Aus dem Institut für Anatomie und Zellbiologie (Lehrstuhl II) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (Prof. Dr. med. Dr. h. c. Bodo Christ) Kontrolle der zeitlichen und räumlichen Expression von uncx4.1 im paraxialen Mesoderm des Hühnerembryos Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Vorgelegt 2007 von Julia Schrägle geboren in Freiburg im Breisgau Dekan: Prof. Dr. Christoph Peters 1. Gutachter: Frau Prof. Dr. Felicitas Pröls 2. Gutachter: Prof. Dr. Norbert P. Südkamp Jahr der Promotion: 2008 Meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet Inhalt 1. Einleitung 1 2. Fragestellung dieser Arbeit 13 3. Material und Methoden 14 3.1 Tiere 14 3.2 Operations-Instrumentarium 14 3.3 Herstellung der für die Operationen verwendeten Materialien 15 3.3.1 Operationsnadeln 15 3.3.2 Färbestifte 15 3.3.3 Protein-Träger-Kügelchen 16 3.3.4 Agaroseschalen 17 3.4 Mikromanipulationen 17 3.4.1 Implantation von Barrieren 19 3.4.2 Implantation von Protein-Kügelchen 20 3.4.3 Exstirpations- und Ablationsexperimente 21 3.5 In situ-Hybridisierung (ISH) am ganzen Embryo (whole mount) 25 3.5.1 Präparation der Gensonde uncx4.1 25 3.6.2 Fixierung der Embryonen 28 3.6.3 Durchführung der Hybridisierung 28 3.7 Knorpel- und Knochenfärbung 30 3.7.1 Fixierung der Embryonen 31 3.7.2 Durchführung der Färbung 31 3.8 Anfertigung von Gewebeschnitten am Vibratom 31 3.9 Fotografieren von Embryonen 32 3.10 Chemikalien und Reagenzien 34 4. Ergebnisse 4.1 Expressionsmuster von uncx4.1 im paraxialen Mesoderm 41 41 4.2 Expression von uncx4.1 während der Entstehung und Reifung des Sklerotoms 45 4.3 Expression von uncx4.1 außerhalb der Somiten 48 4.4 Regulation der Expression von uncx4.1 in den Somiten 49 4.4.1 Regulation durch Signale der axialen Strukturen 49 4.4.2 Regulation durch Signale der lateralen Strukturen 55 4.4.3 Regulation durch Signale des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohres 57 4.4.4 Regulation durch Signalproteine 59 5. Diskussion 64 5.1 Regulation der Expression von uncx4.1 im präsomitischen Mesoderm durch intrinsische Mechanismen 5.2 Rolle der uncx4.1-Expression für die Entwicklung des Achsenskeletts 64 69 5.3 Aufrechterhaltung der uncx4.1-Expression durch Signale umgebender Strukturen 5.4 Einfluss des Neuralrohres auf die uncx4.1-Expression 71 74 5.5 Aufrechterhaltung der Segmentpolarität vom präsomitischen Mesoderm bis zur Skelettentwicklung durch uncx4.1 76 6. Zusammenfassung 79 7. Literaturverzeichnis 80 Anhang: Lebenslauf 97 Danksagung 100 Verzeichnis eigener Publikationen 101 Erklärung 102 1 1. Einleitung ——————————————————————————————————— 1. Einleitung In der Entwicklung der Wirbeltiere ist der Aufbau der Körpermetamerie ein entscheidender Meilenstein. Der Aufbau einer geordneten Folge von knöchernen und muskulären Körpersegmenten ist Voraussetzung für eine geordnete Bewegung zu Wasser, an Land und in der Luft. Der Aufbau der Körpermetamerie beginnt bereits während der frühen Entwicklung des Embryos. Daher ist die Betrachtung derselben für das Verständnis der weiteren Entwicklung unerlässlich. Zur Analyse des Aufbaus der Körpermetamerie eignen sich die Maus und das Huhn als experimentelles Modell. Bei diesen Wirbeltieren ist der zeitliche Ablauf der Entwicklung der des Menschen sehr ähnlich, und sie stehen für die Wissenschaft ohne besonderen Aufwand in ausreichender Menge zur Verfügung. In dieser Studie wird das Huhn als Modell zur Erforschung des Aufbaus der Körpermetamerie verwendet. Seine Entwicklung wurde im Jahre 1951 von Hamburger und Hamilton in Stadien eingeteilt (Hamburger und Hamilton, 1951). Zu Beginn seiner Entwicklung besteht der Embryo aus zwei Keimblättern, dem Hypoblast und dem Epiblast. Die Zellen beider Keimblätter weisen eine epitheliale Struktur auf. Durch Organisation entlang einer Achse und Differenzierung einzelner Zellen entsteht an einem Ende des Epiblasten der Primitivknoten, von dem ausgehend der longitudinal verlaufende Primitivstreifen entsteht. Dieser markiert durch seinen Verlauf die Längsachse, das kraniale und das kaudale Ende des Embryos. Zellen des Primitivstreifens wandern während der Gastrulation zwischen den Epiblasten und den Hypoblasten ein und bilden das dritte Keimblatt des Embryos, das Mesoderm (Lawson et al., 1991; Lawson und Pedersen, 1992; Tam et al., 1993). Zuerst wandern die Zellen aus der Mitte des Primitivstreifens nach lateral und bilden das Seitenplattenmesoderm, anschließend wandern Zellen des oberen Drittels des Primitivstreifens und des Primitivknotens ein und bilden das paraxiale Mesoderm, und zuletzt bilden aus dem kaudalen Anteil des Primitivstreifens eingewanderte Zellen das axiale Mesoderm (Lawson und Pedersen, 1992; Tam und Beddington, 1987; Tam et al., 1993). Die einwandernden epithelialen Zellen durchlaufen eine epithelio-mesenchymale Transformation und liegen im Mesoderm als mesenchymale, bindegewebige Zellen vor. 2 1. Einleitung ——————————————————————————————————— Das axiale Mesoderm wird zu einem longitudinal verlaufenden Strang, der Chorda dorsalis, organisiert (Tam und Beddington, 1987). Während der Gastrulation bildet sich der Primitivstreifen von kranial nach kaudal zurück. Aus seinem verbleibenden kaudalen Ende, dem Primitivknoten und Zellen des kaudalen paraxialen Mesoderms entsteht die Schwanzspitze des Embryos (zusammengefasst im Tam und Trainor, 1993). Während der Gastrulation als Stammzellen im Primitivstreifen verbliebene Zellklone fungieren in der Schwanzspitze als Zelllager für das paraxiale Mesoderm und sichern durch Zellteilung und –differenzierung das Längenwachstum des paraxialen Mesoderms – ein Vorgang der als sekundäre Gastrulation bezeichnet wird (Holmdahl 1925; Ooi et al., 1986; Tam und Beddington, 1987; Selleck und Stern, 1991). Nach Abschluss der Gastrulation besteht der Embryo aus drei Keimblättern, dem Ektoderm, dem Mesoderm und dem Entoderm. Die über der Chorda dorsalis liegenden Zellen des Ektoderms differenzieren sich zu neuroektodermalen Zellen und bilden die Neuralrinne, aus der das Neuralrohr als Anlage des zentralen Nervensystems entsteht (zusammengefasst in Tam und Trainor, 1993). Das Ursprungsgewebe der Körpersegmente ist das paraxiale Mesoderm, welches in zwei longitudinalen Strängen parallel zu Neuralrohr und Chorda dorsalis verläuft. Es wird im Kopfbereich durch die Ohrplakode in das kranial gelegene paraxiale Kopfmesoderm und das kaudal davon gelegene präsomitische Mesoderm unterteilt. Durch vom kranialen Ende des präsomitischen Mesoderms zu dessen kaudalen Ende fortschreitende Segmentierung entstehen paarweise zu beiden Seiten des Neuralrohres die Ursegmente des Körpers, die Somiten (Christ et al., 1974; zusammengefasst in Tam und Trainor, 1993, und in Christ et al., 2000). Wird im folgenden Text von Somiten gesprochen, so sind stets Somitenpaare gemeint. Die Somiten werden nach ihrem Reifungszustand in Stadien eingeteilt. Dabei entspricht Somit I dem zuletzt gebildeten Somiten und Somit –I dem als nächstes zu bildenden Somiten im präsomitischen Mesoderm (Christ und Ordahl, 1995). Es stellt sich nun die Frage nach dem Mechanismus, nach welchem das präsomitische Mesoderm, ein homogener Strang mesenchymaler Zellen, segmentiert wird und dabei geordnete, epitheliale Somiten entstehen. Fest steht, dass die von kranial nach kaudal ablaufende Segmentierung des präsomitischen Mesoderms und die dabei gebildete Anzahl an Somiten autonom und unabhängig von Signalen umgebender Strukturen 3 1. Einleitung ——————————————————————————————————— ablaufen (Christ et al., 1974; Packard et al., 1993). Bisher sind fünf Theorien beschrieben worden, welche von der Morphologie über die Beobachtung zellulärer Prozesse zur Entdeckung des molekularen Mechanismus der Segmentierung geführt haben. Im Zeitalter der Elektronenmikroskopie ging man davon aus, dass das präsomitische Mesoderm schon bei seiner Entstehung in segmentale Einheiten, die Somitomere, unterteilt ist. Diese sollten Kugeln aus mesenchymalen Zellen entsprechen, welche durch Adhäsionsmoleküle, Filopodien und Lamellopodien zusammengehalten werden. Aus jedem Somitomer sollte durch mesenchymal-epitheliale Transformation der Zellen ein Somit entstehen (Meier, 1979, 1984; Jacobson, 1988). Die Somitomere waren jedoch lediglich durch Scanning-Elektronenmikroskopie beobachtet worden, und ihre Existenz wurde in späteren Studien zunehmend in Frage gestellt. Weder in lichtmikroskopischen Betrachtungen noch in Messungen der Zelldichte wurden Somitomere beobachtet (Jacob et al., 1986). 1988 wurde durch Einzelzellmarkierung festgestellt, dass die Zellen eines mutmaßlichen Somitomers das Zellmaterial nicht nur für einen, sondern für zwei Somiten liefern. Damit war der Beweis erbracht, dass das vermutete, durch Somitomere definierte Vormuster des präsomitischen Mesoderms nicht dem definitiven Muster der Somiten entsprach (Stern et al., 1988). 1976 stellten Cooke und Zeeman das "Clock-and-wavefront-Modell" der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms vor. Nach diesem Modell oszillieren alle Zellen des präsomitischen Mesoderms, gesteuert durch eine intrinsische "Uhr", kontinuierlich zwischen einem reifen und einem unreifen Zustand. Gleichzeitig wandert eine "Welle" der Zelldifferenzierung vom kranialen zum kaudalen Ende des präsomitischen Mesoderms. Trifft diese "Welle" auf Zellen, welche sich im reifen Zustand befinden, wird die Oszillation in diesen Zellen gestoppt. Durch Verlust der Adhäsionskräfte zwischen diesen und den sich kaudal anschließenden Zellen wird etwa jede Stunde ein neuer Somit vom präsomitischen Mesoderm abgegrenzt. Die Periodizität der "Uhr" und die kontinuierlich wandernde "Welle" sind Voraussetzung für die Entstehung der korrekten, speziesspezifischen Anzahl an Somiten und einer einheitlichen Somitengröße. Sie sind unabhängig von Signalen umgebender Strukturen und anderen äußeren Einflüssen, wie chemische Umgebung und Temperatur (Cooke und Zeeman, 1976). 4 1. Einleitung ——————————————————————————————————— Meinhardt stellte 1986 ein weiteres Modell der Segmentierung des paraxialen Mesoderms vor, welches beide zuvor bekannten Modelle integrierte. Demnach sollten im präsomitischen Mesoderm nicht einzelne Zellen, sondern Zellcluster zwischen einem reifen und einem unreifen Zustand oszillieren. Diese Cluster müssen eine dem präsomitischen Mesoderm intrinsische, festgelegte Anzahl von Oszillations-Zyklen (beim Huhn 12 Zyklen) durchlaufen, bevor sie zur Differenzierung und Abgrenzung zu den benachbarten Clustern fähig sind. Durch Aufeinandertreffen von zwei Clustern verschiedener Zustände entsteht zwischen ausreichend differenzierten Zellen am kranialen Ende des präsomitischen Mesoderms eine Grenze und damit ein neuer Somit (Meinhardt, 1986). 1988/1989 stellten Primmet und Kollegen mit ihrem Modell der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms die Beziehung der Periodizität der Segmentierung zum Zellzyklus her. Sie stellten fest, dass Hitzeschock-Applikationen in den verschiedenen Phasen des Zellzyklus zu regelmäßigen, alle 6 bis 7 Somiten auftretenden Somitenanomalien führten. Die Frage nach dem genauen Zusammenhang zwischen dem 9,5 Stunden dauernden Zellzyklus und dem 90 Minuten dauernden Zyklus der Somitenbildung blieb jedoch weiterhin ungeklärt (Primmet et al., 1988, 1989; zusammengefasst in Gossler und Hrabe de Angelis, 1998). Der erste molekulare Ansatz der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms wurde 1997 von Palmeirim und Kollegen vorgestellt. Er beschreibt die zyklische Expression des Gens c-hairy1, einem Homologen des Gens hairy der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, im präsomitischen Mesoderm des Hühnerembryos während dessen Segmentierung. C-hairy1 ist im präsomitischen Mesoderm in einer zyklischen Abfolge in drei Phasen exprimiert, deren Gesamtdauer 90 Minuten beträgt: In Phase I ist chairy1 in einem breiten, die kaudalen zwei Drittel des präsomitischen Mesoderms ausfüllenden Streifen und einem schmalen Streifen in der kaudalen Hälfte des Somiten I exprimiert. In Phase II verschmälert sich der Streifen im präsomitischen Mesoderm auf den Bereich der Somiten –I bis –III, und in Phase III auf die kaudale Hälfte des Somiten –I. Nach Abschluss der drei Phasen entsteht zwischen der kaudalen Hälfte des Somiten –I, welche c-hairy1 exprimiert, und dem unsegmentierten präsomitischen Mesoderm eine Grenze und damit ein neuer Somit. Die zyklische Expression von c-hairy1 im präsomitischen Mesoderm wird durch intrinsische Mechanismen des präsomitischen 5 1. Einleitung ——————————————————————————————————— Mesoderms gesteuert und ist unabhängig von Signalen umgebender Strukturen. Eine Bewegung der Zellen des präsomitischen Mesoderms vom kaudalen zum kranialen Ende – als mögliche Erklärung für die nach kranial wandernde Expressionsdomäne – konnte ebenfalls ausgeschlossen werden (Palmeirim et al., 1997). Ein weiteres, im präsomitischen Mesoderm in drei Phasen exprimiertes Gen ist lunatic fringe, welches für die Glycosyltransferase Lunatic Fringe kodiert (Forsberg et al., 1998; Aulehla und Johnson, 1999). Bei Drosophila melanogaster ist Lunatic Fringe ein Homolog der Glycosyltransferase Fringe, welche durch Inhibition des weiteren Wachstums die distale Begrenzung des Flügels determiniert (Irvine und Wieschaus, 1994; Fleming et al., 1997; Panin et al., 1997). Im präsomitischen Mesoderm der Maus und des Huhns ist lunatic fringe in der ersten Phase im mittleren Teil exprimiert. Diese Expressionsdomäne dehnt sich in der zweiten Phase nach kranial und kaudal aus. In der dritten Phase schließlich ist lunatic fringe als ein schmaler Streifen in der kranialen Hälfte des Somiten –I exprimiert. Die Gesamtdauer der drei Phasen beträgt 90 Minuten und entspricht damit der Dauer der Bildung eines neuen Somitenpaares. Gegenüber der Expression von c-hairy1 im präsomitischen Mesoderm ist die Expression von lunatic fringe stets um eine Phase verzögert (Aulehla und Johnson, 1999). Der Transkriptionsfaktor c-Hairy1 und die Glykosyltransferase Lunatic Fringe sind Modulatoren des Notch-Delta-Signalweges (Palmeirim et al., 1997, 1998; Johnston et al., 1997; Evrard et al., 1998; Zhang und Gridley, 1998; Aulehla und Johnson, 1999; Dale et al., 2003). Dieser in der Evolution hochkonservierte Signalweg bewirkt bei Insekten und Vertebraten die Grenzentstehung zwischen ursprünglich identischen Zellen oder Zellverbänden. Neben seiner Rolle bei der Begrenzung des distalen Flügels bei Drosophila melanogaster und bei der Gonadenentwicklung des Wurms Caenorrhabditis elegans ist er bei der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms der Vertebraten von entscheidender Bedeutung. Hierbei führt die Interaktion des transmembranären Rezeptors Notch einer Zelle mit dem transmembranären Liganden Delta einer benachbarten Zelle zu einer Konformationsänderung des Notch-Rezeptors, zu einer Verlagerung der an seiner intrazellulären Domäne bindenden Supressor-ofHairless [Su(H)]-Proteine in den Zellkern, Bindung dieser an den Enhancer-of-splitKomplex der DNA und zur Expression der Gene der CBF1/RBPJĸ– Genfamilie. Diese induzieren die Expression der Effektorgene des Notch-Delta-Signalweges, bei den 6 1. Einleitung ——————————————————————————————————— Vertebraten die für basic-Helix-Loop-Helix (bHLH)-Transkriptionsfaktoren kodierenden Gene des hes-Komplexes (hes1, hes3, hes5 und hes7), mesp1, mesp2, cmeso2 sowie die Glykosyltransferase lunatic fringe (Saga et al., 1996, 1997; Cohen et al., 1997; Johnston et al., 1997; Forsberg et al., 1998; Holley et al., 2000; Jouve et al., 2000; Sawada et al., 2000; Bessho et al., 2001; Buchberger et al., 2002). Die Interaktion von Rezeptor (Notch) und Ligand (Delta) führt zu einer Vermehrung bestimmter Signale in einigen Zellen und gleichzeitiger Herunterregulation dieser Signale in angrenzenden Zellen. Durch diesen, "laterale Spezifizierung", genannten Mechanismus werden Zellverbände des präsomitischen Mesoderms gegenüber den ihnen benachbarten Zellverbänden in ihren Eigenschaften verändert. Zwischen den Zellverbänden entsteht durch Verlust der Adhäsionsmoleküle eine Grenze (Artavanis-Tsakonas et al., 1995; Artavanis-Tsakonas et al., 1999, zusammengefasst in Rida et al., 2004). Die Aktivität des Notch-Delta-Signalweges im Rahmen der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms wird durch seine Effektorgene reguliert und ist unabhängig von Signalen umgebender Strukturen. C-Hairy1 aktiviert den Notch-Delta-Signalweg, indem es die Expression von delta induziert (Palmeirim et al., 1997, 1998). Lunatic Fringe dagegen hemmt den Notch-Delta-Signalweg, indem es im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms die Interaktion zwischen dem Rezeptor Notch und seinem Liganden Delta verhindert. Durch Herunterregulation des Notch-Delta-Signalweges reguliert Lunatic Fringe auch indirekt die Aktivität von c-Hairy1, da c-hairy1 (bei Fliegen und Invertebraten) als Mitglied der Hairy/Enhancer of Split-Genfamilie ein Effektorgen des Notch-Delta-Signalweges ist. Die Herunterregulation der Notch-Signaltransduktion führt zum Anhalten der Oszillationen (Evrard et al., 1998; Aulehla et al., 1999; Dale et al., 2003). Das Zusammenwirken seiner Regulatoren bewirkt eine geordnete Aktivierung und Hemmung des Notch-Delta-Signalweges und damit eine geordnete Segmentierung (Gridley et al., 1997; Greenwald et al., 1998; Evrard et al., 1998; Aulehla et al., 1999). Weitere Regulatoren des Notch-Delta-Signalweges während der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms sind die Proteine des Wnt-ß-Catenin-Signalweges. Bei Drosophila sind die Wingless-Proteine Homologe von Wnt und finden sich im präsomitischen Mesoderm in einem von kranial nach kaudal ansteigenden Gradienten (Behrens et a., 1998; Aulehla et al., 2003). Sie induzieren die Transkription der 7 1. Einleitung ——————————————————————————————————— Fibroblast-Growth-Factors (FGF) – Proteine, welche durch periodische Inhibition des Notch-Delta-Signalweges im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms die Position der Somitengrenzen determinieren (Mohammadi et al., 1997; Dubrulle et al., 2001). Hierbei spielt der Faktor Wnt-3a, welcher die Expression des für den Transkriptionsfaktor FGF-8 kodierenden Gens fgf-8 induziert, eine entscheidende Rolle. FGF-8 ist in hoher Konzentration im kaudalen Anteil des präsomitischen Mesoderms, sein Rezeptor FGFR-1 im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms lokalisiert (Yamaguchi et al., 1994; Dubrulle et al., 2001; Sawada et al., 2001; Stolte et al., 2002; Dubrulle und Pourquié, 2004). Durch Interaktion zwischen Rezeptor und Ligand wird die Aktivität des Notch-Delta-Signalweges gehemmt und damit die kaudale Begrenzung des nächsten zu bildenden Somiten determiniert (Dubrulle et al., 2001). Die Aktivität von Wnt-3a und FGF-8 wird in periodischen Abständen durch den Wnt-3a-Inhibitor Axin2 gehemmt. Das für Axin2 kodierende Gen ist im präsomitischen Mesoderm in periodischer Abfolge in drei Phasen exprimiert. Da diese drei Phasen denen der Expression von lunatic fringe im präsomitischen Mesoderm jeweils um eine Phase vorausgehen, werden die Proteine des Wnt-Signalweges als direkte Regulatoren des Notch-Signalweges im präsomitischen Mesoderm angesehen (Aulehla et al., 2003). Die Expression von Genen des Notch-Delta-Signalweges und seiner Modulatoren findet sich nach Abschluss der Segmentierung in den neugebildeten Somiten wieder. So ist notch in der kranialen Hälfte des Somiten I, lunatic fringe in den kranialen Hälften der Somiten I bis III, mesp2 und ripply2 in der kranialen Hälfte des Somiten I, delta, chairy1 und semaphorinD in den kaudalen Hälften der Somiten I bis III und c-meso2 in den kaudalen Hälften der Somiten I bis III exprimiert (Püschel et al., 1995; Wright et al., 1995; Messersmith et al., 1995; Hrabe de Angelis et al., 1997; Palmeirim et al., 1997, 1998; Saga et al., 1997; Aulehla et al., 1999; Mansouri et al., 2000; Buchberger et al., 2002; Nomura-Kitabayashi et al., 2002; Kawamura et al., 2005; Chan et al., 2007). Die Expressionsmuster der genannten Gene lassen in jedem Somiten eine kraniokaudale Polarität erkennen. Diese ist bereits im präsomitischen Mesoderm in Höhe des Somiten -V endgültig determiniert, und die Determinierung geschieht wie die Segmentierung selbst unabhängig von Signalen umgebender Strukturen. Durch die Expression von Genen des Notch-Delta-Signalweges und deren Persistenz in entweder der kranialen oder der kaudalen Hälfte eines prospektiven Somiten erhalten die 8 1. Einleitung ——————————————————————————————————— Somitenhälften unterschiedliche Eigenschaften (Keynes und Stern, 1988; Palmeirim et al., 1997, 1998; Gossler und Hrabe de Angelis, 1998; Dubrulle et al., 2001). Nach autonom erfolgter Segmentierung des präsomitischen Mesoderms und kraniokaudaler Polarisierung der (prospektiven) Somiten ist die Epithelialisierung der neugebildeten Somiten der erste Schritt in der Somitogenese, welcher Signale umgebender Strukturen erfordert. Die Umwandlung der mesenchymalen Zellen in epitheliale Zellen durch epithelio-mesenchymale Transformation erfordert die Präsenz des Transkriptionsfaktors Paraxis, und für die Expression des für ihn kodierenden Gens paraxis in den neugebildeten Somiten sind Signale des Ektoderms notwendig. Bei fehlendem Ektoderm bleibt die epithelio-mesenchymale Transformation der Somiten aus (Burgess et al., 1996; Šoš ičet al., 1997). Jeder Somit durchläuft eine Reifung, während welcher er die Eigenschaften für die Bildung seiner Derivate – der Wirbel, der Muskulatur des Rückens und der Extremitäten sowie der Dermis des Rückens – entwickelt. Während der Reifung des Somiten kommt es zu deutlichen Veränderungen seiner Morphologie (Christ und Ordahl, 1995; zusammengefasst in Christ et al., 2000). In den Somitenstadien I bis III besteht jeder Somit aus einem äußeren epithelialen Randwall und dem inneren mesenchymalen Somitocoel. Im Somiten IV beginnt die Kompartimentierung des Somiten in das dorsal gelegene, epitheliale Dermomyotom und das ventral gelegene, mesenchymale Sklerotom. In das Sklerotom werden das Somitocoel und die Zellen des ventralen epithelialen Randwalls, welche eine epithelio-mesenchymale Transformation durchlaufen, einbezogen. Für die Kompartimentierung des Somiten und die nachfolgende Differenzierung der Zellen von Dermomyotom und Sklerotom sind Signale umgebender Strukturen notwendig. Bone Morphogenetic Protein (BMP)-4, Wnt-1 und Wnt-3a als Signalmoleküle des Ektoderms, des dorsalen Anteils des Neuralrohres und des Seitenplattenmesoderms fördern durch Induktion der Gene pax3 und myoD die Entwicklung des Dermomyotoms. Noggin und Sonic hedgehog (Shh) als Signalmoleküle des Chorda-Bodenplatten-Komplexes dagegen induzieren die Expression von pax1 und fördern die Entwicklung des Sklerotoms. Durch die antagonistische Wirkung der Signalmoleküle wird gleichzeitig das jeweils andere Kompartiment in seiner Entwicklung und Ausdehnung gehemmt (Brand-Saberi et al., 1993; Dietrich et al., 1993; Goulding et al., 1993, 1994; Pourquié et al., 1993, 1995, 9 1. Einleitung ——————————————————————————————————— 1996; Fan und Tessier-Lavigne, 1994; Johnson et al., 1994; Monsoro-Burq et al., 1994, 1996; Williams und Ordahl, 1994; Ebensperger et al., 1995; Hirano et al., 1995; Müller et al., 1996; Hirsinger et al., 1997; Borycki et al., 1998; McMahon et al., 1998; Watanabe et al., 1998; Wagner et al., 2000; Sanders et al., 2001; Schmidt et al., 2001). Das Dermomyotom liefert das Material für die Dermis und die autochtone Muskulatur des Rückens, die Muskulatur der Extremitäten, die Skapula, die distalen Anteile der Rippen, Gefäßendothelzellen und die glatte Muskulatur der Organe (Kato und Aoyama, 1998; zusammengefasst in Christ et al., 2000). Aus dem Sklerotom entstehen die Wirbel, die Bandscheiben und die proximalen Anteile der Rippen (Christ und Wilting, 1992; Huang et al., 1996, 2000b; zusammengefasst in Christ et al., 2000). Als Vorbereitung der Entwicklung der Derivate seiner verschiedenen Anteile erfährt das Sklerotom während seiner Reifung deutliche Veränderungen in Form und Größe. Unmittelbar nach seiner Bildung im Somiten IV hat das Sklerotom die Form eines gleichseitigen Dreiecks mit einer ventralen, einer dorsalen und einer lateralen Ecke. Die dorsale und die laterale Ecke wachsen nach dorsal bzw. ventrolateral aus, während die ventrale Ecke in ihrem Wachstum zurückbleibt. Aus dem ventromedialen Anteil des Sklerotoms entstehen die Wirbelkörper und die Bandscheiben, aus dem dorsalen Anteil die Bogenwurzeln und die Wirbelbögen und aus dem lateralen Anteil die Querfortsätze und die proximalen Rippen (zusammengefasst in Christ et al., 2000). Die verschiedenen Anteile des Sklerotoms zeigen unterschiedliche Genexpression: Pax1 ist dabei im medialen Anteil, scleraxis im ventrolateralen Anteil, msx1 und msx2 im dorsalen Anteil des Sklerotoms exprimiert (Takahashi et al., 1992; Monsoro-Burq et al., 1994; Cserjesi et al., 1995; Ebensperger et al., 1995; Brand-Saberi et al., 1996; Monsoro-Burq und Le Douarin, 2000). Während das Dermomyotom zu keinem Zeitpunkt eine kraniokaudale Polarität aufweist, wird die während der Segmentierung determinierte kraniokaudale Somitenpolarität im Sklerotom bis zur Entwicklung der Wirbel beibehalten. Sie zeichnet sich durch die Expression verschiedener Gene in der kranialen – m-cer, mesp2, ephA4 und tbx18 – und in der kaudalen Sklerotomhälfte – m-twist und pax9 – aus (Füchtbauer et al., 1995; Müller et al., 1996; Saga et al., 1997; Biben et al., 1998; Schmidt et al., 2001; Barrios et al., 2003; Bussen et al., 2004). Zudem weist die kraniale Sklerotomhälfte eine lockere Zelldichte auf, während die kaudale Hälfte dicht 10 1. Einleitung ——————————————————————————————————— gepackte Zellen enthält. Dieses ist für die Segmentierung des zentralen Nervensystems von großer Bedeutung, da die aus dem Neuralrohr in die Peripherie aussprossenden Axone nur in die kraniale Sklerotomhälfte einwachsen können (Keynes und Stern, 1984; Kalcheim und Teillet, 1989; Lim et al., 1991; Stern et al., 1991). Das morphologische Korrelat der kraniokaudalen Somitenpolarität ist die von Ebner`sche Fissur, welche als intersomitische Grenze die kraniale und die kaudale Somitenhälfte mit ihren jeweils spezifischen Eigenschaften voneinander separiert (von Ebner, 1888, 1892; Christ, 1975). Zur Bildung eines Wirbels muss eine kaudale Sklerotomhälfte mit der kranialen Sklerotomhälfte des sich kaudal anschließenden Somiten aufeinandertreffen. Diese "Resegmentierung" des paraxialen Mesoderms wurde erstmals 1850 von Remak beschrieben, und seither durch zahlreiche Studien bestätigt (Remak, 1850; Bagnall et al., 1988, 1989; Huang et al., 1994, 2000a; zusammengefasst in Christ et al., 1998). Die Elemente des Achsenskeletts werden somit aus Zellmaterial der kaudalen (Bogenwurzeln, Wirbelbögen, Querfortsätze und proximale Rippen) oder der kranialen Sklerotomhälfte (kaudaler Anteil des Wirbelkörpers, Dornfortsatz) gebildet (Huang et al., 1994, 2000b; zusammengefasst in Christ et al., 2000). Da das Dermomyotom keine kraniokaudale Polarität aufweist und somit nicht in die Resegmentierung miteinbezogen wird, verbinden die sich aus dem Dermomyotom eines Somiten entwickelnden segmentalen Muskeln jeweils zwei Wirbel miteinander. Ein Bewegungssegment besteht aus den Derivaten eines Somiten: zwei Wirbelhälften und dem sie verbindenden segmentalen Muskel (von Ebner, 1888, 1892; Schultze, 1896; Köntges und Lumsden, 1996). Ein wichtiger Marker der kraniokaudale Somitenpolarität ist das Gen uncx4.1, welches für den Transkriptionsfaktor Uncx4.1 kodiert (Rovescalli et al., 1996; Del Barco Barrantes et al., 1999). Uncx4.1 wurde für die Maus erstmals 1996 von Rovescalli und Kollegen kloniert (Rovescalli et al., 1996). Es besteht aus zwei Exons (138 und 151 Nukleotide), welche durch ein Intron getrennt sind. Die Exons codieren für die Homöodomäne des Transkriptionsfaktors Uncx4.1, welche zwischen den Positionen 1 und 60 innerhalb eines offenen Leserahmens von mindestens 386 Aminosäuren liegt (Rovescalli et al., 1996; Mansouri et al., 1997). Die Aminosäuresequenz von Uncx4.1 zeigt eine Identität von 88 % zu der des Proteins Unc-4 des Fadenwurms Caenorrhabditis elegans (Miller et al., 1992; Rovescalli et al., 1996; Mansouri et al., 11 1. Einleitung ——————————————————————————————————— 1997; Neidhardt et al., 1997). Northern-Blot-Analysen von verschiedenen Geweben der embryonalen Maus (Tag 7 bis Tag17) ergaben eine Expression von uncx4.1 im Herz-, Gehirn-, Milz-, Lungen-, Leber- und Nierengewebe. In Geweben der adulten Maus dagegen fand sich uncx4.1 nicht mehr im Herzen, jedoch zusätzlich im Hodengewebe (Rovescalli et al., 1996). Whole-mount in situ-Hybridisierungen an Mausembryonen ergaben ein dazu passendes Bild. Uncx4.1 ist ab dem 8. Tag im ersten Branchialbogen und in den kaudalen Hälften eines jeden Somiten exprimiert. Ab dem 9. Tag findet sich eine Expression von uncx4.1 zusätzlich im Mesonephros, im nephrogenen Band und im zentralen Nervensystem (Mansouri et al., 1997; Neidhardt et al., 1997). Im peritubulären Mesenchym der Nierenanlage folgt die Expression der Entwicklung, als ein longitudinal verlaufendes Band im intermediären Mesoderm ist sie vom 8. Tag an erst im Pronephros, nach dessen Degeneration im Mesonephros und schließlich in hoher Intensität im Metanephros zu erkennen. Im zentralen Nervensystem beginnt die Expression im Mittelhirn, schreitet dann über die Riechgrube fort und ist schließlich in der Wand der Hirnventrikel zu finden (Mansouri et al., 1997; Neidhardt et al., 1997; Asbreuk et al., 2006). Uncx4.1 ist als Zielgen des Notch-Delta-Signalweges in den kaudalen Hälften neugebildeter Somiten exprimiert (Del Barco Barrantes et al., 1999). Nach erfolgter Kompartimentierung des Somiten in das ventral gelegene Sklerotom und das dorsal gelegene Dermomyotom im Somiten IV ist die Expression von uncx4.1 nur noch in der kaudalen Sklerotomhälfte zu erkennen (Neidhardt et al., 1997). Im lateralen Anteil der kaudalen Sklerotomhälfte bleibt die Expression bis zur Entwicklung der daraus hervorgehenden Elemente des Achsenskeletts – Wirbelbögen, Bogenwurzeln und proximale Rippen – erhalten (Neidhardt et al., 1997). Uncx4.1 ist dann in den knorpeligen Anlagen der proximalen Rippen, der Wirbelbögen, der kranialen Hälften der distalen Rippen und der lateralen Anteile der Wirbel und Bandscheiben exprimiert. Eine Expressionsdomäne im ersten Finger der oberen Extremität konnte nur vom 13. bis zum 16. Tag, eine weitere im ersten Branchialbogen nur vom 9. bis zum 10. Tag nachgewiesen werden (Neidhardt et al., 1997). Mithilfe von uncx4.1-Knockout-Mäusen wurden die Funktionen von Uncx4.1 in der Embryonalentwicklung von Mausembryonen untersucht. Eine bedeutende Rolle wird 12 1. Einleitung ——————————————————————————————————— Uncx4.1 während der Entwicklung des Achsenskeletts zuteil. Hier erhält er – als Produkt eines direkten Zielgens des Notch-Delta-Signalweges – die kraniokaudale Polarität der Somiten bis zur Entstehung der Wirbel (Mansouri et al., 2000; Leitges et al., 2000). Mutationsanalysen an Mäusen ergaben, dass bei homozygoten uncx4.1-/-Mäusen die kraniokaudale Polarität der Somiten aufgehoben ist und es zu einer kompletten Fusion der Wirbel und der Spinalganglien kommt (Mansouri et al., 2000; Leitges et al., 2000). Die Mäuse zeichnen sich durch einen stark verkürzten Rumpf mit einer Lordose der thorakalen Wirbelsäule aus und sterben wenige Tage nach der Geburt an respiratorischer Insuffizienz. Des weiteren ist Uncx4.1 für die korrekte Entwicklung der Derivate des lateralen Anteils der kaudalen Sklerotomhälfte essenziell. Uncx4.1-/-Mäusen fehlen die Wirbelbögen, die Bogenwurzeln und die proximalen Rippen vollständig, bei uncx4.1+/--Mäusen sind diese Skelettelemente rudimentär angelegt (Mansouri et al., 2000; Leitges et al., 2000). Die Rollen von Uncx4.1 während der Entwicklung des zentralen Nervensystems und der Niere sind bislang unklar. 13 2. Fragestellung dieser Arbeit ——————————————————————————————————— 2. Fragestellung dieser Arbeit Uncx4.1 stellt als Zielgen des Notch-Delta-Signalweges, Marker der kaudalen Sklerotom-hälfte und essenzieller Faktor für die Entwicklung einiger Achsenskelettelemente die einzige bislang bekannte Verbindung zwischen der Determinierung der kraniokaudalen Somitenpolarität und der Entwicklung des Achsenskeletts dar. Dies ist ein neuer Baustein des komplexen Mechanismus der Entwicklung des Achsenskeletts, und gibt Anlass zu folgenden Fragen: - Ist das Gen uncx4.1 auch in Hühnerembryonen exprimiert? Wie ist ggf. der räumliche und zeitliche Ablauf seiner Expression? - Kann eine eventuelle Expression von uncx4.1 in den Somiten durch Signale umgebender Strukturen beeinflusst werden, wie es für andere Markergene des Sklerotoms der Fall ist? - Spielt Uncx4.1 in der Entwicklung der Achsenskelettelemente beim Huhn dieselbe Rolle wie bei der Maus? Zur Klärung dieser Fragen wird in dieser Studie zunächst ein Fragment der vogelspezifischen uncx4.1-cDNA Hühnerembryonen verschiedener isoliert. Durch in Entwicklungsstadien situ-Hybridisierung mit der mRNA von dieses Fragmentes wird der zeitliche und räumliche Verlauf der Expression von uncx4.1 beim Huhn im allgemeinen sowie während der Entwicklung und Reifung des Sklerotoms im besonderen dargestellt. Die Regulation seiner Expression in den Somiten durch Signale umgebender Strukturen wird durch in situ-Hybridisierung an mikrochirurgisch manipulierten Embryonen untersucht. Aus dem räumlichen und zeitlichen Verlauf der Expression von uncx4.1 in den Somiten kann die mögliche Funktion des Transkriptionsfaktors Uncx4.1 beim Huhn während der Entwicklung des Achsenskeletts beschrieben werden. 14 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 3. Material und Methoden 3.1 Tiere Reinerbige Hühnerembryonen der Gattung Weißes Leghorn wurden von der Hühnerfarm Bronner in Freiburg-Tiengen bezogen und bis zu ihrer Inkubation bei 8°C maximal 2 Tage im Kühlschrank gelagert. Anschließend wurden die Eier in einem Brutschrank bei 37°C und 80% Luftfeuchte bis zum Erreichen des gewünschten Entwicklungsstadiums der Embryonen nach Hamburger und Hamilton (HH) (Hamburger und Hamilton, 1951) bebrütet. Dazu wurden die Eier auf Paletten gelagert, um einer Fehllage der Embryonen vorzubeugen. Für die durchgeführten Manipulationen wurden Embryonen der Stadien HH-11 bis HH14 verwendet. 3.2 Operations-Instrumentarium Einstrichsägen aus Metall: zum Öffnen der Eischale Dumont-Pinzetten: zum Öffnen der Eimembran Iridektomieschere Federschere Schere spitz/spitz: zum Eröffnen der Eischale vor der Fixierung des Embryos Keratoplastikspatel Wolframdraht-Nadeln, elektrolytisch geschärft Färbestifte Pasteurpipetten aus Glas: zur Applikation von Locke-Lösung Sterile 2 ml-Spritzen und Kanülen (21 G): zum Absaugen von Eiweiß, um den Embryo nach Beendigung der Operation im Ei wieder abzusenken 15 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Locke-Lösung mit Penicillin (100 000 I.U./ml): zu Befeuchtung des Embryos während der Operation Goldfolie und Aluminiumfolie: als Material für Barrieren Kügelchen, mit Protein beladen: Affigel®-Kügelchen (Shh, Noggin) mit Heparin, Acrylamid-Kügelchen (FGF-8) und AG 1-X2 Kügelchen (SU 5402) 3.3 Herstellung der für die Operationen verwendeten Materialien 3.3.1 Operationsnadeln Für die Herstellung von Operationsnadeln wurde ein Wolframdrahtstück von 2 cm Länge und 5 mm Durchmesser in die vordere Öffnung einer Glaspasteurpipette mit Hilfe der Flamme eines Bunsenbrenners eingeschmolzen. Dieser Wolframdraht wurde anschließend an der Kathode in einer gesättigten Natriumnitrit-Lösung bei einer Spannung von 4 Volt elektrolysiert, um ihn zu schärfen und anzuspitzen. Dazu wurde der Wolframdraht mehrmals in die Natriumnitrit-Lösung, welche die Anode enthielt, eingetaucht. 3.3.2 Färbestifte Zur Herstellung von Färbestiften, die der Markierung des Embryos in ovo dienten, wurden 20 cm lange Glasstäbe von ca. 6 mm Durchmesser bis zum Erreichen der gewünschten Dicke des Färbestiftes über der Flamme eines Bunsenbrenners auseinandergezogen. Durch anschließend kurzen Kontakt der Stiftspitze mit der Flamme eines Alkoholbrenners entstand dort eine kleine Kugel, auf die die Farbe aufgetragen wurde. Die Farblösung wurde aus 0,25 g Agarose und 0,1 g Nilblausulfat (Nile Blue Sulfate, Serva/Heidelberg) in 10 ml Aqua dest. unter Erhitzen der Lösung auf 70°C und ständigem Rühren auf einem Heiz- 16 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Magnetrührer hergestellt. Danach wurden die Spitzen der Stifte nacheinander mehrmals kurz in die Farblösung eingetaucht und anschließend bei Raumtemperatur gelagert. 3.3.3 Protein-Träger-Kügelchen Zur Herstellung von mit Protein beladenen Kügelchen wurden Affigel®-Kügelchen mit Heparin für die Proteine Sonic hedgehog (Shh) und Noggin, Acrylamid-Kügelchen für FGF-8 und AG 1-X2-Kügelchen für SU 5402 verwendet. Um ein Auslaufen des Proteins zu vermeiden und die optimale Beladung der Kügelchen zu gewährleisten, wurden für ihre Herstellung ausschließlich mit chloriertem Organopolysiloxan beschichtete Materialien benutzt. 10 μl dieser Kügelchen wurden mittels eine Mikropipette auf die Oberseite des Deckels eines 2 ml-Reaktionsgefäßes gebracht. Durch zweimaliges kurzes Waschen der Kügelchen mit sterilem Phosphatpuffer mit 1 % Bovinem Serum-Albumin wurde die Lagerungslösung der Kügelchen von diesen entfernt und die Kügelchen für das Protein aufnahmefähig gemacht. Die mit SU 5402 beladenen Kügelchen wurden mehrmals in Minimum Essential Medium Alpha gewaschen, um das Dimethylsulfoxid, in dem das Protein gelöst war, zu entfernen. Unter dem Mikroskop wurden die Kügelchen, die für die vorgesehene Operation zu groß waren, mit einer Mikropipette entfernt. Dadurch verringerte sich das Gesamtvolumen der Kügelchen. Anschließend wurde 1 μl des gewünschten Proteins auf die Kügelchen aufgetragen, und die Kügelchen wurden 2 Tage in einer sterilen Kulturschale von 35 mm Durchmesser, die in eine sterile Kulturschale von 50 mm Durchmesser mit sterilem Phosphatpuffer gestellt wurde, bei 4°C inkubiert. Dicht verschlossen, ausreichend befeuchtet und steril gehalten hielten sich die Kügelchen im Kühlschrank 2 Wochen. Die Kügelchen wurden mit folgenden Protein-Konzentrationen beladen: FGF-8: 2 µg / µl SU 5402: 10 mM Noggin: 5 µg / µl Shh: 8 µg / µl 17 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 3.3.4 Agaroseschalen Für die für einige Manipulationen außerhalb des Eies benötigten Agaroseschalen wurde 2 % Agarose in Aqua dest. unter ständigem Rühren aufgekocht und die heiße Lösung in Zellkulturschalen von 5 cm Durchmesser gegossen, sodass eine Schicht von 5 mm Dicke entstand. Die Agaroseschalen wurden über Nacht bei Raumtemperatur getrocknet und anschließend im Kühlschrank bei 4 °C aufbewahrt. 3.4 Mikromanipulationen Alle Operationen an den Hühnerembryonen wurden in einem eigenen Operationsraum durchgeführt, der durch UV-Strahlung keimarm gehalten wurde. Die Arbeitsfläche wurde vor Beginn der Operation mit 70% Ethanol desinfiziert. Die Operationen fanden unter Stereomikroskopen des Typs Wild M3Z der Firma Leica statt, an denen 6,5-fache bis 40-fache Vergrößerungen erreicht werden konnten. Die Eier wurden direkt nach ihrer Entnahme aus dem Brutschrank auf einem Holzkasten über einem Loch mit einer 100 W-Glühbirne von unten beleuchtet, und die Lage des Embryos sowie die der Luftkammer wurden mit einem Bleistift auf der Schale markiert. Für die Operation wurden die Eier mit der markierten Stelle nach oben auf eigens zu diesem Zweck angefertigte Nester gelegt, jedes bestehend aus einer mit Aluminiumfolie und einem Zellstofftupfer ausgepolsterten Kulturschale von 50 mm Durchmesser. Anschließend wurde mit einer Einstrichsäge ein etwa 5 mm hohes und 5 mm breites Fenster über dem Embryo in die Eischale gesägt. Ebenso wurde diese über der Luftkammer mit der Einstrichsäge perforiert. Mit einer Dumont-Pinzette wurde das herausgesägte Stück der Eischale vorsichtig angehoben und entfernt, und sogleich wurden zur Vermeidung der Austrocknung des Embryos mit einer Glaspasteurpipette einige Tropfen Locke-Lösung auf die Eimembran getropft. Dann wurde die Eimembran mit einer Dumont-Pinzette im Bereich des Fensters vorsichtig entfernt, und wieder 18 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Locke-Lösung auf den nun sichtbaren Embryo gegeben. Um den Embryo während der Operation in einer stabilen Position zu halten, wurde die Luft aus dem Ei durch Perforieren der Eimembran im Bereich der zuvor gesägten Öffnung der Luftkammer abgelassen. Die Luft wurde anschließend durch vorsichtiges Einträufeln von LockeLösung ersetzt. An dem nun an der Oberfläche des Eies liegenden Embryo konnte dessen Entwicklungsstadium bestimmt werden. Im Operationsbereich wurde die Vitellinmembran mit einem Färbestift kurz angefärbt und dann mit einer Wolframnadel eröffnet. Um eine Austrocknung des freigelegten Embryos während der Operation zu verhindern, wurde seine Oberfläche mehrmals mit Locke-Lösung befeuchtet. Nach Beendigung der Operation wurde mit einer Spritze und einer Kanüle 1 ml Eiweiß und Locke-Lösung durch die Öffnung der Luftkammer abgesaugt und der Embryo dadurch wieder in das Ei abgesenkt. Die Öffnungen der Eischale wurden mit Leukosilk® verschlossen und der Embryo mit dem Nest auf einem Gitter im Inkubator 12 Stunden bis 6 Tage reinkubiert. Im Anschluss an die Reinkubation wurde das Ei im Bereich des mit Leukosilk® verschlossenen Fensters mit einer spitz/spitzen Schere aufgeschnitten, der Embryo mit einem Keratoplastikspatel aus dem Ei gehoben und in eine sterile Kulturschale mit der für die jeweilige Fixierung erforderlichen Lösung gelegt. Anschließend wurde unter dem Stereomikroskop das Stadium des Embryos bestimmt und dieses sowie eventuell bereits sichtbare Veränderungen dokumentiert. Über jede einzelne Operation wurde ein Protokoll geführt, aus dem Zeitpunkt und Art der Operation, das Stadium des Embryos bei der Operation und bei der Fixierung, die Art der Fixierung, die Weiterverarbeitung des Embryos sowie das Resultat hervorgingen. Je nach Art und Umfang der Operationen wurden Überlebensraten von 50 % bis 90 % erzielt. 19 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 3.4.1 Implantation von Barrieren Zwischen die axialen Organe und den kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms bzw. die Somiten I bis V Mit einer Wolframdrahtnadel wurden an der Grenze zwischen den axialen Organen und dem kranialen präsomitischen Mesoderm bzw. den Somiten I bis V nacheinander das Ektoderm, das Mesoderm und das Entoderm auf einer Länge von 5 prospektiven Somiten durchgetrennt. Aus einer sterilisierten Aluminiumfolie wurde mit Hilfe einer Federschere unter dem Mikroskop ein Streifen gleicher Länge geschnitten, der dann mittels einer spitzen Pinzette in das Loch zwischen den axialen Organen und dem kranialen präsomitischen Mesoderm eingebracht wurde. Durch vorsichtiges Absaugen von Locke-Lösung von der Oberseite des Embryos mit einem Zellstofftupfer schloss sich das Loch und der Aluminiumstreifen wurde darin festgehalten (Schema 1 und 2). Schema 1 Schema 2 Zwischen die lateralen Organe und den kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms bzw. die Somiten I bis V Mit einer Wolframdrahtnadel wurden an der Grenze zwischen dem Seitenplattenmesoderm und dem kranialen präsomitischen Mesoderm bzw. zwischen dem intermediären Mesoderm und den Somiten I bis V nacheinander das Ektoderm, das Mesoderm und das Entoderm auf einer Länge von 5 (prospektiven) Somiten durchgetrennt. Aus einer sterilisierten Aluminiumfolie wurde mithilfe einer Federschere unter dem Mikroskop ein Streifen gleicher Länge geschnitten, der dann mittels einer spitzen Pinzette in das Loch eingebracht wurde. Durch vorsichtiges Absaugen von Locke-Lösung von der Oberseite des Embryos mit einem Zellstofftupfer schloss sich das Loch und der Aluminiumstreifen wurde darin festgehalten (Schema 3 und 4). 20 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Schema 3 Schema 4 3.4.2 Implantation von Protein-Kügelchen Implantation von Protein-Kügelchen in das präsomitische Mesoderm Bei dieser Manipulation wurden mit Silikon beschichtete Instrumente verwendet, um zu verhindern, dass das mit Protein beladene Kügelchen an den Instrumenten haften bleibt. Zuerst wurde das über dem präsomitischen Mesoderm liegende Ektoderm kaudal des gewünschten Implantationsortes mit einer Wolframdrahtnadel eingeschnitten. Durch diesen Schnitt wurde eine Mikropipette mit gleichem Durchmesser wie das Kügelchen hatte unter das Ektoderm in kranialer Richtung geschoben und so ein Tunnel gebohrt. Das Kügelchen wurde mit einer an beiden Spitzen nach innen gebogenen Pinzette aus der Proteinlösung entnommen und auf den Embryo gelegt. Mit einem Glasstift, dessen Spitze den gleichen Durchmesser wie das Kügelchen hatte, wurde es in den Tunnel an den gewünschten Implantationsort geschoben. Auf der rechten Seite wurde das mit Protein beladene Kügelchen (rot), auf der linken Seite ein unbeladenes KontrollKügelchen (gelb) implantiert (Schema 5). Schema 5 21 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Implantation von Protein-Kügelchen in das präsomitische Mesoderm und gleichzeitige Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes Es wurde zuerst das Kügelchen wie zuvor beschrieben implantiert, um die Stabilität des Embryos während der Implantation zu erhalten. Anschließend wurde wie unten genau beschrieben der Chorda-Bodenplatten-Komplex entfernt (Schema 6). Schema 6 3.4.3 Exstirpations- und Ablationsexperimente Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes Um den Chorda-Bodenplatten-Komplex sichtbar zu machen, wurde mit einer Wolframdrahtnadel das Ektoderm in der Mittellinie in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms auf einer Länge von 5 prospektiven Somiten bzw. in Höhe der Somiten I bis V durchgetrennt. Anschließend wurden die Neuralfalten mit einer Wolframdrahtnadel vorsichtig teils scharf, teils stumpf auseinandergedrängt, bis an ihrem Grund der Chorda-Bodenplatten-Komplex erkennbar war. Dieser wurde zu beiden Seiten mit einer Wolframdrahtnadel scharf vom restlichen Neuralrohr abgetrennt (Schema 7 und 8). Schema 7 Schema 8 22 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Exstirpation des Neuralrohres Das gesamte Neuralrohr wurde in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms auf einer Länge von 5 prospektiven Somiten entfernt. Dazu wurde mit einer Wolframdrahtnadel zuerst das Ektoderm auf beiden Seiten des zu entfernenden Stückes durchgetrennt, um das Neuralrohr exakt gegen das umgebende präsomitische Mesoderm abgrenzen zu können. Anschließend wurde das axiale Mesoderm ebenfalls mit einer Wolframdrahtnadel bis auf die Chorda dorsalis durchgetrennt. Das zu entfernende Stück wurde an seinem kranialen und kaudalen Ende vom Rest des Neuralrohres abgetrennt und mit einer feinen Wolframdrahtnadel vorsichtig von kranial nach kaudal von der Chorda dorsalis abgelöst. Anschließend wurde die Chorda dorsalis nochmals mit einem Färbestift angefärbt, um eventuell verbliebene Reste des Neuralrohres zu entdecken. Diese wurden dann mit einer Mikropipette abgesaugt (Schema 9). Schema 9 Transplantation eines Chorda-Bodenplatten-Komplexes auf das präsomitische Mesoderm bzw. die Somiten I bis V Für diese Manipulation wurden zwei Embryonen gleichen Entwicklungsstadiums benötigt. Zuerst wurde das Ei des Spenderembryos vorsichtig aufgeschlagen und der Inhalt in eine sterile Glasschale gegeben. Der auf dem Dotter liegende Embryo wurde mit einer Iridektomieschere ausgeschnitten und mit Hilfe eines großen Sieblöffels in eine mit Locke-Lösung gefüllte Agaroseschale gelegt. Hier wurde die Vitellinmembran entfernt und der Embryo auf der Oberfläche der Agarose fixiert, indem mithilfe zweier Wolframdrahtnadeln mehrere Schlitze in die Agarose geschnitten wurden, in die die Dottermembran des Embryos gedrückt wurde. Zur besseren Fixierung wurde die LockeLösung mit einer Mikropipette abgesaugt und der Embryo zum Schutz vor Austrocknung mit einigen Tropfen frischer Locke-Lösung bedeckt. Diesem Embryo 23 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— wurde, wie zuvor beschrieben, der Chorda-Bodenplatten-Komplex entfernt. Der Chorda-Bodenplatten-Komplex wurde nach seiner Exstirpation nochmals mit einem Färbestift angefärbt, vorsichtig in eine mit Locke-Lösung gefüllte Mikropipette gesaugt und in das Ei des Empfängerembryos gebracht. Hier wurde beim Empfängerembryo das Ektoderm am kaudalen Ende des Implantationsortes mit einer Wolframdrahtnadel eingeschnitten. Mit einer sehr feinen Mikropipette wurde von diesem Schnitt aus ein Tunnel von der Länge des Transplantates unter das Ektoderm gebohrt. In diesen Tunnel wurde der Chorda-Bodenplatten-Komplex des Spenderembryos mithilfe einer feinen Wolframdrahtnadel geschoben (Schema 10). Schema 10 Ablation des Ektoderms Zu beiden Seiten des kranialen präsomitischen Mesoderms wurde das Ektoderm auf einer Länge von 5 prospektiven Somiten mit einer Wolframdrahtnadel eingeschnitten. Zudem wurde das zu entfernende Stück an seinem kranialen und kaudalen Ende vom Rest des Ektoderms abgetrennt. Anschließend wurde das Stück von medial nach lateral vom präsomitischen Mesoderm abgezogen. Zur Sichtbarmachung eventuell verbliebener Reste wurde das Operationsgebiet mit einem Färbestift nochmals angefärbt, die Reste dann mit einer Wolframdrahtnadel entfernt. Ein Stück Goldfolie gleicher Größe wie das entfernte Stück Ektoderm wurde mit einer Federschere unter 24 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— dem Mikroskop zugeschnitten und mit einer feinen Pinzette auf das freiliegende kraniale präsomitische Mesoderm gedrückt (Schema 11). Schema 11 Ablation des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohres Das Ektoderm wurde in der Mittellinie des Neuralrohres, über der lateralen Begrenzung des kranialen präsomitischen Mesoderms und am kranialen und kaudalen Ende des zu entfernenden Stückes mit einer Wolframdrahtnadel durchgetrennt und anschließend wie zuvor beschrieben entfernt. Das Neuralrohr wurde in der Mittellinie auseinandergedrängt und an seiner rechten lateralen Begrenzung mit einer Wolframdrahtnadel vom präsomitischen Mesoderm getrennt. Das zu entfernende Stück wurde an seinem kranialen und kaudalen Ende vom Rest der rechten Neuralfalte abgetrennt und mit einer Wolframdrahtnadel entfernt. Ein Stück Goldfolie gleicher Größe wie das entfernte Stück Ektoderm und dorsales Neuralrohr wurde mit einer Federschere unter dem Mikroskop zugeschnitten und mit einer feinen Pinzette auf das freiliegende restliche Neuralrohr und kraniale präsomitische Mesoderm gedrückt (Schema 12). Schema 12 25 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 3.5 In situ-Hybridisierung (ISH) am ganzen Embryo (whole mount) Durch die whole mount in situ-Hybridisierung werden die Expressionsorte eines Gens am ganzen Embryo nachgewiesen. Es werden dabei mit einem Antigen (Digoxigenin) markierte mRNA-Gensonden verwendet, die zu dem nachzuweisenden Genstück komplementär sind. Sie binden an die entsprechende mRNA und lassen sich dort durch gegen Digoxigenin gerichtete Antikörper, die an einen Farbstoff oder ein Enzym gekoppelt sind, sichtbar machen. Die in dieser Studie verwendete Methode für die whole mount in situ-Hybridisierung wurde von Nieto et al. (1996) beschrieben. Während aller Arbeitsschritte wurde mit RNase-freien Materialien und Reagenzien gearbeitet und es wurden Einmalhandschuhe getragen, um die Zerstörung der mRNA durch RNasen zu verhindern. Die Materialien wurden entweder direkt vom Hersteller RNase-frei geliefert oder durch eine Heißluftsterilisation bei 180°C über 3 Stunden von RNasen befreit. Die Lösungen wurden bis zur Antikörperreaktion mit Aqua bidest., das mit 0,1 % Diethylpyrocarbonat inkubiert war (DEPC-H2O), danach mit Aqua bidest. angesetzt und in beiden Fällen autoklaviert. 3.6.1 Präparation der Gensonde uncx4.1 Die publizierte murine uncx4.1-cDNA ist 2049 bp groß und hat zwei charakteristische Domänen: die Homöobox-Domäne und – benachbart zu ihr – ein nukleäres Lokalisationssignal (Neidhardt et al., 1997). Als Template für die initiale ReverseTranskriptase-Reaktion diente Huhn- und Wachtel-RNA verschiedener embryonaler Stadien (Tag 3 und Tag 6). Die Reverse-Transkriptase-Reaktion wurde mit RandomHexamer-Primern (Invitrogen) durchgeführt. Das Template (1 µg RNA) wurde mit dem Primer (1 µl) für 10 Minuten bei 65°C inkubiert. Nach Abkühlung auf Raumtemperatur wurden 10 µM DDT, 1 µM dNTPs und 1 µl Reverse Transkriptase M-MLV-H (Promega) hinzugefügt, diese Mischung wurde für eine Stunde bei 37°C inkubiert. 26 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Anschließend wurde eine PCR mit 5’-AGACGCACCCGCACCAACTTTAC-3’ dem und Primerpaar Uncx4.1-rev: Uncx4.1-fwd: 5’-ATTTGGCCC GGCGATTTTGGAACC-3’ (je 2 pmol), 1 x PCR-Puffer, 5 mM MgCl2, 200 µM dNTPs, DMSO und 5 U Euro-Taq-Polymerase (Promega) mit einer AnnealingTemperatur von 60 °C durchgeführt. Das amplifizierte Fragment wurde in pCR3.1 kloniert. Die Identität und die Orientierung des amplifizierten PCR-Fragmentes wurde durch Sequenzanalyse bestätigt bzw. bestimmt. Auf diese Weise konnte ein 163 bp großes Fragment der vogelspezifischen uncx4.1-cDNA gewonnen werden. Eine Sequenzanalyse zeigte eine Sequenzidentität des PCR-Fragmentes von 90 % mit der murinen uncx4.1-Homöobox und der Homöobox von unc4 des Fadenwurms Caenorrhabditis elegans. Zur Herstellung von Sense-Sonden wurde das Plasmid BamHI linearisiert und mit Sp6 Polymerase transkribiert, zur Herstellung der AntisenseSonde wurde das Plasmit mit PstI geschnitten und mit T7 Polymerase transkribiert. Die Transkription erfolgte in Gegenwart von Digoxigenin-markierten dUTPs (Digoxigenin Labeling Kit von Roche, nach Herstellerangaben). 27 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— a) uncx-hox 5’ Homeobox NLS murine uncx4.1 mRNA - polyA uncx- hox 3’ b) #2184: chick-uncx-PCR fragment(163 bp) raised with the primers: uncx-hox 5’ & uncx-hox3’; cloned into pCR3.1 AGACGCACCCGCACCAACTTTACTGGCTGGCAGCTCGAGGAGCTGGAAAAGGCGTTTAATGAGAGCCATTACCCGGAC GTGTTTATGCGAGAGGCTCTGGCTCTCAGGCTGGATTTGGTGGAGTCCAGAGTGCAGGTCTGGTTCCAAAATCGCCGG GCCAAAT c) >gi|7305612|ref|NM_013702.1| Mus musculus Unc4.1 homeobox (C. elegans) Query: 1 agacgcacccgcaccaactttactggctggcagctcgaggagctggaaaaggcgtttaat 60 ||||||||||||||||||||||| ||||||||||| ||||||||||| |||||||| ||| Sbjct: 384 agacgcacccgcaccaactttaccggctggcagctggaggagctggagaaggcgttcaat 443 Query: 61 gagagccattacccggacgtgtttatgcgagaggctctggctctcaggctggatttggtg 120 |||||||| |||||||||||||||||||| ||||| ||||| || | ||||| |||| Sbjct: 444 gagagccactacccggacgtgtttatgcgcgaggcgctggcgctgcgcctggacctggtc 503 Query: 121 gagtccagagtgcaggtctggttccaaaatcgccgggccaaat 163 |||||| |||| ||||||||||||||||||||||||||||||| Sbjct: 504 gagtcccgagttcaggtctggttccaaaatcgccgggccaaat 546 Schema 13: a) Aufbau des Gens uncx4.1. b) Sequenz des amplifizierten Huhn-spezifischen uncx4.1-Fragmentes. c) Vergleich der Nukleotidsequenzen der murinen (Subject) und der vogelspezifischen (Query) uncx4.1-cDNA. 28 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 3.6.2 Fixierung der Embryonen Für eine whole mount in situ-Hybridisierung wurden Embryonen der Stadien HH 4 bis HH 28 verwendet. Diese wurden nach der Entfernung aus dem Ei in eine sterile Kulturschale mit Phosphatpuffer gebracht. Dieser Phosphatpuffer war mit 0,1 % Triton als Detergens und Diethylpyrocarbonat zur Vermeidung von RNase-Aktivität versetzt (DEPC-PBT). Bei Embryonen, die jünger als Stadium HH 19 waren, musste vermieden werden, dass die Embryonen sich im Rumpfbereich aufrollten und so die Somiten schlecht beurteilbar gewesen wären. Daher wurde nur die Vitellinmembran sofort entfernt und unmittelbar anschließend der Phosphatpuffer mit einer sterilen Plastikpasteurpipette abgesaugt. Mit einer weiteren sterilen Plastikpasteurpipette wurde eine Lösung aus 4 % Paraformaldehyd (PFA) in DEPC-PBT vorsichtig auf die Embryonen getropft. Die Embryonen wurden in 4 % PFA in DEPC-PBT bei 4°C mindestens 1 Stunde gelagert, bevor mit einer sterilen Iridektomieschere und einer sterilen Pinzette das Amnion entfernt und ein Loch in das Gehirn geschnitten wurde, um später eine Ansammlung der Farblösung in Neuralrohr und Gehirn zu vermeiden. Danach wurden die Embryonen in sterilen Plastikgefäßen in 4 % PFA in DEPC-PBT bei 4°C 1 Tag fixiert. Embryonen, die Stadium HH 19 und älter waren, wurde dagegen sofort nach Entnahme aus dem Ei die Vitellinmembran und das Amnion entfernt sowie ein Loch ins Gehirn geschnitten. Sie wurden ebenfalls in sterilen Plastikgefäßen in 4 % PFA in DEPC-PBT bei 4°C 1 Tag fixiert. 3.6.3 Durchführung der Hybridisierung Die whole mount in situ-Hybridisierung wurde auf sterilen 24-Loch-Zellkulturplatten durchgeführt, die die gleichzeitige in situ-Hybridisierung mehrerer Embryonen ermöglichten. In jeder Vertiefung der Zellkulturplatte befanden sich, abhängig von ihrer Größe und von der durchgeführten Manipulation, bis zu 4 Embryonen. Bei allen Reaktionen wurden die Embryonen auf einem Schüttler leicht bewegt. 29 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Nach der Fixierung in 4 % PFA in DEPC-PBT wurden die Embryonen 10 bis 20 Minuten lang bei 4°C in DEPC-PBT gewaschen, um das Paraformaldehyd zu entfernen. In einer aufsteigenden Methanolreihe (50 % Methanol in DEPC-PBT, 100 % Methanol, jeweils 20 Minuten bei 4°C) wurden die Embryonen dehydriert. Anschließend wurden sie in 100 % Methanol über Nacht bei -20°C gelagert. Dann wurden die Embryonen zuerst 10 Minuten bei 4°C in 50 % Methanol in DEPCPBT rehydriert und weitere 10 Minuten bei 4°C in DEPC-PBT gewaschen. Um eine bessere Gewebepenetration der RNA-Sonden zu erreichen, wurden die Embryonen anschließend in einer Lösung aus 2 % Proteinase K (20 μg/ml) in DEPC-PBT bei Raumtemperatur inkubiert. Die Dauer der Inkubation richtete sich nach dem Stadium der Embryonen: 10 Minuten bei Stadium HH 4 bis HH 9, 15 Minuten bei Stadium HH 10 bis HH 13, 20 Minuten bei Stadium HH 14 bis HH 20. Embryonen älter als Stadium HH 20 wurden inkubiert, bis sie transparent wurden, maximal jedoch 30 Minuten. Diese Reaktion wurde durch 10 Minuten Waschen der Embryonen in DEPC-PBT beendet. Es folgte die Nachfixierung der Embryonen in 1 % Glutaraldehyd in 4 % PFA in DEPCPBT für 30 Minuten bei 4°C. Nach erneutem Waschen in DEPC-PBT für 10 Minuten bei 4°C wurden die Embryonen 1 bis 2 Stunden lang in Hybridisierungslösung bei 65°C äquilibriert. Über Nacht wurden sie mit frischer Hybridisierungslösung bei 65°C inkubiert. Die bei -20°C gelagerte RNA-Sonde wurde aufgetaut. Jeweils 1 μl der RNA-Sonde wurde mit einer Mikropipette zu 1 ml Hybridisierungslösung in ein Reaktionsgefäß gegeben. Die Reaktionsgefäße wurden sogleich in einen Thermomixer gestellt, wobei die RNA-Sonde 5 Minuten bei 80°C denaturiert wurde. Sie wurde danach 5 Minuten auf Eis wieder abgekühlt. Anschließend wurden die Embryonen mit der RNA-Sonde 2 Tage lang bei 65°C inkubiert. Um einer Austrocknung der Embryonen durch Verdunstung der Lösung vorzubeugen, wurde die Zellkulturplatte mit sterilisierter Aluminiumfolie zuvor dicht verschlossen. Während der gesamten Inkubationszeit mit der Hybridisierungslösung und der RNA-Sonde wurden die Embryonen auf einer Schüttelplatte in einem Hybridisierungsofen gehalten. Nach Abschluss der Hybridisierung wurden die Embryonen zuerst in 2-fach konzentrierter Natriumchlorid-Natriumcitrat-Lösung (SSC) bei 65°C für 20 Minuten gewaschen. Anschließend wurden sie bei 65°C für jeweils 2 mal 20 Minuten in SSC 30 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— von absteigender Konzentration (2-fach- und 0,2-fach-konzentriert), die mit 3-[(Cholamidopropyl)dimethylammonio]-1-propansulfonat (CHAPS, Sigma, 5 g in 50 ml DEPC-H2O unter Schütteln bei Raumtemperatur lösen, Lagerung der Lösung bei 4°C) als Detergens versetzt war, gewaschen. Sie wurden für 5 Minuten bei Raumtemperatur in Natrium-Kalium-Puffer (KTBT) äquilibriert und danach für 4 Stunden bei Raumtemperatur in 10 % Lammserum in KTBT inkubiert. Anschließend erfolgte die Inkubation mit dem Anti-Digoxigenin-Antikörper in 1:2000-facher Verdünnung in 10 % Lammserum in KTBT über Nacht bei 4°C. Überschüssiger Antikörper wurde in mehreren Schritten mit KTBT für je 1 Stunde bei Raumtemperatur und anschließend über Nacht bei 4°C ausgewaschen. Um die Detektion der Antikörperbindungsstellen zu optimieren, wurden die Embryonen für 2 mal 15 Minuten bei Raumtemperatur in Alkalische-Phosphatase-Puffer (APPuffer) gewaschen. Dann wurde die Farblösung aus 4-Nitrobluetetrazolium (NBT, Roche) und 5-Bromo-4-chloro-3-Indolylphosphat (BCIP, X-Phosphat, Roche) in APPuffer aufgetragen und die Embryonen darin bei Raumtemperatur inkubiert, bis das Signal von blauvioletter Farbe gut sichtbar war. Anschließend wurde überschüssige Farblösung mit AP-Puffer bei Raumtemperatur ausgewaschen, und die fertigen Embryonen wurden in 4 % PFA in Phosphatpuffer (PBS) bei 4°C gelagert. 3.7 Knorpel- und Knochenfärbung Um Veränderungen am Skelettapparat zu untersuchen, wurden manipulierte Embryonen der Stadien HH 30 bis HH 35 in einer Lösung aus Alzian Blau (Färbung knorpeliger Skelettelemente) und Alizarin Rot (Färbung knöcherner Skelettelemente) gefärbt. Die hier verwandte Methode der Knorpel- und Knochenfärbung wurde von Kessel und Gruss (1991) beschrieben. 31 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 3.7.1 Fixierung der Embryonen Die Embryonen wurden nach Entnahme aus dem Ei in steriler Locke-Lösung gewaschen. Mithilfe einer Iridektomieschere wurde das Amnion vollständig entfernt. Anschließend wurden die Embryonen in 100 % Ethanol für 3 Tage bei 4 °C fixiert. Nach Beendigung der Fixierung wurden sie zum Zwecke der besseren Penetration der Färbelösung durch das Gewebe in 100 % Aceton für einen Tag bei 4°C inkubiert. 3.7.2 Durchführung der Färbung Vor der Färbung wurden die Embryonen in Aqua bidest zweimal für jeweils zehn Minuten bei Raumtemperatur gewaschen. Anschließend wurden sie in der Färbelösung, bestehend aus 1 ml 0,1 % Alizarin Rot (Sigma, Steinheim) in 95 % Ethanol, 1 ml 0,3 % Alcian Blau (Sigma) in 70 % Ethanol, 1 ml Eisessig und 17 ml 70 % Ethanol für 3 bis maximal 5 Tage bei Raumtemperatur auf einem Schüttler inkubiert. Die Färbung wurde dabei täglich kontrolliert und nach Sichtbarwerden der Tibia der Embryonen durch Waschen der Embryonen in Aqua bidest. für einige Minuten bei Raumtemperatur beendet. Durch Inkubation in einer Lösung aus 20 % Glycerin und 1 % Kaliumhydroxid in Aqua bidest. wurden die Embryonen für 1 bis maximal 3 Tage bei Raumtemperatur aufgehellt, bis das gesamte Skelett gut sichtbar war. Dann wurden sie in 50 % und 80 % Glycerin in Aqua bidest. jeweils über einen Tag gehärtet, und schließlich in 100 % Glycerin bei Raumtemperatur aufbewahrt. 3.8 Anfertigung von Gewebeschnitten am Vibratom Von Embryonen, an denen zuvor eine whole mount in situ-Hybridisierung durchgeführt worden war, wurden an einem Vibratom der Marke Reichert-Jung (Modell 1140 32 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Autocut) Transversal-, Frontal- und Sagittalschnitte von 30 bis 40 µm Dicke im Bereich der Somiten und des kranialen präsomitischen Mesoderms angefertigt. Zuerst wurde eine Lösung aus 4 % Agar in Aqua bidest. in eine sterile Zellkulturschale gegossen, sodass der Boden der Schale gerade bedeckt war. Nachdem der Agar fest war, wurde der Embryo mit Hilfe eines Keratoplastikspatels auf den Agar gelegt und mit einer Nadel positioniert. Anschließend wurde er mit flüssigem Agar bedeckt und bis zum Aushärten des Agars bei Raumtemperatur, danach über Nacht bei 4 °C fixiert. Unmittelbar vor dem Schneiden wurde mit einem Einmalskalpell ein quadratischer Block, in dessen Mitte sich der Embryo befand, aus dem Agar herausgeschnitten. Dieser Block wurde entsprechend der gewünschten Schnittrichtung mit Sekundenklebstoff auf eine Metallplatte aufgeklebt, die dann in die mit Phosphatpuffer (PBS) gefüllte Schale des Vibratoms eingespannt wurde. Die Schnittdicke wurde bei Embryonen der Stadien HH 12 bis HH 18 auf 30 µm, bei älteren Embryonen auf 40 µm eingestellt. Jeder Schnitt wurde mithilfe eines dicken Pinsels aus der Schale mit PBS in eine Glasschale mit Aqua bidest. transferiert, um das PBS aus dem Schnitt auszuwaschen und die Bildung von Salzrändern auf dem Objektträger zu verhindern. Aus dem Wasser wurde der Schnitt anschließend mit einem dünnen Pinsel auf einen Objektträger gezogen und positioniert. Nach dem Trocknen des Schnittes erfolgte die Begutachtung unter einem Mikroskop der Marke Leica DMR. 3.9 Fotografieren von Embryonen Ganze Embryonen wurden unter dem Durchlichtmikroskop Wild M3Z (Heerbrugg/ Schweiz) mit der Digitalkamera Leica DC 300F fotografiert. Zum Fotografieren der Schnitte wurde das im verhergehenden Abschnitt genannte Mikroskop zusammen mit der darauf aufgesetzten Kamera Leica MPS 30 benutzt. Für diese Fotos wurden Filme der Marke Ektachrome 64 verwendet, die anschließend bei der Firma Vario Foto & Hobby in Freiburg entwickelt wurden. Die fertigen Diapositive 33 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— wurden zur weiteren Bearbeitung mit einem Scanner für Diapositive in den Computer eingescannt. Alle Bilder wurden mit dem Programm Adobe Photoshop 7.0 bearbeitet. 34 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 3.10 Chemikalien und Reagenzien Acrylamid-Kügelchen mit Heparin (Merck) Affi-Gel Blue Gel Beads (Biorad / Hercules (USA)) AG 1-X2 Kügelchen (Biorad) Alkalische-Phosphatase-Puffer (AP-Puffer) Stammlösungen: 1 M Magnesiumchlorid-Lösung: 203,30 g MgCl2 (Magnesiumchlorid-Hexahydrat, Merck) in 1000 ml Aqua bidest. lösen 5 M Natriumchlorid-Lösung: 58,44 g NaCl (Natriumchlorid, Sigma) in 1000 ml Aqua bidest. lösen Tris-Puffer, pH 9,5 (siehe unten) 25 % Triton X-100 (siehe unten) Gebrauchslösung: 10 ml Tris-Puffer, pH 9,5 5 ml 1 M MgCl2 2 ml 5 M NaCl 4 ml 25 % Triton X-100 79 ml Aqua bidest. unter ständigem Rühren bei Raumtemperatur lösen Lagerung bei Raumtemperatur Antikörper Anti-Digoxigenin-AP, Fab-Fragments (Roche / Mannheim) Chloriertes Organopolysiloxan Chloriertes Organopolysiloxan in Heptan: Sigmacote® (Sigma) 35 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— DEPC-Wasser / DEPC-H2O 1 l Aqua bidest. 1 g Diethylpyrocarbonat (Sigma) über Nacht inkubieren, anschließend autoklavieren Lagerung bei Raumtemperatur DEPC-PBS, pH 7,4 (Phosphatpuffer) Stammlösung (20-fach konzentriert): 160 4 g NaCl (Natriumchlorid; Sigma) g KCl (Kaliumchlorid, Sigma) 28,8 g Na2HPO4 (Dinatriumhydrogenphosphat, Merck) 4,8 g KH2PO4 (Kaliumdihydrogenphosphat, Sigma) in 800 ml DEPC-H2O lösen und auf 1000 ml auffüllen Gebrauchslösung (einfach konzentriert): 50 ml Stammlösung 950 ml DEPC-H2O DEPC-PBT (Phosphatpuffer mit 0,1 % Triton) 1 ml Triton X-100 (Sigma) 1000 ml DEPC-PBS Gebrauchslösung 36 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Hybridisierungspuffer 500 ml Formamid (Merck) 250 ml 20-faches SSC (siehe unten) 2,5 g CHAPS 1 ml Triton X-100 10 ml EDTA (Sigma) 50 mg Heparin (Heparin Natriumsalz, Sigma) 20 ml tRNA aus Hefe (Boehringer / Mannheim) 20 g Blocking Reagent (Roche) mit 1000 ml DEPC-H2O auffüllen und autoklavieren Lagerung bei -20 °C Inkubator mit beweglicher Platte Shake `n` Shack (Hybaid Instruments) KTBT (Natrium-Kalium-Puffer) 965 ml Aqua bidest. 8,8 g NaCl (Natriumchlorid, Sigma) 1,5 g KCl (Kaliumchlorid, Merck) 10 ml Triton X-100 unter ständigem Rühren lösen und autoklavieren Lagerung bei Raumtemperatur Kulturschalen Sterile Zellkulturschalen (Falcon) Lammserum (Gibco / Karlsruhe) 37 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— Locke-Lösung Stammlösungen: 94,270 g NaCl (Natriumchlorid, Sigma) auf 1000 ml Aqua bidest. 12,0255 g KCl (Kaliumchlorid, Merck) auf 1000 ml Aqua bidest. 15,8092 g CaCl2 (Calciumchlorid) auf 1000 ml Aqua bidest. Gebrauchslösung: 100 ml NaCl-Stammlösung 37 ml KCl-Stammlösung 21 ml CaCl2-Stammlösung mit Aqua bidest. auf 1000 ml auffüllen und autoklavieren 1 000 000 I.E. Penicillin G Natrium-Salz (Sigma) dazugeben Lagerung bei 4 °C Magnet-Heizplatte (Heidolph) Mikropipetten (Eppendorff) Minimum Essential Medium Alpha (Sigma) Natriumnitrit, gesättigte Lösung Natriumnitrit (Merck) Objektträger (Langenbrinck / Emmendingen) Paraformaldehyd-Lösung (4%) in PBT 40,0 g Paraformaldehyd-Pulver (Merck) 1000 ml DEPC-PBT bei 65 °C im Wasserbad unter ständigem Rühren lösen Lagerung bei -20 °C 38 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— PBS (Phosphatpuffer), pH 7,2 Stammlösung (10-fach konzentriert): 14,8 g NaHPO4 (Natriumhydrogenphosphat, Sigma) 4,3 g KH2PO4 (Kaliumdihydrogenphosphat, Sigma) 72,0 g NaCl (Natriumchlorid, Sigma) in 1000 ml Aqua bidest. lösen und autoklavieren Lagerung bei Raumtemperatur Gebrauchslösung: 100 ml Stammlösung 900 ml Aqua bidest. Proteinase K-Lösung, 20 mg/ml 100 mg Proteinase K (Boehringer / Mannheim) als Puder 5 ml DEPC-H2O Aliquots von je 50 µl Lagerung der Lösung bei -20 °C Proteine FGF-8 (R&B Systems / Wiesbaden): gelöst in PBS Noggin (R&B Systems): gelöst in PBS Sonic hedgehog (Shh) (von G.M.Cann, Stanford / USA, siehe Cann et al., 1999): gelöst in PBS SU 5402 (Calbiochem): gelöst in Dimethylsulfoxid Lagerung aller Proteine bei - 20 °C 39 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— SSC 20-fach, pH 7,0 (Natriumchlorid-Natriumcitrat-Lösung) Stammlösung: 175,3 g NaCl (Natriumchlorid, Sigma) 88,2 g Natriumcitrat (Sigma) in 800 ml DEPC-H2O lösen pH-Wert mit 10 N NaOH- oder HCl-Lösung auf 7,0 einstellen mit DEPC-H2O auf 1000 ml auffüllen und autoklavieren Lagerung bei Raumtemperatur Gebrauchslösung 2-fach: 10 ml 20-faches SSC mit DEPC-H2O auf 100 ml auffüllen Gebrauchslösung 0,2-fach: 1 ml 20-faches SSC mit DEPC-H2O auf 100 ml auffüllen Schüttler Duomax 1030 (Heidolph) Rotamax 120 (Heidolph) 1 M Tris-Puffer, pH 7,3 88,95 ml 1 M Tris-HCl (Sigma) 11,05 ml 1 M Tris-Base (Sigma) unter ständigem Rühren lösen, den pH-Wert einstellen und autoklavieren Lagerung bei Raumtemperatur 1 M Tris-Puffer, pH 9,5 475 ml 2 M Tris-Base (Sigma) 25 ml 2 M Tris-HCl (Sigma) 500 ml Aqua bidest. unter ständigem Rühren lösen, den pH-Wert einstellen und autoklavieren Lagerung bei Raumtemperatur 40 3. Material und Methoden ——————————————————————————————————— 25 % Triton X-100 12,5 ml Triton X-100 (Sigma) 50 ml DEPC-H2O (für in situ-Hybridisierung) oder Aqua bidest. unter Schütteln bei Raumtemperatur lösen Lagerung bei Raumtemperatur Tubes, sterile Polypropylenröhrchen, 15 ml / 50 ml (Falcon) Wolframdraht, Durchmesser 0,5 mm (Thyssen Edelstahlwerk) Zellkulturplatten, steril (Falcon) Zellstofftupfer (Lohmann) 41 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 4. Ergebnisse Im folgenden werden die Ergebnisse der whole mount in situ-Hybridisierungen an unmanipulierten und manipulierten Embryonen, sowie die Resultate der Knorpel- und Knochenfärbung dargestellt. Die Gliederung erfolgt nach folgenden Gesichtspunkten: - Expressionsmuster von uncx4.1 im paraxialen Mesoderm - Expression von uncx4.1 während Entstehung und Reifung des Sklerotoms - Expression von uncx4.1 außerhalb der Somiten - Regulation der Expression von uncx4.1 in den Somiten: durch Signale der axialen Strukturen, der lateralen Strukturen, des Ektoderms sowie durch Signalproteine des Chorda-Bodenplatten-Komplexes und des Fibroblast Growth Factor (FGF) – Signalweges 4.1 Expressionsmuster von uncx4.1 im paraxialen Mesoderm Um den normalen zeitlichen und räumlichen Verlauf der Expression von uncx4.1 im paraxialen Mesoderm zu untersuchen, wurden in situ-Hybridisierungen mit uncx4.1mRNA an ganzen Embryonen verschiedener Entwicklungsstadien durchgeführt. Die Expression von uncx4.1 im paraxialen Mesoderm des Hühnerembryos konnte erstmals im Stadium HH-6 (nach 22 Stunden Bebrütungszeit) beobachtet werden. Uncx4.1 war im Kopffortsatz, im Hensen-Knoten und in der kranialen Hälfte des präsomitischen Mesoderms exprimiert, an all diesen Orten war die Expression jedoch nur schwach ausgeprägt. Im präsomitischen Mesoderm stellte sich die Expression als ein breiter waagerechter Streifen dar, der zu beiden Seiten des Neuralrohres über eine Somitenlänge die gesamte Breite des präsomitischen Mesoderms ausfüllte (n = 12) (Abb. 1 A, B). 42 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Im Stadium HH-7 (nach 24 Stunden Bebrütungszeit) war uncx4.1 in den kaudalen Hälften der ersten beiden Somiten exprimiert. Diese Somiten befanden sich paarig angelegt zu beiden Seiten des Neuralrohres in der Mitte des Embryos. Des weiteren war im kranialen präsomitischen Mesoderm ein breiter uncx4.1-positiver Streifen im Bereich der kaudalen Hälfte des Somiten -I zu erkennen. Aufgrund seiner unscharfen Begrenzung konnte dieser Streifen deutlich von den Expressionsorten von uncx4.1 in den Somiten unterschieden werden (Abb. 1 C). Die Expression von uncx4.1 im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms bestand bis zum Stadium HH-14 in Form von einem oder zwei waagerechten Streifen fort (Abb. 1 D – K). Im Stadium HH16 trat eine uncx4.1-positive Domäne in der Schwanzspitze auf, welche im Stadium HH-18 nicht mehr vorhanden war (Abb. 1 L – O). Im Stadium HH-22 war das präsomitische Mesoderm bis in die Schwanzspitze segmentiert. Uncx4.1 war in der kaudalen Hälfte eines jeden Somiten exprimiert (Abb. 1 P). In den okzipitalen Somiten jedoch wurde die Intensität und die kraniokaudale Ausdehnung der Expression von kranial nach kaudal fortschreitend reduziert, bis sie im Stadium HH-24 in den ersten 2 Somiten vollständig verschwunden und im dritten und vierten Somiten auf einen schmalen Streifen am kaudalen Ende begrenzt war (Abb. 1 Q). Mit fortschreitender Somitenreifung wurde die Expression von uncx4.1 in allen Somiten, beginnend in den zervikalen Somiten, auf das kaudale Drittel eines jeden Somiten reduziert. Im Stadium HH-24 hatte diese Reduktion die zervikalen Somiten erfasst, während uncx4.1 in den thorakalen und lumbalen Somiten noch in der kaudalen Hälfte exprimiert war (Abb. 1 R). Im Stadium HH-28 hatte sich die Reduktion der Expression von uncx4.1 auf das kaudale Somitendrittel bis in die thorakalen Somiten ausgedehnt (Abb. 1 S, T). 43 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Abbildung 1 (folgende Seite): Expression von uncx4.1 vom 1. bis zum 6. Tag der Entwicklung. In situ-Hybridisierungen von ganzen Hühnerembryonen verschiedener Entwicklungsstadien. Die Länge des Balkens entspricht 250 µm in A – D, F, H, I, Q, R; und 500 µm in E, G, J – P, S. A Stadium HH-5. In diesem Stadium ist keine Expression von uncx4.1 nachweisbar. B Stadium HH-6. Uncx4.1 ist im Kopffortsatz (Pfeilspitze), in der rechten Seite des Hensen- Knotens (*) und im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms (Pfeil) exprimiert. C Stadium HH-7. Das erste Somitenpaar ist entwickelt. Uncx4.1 ist in der kaudalen Somitenhälfte (Pfeil), als ein schwacher Streifen im kranialen präsomitischen Mesoderm, in den Neuralfalten (NF) und im Kopffortsatz (Pfeilspitze) exprimiert. D Stadium HH-8. Uncx4.1 ist in der kaudalen Hälfte aller vier Somiten (Pfeile) und weiterhin in den Neuralfalten (NF) exprimiert. Im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms ist unmittelbar kaudal des letzten gebildeten Somiten ein schwacher, unscharf begrenzter uncx4.1-positiver Streifen sichtbar (*). E Stadium HH-10. Die Expression von uncx4.1 ist in allen 9 Somiten in der kaudalen Somitenhälfte zu erkennen. Im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms ist uncx4.1 in zwei schwachen Streifen exprimiert (Pfeile). Die Expression in den drei Hirnventrikeln, und dem durch den Schluss der Neuralfalten entstandenen Neuralrohr besteht auch in diesem Stadium. F Ausschnittsvergrößerung von E. G Stadium HH-13. In allen 19 Somiten ist uncx4.1 in der kaudalen Somitenhälfte exprimiert. Die zwei uncx4.1-positiven Streifen im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms sind stärker ausgeprägt und schärfer begrenzt als in den vorhergehenden Stadien. Im Neuralrohr ist uncx4.1 als ein schwacher, longitudinal verlaufender Streifen exprimiert. H Ausschnittsvergrößerung von G. Die römischen Ziffern bezeichnen die Somitenstadien. I Sagittalschnitt durch den kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms, wie in H angezeigt. Eine Somitenlänge kaudal des Somiten I ist ein unscharf begrenzter Streifen der Expression von uncx4.1 zu erkennen, welcher dem Somiten –I entspricht (Pfeil). Die römischen Ziffern bezeichnen die Somitenstadien. Die Somitengrenzen sind durch Striche am Bildrand markiert. J Stadium HH-14. Uncx4.1 ist in den kaudalen Hälften aller bereits gebildeten Somiten und des Somiten –I sowie im Neuralrohr exprimiert. K Ausschnittsvergrößerung von J. L Stadium HH-16. Uncx4.1 ist in den kaudalen Hälften aller Somiten, in der Schwanzspitze und im Neuralrohr exprimiert. M Ausschnittsvergrößerung von L. N Stadium HH-18. Zusätzlich zu den Expressionsorten in den Somiten und im Neuralrohr ist uncx.4.1 in diesem Stadium im intermediären Mesoderm in Höhe der Somiten 21 bis 25 exprimiert (Pfeile). In diesem Bereich befindet sich die Nierenanlage. Die Expression in den Somiten ist stark ausgeprägt, im ersten Somiten ist sie in ihrer dorsoventralen Ausdehnung gegenüber den anderen Somiten reduziert. In der Schwanzspitze und im präsomitischen Mesoderm ist keine Expression von uncx4.1 mehr zu erkennen. O Sagittalschnitt durch die kaudalen Somiten wie in K angezeigt. Uncx4.1 ist in der kaudalen Hälfte eines jeden Somiten exprimiert. P Stadium HH-24. Alle Somitenpaare sind ausgebildet. In den ersten zwei Somiten ist die Expression von uncx4.1 vollständig verschwunden. Im dritten und vierten Somiten ist sie auf einen schwachen, schmalen Streifen am kaudalen Somitenende reduziert. Uncx4.1 ist in den zervikalen Somiten im kaudalen Somitendrittel, in den thorakalen und lumbalen Somiten weiterhin in der kaudalen Somitenhälfte exprimiert. Q Sagittalschnitt durch die okzipitalen Somiten wie in M angezeigt. In den ersten beiden Somiten fehlt die Expression von uncx4.1, während sie im dritten und vierten Somiten lediglich in Intensität und Ausdehnung reduziert ist. Die arabischen Ziffern bezeichnen die Somitenzahlen. R Frontalschnitt durch die kaudalen Somiten wie in M angezeigt. Die Expression von uncx4.1 ist in den gezeigten Somiten stark ausgeprägt und streng auf die kaudale Somitenhälfte begrenzt. Im Neuralrohr ist uncx4.1 in zwei longitudinal verlaufenden Streifen auf beiden Seiten exprimiert. Die Somitengrenzen sind durch Striche am Bildrand markiert. S Stadium HH-28, Lateralansicht. In den zervikalen und den thorakalen Somiten ist die Expression von uncx4.1 auf das kaudalen Somitendrittel reduziert. Die Expression im Neuralrohr ist stark ausgeprägt. T Dorsalansicht des Embryos in S. 44 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 45 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 4.2 Expression von uncx4.1 während Entstehung und Reifung des Sklerotoms Frühere Untersuchungen zum Expressionsmuster von uncx4.1 an Mausembryonen haben gezeigt, dass uncx4.1 nach erfolgter Kompartimentierung der Somiten ausschließlich im Sklerotom exprimiert ist. Um den zeitlichen und räumlichen Verlauf der Expression von uncx4.1 während der Entwicklung und Reifung des Sklerotoms zu untersuchen, wurden Vibratomschnitte zwischen 30 und 60 µm Dicke von mit uncx4.1mRNA hybridisierten Embryonen angefertigt. Die Stadieneinteilung der Somiten erfolgte nach Christ und Ordahl (1995). Der Somit -I, welcher im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms unmittelbar kaudal des letzten epithelialen Somiten gelegen war, bestand aus dicht gepackten, ungeordneten mesenchymalen Zellen. Uncx4.1 war in der kaudalen Hälfte dieses Somiten mit homogener Intensität über dessen gesamte dorsoventrale Ausdehnung exprimiert (Abb. 2 A). Die Somiten I bis III bestanden aus einem epithelialen Randwall, der das zentral gelegene mesenchymale Somitocoel umschloss. In den kaudalen Hälften dieser Somiten war die Expression von uncx4.1 in ihrer Ausdehnung gegenüber dem Somiten -I deutlich reduziert. Sie war ausschließlich im ventralen Anteil des Somitocoels und im unmittelbar an das Somitocoel angrenzenden inneren Teil des ventralen epithelialen Randwalls zu erkennen. Die Intensität der Expression war im medialen Anteil des Somiten höher als im lateralen (Abb. 2 B). Im Somiten IV erfolgte die Kompartimentierung des Somiten, und es entstanden das ventral gelegene mesenchymale Sklerotom und das dorsal gelegene epitheliale Dermomyotom. Das Somitocoel wurde dabei in das Sklerotom einbezogen, von dem das Dermomyotom durch einen zellfreien Raum abgegrenzt war. Die Expression von uncx4.1 war in diesem Somiten ausschließlich in der kaudalen Hälfte des Sklerotoms in mäßiger Intensität zu erkennen (Abb. 2 C). Im Somiten VII waren die Zellen des Sklerotoms stärker kondensiert als in jüngeren Somiten. Die Expression von uncx4.1 war im ventromedialen Anteil des Sklerotoms stark ausgeprägt, während sie im lateralen Anteil des Sklerotoms fehlte. Um die Chorda 46 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— dorsalis herum, wo in diesen zuvor zellfreien Raum eingewanderte Sklerotomzellen die Perichordalröhre als Anlagematerial für die Wirbelkörper und die Bandscheiben bildeten, war uncx4.1 in mäßiger Intensität exprimiert (Abb. 2 D). Im Sklerotom des Somiten X waren die Zellen sehr dicht gepackt. Dieses Sklerotom wies die Form eines gleichseitigen Dreiecks auf, mit jeweils einer nach ventral, dorsal und lateral gerichteten Ecke. Uncx4.1 war in der gesamten kaudalen Sklerotomhälfte mit hoher, homogener Intensität exprimiert (Abb. 2 E). Während seiner weiteren Reifung nahm das Sklerotom mehr und mehr die Form eines langgestreckten Dreiecks an, indem das Wachstum der dorsalen und der lateralen Ecke das der ventralen Ecke überstieg. Im Sklerotom des Somiten XVIII war diese Form bereits deutlich augeprägt. Uncx4.1 war hier ausschließlich im lateralen Anteil der kaudalen Sklerotomhälfte exprimiert. Die Intensität der Expression. war im ventrolateralen Anteil der kaudalen Sklerotomhälfte höher als im dorsolateralen (Abb. 2 F). Im Somiten XXIV waren bereits die knorpeligen Anlagen der Achsenskelettelemente zu erkennen: Dorsal die Wirbelbögen, ventral die proximalen Rippen, lateral die Bogenwurzeln und medial die Wirbelkörper. Die zuvor dicht gepackten, ungeordneten Sklerotomzellen hatten sich zu größeren, linear angeordneten Knorpelzellen umorganisiert. Uncx4.1 war in den Bogenwurzeln und in den proximalen Rippen in hoher Intensität exprimiert, die Expressionsorte waren jeweils scharf begrenzt (Abb. 2 G). 47 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Abbildung 2: Expression von uncx4.1 während der Entwicklung und Reifung des Sklerotoms. Transversalschnitte von Embryonen unterschiedlicher Entwicklungsstadien im Bereich der Expressionsorte von uncx4.1 (kaudale Somitenhälfte). Sklerotom (scl), Neuralrohr (NR), Chorda dorsalis (Cd), Dermomyotom (dm), Myotom (m), Somitocoel (sc). Schnittdicke: A –C 30 µm, D – E 40 µm, F – G 60 µm. Die Länge des Balkens entspricht 500 µm. A Somit –I, Stadium HH-13. Uncx4.1 ist in dessen kaudaler Hälfte über die gesamte dorsoventrale Ausdehnung exprimiert. B Somit III, Stadium HH-13. Dieser Somit besteht aus einem epithelialen Randwall und dem zentral gelegenen mesenchymalen Somitocoel. Die Expression von uncx4.1 ist auf den ventralen Anteil des Somitotcoels und den unmittelbar angrenzenden epithelialen Randwall reduziert. C Somit IV, Stadium HH-13. Dieser Somit zeigt die beginnende Kompartimentierung in das dorsale epitheliale Dermomyotom und das ventrale mesenchymale Sklerotom. Uncx4.1 ist nur im Sklerotom exprimiert. D Somit VII, Stadium HH-18. Die Somitenkompartimente sind vollständig ausgebildet. Die Expression von uncx4.1 ist auf den medialen Anteil des Sklerotoms reduziert. Im zuvor zellfreien Raum um die Chorda dorsalis finden sich nun Sklerotomzellen, in denen uncx4.1 ebenfalls exprimiert ist. E Somit X, Stadium HH-18. Das Sklerotom ist vergrößert und seine Zellen sind dichter gepackt als in den Sklerotomen jüngerer Somitenstadien. Zwischen Dermomyotom und Sklerotom hat sich das Myotom ausgebildet. Uncx4.1 ist hier im gesamten Sklerotom exprimiert. Um die Chorda dorsalis ist keine Expression von uncx4.1 mehr zu erkennen. F Somit XVIII, Stadium HH-24. Der dorsale und der laterale Anteil des Sklerotoms haben sich stärker vergrößert als der ventrale Anteil, sodass das Sklerotom nun die Form eines langgestreckten Dreiecks aufweist. Die Expression von uncx4.1 ist auf den ventrolateralen Anteil des Sklerotoms reduziert. Starke Expression von uncx4.1 im dorsalen Neuralrohr (Pfeil). G Achsenskelettentwicklung in der oberen Thoraxregion, Stadium HH-28. Hier ist uncx4.1 in den knorpeligen Anlagen der Bogenwurzeln (*) und der proximalen Rippen exprimiert (**). 48 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 4.3 Expression von uncx4.1 außerhalb der Somiten Neben seiner Expression im paraxialen Mesoderm war uncx4.1 während der Entwicklung des Hühnerembryos auch im zentralen Nervensystem und im intermediären Mesoderm exprimiert. Im Stadium HH-7 war erstmals eine schwache Expression von uncx4.1 in den Neuralfalten zu erkennen, am deutlichsten im kranial des ersten Somitenpaares gelegenen Anteil der Neuralfalten, aus welchem die Hirnventrikel entstehen (Abb. 1 C). In den folgenden Entwicklungsstadien blieb die Expression von uncx4.1 in der dorsolateralen Wand der Hirnventrikel bestehen (Abb. 1 D, E, G, P, S). Kaudal davon schlossen sich die Neuralfalten, zeitgleich mit der Bildung neuer Somiten von kranial nach kaudal fortschreitend, zum Neuralrohr, der Anlage des Rückenmarks. Im Neuralrohr war uncx4.1 in zwei longitudinal verlaufenden Streifen zu beiden Seiten der Deckplatte und in zwei ebenfalls longitudinal verlaufenden Streifen zu beiden Seiten der Bodenplatte exprimiert (Abb. 1 E – H, J, K, P, R, T; Abb. 2 F, G). Im Stadium HH-13 war erstmals eine Expression von uncx4.1 im intermediären Mesoderm zu erkennen. Zuerst trat lateral der Somiten I bis IV ein schwach uncx4.1positiver Streifen auf (Abb.1 G, H). Dieser Streifen verlängerte sich in den folgenden Entwicklungsstadien zeitgleich mit der Bildung weiterer Somiten nach kaudal, während er sich an seinem kranialen Ende zurückbildete (Abb. 1 K, L). Im Stadium HH-18 schließlich war uncx4.1 im intermediären Mesoderm in Höhe der Somiten 20 bis 30 als ein unscharf begrenzter, gesprenkelter Streifen exprimiert (Abb. 1 N). Transversalschnitte durch diesen Bereich zeigten, dass uncx4.1 in den Tubuli der Nierenanlage exprimiert war (Abb. 2 D, E). 49 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 4.4 Regulation der Expression von uncx4.1 in den Somiten 4.4.1 Regulation durch Signale der axialen Strukturen Die axialen Strukturen, zu welchen die ventral gelegene Chorda dorsalis und das dorsal gelegene Neuralrohr zählen, spielen eine entscheidende Rolle in der Kompartimentierung des Somiten und in der Entwicklung und Reifung des Sklerotoms. Um einen möglichen Einfluss der axialen Organe auf die Expression von uncx4.1 in den Somiten zu untersuchen, wurden sie einzeln oder gemeinsam vom präsomitischen Mesoderm bzw. den neugebildeten Somiten abgeschirmt. Wurde eine Barriere aus Aluminiumfolie zwischen die axialen Organe und den kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms implantiert (n = 55), so waren nach einer Reinkubationszeit von 24 Stunden lateral dieser Barriere keine Somiten zu erkennen. Das paraxiale Mesoderm bestand in diesem Bereich aus einem homogenen Band. Uncx4.1 war auf der manipulierten Seite in keinem der untersuchten Embryonen exprimiert (Abb. 3 A, B). Nach Implantation einer Barriere zwischen die axialen Organe und die Somiten I bis V (n = 25) waren die Somiten alle in ihrer ursprünglichen Form und Größe erhalten. Die kraniokaudale Ausdehnung der Expression von uncx4.1 war in jedem dieser Somiten deutlich reduziert, sodass uncx4.1 lediglich schwach als ein schmaler Streifen am kaudalen Ende eines jeden Somiten exprimiert war (Abb. 3 C, D). Regulation durch Signale des Chorda-Bodenplatten-Komplexes Nach Entfernung des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms auf einer Länge von 5 prospektiven Somiten bildeten sich nach einer Reinkubationszeit von 8 Stunden im manipulierten Bereich verkleinerte, scharf begrenzte Somiten aus (n = 13) (Abb. 3 E, F). In keinem dieser Somiten war eine Expression von uncx4.1 zu erkennen. 24 Stunden nach derselben Operation waren im Operationsgebiet ebenfalls scharf begrenzte, verkleinerte Somiten zu erkennen (n = 65). Auch in diesen Somiten war uncx4.1 nicht exprimiert (Abb. 3 G). 50 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Wurde der Chorda-Bodenplatten-Komplex in Höhe der Somiten I bis V entfernt, waren die Somiten im manipulierten Bereich in ihrer Größe und Struktur erhalten (n = 19). In diesen Somiten war die kraniokaudale Ausdehnung der Expression von uncx4.1 deutlich reduziert, und uncx4.1 war lediglich als ein schmaler Streifen am kaudalen Ende eines jeden Somiten exprimiert (Abb. 3 H, I). Nach der Transplantation eines zusätzlichen Chorda-Bodenplatten-Komplexes aus der Höhe des präsomitischen Mesoderms über das kraniale präsomitische Mesoderm zeigten sich nach 24 Stunden Reinkubation im manipulierten Bereich Somiten normaler Größe (n = 12). Das Sklerotom dieser Somiten war auf Kosten des Dermomyotoms nach dorsal vergrößert. Uncx4.1 war in der kaudalen Sklerotomhälfte in deren gesamter dorsoventraler Ausdehnung exprimiert (Abb. 3 J – L). Wurde ein zusätzlicher ChordaBodenplatten-Komplex aus der Höhe der Somiten über die Somiten I bis V transplantiert, so fand sich nach 12 Stunden Reinkubation in keinem der untersuchten Embryonen eine Veränderung des Sklerotoms im manipulierten Bereich (n = 4). Das Expressionsmuster von uncx4.1 entsprach dem eines unmanipulierten Somiten (Abb. 3 M – O). 51 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Abbildung 3 (folgende Seite):Regulation der Expression von uncx4.1 in den Somiten durch Signale der axialen Organe. Um den Einfluss der axialen Organe auf das Expressionsmuster von uncx4.1 im paraxialen Mesoderm zu untersuchen, wurden nach Mikromanipulationen in situ-Hybridisierungen mit uncx4.1-mRNA an ganzen Embryonen unterschiedlicher Entwicklungsstadien angefertigt. Alle Mikromanipulationen im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms wurden über eine Länge von fünf prospektiven Somiten ausgeführt. Bei einseitigen Manipulationen (A - D, J - O) ist jeweils die rechte Seite des Embryos die manipulierte Seite. Die Länge des Balkens entspricht 250 µm in B, G, I; und 500 µm in A, C – F, H, J – O. A Stadium HH-24, 36 Stunden nach Trennung der axialen Organe vom kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms durch eine Barriere aus Aluminiumfolie. Auf der manipulierten Seite ist die Segmentierung gestört, und es fehlen reguläre Somiten. Uncx4.1 ist auf dieser Seite nicht exprimiert. B Ausschnittsvergrößerung von A. C Stadium HH-19, 12 Stunden nach Trennung der axialen Organe von den Somiten I bis V durch eine Barriere aus Aluminiumfolie. D Ausschnittsvergrößerung von C. Die Somiten der manipulierten Seite behalten ihre Struktur bei, während die Expression von uncx4.1 in diesen Somiten auf einen schwachen, schmalen Streifen am kaudalen Somitenende reduziert ist (Pfeile). E Stadium HH-12, 9 Stunden nach Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms. Die im manipulierten Bereich gebildeten Somiten sind verkleinert, und uncx4.1 ist in diesen Somiten nicht exprimiert. F Ausschnittsvergrößerung von E. Die Somitengrenzen sind durch Striche am Bildrand markiert. G Stadium HH-19, 12 Stunden nach Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms. Auch in den hier gezeigten reiferen Somiten im manipulierten Bereich fehlt die Expression von uncx4.1. H Stadium HH-18, 10 Stunden nach Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe der Somiten I bis V. Die Struktur der Somiten im manipulierten Bereich ist erhalten. I Ausschnittsvergrößerung von H. Uncx4.1 ist in den Somiten der manipulierten Seite im medialen Anteil des kaudalen Somitendrittels exprimiert (Pfeile). Die Somitengrenzen sind durch Striche am Bildrand markiert. J Stadium HH-16, 16 Stunden nach Transplantation eines zusätzlichen Chorda-BodenplattenKomplexes über das kraniale präsomitische Mesoderm (rote Pfeile). Die Expression von uncx4.1 in den auf der manipulierten Seite gebildeten Somiten wird durch die Anwesenheit eines zusätzlichen Chorda-Bodenplatten-Komplexes nicht beeinflusst. K Ausschnittsvergrößerung von J. L Transversalschnitt durch den manipulierten Bereich des in J und K gezeigten Embryos. Auf der manipulierten Seite ist das Sklerotom vergrößert, während das Dermomyotom verkleinert ist. Uncx4.1 ist über die gesamte dorsoventrale Ausdehnung des Sklerotoms exprimiert. Der rote Pfeil markiert die Position des transplantierten Chorda-BodenplattenKomplexes. M Stadium HH-17, 12 Stunden nach Transplantation eines zusätzlichen Chorda-BodenplattenKomplexes über die Somiten I bis V (rote Pfeile). Die Struktur der Somiten und die Expression von uncx4.1 auf der manipulierten Seite sind gegenüber der unmanipulierten Seite nicht verändert. N Ausschnittsvergrößerung von M. O Transversalschnitt durch den manipulierten Bereich des in M und N gezeigten Embryos. Das Sklerotom und das Dermomyotom sind in ihrer Ausdehnung unverändert. Uncx4.1 ist in der gesamten dorsoventralen Ausdehnung des Sklerotoms exprimiert. Der rote Pfeil markiert die Position des transplantierten Chorda-Bodenplatten-Komplexes. 52 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 53 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Regulation durch Signale des Neuralrohres Das Neuralrohr spielt neben seiner Eigenschaft als Vorläufer des zentralen Nervensystems eine wichtige Rolle in der Achsenskelettentwicklung, indem die von seinen verschiedenen Anteilen sezernierten Proteine durch ihre Interaktion mit anderen Proteinen aus den die Somiten umgebenden Strukturen die Entwicklung verschiedener Achsenskelettelemente steuern (Monsoro-Burq et al., 1994; Monsoro-Burq und Le Douarin, 2000; Wagner et al., 2000). Wurde das Neuralrohr vor der Segmentierung in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms entfernt, so bildeten sich im manipulierten Bereich in der Mittellinie fusionierte Somiten (n = 52) (Abb. 4 A). Im Somiten II waren sowohl die beiden Somitocoele als auch die epithelialen Randwälle miteinander fusioniert, sodass die paarigen Somiten als ein einziger Somit imponierten. Uncx4.1 war in diesen Somiten im medialen Anteil der Somitocoele in hoher Intensität exprimiert (Abb. 4 B). Im Somiten X waren die beiden Dermomyotome und die beiden Sklerotome in der Mittellinie fusioniert. Die Sklerotome wiesen die für dieses Somitenstadium typische Form eines gleichseitigen Dreiecks auf, waren jedoch gegenüber den Sklerotomen unmanipulierter Somiten verkleinert. Die Expression von uncx4.1 umfasste die gesamte kaudale Sklerotomhälfte (Abb. 4 C). Im Somiten XVIII blieben die Sklerotome fusioniert, während die Dermomyotome voneinander getrennt lateral der Sklerotome lagen. Die Sklerotome waren gegenüber denen in unmanipulierten Somiten deutlich verkleinert, und es fehlte ihnen der ventrolaterale Anteil. Uncx4.1 war in den dorsolateralen Anteilen der kaudalen Sklerotomhälften exprimiert, die Intensität der Expression war schwächer als in den weiter kaudal gelegenen Somiten (Abb. 4 D). Um die Auswirkungen der Entwicklungsverzögerung des Sklerotoms auf die Entwicklung des Achsenskeletts zu untersuchen, wurde das Neuralrohr in Höhe des präsomitischen Mesoderms im Bereich der prospektiven Somiten 19 – 26, welche die Vorläufer des thorakalen Achsenskeletts sind, entfernt (n = 18). Das Skelett der manipulierten Embryonen wurde nach einer Reinkubationszeit von 6 Tagen mit Alizarin Rot und Alcian Blau gefärbt. Bei allen untersuchten Embryonen fehlten die Wirbelbögen und die Bogenwurzeln vollständig. Die Wirbelkörper waren verkleinert und wiesen anstelle der querovalen Form der Wirbelkörper unmanipulierter Embryonen eine runde Form auf. Die Rippenköpfe und die proximalen Anteile der Rippenhälse 54 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— waren nur rudimentär ausgebildet. Dadurch fehlten den Embryonen sowohl die RippenWirbelbogen-Gelenke als auch die Rippen-Wirbelkörper-Gelenke. Die fehlende Verbindung zwischen Rippen und Wirbeln führte bei allen untersuchten Embryonen zu einer starken Lordose mit nach ventral verlagerten Wirbelkörpern (Abb. 4 E – G). Abbildung 4: Expression von uncx4.1 und Entwicklung des Achsenskeletts nach Exstirpation des Neuralrohres in Höhe des kranialen Anteils des präsomitischen Mesoderms. Die Manipulationen wurden über eine Länge von fünf prospektiven Somiten ausgeführt. In den Abbildungen ist folgende Struktur markiert: Nierenanlage (N). Die Länge des Balkens entspricht 500 µm in A – D und 1 mm in E – G. A Stadium HH-15, 6 Stunden nach Exstirpation des Neuralrohres in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms. Im manipulierten Bereich sind die Somiten in der Mittelllinie fusioniert. Uncx4.1 ist in jedem dieser Somiten in der kaudalen Somitenhälfte exprimiert. Die römischen Ziffern bezeichnen die Somitenstadien. B Transversalschnitt durch den Somiten II des in A gezeigten Embryos. Sowohl die epithelialen Randwälle als auch die Somitocoele der beiden Somiten sind in der Mittelllinie miteinander fusioniert. Die Expressionsorte von uncx4.1 im medialen Anteil eines jeden Somitocoels sind ebenfalls miteinander fusioniert. Daneben ist uncx4.1 in der Nierenanlage exprimiert. C Transversalschnitt durch den Somiten X eines Embryos im Stadium HH-18. Hier sind die Sklerotome und die Dermomyotome der beiden Somiten in der Mittelllinie miteinander fusioniert. Uncx4.1 ist stark in der gesamten kaudalen Sklerotomhälfte exprimiert. Eine deutliche Expression von Uncx4.1 ist auch in der Nierenanlage zu erkennen. D Transversalschnitt durch den Somiten XVIII eines Embryos im Stadium HH-24. Die Sklerotome der beiden Somiten sind in der Mittelllinie fusioniert, während sich die Dermomyotome getrennt entwickeln. Uncx4.1 ist in den lateralen Anteilen der Sklerotome und in der Nierenanlage exprimiert. E Skelettfärbung an einem 8 Tage alten Embryo, 6 Tage nach Exstirpation des Neuralrohres in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms. F Ausschnittsvergrößerung von E. Im manipulierten Bereich sind die Wirbelkörper verkleinert (roter Pfeil). Die Rippenköpfe sind ebenfalls verkleinert und die Wirbelbögen fehlen vollständig. G Einzelner Wirbel mit dazugehörigen Rippen des in E und F gezeigten Embryos. 55 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 4.4.2 Regulation durch Signale der lateralen Strukturen Die lateralen Strukturen, zu welchen das Seitenplattenmesoderm und das intermediäre Mesoderm zählen, spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung der dorsalen Anteile des Achsenskeletts und der epaxialen und hypaxialen Muskulatur. Durch die von ihnen sezernierten Signalmoleküle wird der Einfluss der Signale des Chorda-BodenplattenKomplexes im dorsolateralen Anteil des Somiten gehemmt und die Entwicklung des Dermomyotoms induziert (Monsoro-Burq et al., 1994, 1996; Müller et al., 1996; Pourquié et al., 1995, 1996; McMahon et al., 1998; Monsoro-Burq und Le Douarin, 2000). Durch die Abschirmung der lateralen Organe vom paraxialen Mesoderm wurde ihr möglicher Einfluss auf die Expression von uncx4.1 in den Somiten untersucht. Nach Trennung des Seitenplattenmesoderms vom kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms auf einer Länge von fünf prospektiven Somiten durch eine Barriere aus Aluminiumfolie bildeten sich bei allen Embryonen im manipulierten Bereich verkleinerte Somiten aus (n = 18). Uncx4.1 war in der kaudalen Hälfte eines jeden Somiten in normaler Intensität und Ausdehnung exprimiert (Abb. 5 A). Wurde eine Barriere zwischen das intermediäre Mesoderm und die Somiten I bis V implantiert, konnte im Operationsgebiet keine Veränderung der Form und Größe der Somiten beobachtet werden (n = 13). Die Expression von uncx4.1 war in diesen Somiten gegenüber der Expression in normalen Somiten nicht verändert (Abb. 5 B). 56 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Abbildung 5: Regulation der Expression von uncx4.1 in den Somiten durch Signale der lateralen Strukturen. Um den Einfluss der Sklerotom-supprimierenden Strukturen auf die Expression von uncx4.1 in den Somiten zu untersuchen, wurden nach Mikromanipulationen in situ-Hybridisierungen mit uncx4.1-mRNA an ganzen Embryonen durchgeführt. Alle Mikromanipulationen im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms wurden über eine Länge von fünf prospektiven Somiten ausgeführt. Bei einseitigen Manipulationen ist jeweils die rechte Seite des Embryos die manipulierte Seite. Die Länge des Balkens entspricht 500 µm. A Stadium HH-16, 8 Stunden nach Trennung des Seitenplattenmesoderms vom kranialen präsomitischen Mesoderm durch eine Barriere aus Aluminiumfolie. In den Somiten der manipulierten Seite ist uncx4.1 in den kaudalen Somitenhälften exprimiert. Das intermediäre Mesoderm und die Expression von uncx4.1 in der Nierenanlage fehlen im manipulierten Bereich. B Stadium HH-19, 20 Stunden nach Trennung des intermediären Mesoderms von den Somiten I bis V durch eine Barriere aus Aluminiumfolie. Die Somiten der manipulierten Seite haben ihre Struktur beibehalten, und uncx4.1 ist in den kaudalen Somitenhälften exprimiert. 57 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 4.4.3 Regulation durch Signale des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohres Signale des Ektoderms induzieren im präsomitischen Mesoderm die Expression von paraxis. Dieses Gen kodiert für das bHLH-Protein Paraxis, welches für die Epithelialisierung der Somiten notwendig ist (Burgess et al., 1996; Šoš ičet al., 1997). Das Ektoderm und der dorsale Anteil des Neuralrohres sezernieren den NogginAntagonisten BMP4 und fördern so die Entwicklung des Dermomyotoms, während die des Sklerotoms unterdrückt wird (Brand-Saberi et al., 1993; Pourquié et al., 1993, 1996; Goulding et al., 1994; Monsoro-Burq et al., 1994, 1996; McMahon et al., 1998; Monsoro-Burq und Le Douarin, 2000; Wagner et al., 2000). Um einen möglichen Einfluss des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohres auf die Expression von uncx4.1 in den Somiten zu untersuchen, wurden beide Gewebe vom kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms entfernt. Um ein Nachwachsen des Ektoderms bzw. des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohres zu verhindern, wurde nach der Entfernung ein Streifen Goldfolie gleicher Größe in den operierten Bereich eingebracht. Nach Entfernung des Ektoderms über dem kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms auf einer Länge von fünf prospektiven Somiten waren die Somiten auf der manipulierten Seite in ihrer mediolateralen Ausdehnung gegenüber den Somiten der Gegenseite verkleinert (n = 15). Uncx4.1 war in der kaudalen Hälfte eines jeden Somiten in normaler Intensität und Ausdehnung exprimiert (Abb. 6 A). Wurde das Ektoderm über dem präsomitischen Mesoderm zusammen mit dem dorsalen Anteil des Neuralrohres in gleicher Höhe entfernt, so waren die Somiten auf der manipulierten Seite stark verkleinert (n = 22). Die Expression von uncx4.1 umfasste nach wie vor die kaudale Hälfte eines jeden Somiten, wobei die kraniokaudale Ausdehnung der Expression der reduzierten Somitenlänge angepasst war. Auch die Intensität der Expression von uncx4.1 war gegenüber der in normalen Somiten unverändert (Abb. 6 B). 58 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Abbildung 6: Regulation der Expression von uncx4.1 in den Somiten durch Signale des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohres. Die Länge des Balkens entspricht 500 µm. A Stadium HH-15, 8 Stunden nach Entfernung des Ektoderms über dem kranialen präsomitischen Mesoderm und Ersatz des Ektoderms durch Goldfolie. Die Somiten der manipulierten Seite sind gegenüber normalen Somiten in Größe und Struktur unverändert. Uncx4.1 ist in den kaudalen Somitenhälften exprimiert. Der Bereich, in welchem das Ektoderm entfernt wurde, ist durch Striche markiert. B Stadium HH-19, 20 Stunden nach Entfernung des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohres über dem kranialen präsomitischen Mesoderm und Ersatz der entfernten Strukturen durch Goldfolie. Die Somiten im manipulierten Bereich sind verkleinert. Uncx4.1 ist in allen Somiten in der kaudalen Somitenhälfte exprimiert, die kraniokaudale Ausdehnung der Expression ist der jeweiligen Somitengröße angepasst. 59 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 4.4.4 Regulation durch Signalproteine Regulation durch Signalproteine des Chorda-Bodenplatten-Komplexes Um das Signal des Chorda-Bodenplatten-Komplexes, welches die Expression von uncx4.1 in den Somiten möglicherweise reguliert, zu identifizieren, wurden mit den bekannten vom Chorda-Bodenplatten-Komplex sezernierten Proteinen Noggin und Sonic hedgehog (Shh) beladene Kügelchen in das kraniale präsomitische Mesoderm implantiert. Anschließend wurde im Bereich der Implantation der Chorda-BodenplattenKomplex entfernt. Nach der Implantation eines mit Shh in einer Konzentration von 8 µg/µl beladenen Kügelchens und anschließender Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes war uncx4.1 in den Somiten des manipulierten Bereiches nicht exprimiert (n = 21) (Abb. 7 A, B). Auch die Implantation eines mit Noggin in einer Konzentration von 5 µg/µl beladenen Kügelchens konnte in Abwesenheit des Chorda-BodenplattenKomplexes in den Somiten des manipulierten Bereiches keine Expression von uncx4.1 induzieren (n = 10) (Abb. 7 C, D). Wurde ein mit 5µg/µl Noggin und 8 µg/µl Shh zugleich beladenes Kügelchen implantiert und der Chorda-Bodenplatten-Komplex entfernt, konnte in den im manipulierten Bereich gebildeten Somiten ebenfalls keine Expression von uncx4.1 beobachtet werden (n = 17) (Abb. 7 E, F). ——————————————————————————————————— Abbildung 7 (folgende Seite): Expression von uncx4.1 in den Somiten nach Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms und anschließender Implantation von mit Sonic Hedgehog (Shh), Noggin oder Shh und Noggin beladenen Kügelchen auf der rechten Seite des Embryos. Die Länge des Balkens entspricht 250 µm in B, D, F; und 500 µm in A, C, E. A Stadium HH-18, 24 Stunden nach Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms und Implantation eines mit Shh beladenen Kügelchens in gleicher Höhe. Im manipulierten Bereich sind verkleinerte Somiten ausgebildet. Uncx4.1 ist in diesen Somiten nicht exprimiert. B Ausschnittsvergrößerung von A. C Stadium HH-18, 24 Stunden nach Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms und Implantation eines mit Noggin beladenen Kügelchens in gleicher Höhe. In den verkleinerten Somiten im manipulierten Bereich ist keine Expression von uncx4.1 zu erkennen. D Ausschnittsvergrößerung von C. E Stadium HH-17, 20 Stunden nach Exstirpation des Chorda-Bodenplatten-Komplexes in Höhe des kranialen präsomitischen Mesoderms und Implantation eines mit Shh und Noggin beladenen Kügelchens in gleicher Höhe. Auch hier sind die Somiten im manipulierten Bereich verkleinert, und uncx4.1 ist nicht exprimiert. F Ausschnittsvergrößerung von E. 60 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 61 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Regulation durch Signalproteine des Fibroblast Growth Factor (FGF) - Signalweges Der geordnete Ablauf der Segmentierung des paraxialen Mesoderms durch intrinsische zelluläre und molekulare Oszillatoren ist für die korrekte Somitenentwicklung unentbehrlich. Im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms führt die Bindung des zu den Proteinen des Fibroblast Growth Factor (FGF)-Signalweges gehörenden Faktors FGF-8 an seinen Rezeptor FGF-Rezeptor-1 (FGFR-1) zum Anhalten der Oszillationen, wodurch die kaudale Begrenzung und die kraniokaudale Ausdehnung des nächsten Somiten festgelegt werden. Der Faktor SU 5402 besetzt die Bindungsstellen für FGF-8 an FGFR-1 und kann die FGF-8-induzierte Signalkaskade verhindern (Green et al., 1996; Mohammadi et al., 1997; Dubrulle et al., 2001; Sawada et al., 2001; Stolte et al., 2002). Ein möglicher Einfluss des FGF-Signalweges auf die Expression von uncx4.1 in den Somiten wurde durch Implantation von mit FGF-8 oder SU 5402 beladenen Kügelchen in verschiedenen Höhen des präsomitischen Mesoderms untersucht. Nach Implantation eines mit FGF-8 in einer Konzentration von 2 µg/µl beladenen Kügelchens in die kraniale Hälfte des präsomitischen Mesoderms zeigte sich auf der Seite des Kügelchens keine Veränderung in Somitengröße und Expression von uncx4.1 gegenüber der Gegenseite (n = 5) (Abb. 8 A). Wurde ein solches Kügelchen jedoch in die kaudale Hälfte des präsomitischen Mesoderms implantiert, war der unmittelbar kranial des Kügelchens gelegene Somit gegenüber dem in gleicher Höhe gelegenen Somiten der Gegenseite in seiner kraniokaudalen Ausdehnung reduziert (n = 6). Die Grenzen der sich kaudal anschließenden Somiten waren verschoben, die Anzahl der Somiten zu jeder Seite des Neuralrohres blieb jedoch konstant. Uncx4.1 war auf der Seite des mit FGF-8 beladenen Kügelchens in der kaudalen Hälfte eines jeden Somiten exprimiert, die Intensität der Expression entsprach der in einem normalen Somiten (Abb. 8 B). Die Implantation eines mit SU 5402 in einer Konzentration von 10mM beladenen Kügelchens in die kraniale Hälfte des präsomitischen Mesoderms führte auf der manipulierten Seite zur Bildung von Somiten normaler Größe (n = 4). Die Expression von uncx4.1 umfasste die kaudale Hälfte eines jeden Somiten (Abb. 8 C). Dagegen hatte die Implantation eines solchen Kügelchens in die kaudale Hälfte des präsomitischen Mesoderms im Bereich des Kügelchens einen vergrößerten Somiten zur Folge (n = 8). 62 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— Dieser Somit war gegenüber dem in gleicher Höhe gelegenen Somiten der Gegenseite nach kaudal verlängert, seine Gesamtlänge entsprach dabei der Länge von 1½ Somiten. Die sich unmittelbar kaudal anschließenden Somiten auf der Seite des Kügelchens waren ebenfalls verlängert, ihre Länge nahm nach kaudal hin mit zunehmender Entfernung zum Kügelchen ab. Die Expression von uncx4.1 in diesen Somiten war in dem im Bereich des Kügelchens gelegenen Somiten auf einen schwachen, schmalen Streifen am kaudalen Ende des Somiten reduziert. Die Ausdehnung und die Intensität der Expression nahmen in den sich kaudal anschließenden Somiten gemeinsam mit der Abnahme ihrer Länge zu (Abb. 8 D). ——————————————————————————————————— Abbildung 8 (folgende Seite): Regulation der Expression von uncx4.1 in den Somiten durch auf das präsomitische Mesoderm wirkende Proteine des Fibroblast-Growth-Factor (FGF)-Signalweges. Mit den Proteinen FGF-8 und SU 5402 beladene Kügelchen wurden auf der rechten Seite des Embryos in unterschiedlicher Höhe in das präsomitische Mesoderm implantiert, auf der linken Seite wurde jeweils in gleicher Höhe ein mit dem Lösungsmittel der Proteine beladenes Kontrollkügelchen implantiert. Die Länge des Balkens entspricht 300 µm. A Stadium HH-18, 18 Stunden nach Implantation eines mit FGF-8 beladenen Kügelchens in die kraniale Hälfte des präsomitischen Mesoderms. Die Somiten in der Umgebung des Kügelchens sind gegenüber denen der Kontrollseite in Größe und Struktur nicht verändert. Uncx4.1 ist in der kaudalen Hälfte eines jeden Somiten exprimiert, die Intensität der Expression entspricht der in den Somiten der Kontrollseite. B Stadium HH-17, 12 Stunden nach Implantation eines mit FGF-8 beladenen Kügelchens in die kaudale Hälfte des präsomitischen Mesoderms. Der unmittelbar kranial des Kügelchens gelegene Somit ist in seiner kraniokaudalen Ausdehnung verkleinert, der sich kaudal anschließende Somit kompensatorisch vergrößert. In beiden Somiten ist uncx4.1 in der kaudalen Hälfte in normaler Intensität exprimiert. C Stadium HH-19, 26 Stunden nach Implantation eines mit SU 5402 beladenen Kügelchens in die kraniale Hälfte des präsomitischen Mesoderms. Auch hier sind die Somiten in der Umgebung des Kügelchens von normaler Größe und Struktur. Uncx4.1 ist in den kaudalen Somitenhälften in normaler Intensität exprimiert. D Stadium HH-19, 26 Stunden nach Implantation eines mit SU 5402 beladenen Kügelchens in die kaudale Hälfte des präsomitischen Mesoderms. Der Somit im Bereich des Kügelchens ist vergrößert, die sich kaudal anschließenden Somiten sind ebenfalls vergrößert und werden nach kaudal hin sukzessive wieder kleiner. In den Somiten in der unmittelbaren Umgebung sowie kaudal des Kügelchens ist die Expression von uncx4.1 auf einen schwachen, schmalen Streifen am kaudalen Somitenende reduziert. Dieser Streifen nimmt nach kaudal hin parallel zur Größenabnahme der Somiten in Ausdehnung und Länge zu, bis 5 Somiten kaudal des Kügelchens Somitengröße und Expression von uncx4.1 wieder denen eines unmanipulierten Somiten entsprechen. 63 4. Ergebnisse ——————————————————————————————————— 64 5. Diskussion ——————————————————————————————————— 5. Diskussion Die vorliegende Studie beschreibt das räumliche und zeitliche Expressionsmuster des Gens uncx4.1 im paraxialen Mesoderm und im Achsenskelett des Hühnerembryos, die Regulation dieser Expression durch Signale umgebender Strukturen und den Zusammenhang der somitischen uncx4.1-Expression mit der Achsenskelettentwicklung. Die Ergebnisse geben einen Hinweis auf die Funktionen des Transkriptionsfaktors Uncx4.1 während der Achsenskelettentwicklung. Einerseits erhält Uncx4.1 die während der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms determinierte kraniokaudale Polarität der Somiten bis zur Wirbelentwicklung, andererseits spielt es auch eine entscheidende Rolle bei der Spezifizierung des Sklerotoms 5.1 Regulation der Expression von uncx4.1 im präsomitischen Mesoderm durch intrinsische Mechanismen Während der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms weist die Expression von uncx4.1 eine zeitliche und räumliche Dynamik auf. Von der Entstehung des ersten bis zur Entstehung des 22. Somiten ist uncx4.1 in den Somiten -I und -II, anschließend bis zur Entstehung des 28. Somiten im Bereich der Schwanzspitze exprimiert. Dieses im präsomitischen Mesoderm von Hühnerembryonen beobachtete Expressionsmuster von uncx4.1 konnte in Rahmen dieser Arbeit erstmals gezeigt werden. Bei Mausembryonen wurde keine uncx4.1-Expression im präsomitischen Mesoderm beschrieben. Der früheste Zeitpunkt des Auftretens einer Expression von uncx4.1 lag in den kaudalen Hälften der Somiten I und II (Mansouri et al., 1997; Neidhardt et al., 1997; Mansouri et al., 2000; Leitges et al., 2000). Im präsomitischen Mesoderm von Hühnerembryonen konnte bei einigen Embryonen die Expression von uncx4.1 nur im Somiten -I, bei anderen in den Somiten -I und -II 65 5. Diskussion ——————————————————————————————————— gezeigt werden. Diese Beobachtung lässt an eine Regulation der Expression von uncx4.1 durch den Segmentierungszyklus denken. Analog zu bekannten zyklisch exprimierten Genen des präsomitischen Mesoderms – lunatic fringe (Aulehla et al., 1999) und c-hairy1 (Palmeirim et al., 1997, 1998) – könnte die Expression von uncx4.1 im präsomitischen Mesoderm in Phasen ablaufen, welche in 90-minütigem Takt das präsomitische Mesoderm in kaudokranialer Richtung durchlaufen. Ein neuer Somit wird nach Beendigung jedes Segmentierungszyklus am kranialen Ende des präsomitischen Mesoderms gebildet. Für uncx4.1 konnten in der vorliegenden Studie jedoch keine zyklischen Expressionsphasen beobachtet werden. Uncx4.1 war bei allen untersuchten Embryonen erst am Ende des Segmentierungszyklus (kurz vor Bildung des neuen Somiten) exprimiert. Dort überlappen die Expressionsorte von uncx4.1 teilweise mit denen der Gene des Notch-Delta-Signalweges, notch und dll1 (Hrabe de Angelis et al., 1997; Palmeirim et al., 1998; Del Barco Barrantes et al., 1999). Uncx4.1 wurde als Zielgen des Notch-Delta-Signalweges, welches im Genom stromabwärts von notch, delta-like1 (dll1) und rbpjκ liegt, identifiziert (Del Barco Barrantes et al., 1999). Mutationen der Gene des Notch-Delta-Signalweges führen zu fehlender Expression der Zielgene (Del Barco Barrantes et al., 1999, zusammengefasst in Rida et al., 2004). So führen Mutationen von notch zu fehlender Expression von jag1 und hes5 im präsomitischen Mesoderm und zu fehlender Expression von dll1 und jag1 im Somiten I. Mutationen von dll1 und rbpjĸführen zu fehlender Expression von jag1, hes5, eph-a4, lunatic fringe und mesp im präsomitischen Mesoderm, und zu fehlender Expression von jag1 und uncx4.1 im Somiten I. Mutationen von rbpjĸführen zu fehlender Expression von jag1, hes5, eph-a4, lunatic fringe und mesp im präsomitischen Mesoderm, und zu fehlender Expression von dll1, jag1 und uncx4.1 im Somiten I. Mutationen der den Notch-Delta-Signalweg negativ regulierenden Gene ripply 1 und ripply2 führen zu Expression von notch im gesamten Somiten, und zu fehlender Expression von uncx4.1 (de la Pompa et al., 1997; Del Barco Barrantes et al., 1999, zusammengefasst in Rida et al., 2004; Kawamura et al., 2005; Chan et al., 2007) (siehe Schema 14). Auch die Phänotypen dieser Mutationen lassen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Notch-Delta-Signalweg und der Expression von uncx4.1 erkennen. Die Skelettdefekte der dll1-/--Mäuse (fehlende Wirbelbögen, Bogenwurzeln und proximale Rippen; unregelmäßig geformte Wirbelkörper und zu einem Strang fusionierte Spinalganglien) 66 5. Diskussion ——————————————————————————————————— entsprechen denen der uncx4.1 -/--Mäuse, welche jedoch eine normale Expression von dll1 aufweisen (Del Barco Barrantes et al., 1999). Die korrekte Expression von uncx4.1 in den Somiten erfordert daher eine koordinierte Aktivierung und Deaktivierung des Notch-Delta-Signalweges. Uncx4.1 ist im Rahmen der Grenzentstehung zwischen zwei Somiten als Effektorgen von dll1 das letzte bisher bekannte Glied des Notch-DeltaSignalweges, und damit ein die Identität der kaudalen Somitenhälfte kontrollierender Faktor. Uncx4.1 ist im paraxialen Mesoderm des Hühnerembryos bereits im Stadium der Generierung von neuem Somitenmaterial exprimiert. Im Rahmen der sekundären Gastrulation wird durch kontinuierliche Zellteilung in der Schwanzspitze das Zellmaterial für die Somiten kaudal des 28. Somiten bereitgestellt (Holmdahl 1925; zusammengefasst in Christ et al., 2000). Diese neuen Zellen des präsomitischen Mesoderms zeigen bereits eine zyklische Expression der Gene c-hairy1, c-hairy2 und lunatic fringe, was ein Beweis dafür ist, dass auch diese Zellen den Segmentierungszyklus und damit den Notch-Delta-Signalweg durchlaufen (Jouve et al., 2002). Daher kann die Expression von uncx4.1 in diesem frühen präsomitischen Mesoderm ebenfalls ein Resultat der Aktivität des Notch-Delta-Signalweges sein. ——————————————————————————————————— Schema 14 (folgende Seite): Darstellung der Regulation des Notch-Delta-Signalweges und der Expression seiner Zielgene im präsomitischen Mesoderm (a) und im Somiten I (b). a) Im präsomitischen Mesoderm wird der Notch-Delta-Signalweg durch Interaktion des transmembranären Rezeptors Notch mit seinen Liganden (Dll1 und Dll3) aktiviert. Nach Konformitätsänderung von Notch wird dessen intrazellulärer Anteil in den Nukleus transferriert und dort mithilfe von Rbpjĸan die Promotorregionen der Zielgene auf der DNA gebunden. Es kommt zur Induktion der Expression der Zielgene mesp, hes5, jag 1 (bHLHTranskriptionsfaktoren), m-cer (TGFß-Protein), eph-a4 (Rezeptor-Tyrosin-Kinase) und lunatic fringe (Glykosyltransferase). Die von den Zielgenen kodierten Proteine regulieren die Aktivität des Notch-Delta-Signalweges positiv (Mesp, über einen noch unbekannten Mechanismus) oder negativ (Lunatic fringe, durch Glykosylierung von Notch). Ripply1 und Ripply2 hemmen die Aktivität des Notch-Delta-Signalweges durch Herunterregulation von Mesp (de la Pompa et al., 1997; Del Barco Barrantes et al., 1999, Rida et al., 2004; Kawamura et al., 2005; Chan et al., 2007). b) Im Somiten I werden –wie im präsomitischen Mesoderm– jag1 und mesp als direkte Zielgene von Rbpjĸexprimiert. Ein Ziel des Notch-Delta-Signalweges ist die Induktion der Expression von uncx4.1 in der kaudalen Somitenhälfte. Da Rbpjĸdie Aktivität von Dll1 und Dll3 heraufreguliert und seine Aktivität selbst von Dll1 und Dll3 heraufreguliert wird, erfolgt hier eine Autoregulation der Aktivität des Notch-Delta-Signalweges. Zudem aktiviert Mesp den Notch-Delta-Signalweg über einen unbekannten Mechanismus (Del Barco Barrantes et al., 1999, Rida et al., 2004). 67 5. Diskussion ——————————————————————————————————— Schema 14 ——————————————————————————————————— Während der Segmentierung wird die Position der Somitengrenzen – und damit die Länge eines jeden Somiten –durch im präsomitischen Mesoderm agierende Proteine des Fibroblast Growth Factor (FGF) – Signalweges beeinflusst. Hierbei spielt vor allem die Interaktion des Faktors FGF-8 mit dem FGF-Rezeptor 1 (FGFR-1) im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms eine entscheidende Rolle. Das für FGF-8 kodierende Gen fgf-8 ist in der kaudalen Hälfte des präsomitischen Mesoderms und in den kaudalen Hälften der Somiten I bis III, das für FGFR-1 kodierende Gen in der kranialen Hälfte des präsomitischen Mesoderms exprimiert (Crossley und Martin, 1995; Green et al., 1996; Mohammadi et al., 1997; Dubrulle et al., 2001; Sawada et al., 2001; Stolte et al., 68 5. Diskussion ——————————————————————————————————— 2002, Dubrulle et al., 2004). Die Interaktion von FGF-8 mit FGFR-1 führt im präsomitischen Mesoderm zu Inaktivierung des Notch-Delta-Signalweges, damit zum Anhalten des Segmentierungszyklus und zur Entstehung einer Somitengrenze (Dubrulle et al., 2001, 2004; Sawada et al., 2001; Stolte et al., 2002). Vermehrte Interaktion von FGF-8 mit FGFR-1 führen zu Bildung verkleinerter, verminderte Interaktion zu Bildung vergrößerter Somiten. Die Anzahl der Segmentierungszyklen und damit der Somiten bleibt jedoch gegenüber unmanipulierten Embryonen unverändert, die Segmentierungszyklen laufen lediglich bei vermehrter Interaktion schneller und bei verminderter Interaktion langsamer ab (Dubrulle et al., 2001). Die Trennung des präsomitischen Mesoderms in eine kaudale, für Veränderungen in Somitengröße und –polarität noch labile, und eine kraniale, hinsichtlich Somitengröße und kraniokaudaler Polarität bereits determinierte Hälfte wird durch das Aufeinandertreffen der Expressionsorte von fgf-8 und fgfr-1 in Höhe des Somiten –V determiniert (Dubrulle et al., 2001). Analog zu diesen Ergebnissen konnte in dieser Studie nach experimenteller Veränderung der Aktivität des FGF-Signalweges in der kranialen Hälfte des präsomitischen Mesoderms keine Veränderung der Somitengröße oder der kraniokaudalen Somitenpolarität beobachtet werden. Wurde die Aktivität des FGFSignalweges jedoch in der kaudalen Hälfte des präsomitischen Mesoderms verändert, so zeigten sich bei Vermehrung der Aktivität durch Hinzugabe von FGF-8 kranial des implantierten Kügelchens verkleinerte Somiten mit normaler kraniokaudaler Polarität und Expression von uncx4.1. Bei Verminderung der Aktivität des FGF-Singalweges durch Implantation eines mit SU 5402 beladenen Kügelchens zeigten sich um das implantierte Kügelchen vergrößerte Somiten, in welchen die Expression von uncx4.1 auf einen schmalen Streifen am kaudalen Ende reduziert war. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Verminderung der Aktivität des FGF-Signalweges zu längerdauernden Segmentierungszyklen und vermehrter Aktivität des Notch-DeltaSignalweges führt, kann die Vergrößerung der Somiten hinreichend geklärt werden. Unklar bleibt jedoch, warum die kaudale Somitenhälfte und die Expression von uncx4.1 in ihrer Ausdehnung so stark reduziert sind. Möglicherweise werden durch Interaktion von FGF-8 mit FGFR-1 vor allem die Proteine des Notch-Delta-Signalweges, welche für die Ausbildung der kranialen Somitenhälfte essenziell sind, gehemmt (Notch, Mesp2, Ripply2). Die Reduzierung der Expression von uncx4.1 im Somiten kann als 69 5. Diskussion ——————————————————————————————————— das Resultat einer Vergrößerung der kranialen Somitenhälfte auf Kosten der kaudalen angesehen werden. Die Regulation der Expression von uncx4.1 durch die Aktivität des Notch-Delta-Signalweges und seiner Modulatoren reguliert kann damit abermals bestätigt werden. Jedoch bleibt weiterhin unklar, warum eine verminderte Aktivität des Notch-Delta-Signalweges – in der Annahme, dass bei vermehrter Aktivität des FGFSignalweges die Proteine des Notch-Delta-Signalweges in der kranialen Somitenhälfte gehemmt werden – nicht zu einer Reduzierung der Ausdehnung der kranialen Somitenhälfte zugunsten der kaudalen kommt. 5.2 Rolle der uncx4.1-Expression für die Entwicklung des Achsenskeletts Über den gesamten Zeitraum der Somitenentwicklung zeigt die Expression von uncx4.1 in den Somiten ein dynamisches Verhalten. Während uncx4.1 in den Somiten -II und -I in der gesamten kaudalen Hälfte exprimiert ist, wird mit der Epithelialisierung der Somiten die Expression von uncx4.1 auf den ventralen Anteil der kaudalen Somitenhälfte reduziert. Nach der Kompartimentierung der Somiten ist uncx4.1 in der kaudalen Sklerotomhälfte exprimiert, zuerst im medialen Anteil, dann im gesamten Sklerotom und zuletzt im ventrolateralen Anteil. Hier besteht die Expression bis zur Entwicklung der aus diesem Anteil des Sklerotoms entstehenden Elemente des Achsenskeletts fort. Zum Ende der Entwicklung des Achsenskeletts ist uncx4.1 in den knorpeligen Derivaten des lateralen Anteils der kaudalen Sklerotomhälfte (Wirbelbögen, Bogenwurzeln und proximale Rippen) exprimiert. Bei Mausembryonen findet man ein weitgehend identisches Expressionsmuster. Uncx4.1 ist erstmals am 9. Tag in den kaudalen Somitenhälften exprimiert. Nach Kompartimentierung der Somiten findet sich die Expression von uncx4.1 nur noch in der kaudalen Sklerotomhälfte, wo sie bis zur Entwicklung der daraus hervorgehenden Skelettelemente persistiert (Mansouri et al., 1997; Neidhardt et al., 1997). Ab dem 12. Tag ist uncx4.1 in den proximalen Rippen und den kranialen Anteilen der distalen 70 5. Diskussion ——————————————————————————————————— Rippen, ab dem 15. Tag in den Wirbelbögen, Teilen der Wirbelkörper und in den Bandscheiben exprimiert (Mansouri et al., 1997; Neidhardt et al., 1997). Bei heterozygoten uncx4.1+/--Mäuse ist die Expression von uncx4.1 schwächer ausgeprägt als in Wildtyp-Mäusen (Mansouri et al., 2000). Bei homozygoten uncx4.1-/-Mäusen dagegen ist keine uncx4.1-Expression vorhanden. Diese Mäuse weisen eine fehlende Kondensierung der kaudalen Sklerotomhälfte auf, und ihnen fehlen die aus der kaudalen Sklerotomhälfte entstehenden Skelettelemente (Wirbelbögen, Bogenwurzeln, Querfortsätze und proximale Rippen). Die Expression des für die Determination dieser Skelettanteile essenziellen Sklerotommarkers pax9 ist bei uncx4.1-/--Mäusen stark reduziert (Neubüser et al., 1995; Mansouri et al., 2000). Die Expression des für die Erhaltung der kraniokaudalen Somitenpolarität wichtigen Gens semaphorinD findet sich bei diesen Mäusen in stark reduzierter Intensität uniform im gesamten Sklerotom, während es in Wildtyp-Embryonen nur in der kaudalen Sklerotomhälfte exprimiert wird (Mansouri et al., 2000). Fehlende kraniokaudale Polarität des Sklerotoms führt zu Fusionen von Teilen der Wirbelkörper. Auch die Spinalganglien sind fusioniert, da die Axone nicht mehr geordnet, sondern in ungeordneten Bündeln aus dem Neuralrohr heraus in das gesamte Sklerotom einwachsen (Mansouri et al., 2000; Leitges et al., 2000). Das bei Hühnerembryonen dargestellte Expressionsmuster von uncx4.1 zeigt, dass uncx4.1 hinsichtlich der Determination der kraniokaudalen Somitenpolarität in einem späten, hinsichtlich der Sklerotomentwicklung jedoch in einem frühen Stadium exprimiert ist. Bereits im Somiten I ist uncx4.1 in den sklerotombildenden Zellen des ventralen Somitocoels und des angrenzenden epithelialen Randwalls exprimiert, es ist damit der erste Marker des Sklerotoms. Weitere bekannte Sklerotommarker wie die paired-box-enthaltenden Gene pax1 und pax9 werden erst kurz vor der Somitenkompartimentierung im Somiten III (pax1) und im Somiten IV (pax9) exprimiert (Wallin et al., 1994; Ebensperger et al., 1995; Neubüser et al., 1995; Müller et al., 1996; Peters et al., 1999). Zudem persistiert die Expression von uncx4.1 von allen präsomitischen und somitischen Markergenen einer Somitenhälfte über den längsten Zeitraum während der Segmentierung, Somitenkompartimentierung, Sklerotomreifung und Achsenskelettentwicklung. Damit spielt der Transkriptionsfaktor Uncx4.1 eine entscheidende Rolle während der Achsenskelettentwicklung, als ein wichtiger, die 71 5. Diskussion ——————————————————————————————————— kaudale Sklerotomhälfte und die aus ihr hervorgehenden Skelettelemente determinierender Faktor. 5.3 Aufrechterhaltung der uncx4.1-Expression durch Signale umgebender Strukturen Während die Expression von uncx4.1 im präsomitischen Mesoderm unabhängig von Signalen umgebender Strukturen ist, ist sie in den Somiten nicht länger nur das Resultat des intrinsischen Notch-Delta-Signalweges und seiner Modulatoren, sondern erfordert für ihr Fortbestehen Signale der axialen Organe. Nach der autonom erfolgten Segmentierung des präsomitischen Mesoderms erfolgt die Transformation der rein mesenchymalen Segmente zu epithelialen Somiten. Dieser Vorgang erfordert Signale des Ektoderms, wie der die Expression des Gens paraxis induzierenden Wnt-Proteine der wingless-Familie (Šoš ič et al., 1997). Der Transkriptionsfaktor Paraxis bewirkt die Epithelialisierung der Somiten. Fehlt Paraxis, so bleibt das somitische Mesoderm mesenchymal strukturiert (Šoš ičet al., 1997). Die anschließende Kompartimentierung der Somiten in das ventromedial gelegene Sklerotom und das dorsolateral gelegene Dermomyotom ist ebenfalls abhängig von Signalen der umgebenden Strukturen. Die von dem Chorda-Bodenplatten-Komplex sezernierten Proteine Noggin und Sonic hedgehog (Shh) ermöglichen die Ausbildung des Sklerotoms, indem sie die epithelio-mesenchymale Transformation des ventralen Anteils des Somiten bewirken (Fan und Tessier-Lavigne, 1994; Johnson et al., 1994; McMahon et al., 1998). Sie sind Antagonisten der das Dermomyotom induzierenden Signale des Seitenplattenmesoderms, des Ektoderms und des dorsalen Neuralrohrs, welche die epitheliale Struktur des dorsalen Somitenanteils erhalten (Brand-Saberi et al., 1993; Pourquié et al., 1993, 1995). Ein Ungleichgewicht der auf die Somiten einwirkenden Signale führt zur Vergrößerung des Sklerotoms oder des Dermomyotoms (Brand-Saberi et al., 1993; Hirsinger et al., 1997; McMahon et al., 1998; Watanabe et al., 1998; Wagner et al., 2000). 72 5. Diskussion ——————————————————————————————————— Die Entfernung beider axialer Organe – Neuralrohr und Chorda dorsalis – vor der Segmentierung führt zum vollständigen Fehlen von Somiten. Das somitische Mesoderm weist lediglich unregelmäßig begrenzte, mesenchymale segmentartige Strukturen auf, die nicht kompartimentiert werden (Christ, 1970). Die Zelldichte in diesen Strukturen ist wesentlich geringer als in regulären Somiten (Christ, 1970; eigene Beobachtungen). Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in den Somiten I bis III vor der Differenzierung des Sklerotoms, kann in diesen Strukturen eine Expression von uncx4.1 beobachtet werden. Dieses kann auf das Fehlen des im normalen Somiten uncx4.1-exprimierenden Gewebes – des Sklerotoms bzw. dessen Vorläufer –zurückgeführt werden (Mansouri et al., 1997; Neidhardt et al., 1997; diese Studie). Wird vor der Segmentierung lediglich der Chorda-Bodenplatten-Komplex als Quelle der sklerotominduzierenden Faktoren Noggin und Sonic hedgehog entfernt, so unterbleibt die epithelio-mesenchymale Transformation des ventralen Somitenanteils, und es entstehen Somiten ohne Sklerotom mit vergrößertem Dermomyotom (Christ et al., 1979; Dietrich et al., 1993). Auch hier kann das Fehlen des Sklerotoms für die Abwesenheit der Expression von uncx4.1 verantwortlich gemacht werden. Als ein Resultat des intrinsischen Notch-Delta-Signalweges muss die Expression von uncx4.1 im präsomitischen Mesoderm dieser Embryonen normal induziert worden sein, was bei den in dieser Studie untersuchten Hühnerembryonen jedoch nicht beobachtet werden konnte. Werden die axialen Organe nach erfolgter Segmentierung im Bereich der Somiten I bis V entfernt, ist im Sklerotom eine erhöhte Zelltod-Rate zu beobachten, und das Sklerotom wird auf seinen ventromedialen Anteil reduziert (Hirano et al., 1995; Sanders et al., 2001). Gleiches geschieht nach Entfernung des Chorda-Bodenplatten-Komplexes im Bereich der Somiten I bis V (zusammengefasst in Christ et al., 2000). Die Expression von uncx4.1 in diesen Somiten ist in ihrer mediolateralen Ausdehnung vermindert. Dieses zeigt, dass das Vorhandensein uncx4.1-positiver Zellen eng an die Präsenz und die Größe des Sklerotoms gekoppelt ist, und es entsteht der Eindruck, die Erhaltung der Expression von uncx4.1 in den Somiten durch Signale der axialen Organe geschehe allein durch die Erhaltung des Sklerotoms. Jedoch führt die nach der Segmentierung durchgeführte Entfernung des Chorda-Bodenplatten-Komplexes auch zu einer deutlichen Reduktion der kraniokaudalen Ausdehnung der Expression von 73 5. Diskussion ——————————————————————————————————— uncx4.1 auf einen schmalen Streifen am kaudalen Ende eines jeden Somiten. Dieses kann durch einen Verlust von Zellen der kaudalen Somitenhälfte entweder durch erhöhte Apoptoserate oder durch eine verminderte Zellproliferation bedingt sein. Eine erhöhte Apoptoserate nach Entfernung des Chorda-Bodenplatten-Komplexes vor allem im medialen Anteil des Sklerotoms zeigten Hirano et al. (1995) und Sanders et al. (2001). Bei uncx4.1-/--Mäusen wurde zudem eine stark herunterregulierte Expression von pax9, dem Markergen der kaudalen Sklerotomhälfte, beobachtet, was ebenfalls ein Hinweis auf eine Reduktion der Zellzahl in der kaudalen Sklerotomhälfte ist (Mansouri et al., 2000). In den kaudalen Somitenhälften dieser Mäuse wurden jedoch keine signifikant erhöhten Apoptoseraten beobachtet, vielmehr waren in beiden Somitenhälften sowohl die Apoptose- als auch die Proliferationsrate gleichermaßen leicht reduziert. Für die fehlende Ausprägung der kaudalen Sklerotomhälfte und der aus dieser hervorgehenden Skelettelemente wurden veränderte Zelladhäsionseigenschaften innerhalb des kondensierenden Mesenchyms verantwortlich gemacht (Mansouri et al., 2000). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Signale des Chorda-BodenplattenKomplexes durch die Erhaltung der Expression von uncx4.1 während Somitenreifung und Achsenskelettentwicklung die Identität der kaudalen Somiten- und Sklerotomhälfte kontrollieren. Sie kontrollieren somit nicht nur die dorsoventrale, sondern auch die kraniokaudale Segmentpolarität. Die für die Wirkung dieser Signale auf das paraxiale Mesoderm vulnerable Phase bezüglich der Determinierung und der Erhaltung der kraniokaudalen Segmentpolarität liegt in den neugebildeten epithelialen Somiten. In diesem Stadium der Somitenentwicklung ist die kraniokaudale Polarität der Somiten zwar bereits determiniert, jedoch ist das Sklerotom als polaritätserhaltendes Gewebe noch nicht ausgebildet. Die kraniokaudale Polarität ist daher in den epithelialen Somiten noch durch äußere Faktoren modulierbar. Das Signal oder die Signalkaskade, durch die der Chorda-Bodenplatten-Komplex die uncx4.1-abhängige Identität der kaudalen Sklerotomhälfte aufrechterhält, ist bisher nicht identifiziert. Noggin und Sonic hedgehog induzieren zwar zusammen – in Abwesenheit des Chorda-Bodenplatten-Komplexes – ein Sklerotom, diesem fehlt aber die Expression von uncx4.1 und somit die kraniokaudale Polarität. Diesen beiden Faktoren kann somit die Kontrolle des kraniokaudalen Somitenpolarität nicht zugesprochen werden. Es 74 5. Diskussion ——————————————————————————————————— bleibt derzeit noch offen, auf welche Weise die umgebenden Organe letztendlich die zunächst autonom etablierte kraniokaudale Polarität der Somiten aufrechterhalten. 5.4 Einfluss des Neuralrohres auf die uncx4.1-Expression Wird vor der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms das Neuralrohr entfernt, wird die im normalen Sklerotom vorhandene Dynamik der zeitlichen und räumlichen Expression von uncx4.1 während der späteren Sklerotomentwicklung gestört. Der laterale Sklerotomanteil entwickelt sich nur unvollständig und uncx4.1 wird in dessen kaudaler Hälfte nicht exprimiert. Es resultiert außerdem eine deutlich verzögerte Gesamtentwicklung des Sklerotoms, das Sklerotom eines manipulierten Somiten im Somitenstadium XVIII nach Christ und Ordahl entspricht dabei dem Sklerotom eines normalen Somiten im Somitenstadium X. Die Derivate des ventrolateralen Anteils der kaudalen Sklerotomhälfte – die Bogenwurzeln, die Wirbelbögen und die proximalen Rippen – werden nach Entfernung des Neuralrohres vor der Segmentierung nicht ausgebildet (Huang et al., 1994, 2000b; Monsoro-Burq et al., 1994, 1996; zusammengefasst in Christ et al., 2000). Nach bisherigen Erkenntnissen führt die Entfernung des Neuralrohres jedoch nicht zu einer erhöhten Apoptoserate im Sklerotom (Hirano et al., 1995). Das Fehlen der Derivate des ventrolateralen kaudalen Sklerotoms ist daher vermutlich auf eine verminderte Zellproliferation in diesem Sklerotomanteil zurückzuführen. Es ist anzumerken, dass uncx4.1 im reifen Sklerotom im dorsomedialen und im ventrolateralen Anteil stark exprimiert ist. Diese Regionen wurden in den in früheren Studien als pax1-freie Sklerotomanteile bezeichnet und durchlaufen ihre Entwicklung und Reifung unabhängig von Signalen des Chorda-Bodenplatten-Komplexes (Koseki et al., 1993; Ebensperger et al., 1995; Monsoro-Burq et al., 1994, 1996; Borycki et al., 1998; Monsoro-Burq und Le Douarin, 2000). Während der Sklerotomentwicklung bewirkt Sonic hedgehog (Shh) die Induktion und Erhaltung der Expression von pax1. Überexpression von shh führt zu einer Ausdehnung des Sklerotoms und der pax1Expression nach dorsal (Wallin et al., 1994; Chiang et al., 1996). Homozygote shh- 75 5. Diskussion ——————————————————————————————————— Knockout-Mäuse weisen lediglich einige knorpelige Anteile der distalen Rippen auf, die übrigen Achsenskelettelemente fehlen vollständig (Chiang et al., 1996). Homozygoten pax1-Knockout-Mäusen fehlen dagegen lediglich die Wirbelkörper, die Bandscheiben und die proximalen Rippen (Wallin et al., 1994). Homozygoten uncx4.1-KnockoutMäusen fehlen die Wirbelbögen, die Bogenwurzeln, die Querfortsätze und die proximalen Rippen (Mansouri et al., 2000; Leitges et al., 2000). Damit integrieren homozygote uncx4.1-Knockout-Mäuse sowohl Achsenskelettdefekte der homozygoten shh-Knockout-Mäuse als auch der homozygoten pax1-Knockout-Mäuse. Die Expressionsorte von pax1 und uncx4.1 überlappen im ventralen Anteil des Sklerotoms teilweise, eine Überlappung der Expressionsorte von shh und uncx4.1 besteht jedoch nicht. Auch zeigte Shh in dieser Studie keinen Einfluss auf die uncx4.1-Expression im Sklerotom, wohingegen Signale des Neuralrohres für die Reifung der uncx4.1-positiven Sklerotomanteile erforderlich waren. Erstaunlich ist, dass die distalen Rippen Derivate des ventrolateralen, pax1-freien Sklerotomanteils sind (Huang et al., 2000b), in welchem uncx4.1 exprimiert ist, welches jedoch bei deren Entwicklung bisher keine Rolle zu spielen schien. Anhand dieser Beobachtungen könnte die von Mansouri und Kollegen für Mausembryonen aufgestellte These, die Regulation der Expression von uncx4.1 und pax1 werde durch zwei voneinander unabhängige Signalwege kontrolliert, teilweise auch für das Huhn bestätigt werden (Mansouri et al., 2000). Denkbar wäre, dass Signale des Chorda-Bodenplatten-Komplexes und des Neuralrohres nur die jeweils für sie kompetenten Sklerotomzellen beeinflussen. Damit käme dem Neuralrohr nicht nur eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Derivate des lateralen Sklerotomanteils, sondern auch in der Kontrolle der korrekten räumlichen und zeitlichen Expression von uncx4.1 zu (siehe Schema 16). Jedoch könnten Signale des Neuralrohres auch die Expression von uncx4.1 und die Entwicklung der lateralen Sklerotomanteile induzieren, gleichzeitig aber die Expression von pax1 und die Entwicklung der übrigen Sklerotomanteile hemmen, sodass die Expression von uncx4.1 und pax1 doch durch einem einzigen Signalweg reguliert würden (siehe Schema 15). 76 5. Diskussion ——————————————————————————————————— Schema 15: Noggin und Shh als Signale des Chorda-Bodenplatten-Komplexes induzieren die Expression von pax1 in den medialen Sklerotomanteilen, ein bislang unbekanntes Signal des Neuralrohres induziert die Expression von uncx4.1 in den lateralen und ventralen Sklerotomanteilen. 5.5 Aufrechterhaltung der Segmentpolarität vom präsomitischen Mesoderm bis zur Skelettentwicklung durch uncx4.1 Die Expression von uncx4.1 persistiert in der kaudalen Hälfte eines jeden Somiten bis zur Entwicklung der daraus hervorgehenden Achsenskelettelemente. Damit ist uncx4.1 das einzige bislang bekannte Zielgen des Notch-Delta-Signalweges, dessen Expression eine derart lange Entwicklungsperiode überdauert. Andere Modulatoren und Zielgene des Notch-Delta-Signalweges finden sich lediglich im präsomitischen Mesoderm und in den neugebildeten Somiten: notch1 und notch2 in den Somiten –II und –I, dll1 in den Somiten I bis IV, lunatic fringe in den Somiten I und II, ephA4 im Somiten I und c-hairy1 in den Somiten I bis X (Hrabe de Angelis et al., 1997; Palmeirim et al., 1997, 1998; Aulehla et al., 1999; Del Barco Barrantes et al., 1999; Schmidt et al., 2001). Die Expression von uncx4.1 verschwindet nur in den okzipitalen Somiten vollständig und wird in den zervikalen und thorakalen Somiten in ihrer kraniokaudalen Ausdehnung innerhalb des einzelnen Somiten reduziert. Dieses dynamische Verhalten der Expression von uncx4.1 über den gesamten Zeitraum der Somitenentwicklung lässt die Funktion des Transkriptionsfaktors Uncx4.1 in der Kontrolle der Identität der kaudalen Somitenhälfte erkennen. Uncx4.1 ist essenziell für die Etablierung der kraniokaudalen Polarität der Somiten und des sich daraus entwickelnden Achsenskeletts. Es ist der 77 5. Diskussion ——————————————————————————————————— bisher einzig bekannte Faktor, der die für die Resegmentierung der Somiten zu Wirbeln unabdingbare kraniokaudale Somitenpolarität über alle Entwicklungsstadien der Somiten erhält. Fehlt die Expression von uncx4.1 in den Somiten, wird in neugebildeten Somiten die kaudale Somitenhälfte initial gebildet, was an der Kondensierung ihrer Zellen erkennbar ist (Mansouri et al., 2000; Leitges et al., 2000). In reiferen Somiten jedoch können in Abwesenheit von uncx4.1 die Eigenschaften der kaudalen Somitenhälfte nicht erhalten werden. Die Reduktion der Zellzahl in der kaudalen Somitenhälfte kann hierbei, wie zuvor diskutiert, durch eine erhöhte Apoptoserate, aber auch durch eine Invasion von Zellen der kaudalen in die kraniale Somitenhälfte bedingt sein. Umgekehrt wurde dieses Phänomen (die Invasion von Zellen der kranialen in die kaudale Somitenhälfte) und die Aufhebung der durch die von-Ebnersche Fissur markierten intersomitischen Grenze von Bussen et al. (2004) anhand der Expression des Gens tbx18 beobachtet (Bussen et al., 2004). Dieses für den bHLH-Transkriptionsfaktor Tbx18 kodierende Gen ist in den kranialen Hälften der Somiten -I bis III und nach der Kompartimentierung in den kranialen Sklerotomhälften exprimiert. Die Expression wird in der medialen Sklerotomhälfte herunterreguliert und bleibt bis zur Resegmentierung in der lateralen Sklerotomhälfte erhalten (Kraus et al., 2001; Bussen et al., 2004). Bei uncx4.1-/-Mäusen ist tbx18 im gesamten Somiten bzw. Sklerotom exprimiert, ebenso findet sich bei tbx18 -/--Mäusen die Expression von uncx4.1 im gesamten Somiten bzw. Sklerotom (Bussen et al., 2004). Das Fehlen von tbx18 führt in neugebildeten Somiten zu einer erhöhten Apoptoserate in der kranialen Somitenhälfte. In bereits kompartimentierten Somiten kommt es zu einer Aufhebung der von-Ebnerschen Fissur und nachfolgend zu einer Invasion von Zellen der kaudalen in die kraniale Sklerotomhälfte (Bussen et al., 2004). Analog dazu führt Überexpression von tbx18 zu einer Reduktion der Expression von uncx4.1 auf einen schwachen, schmalen Streifen am kaudalen Ende eines jeden Somiten bzw. Sklerotoms, die intersomitische Grenze ist dabei nach kaudal verlagert und unklar definiert. In Abwesenheit von uncx4.1 kommt es zu einer erhöhten Aktivität von tbx18 und sowohl zu erhöhter Apoptoserate in der kaudalen als auch zu Invasion von Zellen der kranialen Somiten- bzw. Sklerotomhälfte in die kaudale. Dies erklärt auch die Tatsache, dass bei den von Mansouri et al. (2000) untersuchten uncx4.1-/-Mäusen kein Unterschied zwischen den Zelldichten der beiden Somitenhälften auffiel. 78 5. Diskussion ——————————————————————————————————— Uncx4.1-/--Mäuse weisen eine im gesamten Somiten uniforme Expression des Markers für erhöhte Zelldichte, semaphorinD auf, welches in Wildtyp-Mäusen nur in der kaudalen Somitenhälfte exprimiert ist. Die uniforme Zelldichte in beiden Sklerotomhälften bedingt die teilweise Fusionierung der Wirbelkörper und – durch Einwachsen der Axone aus dem Neuralrohr in das gesamte Sklerotom – die weitgehend fehlende Segmentierung des Nervensystems (Püschel et al., 1995; Wright et al., 1995; Messersmith et al., 1995; Mansouri et al., 2000). Eine geordnete Resegmentierung erfordert das Aufeinandertreffen jeweils eines kaudalen Somitendrittels mit den kranialen zwei Somitendritteln des darauffolgenden Somiten (Remak 1850, Christ et al., 2000; Huang et al., 2000a). Fehlt uncx4.1 in den Somiten, so kann eine geordnete Resegmentierung nicht stattfinden. Die Erhaltung der kraniokaudalen Segmentpolarität erfordert sogar beide intakte Allele von uncx4.1. Bei uncx4.1+/-- Mäusen ist die Expression von uncx4.1 bereits am Tag 10 der Embryonalentwicklung nur noch in den lumbalen und sakralen Somiten zu erkennen, im Gegensatz dazu besteht die Expression bei uncx4.1 +/+-Mäusen desselben Entwicklungsstadiums auch in den thorakalen Somiten fort (Neidhardt et al., 1997; Leitges et al., 2000; Mansouri et al., 2000). Die Reduktion der Expression von uncx4.1 in den Somiten der uncx4.1 +/--Mäuse führt zu Verlust der kraniokaudalen Somitenpolarität und erfolgt in einem Somitenstadium, das zur Resegmentierung noch nicht fähig ist. Dieses geschieht bei Wildtyp-Embryonen in den okzipitalen Somiten, welche das Os occipitale bilden, regelhaft und ist hier erwünscht (zusammengefasst in Christ et al., 2000). Bei den uncx4.1+/--Mäusen dagegen resultieren Wirbelkörper unregelmäßiger Größe und Form als Ausdruck einer gestörten Resegmentierung (Neidhardt et al., 1997; Leitges et al., 2000; Mansouri et al., 2000). Nach diesen Ergebnissen kann Uncx4.1 als ein "Überlebensfaktor" für die kaudale Sklerotomhälfte angesehen werden. Es erhält die Identität der kaudalen Sklerotomhälfte und erhält die im präsomitischen Mesoderm erworbene kraniokaudale Polarität über das Somitenstadium bis zu den definitiven Wirbeln aufrecht. 79 6. Zusammenfassung ——————————————————————————————————— 6. Zusammenfassung Die Segmentierung des paraxialen Mesoderms ist ein entscheidender Meilenstein in der Entwicklung der Vertebraten. Sie führt zur Bildung der Somiten, der Ursegmente des Embryos, aus welchen Wirbel, Rippen, die Muskulatur des Rückens und der Extremitäten, die Dermis des Rückens, Gefäßendothelien und die glatte Muskulatur der viszeralen Organe entstehen. Bei der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms spielen die Gene des Notch-Delta-Signalweges eine große Rolle. Dieser in der Evolution hochkonservierte Signalweg bewirkt durch "laterale Spezifizierung" die Grenzbildung zwischen ursprünglich identischen Zellen. Ein Zielgen des Notch-Delta-Signalweges ist uncx4.1, welches für den Homöobox-enthaltenden Transkriptionsfaktor Uncx4.1 kodiert. In Mausembryonen ist uncx4.1 in den kaudalen Somitenhälften – später in den kaudalen Sklerotomhälften –, im Zentralen Nervensystem und in der Nierenanlage exprimiert. Whole mount in situ- Hybridisierungen mit einem 163 bp-Fragment des vogelspezifischen uncx4.1-mRNA ergeben ein dazu passendes Bild. Zusätzlich kann eine Expression im kranialen Anteil des präsomitischen Mesoderms nachgewiesen werden. Dabei ist die Induktion der Expression von uncx4.1 im präsomitischen Mesoderm unabhängig von Signalen umgebender Strukturen, während für ihre Erhaltung im Somiten Signale des Chorda-Bodenplatten-Komplexes und des Neuralrohres erforderlich sind. Insbesondere Signale des Neuralrohres sind im reifen Sklerotom – durch Steuerung der Entwicklung seines uncx4.1-exprimierenden lateralen und ventralen Anteils – essenziell. Uncx4.1 ist als Zielgen des Notch-Delta-Signalweges im Rahmen der Segmentierung des präsomitischen Mesoderms zu einem späten, im Rahmen der Spezifizierung des Sklerotoms zu einem frühen Zeitpunkt exprimiert. Dieses räumliche und zeitliche Expressionsmuster während der Sklerotomentwicklung weist auf die Rolle in Uncx4.1 im Entwicklungs- und Reifungsprozess der Somiten hin. In neugebildeten Somiten spezifiziert Uncx4.1 die Identität der kaudalen Somitenhälfte, in reifen Somiten die der Zellen des ventralen und des lateralen Anteils der kaudalen Sklerotomhälfte. Dadurch wird zum einen die im präsomitischen Mesoderm determinierte kraniokaudale Polarität der Somiten bis zur Resegmentierung und Bildung der Wirbel erhalten, zum anderen werden die Elemente des Achsenskeletts, welche Derivate des ventralen und des lateralen Anteils der kaudalen Sklerotomhälfte sind, durch Uncx4.1 spezifiziert. 80 7. Literaturverzeichnis ——————————————————————————————————— 7. Literaturverzeichnis Artavanis-Tsakonas, S., Matsuno, K., Fortini, M.E. (1995). Notch signaling. Science 268: 225 – 232 Artavanis-Tsakonas, S., Rand, M.D., Lake, R.J. (1999). Notch signaling: cell fate control and signal integration in development. Science 284: 770 – 776 Asbreuk, C.H.J., Doorninck, J.H. v., Mansouri, A., Smidt, M.P., Burbach, J.P.H. (2006). Neurohypophysial dysmorphogenesis in mice lacking the homeobox gene Uncx4.1. J Mol Endocrinol 36: 65 – 71 Aulehla, A., Johnson, R.L. 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Experimentelle Arbeit am Institut für Anatomie und Zellbiologie II der Universität Freiburg unter der Leitung von Frau Prof. Dr. rer. nat. F. Pröls Veröffentlichung: Schrägle J, Huang R, Christ B, Pröls F (2004). Control of the temporal and spatial Uncx4.1 expression in the paraxial mesoderm of avian embryos. Anat Embryol 208: 323 - 332. Fremdsprachen: Französisch (fließend), Englisch (gute Kenntnisse) 100 Anhang: Danksagung ——————————————————————————————————— Danksagung - Frau Prof. Dr. rer. nat. Felicitas Pröls danke ich für die Anregung und Vorbereitung der Arbeit durch Klonierung der Gensonde uncx4.1, für die Hilfe bei der Realisierung der Publikation, für die Durchsicht der Arbeit, die hilfreichen Kommentare zum Manuskript und die Erstellung des Erstgutachtens. Während der gesamten Arbeit hatte sie unendliche Geduld und nahm sich viel Zeit für Diskussionen. - Herrn Prof. Dr. med. Dr. h. c. Bodo Christ danke ich für die Überlassung des Themas, die ausführliche Anleitung zur Laborarbeit und die konstruktiven Diskussionen. - Herrn Prof. Dr. med. Norbert P. Südkamp danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. - Herrn Prof. Dr. med. Ruijin Huang danke ich für die Einarbeitung in die verschiedenen Operationstechniken und die Hilfe bei der Vorbereitung von Vorträgen. - Frau Ulrike Pein, Frau Meike Ast-Dumbach, Frau Ellen Gimbel, Frau Lidia Koschny und Herrn Günter Frank danke ich für ausgezeichnete technische Assistenz im Labor. - Frau Dr. med. Marlyse Dieuguié-Fomenou, Herrn Dr. med. Florian Ehehalt und Herrn Dr. med. Marc Rodriguez-Niedenführ danke ich für die Einarbeitung in die verschiedenen Labormethoden. - Meinen Eltern danke ich dafür, dass sie mir Studium und Doktorarbeit finanziell ermöglicht haben, und für ihre Geduld und Unterstützung während der gesamten Arbeit. - Meinem Freund, Herrn Jörg Gropengießer, danke ich für seine unendliche Geduld und die wertvolle Unterstützung in den letzten Phasen der Dissertation. 101 Anhang: Verzeichnis eigener Publikationen ——————————————————————————————————— Verzeichnis eigener Publikationen Veröffentlichungen in Zeitschriften: Schrägle, J., Huang, R., Christ, B., Pröls, F. (2004). Control of the temporal and spatial Uncx4.1 expression in the paraxial mesoderm of avian embryos. Anat Embryol 208: 323 - 332. Kongressbeiträge: J. Schrägle, F. Pröls, R. Huang, B. Christ. Regulation der Expression von Uncx4.1 in den Somiten des Hühnerembryos. Vortrag im Rahmen der Arbeitstagung der Anatomischen Gesellschaft vom 02.10.2002 bis 04.10.2002 in Würzburg 102 Anhang: Erklärung ——————————————————————————————————— Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig angefertigt und in dieser oder ähnlicher Form noch nicht anderweitig vorgelegt habe. Borkum, den 20.09.2008 Julia Schrägle