Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 8 Jan. 2003 Dielektrische Eigenschaften Die dielektrische n Eigenschaften von Festkörpern werden durch die Dielektrizitätskonstante oder auch dielektrische Funktion ε beschrieben. Interessant ist dabei insbesondere die Frequenzabhängigkeit von ε, die unter anderem die optischen Eigenschaften der Materialien bestimmt. Die dielektrische Funktion ε beschreibt den Zusammenhang zwischen dielektrischer Verschiebung und elektrischem Feld: v ) v D = ε0 ε E v v mit D als elektrische Flussdichte und E als elektrisches Wechselfeld der Frequenz ω. In dieser Darstellung ist εˆ ein Tensor 2. Stufe; für isotrope Materialien wird ε zum Skalar. Entscheidend für die Materialkonstante ε ist die Polarisierbarkeit eines Festkörpers. Für das Vakuum gilt ε = 1 und für Festkörper wird ε ≥ 1. Die verschiedene n Beiträge zur Polarisierbarkeit eines Materials sind die elektronische Polarisation gebundener Elektronen, die ionische Polarisation und die Orientierungspolarisation vorhandener Dipole. Für Metalle und Halbleiter kommt noch eine Polarisation freier Ladungsträger hinzu. 8.1 Polarisation und lokales Feld Entscheidend für die Polarisation eines Gitteratoms ist das lokale elektrische Feld am Ort des Atoms: v v v E lokal = E ext + E Pr obe v v Hier ist E ext ein äußeres Feld und E Probe das durch die Probe verursachte Feld mit v v v v v E Pr obe = E N + E L + E ( r ) v v v v wobei E N das Entelektrisierungsfeld durch Polarisation der Probe ist mit E ext ↑↓ E N . E L ist das Lorentz-Feld, das die Änderung des Feldes am Ort desv Gitteratoms beschreibt, wenn man v es aus der Probe herausnimmt. Ferner berücksichtigt E (r ) das (Nah-) Feld am Ort des Gitteratoms und ist abhängig von der jeweiligen Kristallstruktur. r Das makroskopische Feld E wird über die Elementarzelle gemittelt: v v v E = E ext + E N v v Für E gelten die Maxwell- Gleichungen. Für die elektrische Polarisation P gilt die Beziehung: v v v v D = ε ε 0 E = ε0 E + P v v v P = (ε −1) ε 0 E = χ ε 0 E mit der elektrische n Suszeptibilität χ . Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 1 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Für einen Festkörper mit Nv Teilchen pro Volumeneinheit erhält man mit der r r Polarisierbarkeit α eines Teilchens das elektrische Dipolmoment p und die Polarisation P : r r p = ε 0 α E lokal r v P = ε 0 N V α E lokal v Die Größe des Entelektrisierungsfeldes E N ist abhängig von der jeweiligen Probengeometrie v v 1 EN = − NP ε0 mit 1 : Ellipsoid 1/3 : Kugel v N= 1 : dünne Scheibe ⊥ E v 0 : dünne Scheibe || E v Für die Größe von E L ergibt sich aufgrund der Kugelsymmetrie mit N = 1/3 der Wert v 1 v EL = P 3ε0 v v Zur Berechnung des Nahfeldes E (r ) führt man eine Summation über alle Ladungen des Gitters durch. Für isotrope Materialien mit kubisch primitiver, mit bcc oder fcc Gitterstruktur v r erhält man E (r ) = 0 . Das lokale Feld für isotrope oder kubische Materialien lautet damit v v v v 1 v Elokal = E + EL = E + P 3ε0 v mit dem makroskopischen Feld E . Damit erhält man für die Polarisation v v 1 v P = ε 0 NV α E + P 3 ε 0 v P = ε0 v v NV α E = ε0 χ E 1 1 − NV α 143243 χ oder ε = χ + 1=1+ NV α 1 1 − NV α 3 Durch Umstellen ergibt sich hieraus die Clausius-Mossottische Gleichung 1 ε −1 NV α = 3 ε+2 v Die Gleichung gilt für quasi-statische elektrische Felder E . Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 2 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Für optische Felder entspricht diese Gleichung der Lorentz- Lorenz-Beziehung 1 n 2 −1 NV α = 2 3 n +2 wo für optische Frequenzen ε = n2 gesetzt wird. Beide Beziehungen erlauben die Bestimmung der Polarisierbarkeit aus den Messwerten ε bzw. n. 8.2 Dielektrizitätskonstante 8.2.1 Elektrische Polarisation Zur Beschreibung der elektronischen Polarisation wird das Oszillatormodell eines schwingenden Elektrons mit der Auslenkung x aus der Ruhelage x 0 = 0 betrachtet. Die zugehörige Bewegungsgleichung lautet me d x2 dx 0 + me β + m e ω 02 x = − e E lokal exp (−i ω t ) 2 1442443 dx dt E lokal { anregende Kraft Hier ist me die Elektronenmasse, β = τ-1 die Dämpfungskonstante mit der Relaxationszeit τ und ω0 die Resonanzfrequenz ohne Dämpfung. Die Lösung für die Auslenkung x lautet x=− e 1 E 2 m e (ω −ω 02 ) − i β ω lokal Die komplexe Darstellung berücksichtigt eine Phasenverschiebung zwischen x und E lokal . Das zugehörige Dipolmoment des Gitteratoms ist p = − e x = ε 0 α E lokal . Für die elektronische Polarisierbarkeit bekommt man als Ergebnis α el (ω ) = e2 1 2 ε 0 m e (ω 0 −ω 2 ) − i β ω Die dielektrische Funktion lautet danach NV α el (ω ) 1 1 − NV α el (ω ) 3 N e2 1 =1 + V 2 ε 0 me 1 e 2 2 (ω 0 − ω ) − i β ω − NV 3 ε 0 me ε =1 + =1 + Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc NV e 2 1 2 ε 0 me ( ω1 − ω 2 ) − i β ω 3 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 mit der durch die elektronische Polarisation abgeänderten Resonanzfrequenz ω12 = ω 02 − 1 e2 NV 3 ε 0 me Typische Resonanzfrequenzen liegen im UV-Bereich bei ω 1 ≈ 10 16 Hz. Bisher wurde nur eine einzelne Resonanzfrequenz berücksichtigt. Freie Atome besitzen immer mehrere Frequenzen ω1 entsprechend den jeweiligen Elektronenübergängen. Für Festkörper hat man die Übergänge zwischen verschiedenen Bändern (Isolatoren) bzw. innerhalb von teilweise gefüllten Bändern (Metalle) zu berücksichtigen. Die dielektrische Funktion ist komplex, berücksichtigt also eine Phasenverschiebung zwischen Polarisation und elektrischen Feld: ε (ω ) = ε ' (ω ) + i ε " (ω ) mit ε ' (ω ) = 1 + und ε " (ω ) = (ω 12 − ω 2 ) NV e 2 ε 0 me (ω 21 − ω 2 ) 2 + β 2 ω 2 NV e 2 βω 2 ε 0 me (ω 1 − ω 2 ) 2 + β 2 ω 2 Für den Bereich der optischen Frequenzen ω s im Bereich ωs < ω1 ist ε (ω ) gerade das Quadrat des komplexen Brechungsindex ~ n: 2 ε (ω ) = ( ~ n (ω ) ) oder ε ' (ω ) + i ε " (ω ) = ( n + i κ )2 Hier ist n der (reelle) Brechungsindex und κ eine Dämpfungskonstante. Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 4 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Betrachtet man eine ebene elektromagnetische Welle mit einer Ausbreitung entla ng der z-Richtung: v v ~ E = E 0 exp (i k z ) exp ( − i ω t ) ~ mit der komplexen Wellenzahl k = 2 π ~ n / λ , so folgt hieraus der Absorptionskoeffizient α für die Dämpfung der Intensität I ~ E 2 der Welle: v v 2π E = E0 exp ( i k z ) exp ( − κ z ) exp ( − i ω t ) 1λ23 α /2 I ( z ) = I 0 exp ( −α z ) 8.2.2 Ionische Polarisation Eine zusätzliche Polarisation bei Ionenkristallen erfolgt durch die Schwingung von verschiedenen Ionen des Kristalls, also durch die Anregung von optische n Phononen des Gitters. Wie in Kapitel 3 wird eine zweiatomige Basis betrachtet, aber zusätzlich die Ladung der Ionen mit berücksichtigt. Die Gitterschwingung erzeugt dann ein elektrisches Feld E lokal und damit eine zusätzliche zurücktreibende Kraft. Für den eindimensionalen Fall lauten die Bewegungsgleichungen für die Auslenkungen ui M1 d2u1 = − 2 f ( u 1 − u 2 ) + q E lokal dt 2 M2 d 2 u2 = + 2 f (u 1 − u 2 ) − q E lokal dt 2 Durch Einführung der relativen Auslenkung u = u1 − u2 und der reduzierten Masse µ µ= M1 M 2 M1 + M 2 erhält man die Bewegungsgleichung µ d2 u + µ ω 02 u = q E lokal 2 dt Die Resonanzfrequenz ω 0 für neutrale Gitteratome liegt in der Größenordnung 1014 s-1 . Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 5 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Gesucht ist nun die Größe von E lokal in Abhängigkeit von der Auslenkung u. Die gesamte elektronische Polarisation lautet P el = ε 0 NV (α el pos. Ionen + α el neg. Ionen ) Elokal = ε 0 NV α el Elokal und die ionische Polarisation Pion = NV q u Damit gilt für die gesamte Polarisation die Beziehung P = Pel + Pion = NV ( ε 0 α el Elokal + q u ) Für die weitere Beschreibung wird zwischen longitudinal optische n Wellen (LO) und transversal optischen Wellen (TO) unterschieden, da die jeweiligen Entelektrisierungsfelder verschieden sind und man daher ein unterschiedliches Resonanzverhalten der Schwingungen erhält. Für eine longitudinale optische Welle (LO) v stehen die gleichmäßig polarisierten Netzebenen (‚Scheiben’) senkrecht zur Polarisation P . Das lokale Feld (mit E ext = 0 ) lautet daher 2 N qu 2 3ε0 V =− P= 2 3ε 0 1 + NV α el 3 − Elokal Hieraus ergibt sich eine ionische Polarisierbarkeit Pion = ε 0 α ion Elokal = q u α ion = Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc qu ε 0 Elokal 6 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Für den statische n Fall ω = 0 mit u& = u&& = 0 erhält man die statische Auslenkung ustat = q Elokal µ ω02 und hierüber die statische ionische Polarisierbarkeit α ion (0) = q u stat q2 = ε 0 Elokal ε 0 µ ω02 so dass das lokale Feld lautet Elokal 2 N α ( 0) µ ω 02 3 V ion =− u q 1+ 2 N α V el 3 Einsetzen in die Bewegungsgleichung liefert die Resonanzfrequenz der longitudinal optischen Schwingung ω L = ω0 2 NV α ion (0) 3 1+ 2 1 + NV α el (0) 3 wobei α el ( ω ≈ ω0 ) = α el (0) der quasi-statische Wert für Frequenzen deutlich unterhalb der elektronischen Resonanz ω1 ist. Für eine transversale optische Welle (TO) liegt die Polarisation parallel zur Scheibenebene mit dem Entelektrisierungsfaktor N = 0. Das lokale Feld ist daher nun Elokal = 1 P 3ε 0 Eine analoge Rechnung wie zuvor liefert die transversale Resonanzfrequenz ωT = ω0 1 NV α ion ( 0) 1− 3 < ωL 1 1 − NV α el ( 0) 3 Bildet man den Quotientenω L2 / ω T2 , so erhält man die Lyddane-Sachs- Teller-Relation: ωL2 ε ( 0) = 2 ωT ε (ωs ) Hier meint ωs ≈ 10 15 s −1 wieder optische Frequenzen, also den Bereich ω L < ωs < ω 1 . Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 7 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 8.2.3 Jan. 2003 Orientierungspolarisation Sind im Kristall außerdem permanente elektrische Dipole vorhanden, so kommt es gegen die Gitterkräfte zu einer Ausrichtung der Dipole im äußeren elektrischen Feld. Eine theoretische Beschreibung ist i. Allg. kompliziert, da die genaue Beschreibung der Gitterkräfte schwierig ist. Bei hohen Temperaturen, d.h. wenn die Energie zur Ausrichtung der Dipole klein ist gegen die thermische Energie k BT, folgt die zugehörige Suszeptibilität einem Curie-Gesetz χ dip ( 0) = NV 2 p dip 1 C = 3ε 0 k B T T mit dem permanenten Dipolmoment pdip und der Curie-Konstante C. Es sei τ die notwendige Zeit zur Ausrichtung eines Dipols. Dann nimmt pdip mit der Frequenz ω ab, d.h. es gibt eine Abschneidefrequenz ω~ ≈ τ − 1 . Die zeitliche Entwicklung bei der Ausrichtung der Dipolmomente lässt sich durch den folgenden Relaxationsprozess für die ionische Polarisation Pdip beschreiben d Pdip (ω ) P (0) exp ( − i ω t ) − Pdip (ω ) = dip dt τ Hier ist Pdip ( 0) exp ( − i ω t ) die Polarisation für τ ≡ 0 , d.h. für den Fall, dass die Polarisation dem elektrischen Feld instantan folgen kann (‚Sollwert’). Die tatsächliche Polarisation ist Pdip (ω) (‚Istwert’). Die Änderungsgeschwindigkeit P& dip hängt also ab von der Differenz von Istwert und Sollwert und wird immer geringer, je weiter sie sich dem stationären Wert nähert. Zusätzlich ist wie zuvor auch eine Phasenverschiebung zwischen anregendem Feld E = E 0 exp ( − i ω t ) und der Polarisation zu berücksichtigen: Pdip (ω ) = ε 0 ( χ ' dip (ω ) + i χ "dip (ω ) ) E 0 exp (− i ω t ) Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 8 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Einsetzen in die Differentialgleichung liefert über − i ω ( χ 'dip (ω ) + i χ "dip (ω ) ) = χ dip (0) − ( χ 'dip (ω ) + i χ "dip (ω ) ) τ mit Pdip ( 0) = ε 0 χ dip ( 0) E 0 die Größen des Real- und Imaginärteils der Suszeptibilität durch Orientierung von Dipolen χ 'dip (ω ) = 1 χ dip (0) 1 + ω 2τ 2 χ " dip (ω ) = ωτ χ dip (0) 1 + ω2 τ 2 Man beobachtet ein typisches Resonanzverhalten mit starker Absorption im Bereich ω = τ-1 . ω << τ ω =τ −1 −1 ω >> τ −1 : χ 'dip (ω ) = χ dip (0) , χ "dip (ω ) = 0 : χ " dip (ω ) = : χ 'dip (ω ) = χ "dip (ω ) = 0 1 χ dip ( 0) = χ " dip (ω ) 2 8.3 Optische Eigenschaften 8.3.1 Ionenkristalle keine Phasenverschiebung maximale Verluste keine Polarisation Eine Wechselwirkung mit optischen Photonen ist nur für transversale Phononen möglich. Aus der Bedingung zur Energieerhaltung folgt damit eine Kopplung mit infrarotem Licht, da die maximale Frequenz der Phononen bei etwa 1013 s-1 liegt. Weiter ergibt sich aus der Impulserhaltung, dass die beteiligten Phononen aus dem Zentrum der Brillouin- Zone stammen müssen. Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 9 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Das lokale Feld ist die Summe aus dem makroskopische n Feld E und dem Lorentz-Feld Elokal = E + 1 P 3ε0 Für die Polarisation des Ionenkristalls ergibt sich dann P = ε 0 NV α el Elokal + NV q u und mit α ion (0) = Elokal = q2 ε 0 µ ω0 1 1− 1 NV α el 3 E+ 1 NV α ion (0) µ ω02 u 1 q 1 − NV α el 3 Dieses Feld wird in die Differentialgleichung eingesetzt µ d2u q + µ ωT2 u = E 2 1 dt 1 − NV α el (0) 3 Die zugehörige Lösung lautet u= q 1 1 E 2 2 µ 1 − 1 N α ( 0) ω T − ω V el 3 Der ionische Beitrag χ ion zur Suszeptibilität ist dann Pion = NV pion = NV q u = ε 0 χ ion E χion = NV q u NV q 2 1 1 = 2 ε0 E ε 0 µ 1 − 1 N α (0) ωT − ω 2 3 V el Durch Einführen des statische n Werts für ω = 0 erhält man χion = χion ( 0) ω T2 ω T2 − ω 2 Die gesamte Dielektrizitätskonstante ist die Summe aus elektronischen und ionischen Beiträgen ε = 1 + χ el + χ ion Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 10 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Der statische Wert für ω = 0 und der dynamische Wert der Dielektrizitätskonstante lauten dann ε (0) = 1 + χ el ( 0) + χ ion (0) = ε (ωs ) + χ ion ( 0) und ( ε (0) − ε (ω s ) ) ω T2 ε (ω ) = 1 + χ el + = ε (ωs ) + ω T2 − ω 2 ( ε (0) − ε (ωs )) ω T2 ω T2 − ω 2 mit ωs für die Frequenzen des sichtbaren Frequenzspektrums. Benutzt man weiter die Lyddane-Sachs-Teller-Beziehung, so lässt sich die dielektrische Funktion schreiben als (siehe Abb. 4.4) ω L2 − ω 2 ε = ε (ω s ) 2 ωT − ω 2 Offensichtlich wird für ω T < ω < ω L die dielektrische Funktion negativ. Schreibt man ε als komplexen Brechungsindex in der Form ε = (n + iκ )2 ⇒ n=0 , κ = −ε so wird als Ergebnis eine elektromagnetische Welle in diesem Frequenzbereich am Kristall vollständig reflektiert. Die Fresnel-Formeln liefern den zugehörigen Reflexionskoeffizient R für senkrechten Lichteinfall R= (n − 1) 2 + κ ( n + 1) 2 + κ 2 2 =1 Für andere Frequenzbereiche ω < ω T , ω > ω L gilt ε > 0 und daher n = Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 11 von 15 ε , κ = 0. 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Berücksichtigt man zusätzlich eine Strahlungsdämpfung, so bedeutet dies eine hohe Absorption für ω ≈ ω T ; die Reflexion R für ω T < ω < ω L wird in diesem Fall etwas kleiner als eins. Typische Zahlenwerte für ω T , ω L sowie die entsprechenden Wellenlängen sind: NaCl : ω T = 3.1 ⋅ 10 13 s −1 =ˆ λ T = 60 µm ω L = 5 ⋅ 10 13 s −1 MgO : =ˆ λ L = 39 µm ω T = 7.5 ⋅ 10 13 s −1 =ˆ λ T = 26 µm ω L = 14 ⋅ 10 13 s − 1 =ˆ λ L = 13.7 µm Diese Reflexionseigenschaften finden ihre Anwendung als Monochromator für infrarotes Licht durch Mehrfachreflexionen an den entsprechenden Kristalloberflächen. 8.3.2 Metalle und Halbleiter In Metallen und Halbleitern sind nur Übergänge von besetzten in unbesetzte Zustände möglich. Hierbei unterscheidet man einerseits Interbandübergänge mit einer scharfen Absorptionskante bei der Energie hω = Eg mit Eg als Energie des Bandabstandes (siehe Kap. 6.1). Andererseits sind für die optischen Eigenschaften bei Wellenlängen λ = hc/E g Intrabandübergänge entscheidend. Intrabandübergänge lassen sich als Beschleunigung eines Leitungselektrons durch ein makroskopisches Feld E verstehen. Die zugehörige Bewegungsgleichung lautet m* d2 x 1 dx + m* + 0 = − e E 0 exp (−i ω t ) 2 τ dt dt mit m* als effektive Masse, welche die Eigenschaften des Kristallgitters berücksichtigt, und τ als Zeitkonstante, die die Dämpfung durch Elektron-Phonon-Streuung enthält. Die Null verdeutlicht die Eigenschaft freier Elektronen, d.h. das Fehlen einer rücktreibenden Kraft. Als Lösung erhält man x= e 1 E 2 m * ω + iω /τ Die Polarisation bei NL Leitungselektronen pro Volumeneinheit lautet PL = − e N L x = − e2 N L 1 E 2 m* ω + iω /τ Damit erhält man den Beitrag zur elektrischen Suszeptibilität χL = Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc PL e2 N L 1 =− 2 ε0 E m * ω + i ω /τ 12 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 Die gesamte die lektrische Funktion durch die Kristall- und Leitungselektronen ist dann ε = 1 + χ el + χ L 123 ε el e2 N L 1 = ε el 1 − 2 ε 0 ε el m* ω + i ω / τ Man erhält offensichtlich eine Nullstelle ε = 0 bei der Frequenz ω = ωp = e2 N L ε 0 ε el m* Dies ist die Eigenfrequenz einer Longitudinalschwingung des Elektronengases. Dann ist 2 ωp ε = ε el 1 − 2 ω Unterhalb der Plasmafrequenz ω p ist ε < 0, d.h. die Reflexion ist maximal mit R = 1. Für Frequenzen oberhalb von ωp , d.h. gewöhnlich im ultravioletten Spektralbereich, werden Metalle durchlässig für elektromagnetische Wellen. Die Plasmafrequenz ωp ist eine kollektive Schwingung der Leitungselektronen; die zugehörigen Energiequanten sind die Plasmonen mit typischen Energien h ω p ≈10 eV. Eine Anregung von Plasmonen ist durch die Wechselwirkung mit schnellen Teilchen möglich. Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 13 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 In Halbleitern kann die Dotierungskonzentration NL über einen weiten Bereich variiert werden. Damit lässt sich die Plasmafrequenz über den Zusammenhang ω p ~ N L so einstellen, dass dünne Halbleiterbeschichtungen zur Wärmeisolation genutzt werden können. Ein Beispiel ist das Material In2 O3 :Sb, welches eine hohe Transparenz im sichtbaren Spektralbereich besitzt, aber gleichzeitig Wärmestrahlung effektiv reflektiert. 8.4 Ferroelektrika Ferroelektrische Materialien bzw. Kristalle weisen auch ohne die Einwirkung eines äußeren elektrischen Feldes eine spontane Polarisation Ps auf. In Analogie zu den Ferromagneten tritt auch für Ferroelektrika eine Hysterese auf. Wird ein ausreichend großes äußeres elektrisches Feld in Richtung der spontanen Polarisation angelegt, so klappt die spontane Polarisation um. Das zugehörige Feld Ek wird Koerzitivfeld genannt. Ferroelektrika zeigen unter anderem Eigenschaften wie den Pyroeffekt, den Piezoeffekt oder nichtlineare optische Effekte. Oberhalb der Curie-Temperatur Tc verlieren Ferroelektrika ihre typischen Eigenschaften und zeigen nur noch paraelektrisches Verhalten. Die Suszeptibilität folgt dann für T > Tc einem Curie-Gesetz mit der paraelektrischen Konstante Cp : χ = Cp T − Tc Die Größe der spontanen Polarisation zeigt ebenfalls eine Temperaturabhängigkeit und nimmt mit steigender Temperatur ab, d.h. dPs/dT < 0. Bei Erwärmung oder Abkühlung eines ferroelektrischen Kristalls ändert sich somit die Oberflächenladungsdichte auf den Kristalloberflächen in Richtung der spontanen Polarisation. Diese Ladungen sind im stationären Fall durch freie Ladungen kompensiert, z.B. Ionen aus der Umgebungsluft. Bei einer schnellen Temperaturänderung folgt diese Ladungskompensation den veränderten Verhältnissen nicht instantan; als Folge bauen sich elektrische Spannungen auf. Dieser Effekt wird als Pyroeffekt bezeichnet und erlaubt durch die Messung des Vorzeichens der Spannung die Bestimmung der Richtung von Ps. Ein Beispiel für ein Ferroelektrikum ist der Kristall BaTiO 3 (siehe auch Kap. 3.2). Bei der Temperatur Tc = 128 °C zeigt BaTiO 3 einen Phasenübergang von der kubischen paraelektrischen Hochtemperaturphase in die tetragonale ferroelektrische Phase. Beim Phasenübergang verschieben sich die Ti-Ionen und auch die Ba-Ionen relativ zum Sauerstoffgitter, verbunden mit einer Änderung der Gitterkonstante, so dass c ≠ a = b ist. Der Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 14 von 15 20.02.03 Institut für Physik und Physikalische Technologien der TU Clausthal Experimentalphysik VI (Festkörperphysik) WS 2002/2003 Jan. 2003 positive und negative Ladungsschwerpunkt fallen dann nicht mehr zusammen und man erhält permanente Dipole. Für die Orientierung vo n Ps gibt es sechs gleichwertige Richtungen; ausschlaggebend sind letztlich vorhandene Gitterfehler oder Verspannungen des Materials. Es kommt zur Ausbildung von größeren Domänen, die im Einzelfall durch Anlegen starker äußerer elektrische Felder einheitlich ausgerichtet werden können und so zu einem eindomänigen (‚gepolten’) Kristall führen. 8.5 Untersuchungsmethoden Eine Bestimmung der dielektrischen Funktion ε (ω) ist z.B. durch die Aufnahme von Absorptionsspektren, Reflexionsspektren oder durch Energieverlustspektroskopie mit Hilfe von Elektronen möglich. Bei allen Verfahren nutzt man aus, dass der Realteil und Imaginärteil der dielektrischen Funktion über die Kramers-Kronig-Relationen miteinander verknüpft sind: ε ' (ω ) = 1 + 2 ∞ x ε ' ' (x ) Η dx π ∫0 x 2 − ω 2 2 ω ∞ ε ' ( x) −1 ε ' ' (ω ) = − Η∫ 2 dx π x −ω 2 0 Hier meint H den Hauptwert des Integrals ohne die Polstelle bei x = ω, den man durch Anwendung des Residuensatzes gewinnt. Für eine Bestimmung der dielektrischen Funktion kann z.B. die Aufnahme eines Reflexionsspektrums R(ω) über einen größeren Frequenzbereich genutzt werden. Eine solche Messung liefert dann über die Ausnutzung der Kramers-Kronig- Relationen die gesamte dielektrische Funktion. Die Energieverlustspektroskopie als alternatives Verfahren hat den Vorteil, dass sie nicht von der Oberflächenbeschaffenheit der Proben abhängt. Benutzt werden dünne Metallfolien, die mit Elektronen bestrahlt werden. Die Bremskraft dE/dx ist hier eine Funktion des Realteils des Kehrwerts der dielektrischen Funktion, dE/dx = f(ε-1 )’. Über die Kramers-KronigRelationen kann man dann wiederum die gesamte dielektrische Funktion berechnen. Vorlesung FP Kap.8 Version 1.0.doc 15 von 15 20.02.03