte Radio­
chemotherapie mit Mitomycin C 10 mg/m²/d (Absolutdosis 15 mg/d) d1 und
d36 und 5-FU 1000 mg/m²/d (Absolutdosis 1500 mg/d) d1-4 und d36-39 (nur
an Bestrahlungstagen). Eine erste Auswertung der HART-B-Studie (Budach
et. al.) hat in der lokalen Wirksamkeit einen Vorteil für 5-FU/MMC ergeben,
während 5-FU/Cisplatin eine bessere Wirkung auf Fernmetastasen zeigte.
5.3.3 Radioimmuntherapie
Als Alternative zur RCT kann bei fortgeschrittenen Kopf-Halskarzinomen
eine Radioimmuntherapie mit Cetuximab erfolgen. Cetuximab ist ein für die
Therapie von Kopf-Halskarzinomen zugelassener monoklonaler Antikörper
gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor. In einer prospektiven,
Radioimmuntherapie
Alternative zur
Radiochemotherapie
randomisierten Studie war die Kombination von RCT + Cetuximab der
alleinigen Radiotherapie überlegen (46;47). Es ist wie bei der RCT mit einer
erhöhten Morbidität im Vergleich zur alleinigen RT zu rechnen. Cetuximab
wird in einer Dosis von 400 mg/m2 an d1 gegeben (loading dose) und
dann wöchentlich während der Dauer der Bestrahlung in einer Dosis von
250 mg/m2. Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten
3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es
werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 70Gy,
die Lymphabflusswege zwischen 50 und 60Gy. Es sind anaphylaktische
Reaktionen auf die Antikörpergabe möglich, die durch IgE-Antikörper gegen
das Oligosccharid Galactose-alpha-1,3-Galactose auf dem Fab Fragment der
schweren Kette des Antiköpers bedingt sind. Für die häufigen akneartigen
Hautveränderungen existieren standardisierte Behandlungskonzepte.
Kopf-Halskarzinome Therapie
81
5.4
Systemische Therapie
5.4.1 Palliative systemische Therapie
Besteht die klinische Situation eines Lokalrezidivs ohne Möglichkeit
für eine radiotherapeutische oder chirurgische Intervention bzw. liegen
Fernmetastasen vor, so ist von einer palliativen Therapiesituation auszu­
gehen. In dieser Konstellation ist die Sinnhaftigkeit einer palliativen
systemischen Therapie zu evaluieren. Ziel einer derartigen Therapie ist
primär die Linderung tumorassoziierter Symptome, damit verbunden eine
Verbesserung der Lebensqualität sowie sekundär auch eine Verlängerung
der Überlebenszeit. Generell wird der Einsatz palliativer Systemtherapien bei
Patienten mit Plattenepithel-Karzinomen des HNO-Bereichs häufig durch das
Vorliegen von schwerwiegenden Komorbiditäten, reduziertem Performance
Status sowie schlechter sozialer Einbettung der Betroffenen verkompliziert.
Dementsprechend sind diese Faktoren bei der Auswahl der Therapie
unbedingt zu berücksichtigen.
Für Patienten mit gutem Allgemeinzustand hat sich die Kombination
Cisplatin/5-FU/Cetuximab als Standard etabliert:
Lebensverlängerung
bei oft guter Lebensqualität
durch Systemtherapie
Cisplatin
100 mg/m2
Tag 1
5-FU
1000 mg/m2
Tag 1-4
Cetuximab
400 mg/m2
Tag 1 bzw.
dann 250 mg/m2 wöchentlich
Zykluswiederholung
Tag 22
Bei entsprechend guter Verträglichkeit und adäquater Wirkung (zumindest
Krankheitsstabilisierung) sollte die Verabreichung von 6 Zyklen dieser
Therapie angestrebt werden. Im Anschluss daran ist die Fortführung einer
Cetuximab-Erhaltungstherapie bis zur Progredienz zu empfehlen. Bei
Vorliegen einer Kontraindikation gegen Cisplatin (v.a. Niereninsuffizienz)
kann alternativ auch Carboplatin (AUC 5) eingesetzt werden.
Ein durchaus großer Prozentsatz der Patienten kommt auf Grund oben
genannter
Faktoren
(reduzierter
Performance-Status,
Komorbiditäten)
nicht für eine Kombinationschemotherapie in Betracht. Für diese Situation
ist kein klarer Standard definiert. Eine ganze Reihe von Zytostatika hat in
Phase-II-Studien grundsätzliche biologische Aktivität bei Patienten mit
Kopf-Halskarzinomen bewiesen. Alle diese Substanzen kommen somit
82
grundsätzlich für eine palliative Monotherapie in Betracht zumal auch
Kopf-Halskarzinome Therapie
aussage­kräftige vergleichende Studien fehlen. Die im Folgenden angeführten
Therapieoptionen stellen somit eine Auswahl aus den gegebenen Möglich­
keiten dar und können je nach klinischer Situation eingesetzt werden:
Platin + Cetuximab: Die Zugabe des EGFR-Antikörpers zu einer Platin-Mono­
therapie erhöht die Ansprechraten, bei gleichzeitig nur geringfügig erhöhter
Toxizität. Diese Therapieoption bietet sich somit in Fällen mit hoher palliativer
Dringlichkeit, jedoch Kontraindikation gegen eine Triple-Kombination (Cis/5FU/Cetuximab), an.
Docetaxel: Taxane weisen in Phase-II-Studien neben Platinderivaten die
höchsten Ansprechraten auf. Ein Vorteil von Docetaxel liegt im von der
Nierenfunktion unabhängigen Metabolismus.
Methotrexat (MTX): MTX galt lange Zeit als Referenzstandard. Auf Grund
seiner guten Verträglichkeit stellt es eine vor allem bei älteren oder komorbiden
Patienten eine Therapieoption dar. Da deutliche Tumorregressionen unter
MTX jedoch selten sind gilt dies insbesondere dann, wenn eine Krankheits­
stabilisierung für einen palliativen Nutzen ausreichend ist.
Cetuximab-Monotherapie: Geringe Toxizität. Moderate Ansprechraten (ca.
15%). Survival – Benefit als Monotherapie nicht durch randomisierte Studien
abgesichert.
Zweitlinientherapie:
Der palliative Nutzen einer Zweitlinientherapie ist nicht erwiesen und es ist
kein Standardvorgehen definiert. Dennoch ist ihr Einsatz weit verbreitete
klinische Praxis. Der TAKO empfiehlt in dieser Situation eine besonders
strenge Risiko-Nutzen-Abwägung. Generell sollte einer Monotherapie
der Vorzug gegenüber einer Kombinationstherapie gegeben werden. Zur
Auswahl stehen prinzipiell jene Substanzen, die bereits im Abschnitt zur
Erstlinien­therapie angeführt wurden.
5.4.2 Präoperative neoadjuvante Chemotherapie bei Erstbehandlung
fortgeschrittener Tumorstadien
Zur präoperativen Chemotherapie bei Erstbehandlung fortgeschrittener
Tumor­stadien wurden in den 80er und 90er Jahren zahlreiche Studien
durch­geführt. In einer Meta-Analyse ergab sich für diese Behand­lungs­­
strategie insgesamt kein signifikanter Überlebensvorteil. Für die spezi­
fische Kombination Cisplatin/5-Fluorouracil war ein solcher Benefit zwar
Kopf-Halskarzinome Therapie
83
detektierbar, er war jedoch numerisch deutlich geringer ausgeprägt als
jener für eine konkomitante Radiochemotherapie, sodass diese das
zu bevorzugende Therapieprocedere darstellt. In der Praxis für eine
neoadjuvante Chemotherapie nachteilig sind des weiteren die Verzögerung
der definitiven Therapie, die manchmal fehlende Bereitschaft der Betroffenen,
sich nach einer präoperativen Chemotherapie noch einer definitiven Therapie
zu unter­ziehen und das medikolegale Problem, wenn nach präoperativer
Chemo­therapie im Resektionspräparat kein Tumor mehr nachweisbar ist.
5.4.3 Induktionschemotherapie vor kombinierter Radiochemotherapie
bei Erstbehandlung fortgeschrittener Tumorstadien
Ob die Sequenz aus einer taxanhaltigen Induktionschemotherapie (Docetaxel
/Cisplatin/5-FU = TPF-Schema) gefolgt von einer Radiochemo- oder Radio­
immun­therapie einer alleinigen Radiochemo/immuntherapie überlegen ist,
wird derzeit in randomisierten Studien geprüft. Bis zum Vorliegen dieser
Resultate wird dieses Vorgehen als experimentell angesehen uns sollte
Besonders bei organ- oder
funktionserhaltenden
Konzepten ist die
Feststellung des
Remissionsstatus und
Einleitung weiterer
Therapiemaßnahmen
bei unvollständigen
Ansprechen essentiell
außerhalb von Studien einzelnen, speziellen Situationen (z. Bsp. junge
Patienten mit sehr gutem Allgemeinzustand und ausgeprägten Lokal­
symptomen sowie Unmöglichkeit zu einem unverzüglichen Beginn der Radio­
chemotherapie) vorbehalten bleiben (43;49).
5.5 Feststellung des Remissionsstatus
Bei nicht-chirurgischer Therapie ist klinisch die Einteilung nach den WHO
Response-Kriterien (50) üblich und wird für Tirol auch für die Beschreibung
des Remissionsstatus nach chirurgischer Therapie empfohlen:
Vollständiges Ansprechen
(Complete response; CR)
Verschwinden aller bekannten Krankheitsmanifestationen
Partielles Ansprechen
(Partial response; PR)
Größenabnahme aller bekannten Krankheitsmanifestationen (total
tumor load) um 50% oder mehr ohne neu aufgetretene Läsionen oder
Größenzunahme auch nur einer Läsion
Keine Veränderung
(No change; NC)
Weder eine Größenabnahme aller Tumormanifestationen um
mindestens 50% noch eine Größenzunahme von 25% oder mehr von
einer oder mehreren Tumormanifestationen noch Entstehung neuer
Läsionen
Progressive Erkrankung
(Progressive disease; PD)
Größenzunahme von 25% oder mehr von einer oder mehreren
Läsionen oder Entstehung neuer Läsionen.
Die modernere und aufwändigere Einteilung nach den RECIST-Kriterien (51)
84
wird für klinische Studien empfohlen.
Kopf-Halskarzinome Therapie
Die Erfassung des Remissionsstatus soll 6-8 Wochen nach Abschluss der
Therapie erfolgen und umfasst neben einer Endoskopie der ehemaligen
Primärtumorregion mit histologischer Sicherung ein CT der ehemaligen
Primärtumorregion, des Halses, des Thorax und des Abdomens.
5.6 Phase I Rehabilitation
Dem Rehabilitationsplan 2009 der ÖBIG Forschungs- und Planungs­
gesellschaft mbH folgend wird unter Phase I Rehabilitation (Akutrehabilitation)
die Frühmobilisation im Akutkrankenhaus verstanden. Diese umfasst
physika­lisch-therapeutische Einzelmaßnahmen, funktions­orientierte physika­­
lische Therapie, physikalisch-medizinische Komplex­behandlung und die
mehrdimensionale funktionelle Stimm- und Schluckrehabilitation („phonia­
trisch-logopädische Intensivtherapie“) vor allem bei Aspiration und Aphonie
sowie den Einsatz weiterer Therapiebereiche (Ergotherapie, Psychotherapie,
Logo­pädie) in patientenbezogenen unterschiedlichen Kombinationen und
bei unterschiedlichem Zeitaufwand. Für diese Phase wird zum Teil auch der
Begriff „Akutrehabilitation“ verwendet. Die Phase I Rehabilitation hat in der
Behandlung von Kopf-Halstumoren einen hohen Stellenwert.
5.7 Therapiegrundsätze bei Rezidiv, Tumorpersistenz oder Fern­
metastasierung
Das Auftreten von lokoregionären Rezidiven oder Tumorpersistenz ist
prognostisch ungünstig, unter anderem weil die Behandlungsmöglichkeiten
durch vorangegangene Therapien oft eingeschränkt sind. Es gelten grund­
sätz­lich die gleichen therapeutischen Prinzipien wie bei der Behandlung
von erstdiagnostizierten Erkrankungen. Bei chirurgischer Resektion sind
wegen der schlechten lokalen Heilungsaussichten infolge vorangegangener
Moderne Konzepte
bei Rezidiv oder
Fernmetastasen
wirksam
Behandlungen im Regelfall gefäßgestielte oder freie Transplantate zur
Defekt­rekonstruktion erforderlich. In vielen Fällen besteht die Möglichkeit
für eine Reirradiation, auch in Kombination mit einer Chemotherapie. Bei
singulären oder wenigen Fernmetastasen in Lunge oder Leber bieten sich
chirurgische Resektion, Radiofrequenztherapie oder extrakranielle stereo­
taktische Bestrahlung als moderne Therapiemöglichkeiten an. Besteht keine
Möglichkeit für chirurgische oder strahlentherapeutische Intervention, stehen
palliative chemotherapeutische Verfahren im Vordergrund. Für die Grund­
sätze der supportiven Therapie wird auf die diesbezügliche TAKO-Leitlinie
verwiesen.
Kopf-Halskarzinome Therapie
85
6 Nachsorge und
Rehabilitation
6.1 Nachsorgeuntersuchungen
Tumornachsorge dient einerseits der Früherkennung von Rezidiven und
Zweit­tumoren. Hierzu erfolgen an jedem Nachsorgetermin routinemäßig
klinische Untersuchungen und zu bestimmten Terminen (s. Abbildung)
zusätz­liche bildgebende Untersuchungen. Andererseits dient die Tumor­
nach­sorge der Behandlung von Erkrankungs- und Therapiefolgen, der
Optimierung der Rehabilitation sowie der Dokumentation und Qualitäts­
sicherung. In der ersten Tumornachsorgeuntersuchung wird zunächst
geprüft, ob das Behandlungskonzept schon vollständig umgesetzt ist
oder z.B. noch eine Behandlung von Residualtumor erforderlich ist, ob ein
Tracheo­­stomaverschluss oder eine PEG-Entfernung ansteht und ob schon
eine Anschlussheilbehandlung erfolgt ist. Außerdem werden Folgen und
Komplikationen dokumentiert, die Patienten über den bisherigen Verlauf der
Behandlung beraten und ein Rehabilitationsplan erstellt. Oft ist eine psycho­
onkologische Behandlung erforderlich (s. Kapitel 7). Eine dritte wichtige
Funktion von Nachsorgeuntersuchungen ist die optimale supportive Therapie
bei inkurabler Situation.
Empfohlene Nachsorge bei
Kopf-Halstumoren, Intervalle
und Untersuchungen
Zu den regelmäßigen Untersuchungen im Rahmen der Tumornachsorge
zählen neben der klinischen Untersuchung die Messung des Köpergewichts
und die Blutentnahme für Laboruntersuchungen. Bei Lymphödem wird eine
Lymph­drainage, bei Schulter-Arm-Syndrom oder Einschränkung der Hals­
86
beweg­lichkeit eine Physiotherapie und bei Sprech-, Stimm-, oder Schluck­­
Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation
störung eine logopädische Therapie eingeleitet. Wesentlich ist die sorgfältige
Zahnhygiene und Trismusprophylaxe, gelegentlich ist eine Schmerz­therapie
erforderlich.
6.1.1 Erkennung von Rezidiven oder persistierender Tumorerkrankung
Die möglichst frühe Erkennung von Rezidiven der Tumorerkrankung ist eine
wesentliche Aufgabe der Tumornachsorge. Sie erfolgt durch Anamnese­
erhebung (neu aufgetretene Symptome, Gewichtsverlust, Verän­de­rungen
der Schluck- oder Stimmfunktion) und klinische Untersuchung einschließ­lich
Untersuchung mit starren oder flexiblen Optiken und Palpation. Bei unklaren
Befunden werden weiterführende bildgebende Untersuchungen oder eine
Spiegelung in Narkose mit Histologiegewinnung veranlasst. Bei begründetem
Verdacht auf ein Rezidiv oder Tumorpersistenz erfolgt eine Vorstellung im
interdisziplinären Tumorboard.
6.1.2 Erkrankungsfolgen
Häufige Folgen der Erkrankung und ihrer Behandlung umfassen
• Störungen von Mundöffnung, der Kau- und Schluckfunktion,
• Zahnprobleme (Karies, Parodontose und Zahnausfall, Zust. n. Kiefer(teil)
resektionen, oft ist eine aufwändige zahnärztliche und Mund-KieferGesichtschirurgische Behandlung erforderlich),
• Strahlenulzera und Osteoradionekrose,
• Lymphstau,
• Mundtrockenheit (Xerostomie), chronische Entzündung der Mund- und
Rachenschleimhäute, Verlust des Schmecksinnes,
• Gewichtsverlust, Depressionen, Schwächung und Erschöpfung in Folge
der Erkrankung und erschwerter Nahrungsaufnahme (oft PEG erforderlich),
Anämie,
• Verlust der Stimme, Artikulationsstörungen und undeutliche Sprache,
offenes Näseln,
• rezidivierende Atemnotzustände, bleibender Luftröhrenschnitt (Halsatmer),
• Beeinträchtigungen der Kopf- und Armbeweglichkeit, Hals- Schulter­
schmerzen, Fehlstellungen von Kopf und Schulter,
• ästhetische Beeinträchtigung (Verlust der oralen Kompetenz, Bartwuchs­
störungen, Narben, Hals- Asymmetrie, Lymphödem, Dermatitis)
• oft
bleibende Arbeitsunfähigkeit,
wirtschaftliche
Probleme,
sozialer
Rückzug (Regression).
Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation
87
Bei den beschriebenen Folgezuständen handelt es sich um häufige und
schwere Gesundheitsstörungen. Bei frühzeitiger konsequenter Behandlung
kann man die Entstehung dieser Gesundheitsstörungen verhindern oder
wesentlich abmildern, eine Chronifizierung vermeiden und die Lebensqualität
der Betroffenen erheblich verbessern. Außerdem trägt eine Behandlung
wesentlich dazu bei, die Selbständigkeit im Alltag und die Arbeitsfähigkeit
wiederherzustellen.
6.1.3 Laboruntersuchungen
Zu den routinemäßig durchgeführten Laboruntersuchungen zählen ein
kleines Blutbild, TSH, Elektrolyte und Präalbumin. Diese Untersuchungen
werden im Bedarfsfall ergänzt.
6.1.4 Ernährung, Körpergewicht, Leistungsfähigkeit
Bei den Nachsorgeuntersuchungen soll der Ernährungszustand durch das
Hauptscreening des Nutrition Risk Screening 2002 (NRS) in regelmäßigen
Abständen erfolgen. Bei Werten ≥ 3 soll eine Ernährungstherapie durch
Fachkräfte für Diätologie eingeleitet werden.
6.1.5 Dentale Nachsorge
Nach erfolgter Therapie stehen regelmäßige (alle 3 Monate) Kontrollen
zur frühzeitigen Erfassung und adäquaten Therapie radiogen induzierter
Komplikationen an der Bezahnung und an Kieferknochen sowie an der
Mund­schleimhaut im Mittelpunkt. Im speziellen zu bewältigende Störungen
betreffen Bestrahlungskaries, Einbissverletzungen durch Lymphstau von
Hals und Zunge, Xerostomie, Trismus und Osteoradionekrose.
In der Nachsorge sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
• Weiterführende Fluoridapplikation
• Maßnahmen zur Stimulation der Speichelflußrate
• Prothesenkarenz mindestens 3 bis zu 6 Monate
• Wiederherstellung der Kaufunktion: wegen des reduzierten Restzahn­
bestandes, der Radioxerostomie, tumor-bedingter Kieferdefekte und der
Verminderung der muskulären Balance aufgrund von Operations­narben und
fibrotischer Strahlenfolgen ist eine konventionelle zahnärztlich-prothetische
Versorgung oft nicht möglich, wünschenswert wären Implantat-getragene
Zahnersatzversorgungen
88
Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation
• Konservierende Maßnahmen können durchgeführt werden, viel wichtiger
ist aber die gute Mundhygiene, ein kariesprotektives Prophylaxeprotokoll
und regelmäßiger Recall zur Begutachtung der Mundhygiene.
• Eine Zahnextraktion sollte nicht vor Ablauf eines halben Jahres nach
Beendigung einer Bestrahlung durchgeführt werden, falls notwendig nur
unter folgenden Kautelen: perioperative, systemische antiinfektive Prophy­
laxe, möglichst atraumatisch ohne Osteotomie, Alveolotomie, primär
plastische Schleimhautdeckung.
• Implantate zur Haltverbesserung sollten im Unterkiefer frühestens 10
Monate nach Abschluss der Strahlentherapie eingebracht werden.
• Bei nicht heilenden Ulzera im Kieferbereich bzw. Verdacht auf Osteo­
radionekrose ist eine umgehende kieferchirurgische Vorstellung indiziert.
• Dehnungsübungen der Mundöffnung zur Behandlung oder Vorbeugung
der Verschlechterung einer Kieferklemme sollten gegebenenfalls täglich
durchgeführt werden.
6.1.6 Sozialmedizinische Betreuung in der Nachsorge
Die Diagnose eines Kopf-Halstumors hat weitreichende Folgen für die
Lebenssituation der Betroffenen. Sie sind oft auch nach der stationären
Entlassung auf professionelle Hilfe durch Sozialberatung angewiesen,
die in die Tumornachsorge eingebunden werden soll. Die Sozialberatung
unterstützt Patienten mit Kopf-Halstumoren unter anderem bei der
Antrags­stellung einer Anschlussheilbehandlung, bei Pensionsanträgen,
Pflegegeld, Mietzinsbeihilfen, Grundsicherung, sowie Geltendmachung von
sozialen Ansprüchen und Maßnahmen zur finanziellen Absicherung. Oft
brauchen Betroffene Unterstützung bei Verhandlungen mit Krankenkassen,
Pensionsversicherungen, Gerichten, Arbeitsämtern und weiteren Beratungs­
stellen. Die sozialmedizinische Versorgung ist in ein regionales Netzwerk von
Sozial- und Pflegestationen, Rehabilitationseinrichtungen, niedergelassenen
Ärzten, Palliativ- und Hospizeinrichtungen eingebunden.
Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation
89
6.2 Phase II Rehabilitation
Die Phase II Rehabilitation erfolgt entweder nach Phase I im Anschluss an
das Akutkrankenhaus (= „Anschlussheilverfahren“ oder „Rehabilitation nach
Unfall“) oder nach einer akuten Krankenbehandlung im extramuralen Bereich
(= „Rehabilitationsheilverfahren“). Sie findet grundsätzlich in Einrichtungen
statt, die im Sinne des § 2 (1) KAKuG als Sonderkrankenanstalten genehmigt
sind, die vorwiegend der Rehabilitation dienen. Der Übergang in die stationäre
Rehabilitation erfolgt bei Anschlussheilverfahren entweder unmittelbar bzw.
innerhalb von zwölf Wochen im Anschluss an einen Spitalsaufenthalt oder
nach einer rehabilitationsrelevanten Krankenbehandlung, jedenfalls aber
erst dann, wenn eine ausreichende Stabilität der Patientin/des Patienten für
die Anwendung rehabilitativer Therapie in der erforderlichen Intensität und
Dauer besteht. Rehabilitationsmedizinische Maßnahmen im Ausmaß von
mindestens zwei bis drei Stunden täglich sollen durchgeführt werden können.
Für die Rehabilitation der oben beschriebenen Erkrankungsfolgen kann
durch eine geeignete stationäre Therapie den Gesundheitszustand dauerhaft
Anschlussheilbehandlung
nach Therapie
fortgeschrittener
Kopf-Halstumore in
spezialisierten Kliniken
gebessert und wiederholte stationäre Aufnahmen in Einrichtungen der
Akut- und Maximalversorgung reduziert werden. Die stationäre Behandlung
von Folgezuständen nach Kopf-Halstumorerkrankung in einer hierfür
spezialisierten
Einrichtung
muss
fester
Bestandteil
der
integrativen
Versorgung von Patienten mit Kopf-Halstumoren sein. Die stationäre
Behand­lung ist wegen der notwendigen Therapiedichte und Intensität (viele
aufeinander abgestimmte Behandlungen) in einer speziell dafür eingerich­
teten Klinik erforderlich.
6.2.1 Geeigneter Zeitpunkt und Dauer für Phase II Rehabilitation
Im Regelfall sollte die erste stationäre Behandlung der Gesundheitsstörungen
nach Kopf-Halstumor ca. 6 Wochen nach Abschluss der Initialtherapie
erfolgen, also unter folgenden Bedingungen:
• abgeschlossene Primärbehandlung - stabile Sekundärheilung,
• Wundheilung abgeschlossen,
• Fistelheilung bei Stimmanbahnung abgeschlossen,
• Bestrahlung seit ca. 6 Wochen beendet,
• Akute Haut- und Schleimhautentzündung ausgeheilt,
• Mundtrockenheit und Lymphschwellung im Kopf-Halsbereich beginnend,
aber noch nicht über Monate manifest und dadurch schwerer beeinflussbar,
• Patient muss sich selbst versorgen können und aktiv am Behandlungs­
90
programm teilnehmen.
Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation
Die Dauer des stationären Aufenthalts wird nach medizinischen Gesichts­
punkten festgelegt und beträgt im Regelfall 3 Wochen.
6.2.2 Erforderliches Behandlungsangebot
Für die Phase II Rehabilitation von Patienten mit Kopf-Halstumoren braucht
es ein spezialisiertes und umfassendes, eng aufeinander abgestimmtes
Behandlungsangebot mit hoher Behandlungsdichte. Erforderlich sind unter
anderem:
• Beratung im Umgang mit der Erkrankung und deren Folgen
• Stimm- und Sprachtherapie (Logopädie)
• Schlucktherapie (z.B. Facial-Oral Tract Therapy)
• Spezielle Ernährungsberatung für Kopf-Hals-Patienten
• Hilfsmittelschulung (Kanüle, PEG-Sonde)
Phase II Rehabilitation
von Patienten mit
Kopf-Halstumoren
braucht ein
spezialisiertes und
umfassendes, eng
aufeinander abgestimmtes
Behandlungsangebot mit
hoher Behandlungsdichte
• Atemtherapie
• Lymphdrainage zur Entstauung der Kopf-Halslymphschwellung
• Schmerzlinderung bei Kopf-Halslymphschwellung (z.B. Marnitztherapie)
• Verbesserung der Beweglichkeit im Hals- Schulter- Oberarmbereich
(Physiotherapie)
• Medikamentöse und physiotherapeutische Schmerzbehandlung
• Wassertherapie für Kehlkopflose
• Psychologische und psychoonkologische Betreuung
• Sozialmedizinische Beratung
• Mitbehandlung
von Begleiterkrankungen
durch Internisten, Gastro­
enterologen, Urologen und Gynäkologen.
6.3 Ambulantes Behandlungsangebot und Home-Care
Die stationären Behandlungsmöglichkeiten sollten um ein ambulantes
Behand­lungsangebot ergänzt werden, das auf die speziellen Bedürfnisse von
Kopf-Halstumorpatienten abgestimmt ist. Schwerpunkte hierfür sind Stimmund Sprachtherapie (Logopädie), Schlucktherapie, Spezielle Ernährungs­
beratung für Kopf-Hals-Patienten, Hilfsmittelschulung, Lymphdrainage zur
Entstauung der Kopf-Halslymphschwellung, Physiotherapie, Medikamentöse
und physiotherapeutische Schmerzbehandlung, psychoonkologische Betreu­
ung und sozialmedizinische Beratung.
Eine wichtige Funktion haben die Home-Care Einrichtungen von Herstellern
von Hilfsmitteln für Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren. Durch sie erfolgt eine
Patientenschulung und Anleitung bei der Verwendung von Hilfsmitteln und
bei der Ernährung über Sonde.
Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation
91
Es wird als vorteilhaft erachtet, ambulanten Dienste und ambulantes
Behandlungsangebot in ein integratives Behandlungskonzept einzubinden.
Hierzu ist das vorhandene Behandlungsangebot zu sichten, die spezielle
Kompetenz für die Patienten mit Kopf-Halstumoren sicherzustellen und es
sind den Patienten brauchbare Empfehlungen an die Hand zu geben.
6.4 Selbsthilfegruppen
In Tirol gibt es derzeit keine Selbsthilfegruppe für Kopf-Halstumorpatienten
oder Kehlkopflose und Halsatmer. Es wird vorgeschlagen, gemeinsam
mit der Tiroler Krebshilfe, der Selbsthilfe Tirol - Dachverband der Tiroler
Selbsthilfegruppen und -vereine im Gesundheitsbereich sowie dem Verein der
Kehlkopflosen und Halsatmer Österreichs die Bildung einer Selbsthilfegruppe
Kopf-Hals-Tumore oder einer Tiroler Sektion des Verein der Kehlkopflosen
und Halsatmer zu unterstützen.
92
Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation
7 Psychosoziale Aspekte
und Psychoonkologie
7.1 Begriffsdefinition „Psychoonkologie“
Die Psychoonkologie ist eine interdisziplinäre Fachrichtung, deren Ziel es ist,
die verschiedenen psychosozialen Aspekte in Entstehung, Behandlung und
Verlauf einer Krebserkrankung im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter
wissenschaftlich zu untersuchen und die entsprechenden Erkenntnisse in die
Versorgung und Behandlung der PatientInnen und deren Bezugspersonen
umzusetzen.
Die drei wesentlichen Aufgabenbereiche in der Psychoonkologie beinhalten:
• Die Betreuung und Behandlung der onkologischen PatientInnen sowie die
Unterstützung der Angehörigen und Bezugspersonen.
Die drei wesentlichen
Aufgabenbereiche
in der Psychoonkologie
• Die Arbeit mit den onkologischen Behandlungsteams, die neben dem
interdisziplinären Austausch über die einzelnen PatientInnen vor allem in
Form von psychoonkologischen Fallkonferenzen, Super- oder Intervision
sowie Aus- und Fortbildungsangeboten durchgeführt wird.
• Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit psychosozialen Themen in
der Onkologie.
7.2 Grundprinzipien der psychoonkologischen Versorgung
Die Psychoonkologie ist ein integraler Bestandteil der onkologischen
Diagnostik, Behandlung und Nachsorge von PatientInnen mit KopfHalstumoren.
Über
entsprechende
Fachgesellschaften
werden
in
Österreich Fort- und Weiterbildungs- Curricula angeboten, um die fachliche
Qualifikation sicherzustellen. Die psychoonkologische Betreuung erfolgt
im interdisziplinären Ansatz, in der Zusammenarbeit mit allen an der
Behandlung des Patienten/der Patientin beteiligten Berufsgruppen, also
PsychologInnen,
ÄrztInnen,
PflegerInnen,
ErnährungstherapeutInnen,
LogopädInnen, PhysiotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen, SeelsorgerInnen
etc. Dies impliziert, dass eine psychoonkologische Fachkraft im jeweiligen
Versorgungssetting (stationäre und ambulante Behandlung, stationäre
Rehabilitation, ambulante Nachsorge) im Behandlungsteam integriert ist und
in regelmäßigem Austausch mit den medizinisch Behandelnden steht. Im
stationären Kontext gewährleistet die Verankerung der psychoonkologischen
Betreuung im Liaisonmodell durch eine hohe personelle Konstanz, eine
regelmäßige Anwesenheit zu festgelegten Zeiten, durch die Teilnahme
an Visiten, interdisziplinären Fallbesprechungen sowie durch interne
Fortbildungstätigkeit
über
psychoonkologische
Fragestellungen
die
Integration von psychoonkologischen Interventionen und Wissen in den
klinischen Alltag.
Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte
93
• Psychoonkologische Behandlungsmaßnahmen sollten in das Gesamt­
konzept der onkologischen Therapie integriert werden.
• Alle PatientInnen sollen frühzeitig über Möglichkeiten psychoonkologischer
Hilfestellungen informiert werden.
7.3 Psychoonkologische Versorgungskonzepte und Interventionen
Psychoonkologische Versorgung von PatientInnen mit Kopf-Halstumoren
beinhaltet eine patientengerechte Information und Beratung, eine qualifizierte
psychologische Diagnostik und Bedarfsfeststellung sowie eine gezielte
psychoonkologische Behandlung zur Unterstützung der Bewältigung der
Erkrankungs- und Behandlungsfolgen. Die Einbeziehung des sozialen
Umfeldes, die Entlastung und Unterstützung der Angehörigen ist selbst­
verständlicher Bestandteil psychoonkologischer Arbeit.
Die Mannigfaltigkeit und Komplexität möglicher psychischer Beeinträch­
tigungen bei Kopf-Halstumoren in unterschiedlichen Krankheits- und
Behandlungs­phasen erfordern, dass der psychosoziale Behandlungsbedarf
individuell festgestellt wird und eine psychoonkologische Fachkraft bei Bedarf
einbe­zogen wird. Nur so kann auf die unterschiedlichen Problemlagen und
Belastungen von PatientInnen adäquat eingegangen werden.
Im
Kopf-Hals-Bereich
lokalisierte
Tumore
beeinträchtigen
je
nach
Ausdehnung die grundlegendsten menschlichen Funktionen wie das
Sprechen, das Schlucken, die Nahrungsaufnahme etc. und zeigen durch
Gesichts­entstellungen „offensichtliche“ Auswirkungen von Krankheit und
onkologischer Therapie. Der Verlust von Organen und Organfunktionen
führt zu Körperbildveränderungen. Die Beeinträchtigung des eigenen
Selbstwerts und die Verunsicherung im Umgang mit anderen Menschen
gehören zu den höchsten Belastungen dieser PatientenInnengruppe. Soziale
Belastungen entstehen häufig durch finanzielle Schwierigkeiten, unversorgte
Familienangehörige – insbesondere Kinder – und nicht gesicherte
Arbeitsplatzsituationen.
Themenbereiche psychoonkologischer Interventionen bei PatientInnen mit
Kopf-Hals-Tumoren sind:
• Angst, Depression, Trauer, Belastungserleben
• Krankheitsverarbeitung, Krankheitseinstellungen
• gesundheitsbezogene Lebensqualität und funktioneller Status
• Körperbild
94
• Selbstkonzept
Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte
• soziale Beziehungen, Kommunikation, Stigmatisierungsgefühle
• Substanzmissbrauch und -abhängigkeit
• Fatigue
• Schmerzen
• Sexualität
• Behandlungscompliance und -adherence
• neuropsychologische Beeinträchtigungen (Aufmerksamkeit, Gedächtnis,
Konzentrationsfähigkeit)
Psychoonkologische Interventionen sind:
• am individuellen Bedarf der Patientinnen auszurichten
• sollten frühestmöglich angeboten werden
• validierte Messinstrumente können zur Bedarfsfeststellung hilfreich sein,
wie z.B.:
- Psychoonkologische Basisdokumentation (PO-Bado)
- Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)
- Hornheider Screening-Instrument (HSI)
- Fragebogen zur Belastung von Krebskranken (FBK)
- NCCN Distress-Thermometer.
Psychoonkologische
Interventionen
bei
Kopf-Hals-TumorpatientInnen
umfassen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung im Akutkrankenhaus,
in der Rehabilitationsklinik und im weiteren Verlauf der Nachsorge oder
palliativen Versorgung folgende Maßnahmen:
• supportive Einzelgespräche
• Krisenintervention
• Patientenschulung, psychoedukative Gruppenintervention
• symptomorientierte Verfahren (Entspannung, Imagination)
• neuropsychologisches Training
• künstlerische Therapieverfahren (Kunst-, Musik- und Tanztherapie)
• Paar- und Familiengespräche, Sexualberatung
• Anbahnung und Vermittlung der Nachsorge
• sozialrechtliche Beratung
• Sterbebegleitung
Zur
Gewährleistung
einer
Kontinuität
der
psychoonkologischen
Betreuung nach der stationären Behandlung sollen die PatientInnen über
weiterführende ambulante und nachsorgende Angebote informiert werden
(Krebsberatungsstellen, niedergelassene PsychoonkologInnen, Selbst­hilfe­
gruppen, Sozialberatung etc.).
Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte
95
Es hat sich als hilfreich erwiesen, neben den klassischen Parametern auch
die Lebensqualität für die Beurteilung und Planung der Diagnostik und
Therapiemaßnahmen mit einzubeziehen.
Für die Erfassung der Lebensqualität können neben dem ausführlichen
Gespräch auch strukturierte und standardisierte Fragebögen (wie bspw.
der EORTC QLQ C30 oder FACT-G) eingesetzt werden. Anhand dieser
Fragebögen können die Befindlichkeit der PatientInnen in somatischen
(Intensität
und
Häufigkeit
körperlicher
Symptome,
funktionelle
Einschränkungen), psychischen (Angst, Depression, kognitive Einschrän­
kungen) und sozialen (Familienleben, Arbeit, Sexualität) Bereichen evaluiert
werden. Sie sind in aufwendigen Studien hinsichtlich ihrer Messgüte
(Reliabilitat, Validität und Sensitivität) überprüft worden. Mittlerweile liegen
Studien zum Einsatz von Lebensqualitätsinstrumenten in der Routine­
versorgung vor.
7.4 Behandlungsbedarf und Indikationsstellung in der Psycho­onko­
logie
PatientInnen mit Kopf-Halstumoren sind durch Diagnose, Behandlung und
Nachsorge einer Vielzahl von psychosozialen Belastungsfaktoren ausgesetzt.
Mehrere Untersuchungen ermittelten bei 40% der PatientInnen mit Tumoren
im Kopf-Hals-Bereich behandlungsbedürftige psychische Auffälligkeiten,
u.a. depressive Störungen, Angststörungen, Fatigue, Schlafstörungen,
Körperbildstörungen etc. Diese psychosozialen Belastungen sind mit einer
Reihe negativer Auswirkungen verbunden, beispielsweise einer schlechteren
Compliance, geringerer Behandlungszufriedenheit, einer eingeschränkten
Krankheitsbewältigung und einer verminderten Lebensqualität. Unbehandelte
psychische Auffälligkeiten können chronifizieren, zu länger andauernder
Hospitalisierung und damit zu erhöhten Behandlungskosten führen. In Studien
zu ökonomischen Auswirkungen psychoonkologischer Behandlungen finden
sich klare Hinweise dafür, dass eine adäquate psychosoziale Versorgung
onkologischer PatientInnen Kosteneinsparungen für das Gesundheitssystem
mit sich bringt. Im Rahmen der fachlichen Anforderungen an zertifizierten
onkologischen Zentren wird u.a. auch der Versorgungsbedarf bzw. die
mindestens notwendige psychoonkologische Ressource mit mindestens 1
Stelle für 300 PatientInnen festgelegt.
96
Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte
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