MEDIZIN AKTUELL Tino F. Schwarz Gundula Jäger A ls typische reisemedizinisch bedeutsame Infektionen werden in den meisten Übersichten die Malaria, die HepatitisA und -B sowie virale und bakterielle Gastroenteritiden aufgeführt. Trotz zahlreicher Arbeiten über das endemische und epidemische Vorkommen von Arbovirosen und nagerassozüerten viralen Infektionen, liegen nur wenige Berichte über die Einschleppung nach Deutschland vor. Dies ist angesichts des zunehmenden Tourismus in tropische und subtropische Länder, der steigenden Zahl von Transitreisenden, militärischer Einsätze in endemischen Regionen, einer erheblichen Zahl von Asylsuchenden aus Ländern der Dritten Welt sowie einem regen internationalen Warenhandel überraschend. Durch das plötzliche, von Experten nicht unerwartete, Wiederauftreten von Ebola-Virus in Zaire muß auch mit der Möglichkeit der Einschleppung dieses Erregers nach Deutschland gerechnet werden. Im folgenden werden die wichtigsten viralen Erkrankungen, deren Einschleppung bereits dokumentiert wurde, sowie Infektionen, mit deren Import zu rechnen ist, diskutiert. Virale Infektionen, die in Urlaubsländern endemisch sind, wurden in Tabelle 1 bis 5 aufgelistet. Diese sind RNA-Viren, die zu den Flavi-, Toga-, Bunya-, Arena- und Filoviridae gerechnet werden. Zur Bedeutung importierter viraler Infektionen Weltweit wird eine Zunahme von vektoren- und nagerassoziierten Virusinfektionen registriert. Besonders hervorzuheben sind dabei die Dengue-, Hanta-, Sandfliegenfieber-, Ross-Riverund Lassavirus-Infektion. Durch den steigenden Reiseverkehr in oder aus endemischen Gebieten muß mit der vermehrten Einschleppung dieser viralen Infektionen nach Deutschland gerechnet werden. unserer Einschätzung dürfte DEN die häufigste nach Deutschland importierte Arbovirose darstellen (39). In den letzten Jahren wurde eine starke Zunahme der DEN-Infektionen in Südostasien, Mittel- und Südamerika, der Karibik, Ostafrika, den Inseln im Indischen Ozean, Australien sowie Ozeanien registriert (14). Auch kam es zur Zunahme der schwersten Verlaufsformen dieser Infektion, dem hämorrhagischen DENFieber (DHF) und dem DengueSchock-Syndrom (DSS) (14). Infektionen treten sporadisch oder epidemisch auf. Ausbrüche mit etwa 150 000 Erkrankungsfällen an DHF wurden 1987 in Thailand registriert (45). 1.1 Dengue-Fieber, hämorrhagisches Dengue-Fieber und Dengue-Schock-Syndrom Nach überstandener Infektion besteht vermutlich eine lebenslange homologe Immunität. Dagegen sind Reinfektionen mit heterologen DENSerotypen (DEN-1 bis DEN-4) möglich. In mehreren Berichten wird auf importierte DEN-Infektionen aus Südostasien, der Karibik und Polynesien nach Europa hingewiesen (16, 22, 33, 39, 46, 47). Die D engue -Virus (DEN)-Infektion, die häufigste Arbovirose des Menschen, wird durch den Stich von Aedes(Ae)-Spezies übertragen. Nach Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (komm. Leiter: Prof. Dr. med. G. Ruckdeschel), Ludwig-Maximilians-Universität, München 1. Infektionen durch Flaviviridae A 1510 (40) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995 - 1.1.1 Pathogenese und Kinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich zwei bis sieben Tage. Die Infektion kann asymptomatisch verlaufen, zum klassischen DEN-Fieber oder, mit einer Häufigkeit von bis zu 30 pro 100 Infektionsfälle, zum DHF oder DSS führen. Klassisches Dengue-Fieber: Typischerweise verläuft die Erkrankung mit plötzlichem hohen Fieber, Kopfschmerzen, retrobulbären und lumbosakralen Schmerzen, Myalgien und gastrointestinalen Beschwerden. Oft tritt ein makulopapulöses, schuppendes Exanthem auf. Selten kommt es zu Myokarditis, Hepatitis, Enzephalitis, Mono oder Polyneuropathie. - Hämorrhagisches Dengue-Fieber und Dengue-Schock-Syndrom: Diese beiden Verlaufsformen treten bei Kindern, jünger als ein Jahr mit primärer DEN-Infektion, Kindern im Alter von drei bis sieben Jahren mit sekundärer Infektion, Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen mit primärer Infektion auf. Nach einer Falldefinition der WHO wird der klinische Schweregrad in vier Stufen unterteilt, die von Fieber mit konstitutionellen Symptomen und positivem Tourniquet-Test (Stufe 1) bis zum Schock (Stufe 4) reichen (49). 1.2 Gelbfieber Trotz der Verfügbarkeit einer wirksamen Vakzine treten Infektionen durch das Gelbfiebervirus in den tropischen Regionen Afrikas und Südamerikas weiterhin auf. Reisemedizinische Beachtung fand 1992/93 vor allem die Gelbfieber-Epidemie in Kenia. Aufgrund der Rekolonisation von Ae aegypti in den Städten Südamerikas muß mit dem Auftreten von urbanem Gelbfieber in Zukunft gerechnet werden (29). EDIZIN AKTUELL Tabelle 1: Virale Infektionen in europäischen Urlaubsländern und ihre Leitsymptome Land Erreger Leitsymptome Italien, Portugal Sandfliegenfieber-Virus Fieber, Kopfschmerzen, Meningitis Balkan Sandfliegenfieber-Virus Balkan Hantavirus Fieber, Kopfschmerzen hämorrhagisches Fieber, akutes Nierenversagen Griechenland Sandfliegenfieber-Virus Balkan Hantavirus Krim-Kongo-Fieber-Virus Fieber, Kopfschmerzen hämorrhagisches Fieber, akutes Nierenversagen hämorrhagisches Fieber Zypern Sandfliegenfieber-Virus Fieber, Kopfschmerzen, Meningitis Schweden, Finnland, westliches Rußland Ockelbo-Virus Puumala-Virus Fieber, Exanthem, Arthritis akutes Nierenversagen Belgien, Frankreich, Niederlande Puumala-Virus akutes Nierenversagen 1.2.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich drei bis sechs Tage. Neben asymptomatischen Verläufen kann die Infektion ein unspezifisches Fieber oder eine schwere Erkrankung mit Ikterus und unterschiedlich stark ausgeprägten hämorrhagischen Symptomen verursachen. hohem Fieber. Gegen Ende der febrilen Phase tritt ein roseoläres oder makulopapuläres, nicht juckendes Exanthem auf, welches vor allem den Stamm und die Extremitäten betrifft. Kopfschmerzen, periokuläre Schmerzen, konjunktivale Injektion, Myalgien, Arthralgien, Lymphadenopathie, gastrointestinale Beschwerden und eine Meningoenzephalitis können vorkommen. 1.4 Japanische Enzephalitis Die Infektion durch das japanische Enzephalitis-Virus (JEV) ist eine der häufigsten Arbovirosen Asiens (44). JEV wird durch den Stich von Culex-Spezies übertragen. Epidemien wurden aus Indien, Nepal, Thailand und Vietnam gemeldet. Seit der Einführung von Impfprogrammen in Japan, Südkorea und Taiwan kam es zu einem Rückgang der Infektionen. Über importierte JEV-Infektionen wurde berichtet (35). 1.4.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich 4 bis 14 Tage. Die Erkrankung beginnt plötzlich mit Fieber, Kopfschmerzen, gastrointestinalen und respiratorischen Beschwerden. Zu neurologischen Symptomen kommt es bereits nach zwei bis drei Tagen. Klinisch zeigen sich eine meningeale Reizung, Krampfanfälle, Ataxie, Tremor, Bewußtseinsstörungen, Hirnnervenausfälle und Lähmungen. Die Enzephalitis durch JEV verläuft in 25 Prozent der Fälle tödlich. Residuen sind von der Schwere der Schädigung abhängig. Verläufe mit Persistenz des Virus im zentralen Nervensystem wurden berichtet (36). 1.3 West Nile Fieber - - West-Nile-Fieber, hervorgerufen durch das West-Nile-Virus (WNV), ist in den tropischen Regionen Asiens und Afrikas, im Mittleren Osten sowie in einigen südlichen Regionen Europas und der früheren Sowjetunion endemisch. Die Übertragung erfolgt durch Stich von Culex-Spezies. In gemäßigten Zonen, wie zum Beispiel Israel oder Südafrika, kommt es in den Sommermonaten zu epidemischen Ausbrüchen, wobei nicht geklärt ist, ob dies durch die enzootische Zirkulation oder durch eine erneute Einschleppung bedingt ist (21). Die reisemedizinische Bedeutung von WNV ist nicht bekannt. 1.3.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich drei bis sechs Tage. Die Erkrankung beginnt plötzlich mit Tabelle 2: Virale Infektionen in typischen Reiseländern Asiens und ihre Leitsymptome Land Erreger Leitsymptome Thailand Dengue-Virus Chikungunya-Virus Japanisches Enzephalitis-Virus Fieber, Exanthem Polyarthritis, Fieber neurologische Symptome, Enzephalitis Malaysia Dengue-Virus Fieber, Exanthem, Arthralgien Indonesien Dengue-Virus Japanisches Enzephalitis-Virus Chikungunya-Fieber Fieber, Exanthem, Arthralgien, neurologische Symptome, Enzephalitis Polyarthritis Fieber China Dengue-Virus Hantaan-Virus Japanisches Enzephalitis-Virus Krim-Kongo-Fieber Virus Fieber, Exanthem Arthralgien, hämorrhagisches Fieber, akutes Nierenversagen neurologische Symptome, Enzephalitis hämorrhagisches Fieber Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21,26. Mai 1995 (41) A-1511 MEDIZIN AKTUELL Tabelle 3: Virusinfektionen in wichtigen afrikanischen Reiseländern und ihre Leitsymptome Land Erreger Leitsymptome Ägypten Sandfliegenfieber-Virus Fieber, Kopfschmerzen Sindbis-Virus West-Nile-Virus Rift-Valley-Fieber-Virus Fieber, Arthritis Fieber, Exanthem, Meningoenzephalitis Fieber, hämorrhagisches Fieber Retinitis, Enzephalitis Senegal Dengue-Virus Rift-Valley-Fieber-Virus Fieber, Exanthem, Arthralgien Fieber, hämorrhagisches Fieber, Retinitis, Enzephalitis Kenya, Tanzania Dengue-Virus Gelbfieber Fieber, Exanthem, Arthralgien Fieber, hämorrhagisches Fieber Nigeria Lassa-Virus Gelbfieber Chikungunya-Virus Dengue-Virus Krim-Kongo-Fieber-Virus hämorrhagisches Fieber Fieber, hämorrhagisches Fieber Polyarthritis, Fieber Fieber, Exanthem, Arthralgien hämorrhagisches Fieber Namibia West-Nile-Virus Fieber, Exanthem, Meningoenzephalitis Südafrika West-Nile-Virus Sindbis-Virus Chikungunya-Virus Rift-Valley-Fieber-Virus Kongo-Fieber-Virus Fieber, Exanthem, Meningoenzephalitis Fieber, Arthritis Polyarthritis, Fieber Fieber, hämorrhagisches Fieber, Retinitis, Enzephalitis hämorrhagisches Fieber Seychellen, Komoren Dengue-Virus Fieber, Exanthem, Arthralgien 2. Infektionen durch Togaviridae 2.1 Chikungunya-Fieber Infektionen durch ChikungunyaVirus (CHIK) sind in Afrika und Asi- en endemisch. Zu Epidemien kam es mehrfach in Südafrika. Übertragen wird die Infektion durch den Stich von Aedes-, Mansonia-, Culex- und Anopheles-Spezies. Aufgrund ähnlicher klinischer Symptomatik werden CHIK- oft mit DEN-Infektionen verwechselt. Importierte CHIK-Infektionen nach Aufenthalt in Indonesien wurden berichtet (15). 2.1.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich ein bis sechs Tage. Die Erkrankung beginnt plötzlich mit schwersten Gelenkschmerzen, die sich zu einer Polyarthritis entwickeln können. Ferner kommt es zu Fieber, Myalgien, Übelkeit und Erbrechen, fazialem Erythem und konjunktivaler Injektion. Das Fieber zeigt oft einen biphasischen . Verlauf. In der zweiten Phase der Erkrankung treten, Kopfschmerzen, Pharyngitis, eine zervikale Lymphadenitis sowie ein makulopapuläres Exanthem hinzu Die Polyarthralgien oder Polyarthritiden können über mehrere Monate persistieren und auch Gelenkdestruktionen kommen vor (3). thralgien, Kopfschmerzen und ein generalisiertes Exanthem. Bei der Inspektion finden sich vesikuläre, palatale Läsionen am Gaumen. In seltenen Fällen kommt es zu einem rezidivierenden hämorrhagischen vesikulären Exanthem, persistierenden Arthralgien oder einer Enzephalitis (13). 2.3 Ockelbosche Erkrankung 2.2 Sindbis-Fieber Das Sindbis-Virus (SIND) ist in Afrika, im Mittleren Osten, den Inseln des Indischen Ozeans, Asien und Australien endemisch und verursacht eine benigne, fieberhafte Erkrankung. Epidemien wurden mehrmals aus Südafrika berichtet (21). Übertragen wird SIND durch verschiedene Culex-Spezies. 2.2.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich drei bis sechs Tage. Typisch sind plötzliches Fieber, Ar- A-1514 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995 Das Vorkommen des OckelboVirus ist auf Schweden, Finnland und Karelien beschränkt (24). Übertragen wird dieses Virus durch Culiseta-Spezies, wobei Infektionen vor allem in den Monaten August und September auftreten (24). 2.3.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich etwa ein bis zwei Wochen. Die Erkrankung ist durch Fieber, Arthralgien und ein Exanthem charakterisiert (11). Der Verlauf ist üblicherweise benigne. Aller- MEDIZIN AKTUELL Tabelle 4: Reisemedizinisch bedeutende virale Infektionen in Nord- und Südamerika und ihre Leitsymptome Land Erreger Leitsymptome USA Sin-Nombre-Virus La Crosse-Virus Pferdeenzephalitis-Viren akutes Atemnotsyndrom neurologische Symptome, Enzephalitis Enzephalitis Karibik Dengue-Virus Mayaro-Virus Fieber, Exanthem, Arthralgien Fieber, Arthralgien Brasilien D engue-Virus Gelbfieber-Virus Mayaro-Virus Fieber, Exanthem, Arthralgien Fieber, hämorrhagisches Fieber Fieber, Arthralgien Venezuela Dengue-Virus Guanarito-Virus venezolanisches Pferdeenzephalitis-Virus Fieber, Exanthem, Arthralgien hämorrhagisches Fieber Enzephalitis dings wurden Arthralgien, die über mehrere Monate und Jahre persistierten, beobachtet (32). 2.4 Epidemische Polyarthritis Die epidemische Polyarthritis wird durch das Ross-River-Virus (RRV) verursacht und durch Aedesund Cules-Spezies übertragen. RRV tritt in Australien und seit dem Ende der 70er Jahre auch auf den meisten Inseln Ozeaniens endemisch auf. Mit einer Ausbreitung von RRV nach Südostasien und Südamerika muß gerechnet werden. 2.4.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Stich der Mücken etwa ein bis zwei Wochen. Typisch sind Arthralgi- en, Gelenkschwellungen, Exanthem und Fieber. In seltenen Fällen treten Pharyngitis, palmare und plantare Parästhesien, Lymphadenitis und Petechien hinzu Die Beschwerden sind meist nach zwei Wochen abgeklungen. Von Verläufen mit über mehrere Monate persistierenden Arthralgien wurde berichtet. 2.5 Mayaro-Fieber 2.5.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Insektenstich sieben bis zwölf Tage. Die Erkrankung beginnt mit plötzlichem Fieber, Schwindel und Kopfschmerzen. Es imponieren ein makulopapulöses Exanthem, gastrointestinale Beschwerden, Lymphadenitis, Arthralgien, die vor allem die kleinen Gelenke betreffen und über mehrere Wochen andauern können. Diese durch das Mayaro-Virus (MAY) verursachte, fieberhafte Erkrankung ist in weiten Teilen Mittel3. Infektionen durch und Südamerikas endemisch und wird Bunyaviridae durch verschiedene blutsaugende Vektoren übertragen. Ein Infektions3.1 Pappataci-Fieber risiko besteht insbesondere in Regenwaldgebieten. Symptomatische VerDas Sandfliegenfieber(SF)-Virus läufe treten bei 80 Prozent der Infi- ist der Erreger des Pappataci-Fiebers, zierten auf. das durch den Stich von Phebotomus- Tabelle 5: Reisemedizinische virale Infektionen in Australien und Ozeanien und deren Leitsymptome Land Erreger Leitsymptome Australien Ross-River-Virus Dengue-Virus Sindbis-Virus Murray-Valley-Virus Polyarthritis, Exanthem Fieber, Exanthem, Arthralgien Fieber, Arthritis Neurologische Symptome, Enzephalitis Neu-Kaledonien, Samoa Tonga, Cook Inseln, Wallis und Futuna, Papua-Neuguinea Ross-River-Virus Polyarthritis, Exanthem Französisch Polynesien, Cook Inseln, Samoa, Fidji, Papua-Neuguinea Dengue-Virus Fieber, Exanthem, Arthralgien A-1516 (46) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995 MEDIZIN AKTUELL Spezies übertragen wird. Von reisemedizinischer Bedeutung sind die drei Serotypen SF-Sicilian (SFS), -Naples (SFN) und -Toscana (TOS). SFS und SFN sind von Marokko bis Bangladesh endemisch. Infektionen durch TOS wurden nur aus Italien (Region Toskana und Marche), Portugal (Algarve), Spanien (Katalonien) und Zypern berichtet. Importierte SF-Virusinfektionen wurden bei Touristen berichtet, die sich in endemischen Gebieten aufgehalten hatten (5, 8 bis 10, 38). Aufgrund der Zunahme der Vektordichte in den Mittelmeerländern ist mit dem vermehrten. Auftreten von Pappataci-Fieber bei Urlaubern zu rechnen. 3.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Insektenstich drei bis fünf Tage. Pappataci-Fieber ist durch plötzliches hohes Fieber, das über zwei bis vier Tage anhält, charakterisiert. Es treten zudem frontale Kopfschmerzen, retrobulbäre Schmerzen, Konjunktivitis, Photophobie, Myalgien, Arthralgien und eine gastrointestinale Symptomatik hinzu In seltenen Fällen wurde eine postinfektiöse Asthenie beobachtet. Im Gegensatz zu Infektionen durch SFS und SFN verursacht TOS eine aseptische Meningitis. Nach der akuten TOS-Infektion kann es zu über mehrere Wochen oder Monate andauernden Kopfschmerzen kommen 3.2 Rift-Valley-Fieber Das Rift-Valley-Fieber-Virus (RVF) tritt in Afrika und Madagaskar endemisch auf und wird vor allem durch Aedes-, Anopheles- und CulexSpezies übertragen. Vor dem Auftreten von Infektionen beim Menschen kommt es in der Regel zur Epizootie bei Nutztieren (28). Die Ansteckung erfolgt auch durch kontaminierte Aerosole, wie sie beim Schlachten oder bei Autopsien von Tieren auftreten. Auch Tierkadaver gelten als Ansteckungsquelle. Zu einer Epidemie mit mehr als 200 000 Erkrankungsfällen kam es 1977 in Ägypten (28). 1987 wurde erstmals ein RVF-Ausbruch in Westafrika gemeldet, bei dem im Senegal 25 000 Menschen erkrankten (34). Die bisher letzte Epidemie be- gann 1993 im Sudan und im Süden Ägyptens (2). Über RVF-Infektionen bei Touristen und UN-Soldaten, die sich in Ägypten aufgehalten hatten, wurde berichtet (7, 31, 48). 3.2.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt nach dem Mückenstich etwa zwei bis sechs Tage. Es kommt bei der Mehrzahl der Infizierten zu einer akuten, undifferenzierten, fieberhaften Erkrankung. Schwerwiegende Komplikationen, wie hämorrhagisches Fieber, Enzephalitis oder Retinitis, treten nur bei einem Prozent der Erkrankten auf. 3.3 Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber Das hämorrhagische Krim-Kongo-Fieber-Virus (CCHF) ist in Südosteuropa, Zentralasien, China, Arabien und Afrika endemisch und wird durch Zecken der Hyalomma-Spezies übertragen. Ein Infektionsrisiko besteht vor allem bei beruflichen Tätigkeiten mit engem Kontakt zu von Zecken befallenen Tieren. Auch durch direkten Kontakt beim Schlachten von infizierten Tieren dürfte eine Ansteckung durch Aerosole möglich sein. Erkrankte Patienten sind die Infektionsquelle für nosokomiale Ausbrüche (4, 41, 42). 3.3.1 Pathogenese und Klinik Nach dem Zeckenstich beträgt die Inkubationszeit etwa zwölf und bei nosokomialer Infektion drei bis sechs Tage. Die Erkrankung beginnt mit plötzlichem Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel. Nach einer vorübergehenden Remission treten dann Hämorrhagien auf, die meist über drei bis zehn Tage andauern. Die Letalität beträgt bis zu 50 Prozent (42). 3.4 Nephropathia epidemica, hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom, „Hanta-Pulmonary-Syndrome" Die Nephropathia epidemica (NE; Puumala-Virus), das hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom (HFRS; Hantaan-Virus) und A-1518 (48) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995 das „Hanta-Pulmonary-Syndrome" (HPS; Sin-Nombre-Virus) sind durch Hantaviren verursachte Infektionen. Die NE tritt vor allem in Skandinavien, dem westlichen Rußland und einigen Regionen Mitteleuropas auf (23). Das HFRS kommt in weiten Teilen Asiens sowie auf dem Balkan vor (12, 23). Seit kurzem werden HPS-Fälle aus mehreren amerikanischen Bundesstaaten sowie Kanada (British Columbia) gemeldet (30). Die Infektionsquelle stellen infizierte Nagerspezies (Apodemus, Clethrionomys, Rattus, Peromyscus) dar. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch engen Kontakt mit Nagern, deren Exkrementen (Urin, Fäzes, Speichel) und durch Inhalation von viruskontaminierten Aerosolen. 3.4.1 Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt 12 bis 21 Tage. Die Erkrankung beginnt meist mit einer influenzaähnlichen Symptomatik. Bei NE und HFRS kommt es zur Beeinträchtigung der Nierenfunktion. Unterschieden werden dabei die febrile, hypotensive, oligurische, diuretische und konvaleszente Phase. Während der Verlauf der NE meist benigne ist, sind letale Verläufe beim HFRS möglich. Beim HPS kommt es nach einer influenzaartigen Prodromalphase zu einem rasch progredienten akuten Atemnotsyndrom, das in 60 Prozent letal verläuft. 4. Infektionen durch Arenaviridae 4.1 Lassa-Fieber Das Lassa-Virus verursacht ein oft letal verlaufendes, hämorrhagisches Fieber, welches ausschließlich in Westafrika auftritt. Verwandte Erreger konnten inzwischen auch in Mozambik, Zimbabwe und der Zentralafrikanischen Republik isoliert werden. Schätzungen sprechen von jährlich 10 000 Lassa-Virüsinfektionen in Westafrika. Die Übertragung des Virus auf den Menschen erfolgt durch engen Kontakt mit dem Nager, Mastomys natalensis oder dessen Ausscheidungsprodukten. Nosokomiale Infektionen wurden berichtet. MEDIZIN AKTUELL Aus den USA, Kanada, England und Japan berichtete man über importiertes Lassa-Fieber, das aus westafrikanischen Ländern eingeschleppt wurde (6, 17, 19, 25, 51). 4.1.1 Pathogenese und Klinik Nach Exposition mit infektiösen Nagern beträgt die Inkubationszeit etwa 10 bis 14 Tage. Bei nosokomialer Übertragung schwankt sie zwischen fünf Tagen bis zu drei Wochen. Die Erkrankung beginnt plötzlich mit hohem Fieber, Abgeschlagenheit, Myalgien, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoen, Brust- und abdominellen Schmerzen, Kopf- und Halsschmerzen, Husten, Schwindel, Tinnitus und Hämorrhagien. Typisch sind die fazialen und nuchalen Ödeme. Auch eine neurologische Symptomatik kommt vor, die meist auf eine schlechte Prognose hinweist. Die Erkrankung dauert etwa ein bis vier Wochen. Bei Schwangeren ist die Infektion mit einer besonders hohen Mortalität assoziiert. 6. Therapie Die Behandlung der meisten hier beschriebenen Infektionen erfolgt symptomatisch. Je nach Schweregrad der hämorrhagischen Symptome sind intensivmedizinische Maßnahmen notwendig. Durch die antivirale Therapie mit dem Nukleosidanalogon Ribavirin kann die Mortalität des Lassa-Fiebers und des HFRS signifikant gesenkt werden (1, 27). Aufgrund von Zellkultur- und tierexperimentellen Untersuchungen kann angenommen werden, daß Ribavirin auch in der Therapie von CCHF und RVF wirksam ist (1, 43). 7. Diagnostik reisemedizinischer Virusinfektionen Der Virusnachweis und die Bestimmung spezifischer Antikörper wird derzeit nur von wenigen Laboratorien in Deutschland durchgeführt. 5. Infektionen durch Filoviridae Als bisher dramatischster Vorfall muß der Ausbruch eines hämorrhagischen Fiebers, hervorgerufen durch das Marburg-Virus, im hessischen Marburg im Jahr 1967 angesehen werden (40). Die Infektionsquelle stellten importierte Affen aus Uganda dar. Zum epidemischen Auftreten eines hämorrhagischen Fiebers bei Affen, die aus den Philippinen importiert wurden, kam es 1989 in Reston, Virginia, USA (20). Bei den erkrankten Tieren ließ sich ein humanapathogenes EbolaVirus isolieren, das bei vier Beschäftigten nur zu einer subklinischen Infektion führte (20). Dieses Virus wurde erneut 1992 in einer Affenkolonie in Italien isoliert, wobei es jedoch nicht zur Infektion von Menschen gekommen war (50). Die beschriebenen Beispiele verdeutlichen die potentielle Möglichkeit der Einschleppung von Virusinfektionen durch Tierimporte. 7.1 Erregernachweis Die meisten Viren können während der Inkubationszeit sowie in den ersten Erkrankungstagen in Zellkultur angezüchtet werden. Auch Antigennachweise wurden für die verschiedenen Erreger etabliert. Als schnelle und hochsensitive Methode steht heute die reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) zur Verfügung, durch die sich genomische RNA im Serum meist noch über mehrere Tage nach Erkrankungsbeginn nachweisen läßt. 7.2 Antikörpernachweis Verschiedene serologische Methoden wurden zur Bestimmung virusspezifischer Antikörper der IgMund IgG-Klasse eingesetzt. Sie erlauben den Nachweis einer akuten oder abgelaufenen Infektion. Bei der Interpretation der Ergebnisse sind Kreuzreaktionen gegen andere Erreger des gleichen Genus zu berücksichtigen. A-1520 (50) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995 8. Prophylaxe Nur für Gelbfieber, JEV und RVF sind derzeit aktive Impfstoffe verfügbar. Attenuierte DEN-Lebendvakzinen sind in klinischer Erprobung. Mit einer Einführung ist in den nächsten Jahren zu rechnen (18, 26). Einen guten Schutz vor einer durch Vektoren übertragenen Virusinfektion ist durch die Anwendung von Repellents sowie das Tragen von adäquater Kleidung erreichbar. Zur Vermeidung einer nagerassoziierten Infektion sollten Nahrungsmittel sicher und verschlossen sowie Abfälle entfernt gelagert werden. Bei Nagerbefall der Wohnung sind Desinfektionsmaßnahmen angezeigt. 9. Gesetzliche Bestimmungen Nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG), § 3, Abs. 1, Nr. 17 sind der Verdacht, die Erkrankung und der Tod an virusbedingtem hämorrhagischen Fieber meldepflichtig. Da jedoch im Kommentar zum BSeuchG nur Lassa-, Ebola- und Marburg namentlich aufgeführt sind, werden andere virusbedingte hämorrhagische Fieber, nicht gemeldet (37). Um die epidemiologische Bedeutung der genannten Virusinfektionen erfassen zu können, ist eine Korrektur nötig. Bei Gelbfieber sind Erkrankung und Tod nach BSeuchG, § 3, Nr. 4 meldepflichtig sowie Gelbfieber im internationalen Reiseverkehr auch quarantänepflichtig ist. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärzteb11995; 92: A-1510-1520 [Heft 21] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift der Verfasser: PD Dr. med. Tino E Schwarz Dr. med. Gundula Jäger Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie Ludwig-Maximilians-Universität Pettenkoferstraße 9 a 80336 München