Deutsches Ärzteblatt 1995: A-1510

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AKTUELL
Tino F. Schwarz
Gundula Jäger
A
ls typische reisemedizinisch
bedeutsame Infektionen werden in den meisten Übersichten die Malaria, die HepatitisA und -B sowie virale und bakterielle
Gastroenteritiden aufgeführt. Trotz
zahlreicher Arbeiten über das endemische und epidemische Vorkommen von Arbovirosen und nagerassozüerten viralen Infektionen, liegen
nur wenige Berichte über die Einschleppung nach Deutschland vor.
Dies ist angesichts des zunehmenden
Tourismus in tropische und subtropische Länder, der steigenden Zahl
von Transitreisenden, militärischer
Einsätze in endemischen Regionen,
einer erheblichen Zahl von Asylsuchenden aus Ländern der Dritten
Welt sowie einem regen internationalen Warenhandel überraschend.
Durch das plötzliche, von Experten nicht unerwartete, Wiederauftreten von Ebola-Virus in Zaire muß
auch mit der Möglichkeit der Einschleppung dieses Erregers nach
Deutschland gerechnet werden.
Im folgenden werden die wichtigsten viralen Erkrankungen, deren
Einschleppung bereits dokumentiert
wurde, sowie Infektionen, mit deren
Import zu rechnen ist, diskutiert. Virale Infektionen, die in Urlaubsländern endemisch sind, wurden in Tabelle 1 bis 5 aufgelistet. Diese sind
RNA-Viren, die zu den Flavi-, Toga-,
Bunya-, Arena- und Filoviridae gerechnet werden.
Zur Bedeutung importierter
viraler Infektionen
Weltweit wird eine Zunahme von vektoren- und nagerassoziierten Virusinfektionen registriert. Besonders hervorzuheben sind dabei die Dengue-,
Hanta-, Sandfliegenfieber-, Ross-Riverund Lassavirus-Infektion. Durch den
steigenden Reiseverkehr in oder aus
endemischen Gebieten muß mit der
vermehrten Einschleppung dieser viralen Infektionen nach Deutschland gerechnet werden.
unserer Einschätzung dürfte DEN die
häufigste nach Deutschland importierte Arbovirose darstellen (39). In
den letzten Jahren wurde eine starke
Zunahme der DEN-Infektionen in
Südostasien, Mittel- und Südamerika,
der Karibik, Ostafrika, den Inseln im
Indischen Ozean, Australien sowie
Ozeanien registriert (14).
Auch kam es zur Zunahme der
schwersten Verlaufsformen dieser Infektion, dem hämorrhagischen DENFieber (DHF) und dem DengueSchock-Syndrom (DSS) (14).
Infektionen treten sporadisch
oder epidemisch auf. Ausbrüche mit
etwa 150 000 Erkrankungsfällen an
DHF wurden 1987 in Thailand registriert (45).
1.1 Dengue-Fieber, hämorrhagisches Dengue-Fieber und
Dengue-Schock-Syndrom
Nach überstandener Infektion
besteht vermutlich eine lebenslange
homologe Immunität. Dagegen sind
Reinfektionen mit heterologen DENSerotypen (DEN-1 bis DEN-4) möglich. In mehreren Berichten wird auf
importierte DEN-Infektionen aus
Südostasien, der Karibik und Polynesien nach Europa hingewiesen (16, 22,
33, 39, 46, 47).
Die D engue -Virus (DEN)-Infektion, die häufigste Arbovirose des
Menschen, wird durch den Stich von
Aedes(Ae)-Spezies übertragen. Nach
Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und
Medizinische Mikrobiologie (komm. Leiter:
Prof. Dr. med. G. Ruckdeschel), Ludwig-Maximilians-Universität, München
1. Infektionen durch
Flaviviridae
A 1510 (40) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995
-
1.1.1 Pathogenese und Kinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich zwei bis sieben Tage. Die Infektion kann asymptomatisch verlaufen, zum klassischen
DEN-Fieber oder, mit einer Häufigkeit von bis zu 30 pro 100 Infektionsfälle, zum DHF oder DSS führen.
Klassisches Dengue-Fieber: Typischerweise verläuft die Erkrankung
mit plötzlichem hohen Fieber, Kopfschmerzen, retrobulbären und lumbosakralen Schmerzen, Myalgien und
gastrointestinalen Beschwerden. Oft
tritt ein makulopapulöses, schuppendes Exanthem auf. Selten kommt es
zu Myokarditis, Hepatitis, Enzephalitis, Mono oder Polyneuropathie.
-
Hämorrhagisches Dengue-Fieber und Dengue-Schock-Syndrom:
Diese beiden Verlaufsformen treten
bei Kindern, jünger als ein Jahr mit
primärer DEN-Infektion, Kindern im
Alter von drei bis sieben Jahren mit
sekundärer Infektion, Jugendlichen
und jüngeren Erwachsenen mit primärer Infektion auf. Nach einer Falldefinition der WHO wird der klinische Schweregrad in vier Stufen unterteilt, die von Fieber mit konstitutionellen Symptomen und positivem
Tourniquet-Test (Stufe 1) bis zum
Schock (Stufe 4) reichen (49).
1.2 Gelbfieber
Trotz der Verfügbarkeit einer
wirksamen Vakzine treten Infektionen durch das Gelbfiebervirus in den
tropischen Regionen Afrikas und
Südamerikas weiterhin auf. Reisemedizinische Beachtung fand 1992/93
vor allem die Gelbfieber-Epidemie in
Kenia. Aufgrund der Rekolonisation
von Ae aegypti in den Städten Südamerikas muß mit dem Auftreten von
urbanem Gelbfieber in Zukunft gerechnet werden (29).
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Tabelle 1: Virale Infektionen in europäischen Urlaubsländern und ihre Leitsymptome
Land
Erreger
Leitsymptome
Italien, Portugal
Sandfliegenfieber-Virus
Fieber, Kopfschmerzen,
Meningitis
Balkan
Sandfliegenfieber-Virus
Balkan Hantavirus
Fieber, Kopfschmerzen
hämorrhagisches Fieber,
akutes Nierenversagen
Griechenland
Sandfliegenfieber-Virus
Balkan Hantavirus
Krim-Kongo-Fieber-Virus
Fieber, Kopfschmerzen
hämorrhagisches Fieber,
akutes Nierenversagen
hämorrhagisches Fieber
Zypern
Sandfliegenfieber-Virus
Fieber, Kopfschmerzen,
Meningitis
Schweden, Finnland,
westliches Rußland
Ockelbo-Virus
Puumala-Virus
Fieber, Exanthem, Arthritis
akutes Nierenversagen
Belgien, Frankreich,
Niederlande
Puumala-Virus
akutes Nierenversagen
1.2.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich drei bis sechs Tage.
Neben asymptomatischen Verläufen
kann die Infektion ein unspezifisches
Fieber oder eine schwere Erkrankung
mit Ikterus und unterschiedlich stark
ausgeprägten hämorrhagischen Symptomen verursachen.
hohem Fieber. Gegen Ende der febrilen Phase tritt ein roseoläres oder makulopapuläres, nicht juckendes Exanthem auf, welches vor allem den
Stamm und die Extremitäten betrifft.
Kopfschmerzen, periokuläre Schmerzen, konjunktivale Injektion, Myalgien, Arthralgien, Lymphadenopathie,
gastrointestinale Beschwerden und
eine Meningoenzephalitis können
vorkommen.
1.4 Japanische Enzephalitis
Die Infektion durch das japanische Enzephalitis-Virus (JEV) ist eine
der häufigsten Arbovirosen Asiens
(44). JEV wird durch den Stich von
Culex-Spezies übertragen. Epidemien wurden aus Indien, Nepal, Thailand und Vietnam gemeldet. Seit der
Einführung von Impfprogrammen in
Japan, Südkorea und Taiwan kam es
zu einem Rückgang der Infektionen.
Über importierte JEV-Infektionen
wurde berichtet (35).
1.4.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich 4 bis 14 Tage. Die
Erkrankung beginnt plötzlich mit Fieber, Kopfschmerzen, gastrointestinalen und respiratorischen Beschwerden. Zu neurologischen Symptomen
kommt es bereits nach zwei bis drei
Tagen. Klinisch zeigen sich eine
meningeale Reizung, Krampfanfälle,
Ataxie, Tremor, Bewußtseinsstörungen, Hirnnervenausfälle und Lähmungen.
Die Enzephalitis durch JEV verläuft in 25 Prozent der Fälle tödlich.
Residuen sind von der Schwere der
Schädigung abhängig. Verläufe mit
Persistenz des Virus im zentralen Nervensystem wurden berichtet (36).
1.3 West Nile Fieber
-
-
West-Nile-Fieber, hervorgerufen
durch das West-Nile-Virus (WNV),
ist in den tropischen Regionen Asiens
und Afrikas, im Mittleren Osten sowie in einigen südlichen Regionen
Europas und der früheren Sowjetunion endemisch. Die Übertragung erfolgt durch Stich von Culex-Spezies.
In gemäßigten Zonen, wie zum Beispiel Israel oder Südafrika, kommt es
in den Sommermonaten zu epidemischen Ausbrüchen, wobei nicht geklärt ist, ob dies durch die enzootische
Zirkulation oder durch eine erneute
Einschleppung bedingt ist (21). Die
reisemedizinische Bedeutung von
WNV ist nicht bekannt.
1.3.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich drei bis sechs Tage.
Die Erkrankung beginnt plötzlich mit
Tabelle 2: Virale Infektionen in typischen Reiseländern Asiens und ihre Leitsymptome
Land
Erreger
Leitsymptome
Thailand
Dengue-Virus
Chikungunya-Virus
Japanisches
Enzephalitis-Virus
Fieber, Exanthem
Polyarthritis, Fieber
neurologische Symptome,
Enzephalitis
Malaysia
Dengue-Virus
Fieber, Exanthem,
Arthralgien
Indonesien
Dengue-Virus
Japanisches
Enzephalitis-Virus
Chikungunya-Fieber
Fieber, Exanthem,
Arthralgien, neurologische Symptome,
Enzephalitis
Polyarthritis
Fieber
China
Dengue-Virus
Hantaan-Virus
Japanisches
Enzephalitis-Virus
Krim-Kongo-Fieber
Virus
Fieber, Exanthem
Arthralgien, hämorrhagisches Fieber,
akutes Nierenversagen
neurologische Symptome,
Enzephalitis
hämorrhagisches Fieber
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21,26. Mai 1995 (41) A-1511
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Tabelle 3: Virusinfektionen in wichtigen afrikanischen Reiseländern und ihre Leitsymptome
Land
Erreger
Leitsymptome
Ägypten
Sandfliegenfieber-Virus
Fieber, Kopfschmerzen
Sindbis-Virus
West-Nile-Virus
Rift-Valley-Fieber-Virus
Fieber, Arthritis
Fieber, Exanthem, Meningoenzephalitis
Fieber, hämorrhagisches Fieber
Retinitis, Enzephalitis
Senegal
Dengue-Virus
Rift-Valley-Fieber-Virus
Fieber, Exanthem, Arthralgien
Fieber, hämorrhagisches Fieber,
Retinitis, Enzephalitis
Kenya, Tanzania
Dengue-Virus
Gelbfieber
Fieber, Exanthem, Arthralgien
Fieber, hämorrhagisches Fieber
Nigeria
Lassa-Virus
Gelbfieber
Chikungunya-Virus
Dengue-Virus
Krim-Kongo-Fieber-Virus
hämorrhagisches Fieber
Fieber, hämorrhagisches Fieber
Polyarthritis, Fieber
Fieber, Exanthem, Arthralgien
hämorrhagisches Fieber
Namibia
West-Nile-Virus
Fieber, Exanthem, Meningoenzephalitis
Südafrika
West-Nile-Virus
Sindbis-Virus
Chikungunya-Virus
Rift-Valley-Fieber-Virus
Kongo-Fieber-Virus
Fieber, Exanthem, Meningoenzephalitis
Fieber, Arthritis
Polyarthritis, Fieber
Fieber, hämorrhagisches Fieber, Retinitis, Enzephalitis
hämorrhagisches Fieber
Seychellen, Komoren
Dengue-Virus
Fieber, Exanthem, Arthralgien
2. Infektionen durch
Togaviridae
2.1 Chikungunya-Fieber
Infektionen durch ChikungunyaVirus (CHIK) sind in Afrika und Asi-
en endemisch. Zu Epidemien kam es
mehrfach in Südafrika. Übertragen
wird die Infektion durch den Stich
von Aedes-, Mansonia-, Culex- und
Anopheles-Spezies. Aufgrund ähnlicher klinischer Symptomatik werden
CHIK- oft mit DEN-Infektionen verwechselt. Importierte CHIK-Infektionen nach Aufenthalt in Indonesien
wurden berichtet (15).
2.1.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich ein bis sechs Tage.
Die Erkrankung beginnt plötzlich mit
schwersten Gelenkschmerzen, die
sich zu einer Polyarthritis entwickeln
können. Ferner kommt es zu Fieber,
Myalgien, Übelkeit und Erbrechen,
fazialem Erythem und konjunktivaler
Injektion. Das Fieber zeigt oft einen
biphasischen . Verlauf. In der zweiten
Phase der Erkrankung treten, Kopfschmerzen, Pharyngitis, eine zervikale Lymphadenitis sowie ein makulopapuläres Exanthem hinzu Die Polyarthralgien oder Polyarthritiden
können über mehrere Monate persistieren und auch Gelenkdestruktionen kommen vor (3).
thralgien, Kopfschmerzen und ein generalisiertes Exanthem.
Bei der Inspektion finden sich vesikuläre, palatale Läsionen am Gaumen. In seltenen Fällen kommt es zu
einem rezidivierenden hämorrhagischen vesikulären Exanthem, persistierenden Arthralgien oder einer Enzephalitis (13).
2.3 Ockelbosche Erkrankung
2.2 Sindbis-Fieber
Das Sindbis-Virus (SIND) ist in
Afrika, im Mittleren Osten, den Inseln des Indischen Ozeans, Asien und
Australien endemisch und verursacht
eine benigne, fieberhafte Erkrankung. Epidemien wurden mehrmals
aus Südafrika berichtet (21). Übertragen wird SIND durch verschiedene
Culex-Spezies.
2.2.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich drei bis sechs Tage.
Typisch sind plötzliches Fieber, Ar-
A-1514 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995
Das Vorkommen des OckelboVirus ist auf Schweden, Finnland und
Karelien beschränkt (24). Übertragen
wird dieses Virus durch Culiseta-Spezies, wobei Infektionen vor allem in
den Monaten August und September
auftreten (24).
2.3.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich etwa ein bis zwei
Wochen. Die Erkrankung ist durch
Fieber, Arthralgien und ein Exanthem charakterisiert (11). Der Verlauf ist üblicherweise benigne. Aller-
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Tabelle 4: Reisemedizinisch bedeutende virale Infektionen in Nord- und Südamerika
und ihre Leitsymptome
Land
Erreger
Leitsymptome
USA
Sin-Nombre-Virus
La Crosse-Virus
Pferdeenzephalitis-Viren
akutes Atemnotsyndrom
neurologische Symptome, Enzephalitis
Enzephalitis
Karibik
Dengue-Virus
Mayaro-Virus
Fieber, Exanthem, Arthralgien
Fieber, Arthralgien
Brasilien
D engue-Virus
Gelbfieber-Virus
Mayaro-Virus
Fieber, Exanthem, Arthralgien
Fieber, hämorrhagisches Fieber
Fieber, Arthralgien
Venezuela
Dengue-Virus
Guanarito-Virus
venezolanisches Pferdeenzephalitis-Virus
Fieber, Exanthem, Arthralgien
hämorrhagisches Fieber
Enzephalitis
dings wurden Arthralgien, die über
mehrere Monate und Jahre persistierten, beobachtet (32).
2.4 Epidemische Polyarthritis
Die epidemische Polyarthritis
wird durch das Ross-River-Virus
(RRV) verursacht und durch Aedesund Cules-Spezies übertragen. RRV
tritt in Australien und seit dem Ende
der 70er Jahre auch auf den meisten
Inseln Ozeaniens endemisch auf. Mit
einer Ausbreitung von RRV nach
Südostasien und Südamerika muß gerechnet werden.
2.4.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Stich der Mücken etwa ein bis
zwei Wochen. Typisch sind Arthralgi-
en, Gelenkschwellungen, Exanthem
und Fieber. In seltenen Fällen treten
Pharyngitis, palmare und plantare
Parästhesien, Lymphadenitis und
Petechien hinzu Die Beschwerden
sind meist nach zwei Wochen abgeklungen. Von Verläufen mit über
mehrere Monate persistierenden Arthralgien wurde berichtet.
2.5 Mayaro-Fieber
2.5.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Insektenstich sieben bis zwölf
Tage. Die Erkrankung beginnt mit
plötzlichem Fieber, Schwindel und
Kopfschmerzen. Es imponieren ein
makulopapulöses Exanthem, gastrointestinale Beschwerden, Lymphadenitis, Arthralgien, die vor allem die
kleinen Gelenke betreffen und über
mehrere Wochen andauern können.
Diese durch das Mayaro-Virus
(MAY) verursachte, fieberhafte Erkrankung ist in weiten Teilen Mittel3. Infektionen durch
und Südamerikas endemisch und wird
Bunyaviridae
durch verschiedene blutsaugende
Vektoren übertragen. Ein Infektions3.1 Pappataci-Fieber
risiko besteht insbesondere in Regenwaldgebieten. Symptomatische VerDas Sandfliegenfieber(SF)-Virus
läufe treten bei 80 Prozent der Infi- ist der Erreger des Pappataci-Fiebers,
zierten auf.
das durch den Stich von Phebotomus-
Tabelle 5: Reisemedizinische virale Infektionen in Australien und Ozeanien und deren Leitsymptome
Land
Erreger
Leitsymptome
Australien
Ross-River-Virus
Dengue-Virus
Sindbis-Virus
Murray-Valley-Virus
Polyarthritis, Exanthem
Fieber, Exanthem, Arthralgien
Fieber, Arthritis
Neurologische Symptome, Enzephalitis
Neu-Kaledonien, Samoa
Tonga, Cook Inseln,
Wallis und Futuna,
Papua-Neuguinea
Ross-River-Virus
Polyarthritis, Exanthem
Französisch Polynesien,
Cook Inseln, Samoa,
Fidji, Papua-Neuguinea
Dengue-Virus
Fieber, Exanthem, Arthralgien
A-1516 (46) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995
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Spezies übertragen wird. Von reisemedizinischer Bedeutung sind die
drei Serotypen SF-Sicilian (SFS),
-Naples (SFN) und -Toscana (TOS).
SFS und SFN sind von Marokko bis
Bangladesh endemisch. Infektionen
durch TOS wurden nur aus Italien
(Region Toskana und Marche), Portugal (Algarve), Spanien (Katalonien) und Zypern berichtet. Importierte SF-Virusinfektionen wurden bei
Touristen berichtet, die sich in endemischen Gebieten aufgehalten hatten
(5, 8 bis 10, 38). Aufgrund der Zunahme der Vektordichte in den Mittelmeerländern ist mit dem vermehrten.
Auftreten von Pappataci-Fieber bei
Urlaubern zu rechnen.
3.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Insektenstich drei bis fünf Tage.
Pappataci-Fieber ist durch plötzliches
hohes Fieber, das über zwei bis vier
Tage anhält, charakterisiert. Es treten
zudem frontale Kopfschmerzen, retrobulbäre Schmerzen, Konjunktivitis, Photophobie, Myalgien, Arthralgien und eine gastrointestinale Symptomatik hinzu In seltenen Fällen wurde
eine postinfektiöse Asthenie beobachtet. Im Gegensatz zu Infektionen
durch SFS und SFN verursacht TOS
eine aseptische Meningitis. Nach der
akuten TOS-Infektion kann es zu über
mehrere Wochen oder Monate andauernden Kopfschmerzen kommen
3.2 Rift-Valley-Fieber
Das
Rift-Valley-Fieber-Virus
(RVF) tritt in Afrika und Madagaskar
endemisch auf und wird vor allem
durch Aedes-, Anopheles- und CulexSpezies übertragen. Vor dem Auftreten von Infektionen beim Menschen
kommt es in der Regel zur Epizootie
bei Nutztieren (28). Die Ansteckung
erfolgt auch durch kontaminierte Aerosole, wie sie beim Schlachten oder
bei Autopsien von Tieren auftreten.
Auch Tierkadaver gelten als Ansteckungsquelle. Zu einer Epidemie
mit mehr als 200 000 Erkrankungsfällen kam es 1977 in Ägypten (28). 1987
wurde erstmals ein RVF-Ausbruch in
Westafrika gemeldet, bei dem im Senegal 25 000 Menschen erkrankten
(34). Die bisher letzte Epidemie be-
gann 1993 im Sudan und im Süden
Ägyptens (2). Über RVF-Infektionen
bei Touristen und UN-Soldaten, die
sich in Ägypten aufgehalten hatten,
wurde berichtet (7, 31, 48).
3.2.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt nach
dem Mückenstich etwa zwei bis sechs
Tage. Es kommt bei der Mehrzahl der
Infizierten zu einer akuten, undifferenzierten, fieberhaften Erkrankung.
Schwerwiegende Komplikationen,
wie hämorrhagisches Fieber, Enzephalitis oder Retinitis, treten nur bei
einem Prozent der Erkrankten auf.
3.3 Hämorrhagisches
Krim-Kongo-Fieber
Das hämorrhagische Krim-Kongo-Fieber-Virus (CCHF) ist in Südosteuropa, Zentralasien, China, Arabien und Afrika endemisch und wird
durch Zecken der Hyalomma-Spezies
übertragen. Ein Infektionsrisiko besteht vor allem bei beruflichen Tätigkeiten mit engem Kontakt zu von
Zecken befallenen Tieren. Auch
durch direkten Kontakt beim
Schlachten von infizierten Tieren
dürfte eine Ansteckung durch Aerosole möglich sein. Erkrankte Patienten sind die Infektionsquelle für nosokomiale Ausbrüche (4, 41, 42).
3.3.1 Pathogenese und Klinik
Nach dem Zeckenstich beträgt
die Inkubationszeit etwa zwölf und
bei nosokomialer Infektion drei bis
sechs Tage. Die Erkrankung beginnt
mit plötzlichem Fieber, Myalgien,
Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
und Schwindel. Nach einer vorübergehenden Remission treten dann Hämorrhagien auf, die meist über drei
bis zehn Tage andauern. Die Letalität
beträgt bis zu 50 Prozent (42).
3.4 Nephropathia epidemica, hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom, „Hanta-Pulmonary-Syndrome"
Die Nephropathia epidemica
(NE; Puumala-Virus), das hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom (HFRS; Hantaan-Virus) und
A-1518 (48) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995
das „Hanta-Pulmonary-Syndrome"
(HPS; Sin-Nombre-Virus) sind durch
Hantaviren verursachte Infektionen.
Die NE tritt vor allem in Skandinavien, dem westlichen Rußland und einigen Regionen Mitteleuropas auf (23).
Das HFRS kommt in weiten Teilen
Asiens sowie auf dem Balkan vor (12,
23). Seit kurzem werden HPS-Fälle
aus mehreren amerikanischen Bundesstaaten sowie Kanada (British Columbia) gemeldet (30). Die Infektionsquelle stellen infizierte Nagerspezies (Apodemus, Clethrionomys, Rattus, Peromyscus) dar. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch
engen Kontakt mit Nagern, deren Exkrementen (Urin, Fäzes, Speichel)
und durch Inhalation von viruskontaminierten Aerosolen.
3.4.1 Pathogenese und Klinik
Die Inkubationszeit beträgt 12
bis 21 Tage. Die Erkrankung beginnt
meist mit einer influenzaähnlichen
Symptomatik. Bei NE und HFRS
kommt es zur Beeinträchtigung der
Nierenfunktion. Unterschieden werden dabei die febrile, hypotensive, oligurische, diuretische und konvaleszente Phase. Während der Verlauf der
NE meist benigne ist, sind letale Verläufe beim HFRS möglich. Beim HPS
kommt es nach einer influenzaartigen
Prodromalphase zu einem rasch progredienten akuten Atemnotsyndrom,
das in 60 Prozent letal verläuft.
4. Infektionen durch
Arenaviridae
4.1 Lassa-Fieber
Das Lassa-Virus verursacht ein
oft letal verlaufendes, hämorrhagisches Fieber, welches ausschließlich in
Westafrika auftritt. Verwandte Erreger konnten inzwischen auch in
Mozambik, Zimbabwe und der Zentralafrikanischen Republik isoliert
werden. Schätzungen sprechen von
jährlich 10 000 Lassa-Virüsinfektionen in Westafrika. Die Übertragung
des Virus auf den Menschen erfolgt
durch engen Kontakt mit dem Nager,
Mastomys natalensis oder dessen
Ausscheidungsprodukten. Nosokomiale Infektionen wurden berichtet.
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Aus den USA, Kanada, England und
Japan berichtete man über importiertes Lassa-Fieber, das aus westafrikanischen Ländern eingeschleppt wurde (6, 17, 19, 25, 51).
4.1.1 Pathogenese und Klinik
Nach Exposition mit infektiösen
Nagern beträgt die Inkubationszeit
etwa 10 bis 14 Tage. Bei nosokomialer
Übertragung schwankt sie zwischen
fünf Tagen bis zu drei Wochen. Die
Erkrankung beginnt plötzlich mit hohem Fieber, Abgeschlagenheit, Myalgien, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoen, Brust- und abdominellen
Schmerzen, Kopf- und Halsschmerzen, Husten, Schwindel, Tinnitus und
Hämorrhagien. Typisch sind die fazialen und nuchalen Ödeme. Auch eine
neurologische Symptomatik kommt
vor, die meist auf eine schlechte Prognose hinweist. Die Erkrankung dauert etwa ein bis vier Wochen.
Bei Schwangeren ist die Infektion mit einer besonders hohen Mortalität assoziiert.
6. Therapie
Die Behandlung der meisten hier
beschriebenen Infektionen erfolgt
symptomatisch. Je nach Schweregrad
der hämorrhagischen Symptome sind
intensivmedizinische Maßnahmen
notwendig.
Durch die antivirale Therapie mit
dem Nukleosidanalogon Ribavirin
kann die Mortalität des Lassa-Fiebers
und des HFRS signifikant gesenkt
werden (1, 27).
Aufgrund von Zellkultur- und
tierexperimentellen Untersuchungen
kann angenommen werden, daß Ribavirin auch in der Therapie von CCHF
und RVF wirksam ist (1, 43).
7. Diagnostik
reisemedizinischer
Virusinfektionen
Der Virusnachweis und die Bestimmung spezifischer Antikörper
wird derzeit nur von wenigen Laboratorien in Deutschland durchgeführt.
5. Infektionen durch
Filoviridae
Als bisher dramatischster Vorfall
muß der Ausbruch eines hämorrhagischen Fiebers, hervorgerufen durch
das Marburg-Virus, im hessischen
Marburg im Jahr 1967 angesehen
werden (40). Die Infektionsquelle
stellten importierte Affen aus Uganda dar. Zum epidemischen Auftreten
eines hämorrhagischen Fiebers bei
Affen, die aus den Philippinen importiert wurden, kam es 1989 in Reston,
Virginia, USA (20).
Bei den erkrankten Tieren ließ
sich ein humanapathogenes EbolaVirus isolieren, das bei vier Beschäftigten nur zu einer subklinischen Infektion führte (20). Dieses Virus wurde erneut 1992 in einer Affenkolonie
in Italien isoliert, wobei es jedoch
nicht zur Infektion von Menschen gekommen war (50).
Die beschriebenen Beispiele verdeutlichen die potentielle Möglichkeit der Einschleppung von Virusinfektionen durch Tierimporte.
7.1 Erregernachweis
Die meisten Viren können
während der Inkubationszeit sowie in
den ersten Erkrankungstagen in Zellkultur angezüchtet werden.
Auch Antigennachweise wurden
für die verschiedenen Erreger etabliert. Als schnelle und hochsensitive
Methode steht heute die reverse
Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) zur Verfügung,
durch die sich genomische RNA im
Serum meist noch über mehrere Tage
nach Erkrankungsbeginn nachweisen
läßt.
7.2 Antikörpernachweis
Verschiedene serologische Methoden wurden zur Bestimmung virusspezifischer Antikörper der IgMund IgG-Klasse eingesetzt. Sie erlauben den Nachweis einer akuten oder
abgelaufenen Infektion. Bei der Interpretation der Ergebnisse sind Kreuzreaktionen gegen andere Erreger des
gleichen Genus zu berücksichtigen.
A-1520 (50) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 21, 26. Mai 1995
8. Prophylaxe
Nur für Gelbfieber, JEV und
RVF sind derzeit aktive Impfstoffe
verfügbar. Attenuierte DEN-Lebendvakzinen sind in klinischer Erprobung. Mit einer Einführung ist in den
nächsten Jahren zu rechnen (18, 26).
Einen guten Schutz vor einer durch
Vektoren übertragenen Virusinfektion ist durch die Anwendung von Repellents sowie das Tragen von adäquater Kleidung erreichbar. Zur Vermeidung einer nagerassoziierten Infektion sollten Nahrungsmittel sicher
und verschlossen sowie Abfälle entfernt gelagert werden. Bei Nagerbefall der Wohnung sind Desinfektionsmaßnahmen angezeigt.
9. Gesetzliche
Bestimmungen
Nach dem Bundesseuchengesetz
(BSeuchG), § 3, Abs. 1, Nr. 17 sind der
Verdacht, die Erkrankung und der
Tod an virusbedingtem hämorrhagischen Fieber meldepflichtig. Da jedoch im Kommentar zum BSeuchG
nur Lassa-, Ebola- und Marburg namentlich aufgeführt sind, werden andere virusbedingte hämorrhagische
Fieber, nicht gemeldet (37). Um die
epidemiologische Bedeutung der genannten Virusinfektionen erfassen zu
können, ist eine Korrektur nötig. Bei
Gelbfieber sind Erkrankung und Tod
nach BSeuchG, § 3, Nr. 4 meldepflichtig sowie Gelbfieber im internationalen Reiseverkehr auch quarantänepflichtig ist.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärzteb11995; 92: A-1510-1520
[Heft 21]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
anzufordern über die Verfasser.
Anschrift der Verfasser:
PD Dr. med. Tino E Schwarz
Dr. med. Gundula Jäger
Max von Pettenkofer-Institut
für Hygiene
und Medizinische Mikrobiologie
Ludwig-Maximilians-Universität
Pettenkoferstraße 9 a
80336 München
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