15 FO R S C H U N G — P H YS I K I M A L LTAG Kühlschränke, Wärmepumpen und Wärmekraftmotoren Mit Hilfe äusserst einfacher physikalischer Prinzipien lassen sich sehr verschiedene praktische Fragen beantworten. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist der Carnot-Wirkungsgrad, der unter anderem erklärt, weshalb Kühlschränke nicht in einen geschlossenen Kasten gehören, Wärmepumpen ökonomischer sind als Elektroheizungen und Autos mit Verbrennungsmotoren Energie verschwenden. Jeder Verbrennungsmotor, jede Dampfmaschine und jede noch so geniale andere Wärmekraftmaschine nimmt Wärme Q1 mit hoher Temperatur T1 auf und gibt eine kleinere Wärmemenge Q2 mit tieferer Temperatur T2 ab. Dabei leistet sie eine mechanische Arbeit A, mit der z.B. ein Auto angetrieben wird. Der theoretisch maximale Carnot-Wirkungsgrad A/Q1 erreicht nach dem ersten (Q1 = Q2 + A) und zweiten Hauptsatz (Q1/T1 = Q2/T2) den Wert: A/Q1 = (T1 T2)/T1. Dies ist durch Elimination von Q2 aus den beiden Gleichungen leicht nachzurechnen. Bei einem Benzinmotor ist die Temperatur des komprimierten und verbrannten Benzin-LuftGemischs um die 2300 °C, wobei der Druck im Zylinder ca. 120 bar erreicht. Bei der nachfolgenden Expansion sinkt der Druck auf ca. 4 bar und die Temperatur auf rund 700 °C. Der Carnot-Wirkungsgrad wird mit diesen Werten (2300-700)/(2300+273) = 62 %. Die Addition von 273 im Nenner rührt daher, dass absolute Temperaturen in Grad Kelvin eingesetzt werden müssen. Ein typischer Wirkungsgrad heutiger Motoren liegt um rund einen Faktor 3 unter dem Carnot-Wert; sie leisten also rund 20 % mechanische Arbeit und 80 % Wärme! Auch neuartige Wärmekraftmaschinen unterliegen der Carnot-Begrenzung Beim geplanten Geothermie-Kraftwerk Haute-Sorne im Kanton Jura liegt die Vorlauftemperatur bei nur 150 °C. Um dennoch einen akzeptablen Wirkungsgrad von etwa 13 % zu erzielen, ist als Arbeitsmedium nicht Wasser vorgesehen, sondern ein Kohlen- wasserstoff. Bei einer Kondensatortemperatur von 40 °C ist der Carnot-Wirkungsgrad 26 %, der geplante Wirkungsgrad liegt also nur um einen Faktor zwei unter dem theoretischen Maximum. Mit Wasserdampf könnte man hingegen nur einen Wirkungsgrad von etwa 7 % erwarten. Kürzlich hat die Firma Swiss Blue Energy einen thermomagnetischen Motor vorgestellt, der mit Hilfe von Niedertemperaturwärme unter 100 °C Strom erzeugen kann. Der Motor nützt den Verlust der Magnetisierbarkeit eines ferromagnetischen Materials aus, sobald dieses über seine Curie-Temperatur erwärmt wird. Diese muss zwischen der höheren und der tieferen Arbeitstemperatur liegen. Der neuartige Prototyp braucht pro Sekunde 1,4 Liter warmes und 1,4 Liter um 20 °C kälteres Wasser und erzeugt 1,2 Kilowatt elektrischen Strom. Sein Wirkungsgrad ist somit etwa 1 %, der entsprechende Carnot-Wirkungsgrad liegt bei 6 %. Der Faktor 6 unter dem Carnot-Wirkungsgrad bedeutet, dass noch Optimierungspotenzial vorhanden sein dürfte. Die Wärmepumpenheizung, eine Zürcher Pionierleistung Eine Wärmepumpe nimmt eine Wärmemenge Q2 bei niedriger Temperatur T2 auf und setzt Arbeit A ein, um die Wärmemenge Q1 mit höherer Temperatur T1 zu erzeugen. Der Wirkungsgrad wird definiert als Q1/A, ist also der Kehrwert des Wirkungsgrades einer Wärmekraftmaschine und deshalb immer grösser als 100 %: Q1/A = T1/(T1 - T2). Die weltweit erste Wärmepumpe zur Raumheizung wurde 1938 im Zürcher Rathaus in Betrieb genommen (Zogg 2008). Bei einer Wassertemperatur der Limmat von 3,5 °C erzeugte sie eine Wärmeleistung von 134 kW bei einer Vorlauftemperatur von 55 °C mit Hilfe eines elektrisch angetriebenen vibrationsarmen Rollkolbenkompressors von Escher Wyss. Die benötigte elektrische Leistung betrug 42 Kilowatt, also 3,2 mal weniger als die Heizleistung. Eine elektrische Heizung würde also 3,2 mal mehr elektrische Energie benötigen. Das System konnte im Sommer sogar auf Kühlbetrieb umgestellt werden. Die Anlage wurde 2001 durch eine neue ersetzt, ist aber immer noch funktionsfähig. 16 FO R S C H U N G — P H YS I K I M A L LTAG Die weltweit erste Wärmepumpenheizung im Zürcher Rathaus: Der elektrisch angetriebene Kompressor komprimiert ein Gas, das in einem Kondensator auf die Vorlauftemperatur der Heizung abgekühlt und bei hohem Druck verflüssigt wird. Die abgeführte Kondensationswärme wird zur Gebäudeheizung verwendet. Die Flüssigkeit gelangt anschliessend über eine Düse in den Verdampfer, wird gasförmig und kühlt sich stark ab. Mit Wasser der Limmat wird der Verdampfer auf die Wassertemperatur aufgeheizt. Das Gas nimmt dadurch Wärme auf und gelangt wieder in den Kompressor – der Zyklus beginnt von vorne. Kühlaggregate Für Kühlschränke, Tiefkühltruhen, Kühlräume und Klimaanlagen (die zur Absenkung der Raumtemperatur verwendet werden) gelten dieselben zwei Hauptsätze Q1=Q2+A und Q1/T1=Q2/T2. Da der Wirkungsgrad bei Kühlgeräten als Q2/A definiert wird, muss nun nicht Q2, sondern Q1 eliminiert werden und man erhält für den Carnot-Wirkungsgrad Q2/A=T2/(T1-T2). In einem Raum mit 22 °C stehe ein Kühlschrank mit einer Innentemperatur von 5 °C. Der Kühlkörper muss wesentlich kälter sein, damit er die Wärme Q2 abführen kann, die durch die Wärmedämmung des Kühlschranks hindurch nachfliesst. Nehmen wir an, T2=-10 °C sei genügend (je besser die Wärmedämmung des Kühlschranks, desto höher kann T2 sein). Damit die Wärmemenge Q2 mit Temperatur T2 in den Wohnraum transportiert werden kann, muss Arbeit A aufgewendet werden, wodurch der Wärmetauscher auf der Rückseite des Kühlschranks auf eine Temperatur T1 aufgeheizt wird. Damit die Wärme Q1 abgegeben werden kann, muss T1 über der Raumtemperatur von 22 °C liegen. Je besser der Wärmetauscher und seine Belüftung, desto tiefer wird T1. Für T1=40 °C würde der CarnotWirkungsgrad (-10+273)/(40 - (-10)) = 5,3 und es könnte ein realer Wirkungsgrad von etwa 2-3 erwartet werden. Steht der Kühlschrank, wie in vielen Hotels anzutreffen, in einem verschlossenen Schrank, wird dieser durch den Wärmetauscher aufgeheizt. Dadurch fliesst mehr Wärme Q2 ins Innere des Kühlschranks und diese kann nur durch eine Reduktion der Temperatur des Kühlkörpers abgeführt werden. Da sich sowohl Q2 als auch A erhöht, wird auch Q1=Q2+A grösser. Um diese im aufgeheizten Kasten abzuführen, muss T1 zunehmen, der Kasten wird noch stärker aufgeheizt und es fliesst noch mehr Wärme Q2 ins Innere des Kühlschranks etc. Es wird schliesslich ein Gleichgewichtszustand erreicht, bei dem das Kühlaggregat ununterbrochen läuft und es im Kühlschrank trotzdem kaum kühler ist als im Zimmer! Fritz Gassmann Der Autor ist Physiker und arbeitete früher am Paul Scherrer Institut PSI in Villigen. LITERATUR Zogg, M. 2008. Geschichte der Wärmepumpe – Schweizer Beiträge und internationale Meilensteine. BFE (UVEK). ISBN: 978-3-033-02154-9 WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN Die durch Rudolf Clausius vor 160 Jahren formulierten Grundlagen der Thermodynamik (erster und zweiter Hauptsatz) werden im Artikel «Aus dem Archiv» (S. 17) genauer erklärt.