Spinoza und Buddha. Ein philosophisch

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Hans Ruelius
Spinoza und Buddha.
Ein philosophisch-religionswissenschaftlicher Versuch
Baruch Spinoza beginnt die Einleitung zu seinem "Traktat über die Verbesserung des
Verstandes" (lat. Tractatus de intellectus emendatione) mit folgenden Worten:
Nachdem die Erfahrung mich gelehrt hat, dass alles, was im täglichen Leben sich
gewöhnlich ereignet, nichtig und wertlos ist, und da ich sah, dass alles, vor dem ich
mich fürchtete und das ich fürchtete, nicht etwas Gutes oder Schlechtes in sich selbst
enthielt, sondern nur insofern, als das Gemüt davon bewegt wurde, so beschloss ich
endlich zu erforschen, ob es irgendetwas gäbe, das ein wahres Gut sei, dessen man
teilhaftig werden könne und von dem allein, unter Zurückweisung alles anderen, das
Gemüt erfüllt werde; ja ob es etwas gäbe, durch das ich, wenn es von mir entdeckt
und erlangt ist, eine beständige und höchste Freude auf ewig genießen könne.
(Spinoza 2003, Bd. 5.1, p. 7)1
Als ich diesen Text zum ersten Mal las, kam mir der Gedanke, dass es eine formale
Übereinstimmung geben müsse zwischen dieser Haltung Spinozas und der Skepsis
gegenüber den weltlichen Angelegenheiten, ja gegenüber der Existenz selber, wie
sie der Buddha gelehrt hat. Interessant schien mir sowohl das in beider Biographien
zu beobachtende Reifen ihrer Lehre aus dem zunächst intuitiv erfassten
Überzeugung von der Wertlosigkeit der Dinge des Alltagslebens als auch die engen
Verknüpfung von Moral und Lebensführung mit einem erfolgreichen Weg zur
Erkenntnis. Das machte mich neugierig. Ich begriff jedoch bald, dass das ein
schwieriges Unterfangen werden würde. Es war vielleicht etwas voreilig, dieses
Thema gleich für den Vortrag hier und heute zu wählen; denn mir sind im Verlauf der
Arbeit daran mehr Fragen als Antworten eingefallen. Doch vielleicht kann ich auch
Ihre Neugierde wecken.
Ich gehe davon aus, dass ich hier vor einem Auditorium spreche, in dem alle wissen,
wer der Buddha war, aber keineswegs alle über Spinoza bestens Bescheid wissen.
1
Text und Übersetzung werden jeweils nach der Hamburger Ausgabe von Meiner
2003 zitiert.
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Nach Wilhelm Weischedels "Philosophischer Hintertreppe" war Spinoza der
meistgeschmähte Philosoph der Philosophiegeschichte (Weischedel 1975, p. 132).
Er wurde am 24. November 1632 in Amsterdam geboren. Er war der Sohn einer
portugiesisch-jüdischen Kaufmannsfamilie, die aus dem Süden Portugals stammte
und von dort vor der Inquisition geflohen war: Er genoss eine traditionelle jüdische
Ausbildung in der Synagoge von Amsterdam, wo sein Vater Vorsteher war. Mit 17
Jahren trat er in das väterliche Handelsgeschäft ein. Gleichzeitig lernte er Latein und
widmete er sich dem Studium der Philosophie seiner Zeit. Er studierte die Werke von
Philosophen wie Tommaso Campanella, Giordano Bruno, Bacon, Descartes und
Hobbes, und er beginnt, sich geistig vom orthodoxen Judentum zu entfernen. Am 27.
Juli 1656, zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters, wurde er von der jüdischen
Gemeinde von Amsterdam exkommuniziert und schließlich aus Amsterdam
ausgewiesen. Er lebte in verschiedenen niederländischen Städten, zuletzt in Den
Haag, wo er 1677 starb. Er führte ein bescheidenes zurückgezogenes Leben, hatte
aber auch Freunde, die ihn unterstützten, und er korrespondierte mit vielen
bedeutenden Gelehrten seiner Zeit.
Wie er in der zitierten Einleitung weiter schreibt, sieht Spinoza in dem Verlangen der
Menschen nach Reichtum, Ruhm und Genuss eine große Gefahr; denn es nimmt die
Menschen so in Anspruch, dass sie an nichts anderes mehr denken können. Dinge,
die man liebt, verursachen Trauer, wenn sie zugrunde gehen und Neid, wenn die ein
anderer besitzt. Menschen tun törichte Dinge, um Reichtum, Ehre und Genuss zu
erringen und verlieren manchmal sogar ihr Leben dabei. Er sah sich selbst in diese
Dinge verstrickt und wähnte sich in großer Gefahr, wie ein Kranker, der dringend
eines Heilmittels bedarf. Er versuchte deshalb, seine Lebensart zu ändern und auf
viele der Dinge zu verzichten, die den Menschen so erstrebenswert schienen, doch
es kamen ihm immer wieder Zweifel. Schließlich fand er eine angemessene, eine
mittlere Lösung; denn er glaubte, dass Geld, Ruhm und Genuss unschädlich seien,
wenn man sie nicht um ihrer selbst Willen begehrt, sondern nur in dem Maße für sich
in Anspruch nimmt, wie es zur Erhaltung des Lebens erforderlich ist.
Beide, der Buddha und Spinoza beginnen also ihre Laufbahn mit einer zunächst
intuitiven
Ablehnung
eines
von
Sinnlichkeit
bestimmten
Lebens
und
mit
grundlegenden Zweifeln am Wert weltlicher Güter. Beide setzen dem das Streben
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nach einem höheren Ziel entgegen. Beide stellen eine enge Abhängigkeit zwischen
dem erfolgreichen Streben nach Erkenntnis und einer angemessenen Lebensweise
her. Der Buddha sucht ebenso wie Spinoza nach einer geeigneten Form der Askese
und der richtigen Philosophie. Beide beschreiben schließlich den richtigen Weg zu
ihrem jeweiligen Ziel, sie lehren ihn und sie leben ihn auch und geben dafür eine
philosophische Begründung.
Ihre Ziele sind allerdings sehr verschieden. Spinoza, der Rationalist, entwickelt ein
metaphysisches System. Sein höchstes Ziel ist die Glückseligkeit, die in der
intellektuellen Liebe zu Gott besteht. Im Zustand der Glückseligkeit wird die Macht
des Geistes über die Affekte offenbar. Sie ist die Einheit des Geistes mit der Natur.
Durch sie erlangt der Geist Ewigkeit. Zur Glückseligkeit gehört aber auch, dass man
sie mit vielen Menschen teilt.
Das
höchste
Ziel
des
Buddha,
dessen
kulturelles
Erbe
Karma-
und
Wiedergeburtslehre sind, ist das Nirvāṇa, das völlige Verlöschen aller Lebensgrundlagen und damit ein Entrinnen aus dem Kreislauf der Geburten. Er lehnt
metaphysische Spekulationen ab.
Beide, der Buddha und Spinoza, sind Aufklärer. Ihre Philosophien sind Philosophien
der Freiheit. Sie sind Rebellen gegen die jeweils herrschende Tradition, die "offizielle
Meinung" sozusagen. Ihr Streben ist ein Streben nach objektiver Erkenntnis. Die
beiden Themen, an denen sich ihr Ringen um diese objektive Erkenntnis und damit
um Aufklärung zeigt, das sind.
1. der Angriff auf den jeweils überlieferten Substanzbegriff
2. und die Idee einer vollständig kausal determinierten Welt.
Beides führt implizit und explizit in einer Kritik der überlieferten Religion, die den
überlieferten Strategien der Kontingenzbewältigung, d. h. der Daseinsbewältigung
mit der Hilfe eines Gottes oder von vielen Göttern, wird das Streben nach rationaler
Erkenntnis und rationalem Handeln entgegensetzt. Kausale Notwendigkeit steht
gegen Kontingenz, das Streben nach Erkenntnis steht gegen Opferkulte und
Gottesverehrung.
Beginnen wir mit der Substanz:
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Ernst Cassirer bemerkt in seinem Werk "Substanzbegriff und Funktionsbegriff"
(Cassirer 2000, p. 163):
Der logische Gedanke der Substanz steht an der Spitze der wissenschaftlichen
Weltbetrachtung überhaupt; er ist es, der geschichtlich die Grenzscheide zwischen
Forschung und Mythos vollzieht.
Ist der Gedanke der Substanz der erste Schritt, so ist die Zurückdrängung dieses
übermächtigen Monstrums, das dadurch entstanden ist, der zweite Schritt. Es geht
darum, den Einzeldingen, den Gegenständen des täglichen Lebens die Teilhabe an
dem Ewigkeitscharakter der Substanz zu entziehen, ihnen den ihnen beigemessenen
hohen Wert zu nehmen und damit den Weg für eine neue Ethik freizumachen.
Im System Spinozas besitzen die Einzeldinge keine unabhängige Existenz. Sie sind
bloße Modi der Essenz der einen ewigen Substanz, d. h. Gottes oder der Natur.
Dadurch sind sie vergänglich. Der Buddha leugnet die Existenz jeglicher Substanz.
Der Grund für diesen ja zunächst ganz erheblichen Unterschied ist in den jeweiligen
Traditionen zu suchen, in denen sie Systeme entstanden sind. Die christliche
Adaption des neo-platonischen Substanzbegriffs macht Gott nicht nur zu der einen
höchsten Substanz, sondern schließlich zum übersubstanziellen, reinen Sein. Die
Existenz jeglicher Substanz zu leugnen hieße die Existenz Gottes zu leugnen.
Ähnliches gilt für die jüdische Philosophie. Spinoza ist beiden verpflichtet.
In der Philosophie der Brāhmaṇas sind die Götter der Substanz nachgeordnet. In
der mythologisierenden Sprache der Brāhmaṇas werden sie vom Brahman erst
geschaffen (z. B. Śatapathabrāhmaṇa 11,2,3. S. dazu Deussen 1906, p. 259 f.). Sie
sind also im Prinzip lange vorher entthront worden. Im Buddhismus sind sie infolge
dessen ebenso dem Geburtenkreislauf unterworfen wie alle anderen Wesen auch.
Nach der Erzählung des Sīhasutta des Anguttaranikāya (A. 4, 33, s. auch Winternitz
1929, p. 30) erzitterten die Götter vor Angst, als der Buddha von der Entstehung und
der Vernichtung der individuellen Existenz (sakkāya) predigte. Nach der Erzählung
des Mahāsamayasutta des Dīghanikāya (D. 20) verehren die Götter den Buddha und
lassen sich auch von einem Angriff des Māra nicht beirren. Der Buddhismus toleriert
schließlich Götter- und Dämonenkulte. Es wird allerdings immer wieder versucht, sie
mit Hilfe eigener Rituale zurückzudrängen. Dazu gehört das Paritta der Theravadins,
das Schutz vor Angriffen der Dämonen bieten soll. Wer sich mit Göttern einlässt,
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braucht auch eine Theodizee. Im Theravāda-Buddhismus findet man z. B. eine
Theodizee oder besser Kosmodizee im Āṭānāṭiyasutta des Dīghanikāya (D. 32). Dort
trägt Vaiśravaṇa (pāli vessavaṇa), einer der Vier Großkönige und Herren über die
Dämonen vor dem Buddha und seinen Schülern folgendes vor:
"So wie die großen Diebe von Māgadha, die dem König, seinen Ministern und deren
Beamten nicht gehorchen und deshalb Rebellen gegen den König von Māgadha
genannt werden, so gibt es unbeherrschte, verdorbene und gewalttätige Dämonen
(amanussā), die den Vier Großkönigen (pāli Catummahārājā), ihren Ministern und
deren Beamten nicht gehorchen und deshalb Rebellen gegen die Vier Großkönige
genannt werden."
Die beiden Texte sind wichtiger Bestandteil des Paritta-Buches, des Kanins der im
Paritta rezitiertren Texte. Ihre Inhalte sind Teil der Dämonologie der TheravādaBuddhisten. Die Paritta-Zeremonie, dient zwar der Abwehr von Dämonen, sie ist aber
kein magisches Ritual, wie gelegentlich behauptet wurde, man kann sie eher als eine
buddhistische Messe bezeichnen. Ihre Wirksamkeit beruht nach der Ansicht der
Theravādins auf der Angst der Dämonen vor dem Buddha, seiner Lehre und seiner
Gemeinde.
Was nun im Vergleich Spinozas Gott betrifft, so bedarf das einigerer Erläuterungen:
Spinozas System gründet sich auf seinem Gottesbegriff. Spinozas Gott ist die erste
Ursache und Ursache seiner selbst. Gott ist die eine und einzige Substanz.
Descartes "res cogitans" und "res extensa" sind als denkende und ausgedehnte
Substanz zu Attributen dieser einen Substanz geworden. Da Gott ausschließlich
nach der Gesetzmäßigkeit seiner eigenen Natur handelt, ist die Gesetzmäßigkeit der
Natur identisch mit der Gesetzmäßigkeit der Natur Gottes (natura naturans und
natura naturata).
Die Einzeldinge (z. B. Körper und Geist) sind Modi, die die Essenzen der Attribute
Gottes, d. h. der denkenden und ausgedehnten Substanz mit all ihren Eigenschaften,
"auf bestimmte und geregelte Weise ausdrücken" (certo et determinato modo
exprimit). Die Einzeldinge besitzen kein eigenes Sein. Sie werden auch als
Affektionen der Essenzen der Attribute der einen Substanz bezeichnet. Damit
erscheinen sie nur mit den Eigenschaften, durch die sie kausal wirksam werden. Sie
sind also nur ein höchst unvollkommenes Abbild der höchsten Substanz.
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Spinozas Gott ist also ein Gott, der nicht willkürlich in die Welt oder die Natur
eingreift. Er ist die Natur. Prägend für seinen Gottesbegriff war sicher seine Arbeit an
der Auslegung der Bibel in seinem theologisch-politischen Traktat. (Spinoza 1994).
Albert Einstein bekannte sich zu Spinozas Gott, als er nach seinem Glauben gefragt
wurde. Spinozas Gott bedarf auch keiner Theodizee: Er ist z. B. Vorbild für Hans
Jonas' "Gottesbegriff nach Auschwitz" (Jonas 1987).
Kommen wir zur Kausalität:
Die Idee einer vollständig kausal bestimmten Welt fungiert als Motivationsfundament
sowohl von Spinozas Ethik als auch der buddhistischen Heilslehre.
Der Paṭiccasamuppāda (Skt. Pratītyasamutpāda) die Lehre von der bedingten
Enstehung2, wie wir ihn aus dem Suttapiṭaka kennen, kann so nicht als Kausalkette
im strengen Sinne aufgefasst werden, obwohl er auf einer gesetzmäßigen Grundlage
basiert, wie z. B. im Paccayasutta des Samyuttanikāya (S. 2,25) gelehrt wird. Es
handelt sich also um eine Reihe emergenter Erscheinungen bzw. Gegenstände. Der
Paṭiccasamuppāda wird verständlich, wenn wir ihn unter dem Aspekt der
Sinnkonstitution betrachten und nicht unter dem der Kausalität.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass beide, Der Buddha und auch Spinoza,
einen engen Zusammenhang zwischen Lebensweise und Lehre herstellen. Wir
fragen uns, in welchem Zusammenhang Ideen oder Philosophien mit der
Lebenspraxis stehen oder stehen können. Ich möchte dieser Frage anhand des
Sinnbegriffs Niklas Luhmanns nachgehen: Danach ist Sinn die Ordnungsform
menschlichen Erlebens.
Psychische und soziale Systeme sind danach im Wege der Co-evolution entstanden.
Die jeweils eine Systemart ist notwendige Umwelt der jeweils anderen. Die
Begründung dieser Notwendigkeit liegt in der diese Systemarten ermöglichenden
Evolution. ... Die Co-evolution hat zu einer gemeinsamen Errungenschaft geführt, ....
Wir nennen diese evolutionäre Errungenschaft »Sinn«. (Luhmann 1984, p. 92)
2 "Durch (1.) Unwissenheit (avijjā) bedingt sind (2.) die Karmaformationen (sankhāra), dadurch (3.) das Bewußtsein (viññāna),
dadurch (4.) Name und Form (nāma-rūpa), dadurch (5.) die sechs Grundlagen (āyatana) der geistigen Vorgänge, dadurch (6.)
der Bewußtseinseindruck (phassa), dadurch (7.) das Gefühl (vedanā), dadurch (8.) das Begehren (taṇhā), dadurch (9.) das
Anhaften (upādāna), dadurch (10.) der Werdeprozeß (bhava), dadurch (11.) die Wiedergeburt (jāti), dadurch (12.) Altern und
Sterben usw. (jarā-marana usw.)". Zitiert nach Nyanatiloka (1952), modifiziert.
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Unserem Handeln können wir nur dadurch Sinn geben, dass wir es erleben und
prüfen gegebenenfalls korrigieren.
Fassen wir den Sinnbegriff etwas weniger abstrakt, als Luhmann das tut und
begreifen Sinn als das Verhältnis des Menschen zu seinem Gegenstand, so kann
man den buddhistischen Pratītyasamutpāda als Theorie der Gegenstands- und
Weltkonstitution
begreifen
und
die
buddhistischen
Texte
aus
der
phänomenologischen Perspektive analysieren. In Wilhelm Schapps Phänomenologie
der
Wahrnehmung
(Schapp
2004)
erkennen
wir
die
ersten
Glieder
des
Pratītyasamutpāda wieder. Wenn wir phänomenologisches Denken im Buddhismus
zu finden glauben, so wundert es uns nicht, wenn wir umgekehrt bei der Lektüre
phänomenologischer Literatur Anklänge an buddhistisches Denken wieder finden. So
führt uns Schapp in seinem Alterswerk "In Geschichten verstrickt" (Schapp 1976) von
der Wahrnehmung über die "Modifikation der Wahrnehmung" d. h. die Verknüpfung
der Idee mit der Wahrnehmung über das gemalte Bild hin zu den Geschichten. Die
Person oder das Selbst wird zum Knoten in einem Netzwerk von Geschichten – "in
Geschichten verstrickt". Der amerikanische Philosoph Daniel Dennett nennt dann
schließlich das Selbst einen "narrativen Schwerpunkt" (Dennett 1992).
Da Sinn als Ordnungsform eine starre Struktur darstellt, die erst durch die
Koevolution des Individuums mit seiner Umwelt Dynamik erhält, stellen wir die Frage
nach dem, was zwischen Erleben und Handeln, was zwischen Theorie und Praxis
vermitteln kann. Ein geeignetes Konzept – so scheint mir – hat Pierre Bourdieu in
Form seines Habitus-Konzepts entwickelt. Bourdieu unterscheidet zwei Strukturen,
eine innere, den Habitus und eine äußere, die Hexis. Das Wort Habitus ist die
lateinische Entsprechung des griechischen Hexis. Beides bedeutet Haltung, Gehabe.
(s. Fröhlich 1999, p. 1, Bourdieu 1976, p. 139 ff.). Der Habitus besitzt eine generative
Tiefenstruktur,
ähnlich
wie
die
Sprache.
In
der
Hexis
werden
unsere
Körperbewegungen durch eine symbolische Form überlagert, die wir so verstehen
können, wie wir Sprache verstehen. Die Hexis äußert sich als ein Zusammenhang
erworbener Körperhaltungen und –bewegungen, im Stil und in rituellen und
ritualisierten Handlungen. Der hohe praktische Nutzen des Habituskonzepts für die
religionswissenschaftliche Praxis, die Feldforschung ist offensichtlich.
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Bibliographie:
Bourdieu 1976:
Pierre Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage
der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1976.
Cassirer 1998-2007:
Ernst Cassirer, Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe, Band 1-25. Darmstadt:
Wiss. Buchgesellschaft. 1998 -2007.
Cassirer 2000:
Ernst Cassirer, Substanzbegriff und Funktionsbegriff: Untersuchungen über die
Grundfragen der Erkenntniskritik. In: Ders. (1998 - 2007.): Bd. 6.
Dennett, Daniel (1992):
Daniel Dennett, The Self as a Center of Narrative Gravity. In: F. Kessel, P. Cole and
D. Johnson, eds, Self and Consciousness: Multiple Perspectives, Hillsdale, NJ:
Erlbaum, 1992.
Dennett 2003:
Daniel Dennett, The Self as a Responding - and Responsible - Artifact. In: Annals
New York Academy of Sciences 1001: 39-50.
Deussen 1906:
Paul Deussen, Allgemeine Geschichte der Philosophie mit besonderer
Berücksichtigung der Religionen. Erster Band, Erste Abteilung: Allgemeine Einleitung
und Philosophie des Veda bis auf die Upanishad's. Leipzig: F. A. Brockhaus 1906.
Fröhlich 1999:
Gerhard Fröhlich, Habitus und Hexis - Die Einverleibung der Praxisstrukturen. In:
Schwengel, H. / Höpken, B. [Hg.][1999): Bd. II, Teil 2, S. 100-102. Internet:
http://www.iwp.jku.at/lxe/wt2k/pdf/FrohlichHabHex.pdf
Jonas 1987:
Hans Jonas, Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987.
Luhmann 1984:
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Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am
Main: Suhrkamp 1984.
Nyanatiloka 1952:
Nyanatiloka, Buddhistisches Wörterbuch. Konstanz: Christiani.
Schapp 1976:
Wilhelm Schapp, In Geschichten verstrickt. Zum Sein von Mensch und Ding.
Wiesbaden: B. Heymann 1976.
Schapp 2004
Wilhelm Schapp, Beiträge zur Phänomenologie der Wahrnehmung. Frankfurt am
Main: Vittorio Klostermann 2004.
Spinoza 1994:
Baruch Spinoza, Sämtliche Werke / Baruch de Spinoza. – Hamburg: Meiner. Früher
hrsg. von Carl Gebhardt NE: Gebhardt, Carl [Hrsg.]: Spinoza, Benedictus de:
[Sammlung <dt.>] Bd. 3. Theologisch-politischer Traktat / auf der Grundlage der
Übers. von Carl Gebhardt neu bearb., eingeleitet und hrsg. von Günter Gawlick. – 3.,
durchgesehene Auflage mit neuer Auswahlbibliographie. – 1994 (Philosophische
Bibliothek: Bd. 93)
Spinoza 2003:
Baruch Spinoza, Sämtliche Werke. Hamburg: Meiner. Früher hrsg. von Carl
Gebhardt NE: Gebhardt, Carl [Hrsg.]: Spinoza, Benedictus de: [Sammlung <dt.>] Bd.
5.1. Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes - Tractatus de intellectus
emendatione. Neu übersetzt, herausgegeben, mit Einleitung und Anmerkungen
versehen von Wolfgang Bartuschat. Lateinisch-Deutsch. – 2., verbesserte Auflage. –
2003 (Philosophische Bibliothek: Bd. 95a)
Weischedel 1975:
Wilhelm Weischedel, Die philosophische Hintertreppe. München: Deutscher
Taschenbuch Verlag, 1. Aufl. 1975.
Winternitz 1929:
Moriz Winternitz: Der ältere Buddhismus nach Texten des Tipitaka. Tübingen: J.C.B.
Seite 10 von 10
Mohr (Paul Siebeck) 1929. In: Alfred Bertholet: Religionsgeschichtliches Lesebuch,
Heft 11.
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