UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Diagnose und Behandlung von Polyneuropathien Holger Nückel Klinik für Hämatologie Zentrum für konservative Onkologie Universitätsklinikum Essen UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Übersicht • Allgemeine Einleitung zur Neuropathie • Polyneuropathie beim Multiplem Myelom Î Therapie-assoziierte Polyneuropathie • • • • Risikofaktoren Klinische Manifestation Klassifikation nach NCI CTC Inzidenzen unter Thalidomid und Bortezomib • Neuropathie Assessment Tools • Prävention und Therapie einer Polyneuropathie? • Studienergebnisse zur Polyneuropathie UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Multiples Myelom – Überblick: Ansprechraten der verschiedenen Kombinationen Remission (%) 100 80 60 40 20 0 Dex M+ Dex Komplette Remission VAD Thal + Dex MPT Bort + Dex Bort Len + Bort Dex +Dox + + Len Dex + Dex Partielle Remission UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Multiples Myelom – Was bringen die neue Substanzen? Kumar SK et al. Blood 2008;111:2516-20 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Definition Nebenwirkungen §4 (13) Arzneimittelgesetz Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ausgang von der Packungsbeilage des Arzneimittels abweichen. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Typische unerwünschte Wirkungen in der Myelomtherapie: f Hochdosis-Melphalan: Haarverlust, Übelkeit, Schleimhautentzündung f Thalidomid: periphere Neuropathie, tiefe Beinvenenthrombose f Lenalidomid: Thrombozytenabfall f Bortezomib: periphere Neuropathie, Gürtelrose f Dexamethason: psychische Veränderungen, Blutzuckererhöhung f Bisphosphonate: Osteonekrose des Kiefers UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Polyneuropathie – Definition Polyneuropathie ist der Oberbegriff für bestimmte Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die mehrere Nerven betreffen. Abhängig von der jeweiligen Ursache können motorische, sensible oder auch vegetative Nerven gemeinsam oder auch schwerpunktmäßig betroffen sein. Die Erkrankung kann eher die Isolationsschicht der Nerven (Myelin) oder eher den Zellfortsatz (Axon) selbst betreffen, sie kann sich eher körperfern (distal) an Händen und Füßen oder sehr viel seltener auch körpernah (proximal) zeigen, es gibt symmetrische und asymmetrische Formen; stets aber sind mehrere periphere Nerven betroffen (poly (griech.) = viele). Die Symptome können je nach betroffenem Nervenfasertyp und betroffener Körperregion sehr vielfältig sein. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Polyneuropathie – Lokalisation der Schädigung • Axonopathie: Axondegeneration bei zunächst erhaltener Nervenscheide • Verminderung der Anzahl der Neurone • Verminderung des Nervensummenaktionspotentials • Demyelinisierung: Schädigung in der Myelinscheide • Verringerung der Nervenleitgeschwindigkeit UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Polyneuropathie – Ätiologie Ursachen der sekundären Polyneuropathie Autoimmunologische Erkrankungen (z. B. Guillain-Barré-Syndrom) Entzündliche Erkrankungen (z. B. HIV, Varizellen, Borrelia burgdorferi, Mycobact. leprae) Metabolische Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Vitamin-Mangel (z. B. Beriberi), Leber-/Nieren-(Urämie)/Schilddrüsenerkrankungen) Typ der Polyneuropathie vorwiegend demyelinisierend vorwiegend axonal vorwiegend axonal, aber häufig auch Demyelinisierung Toxische Neuropathie − − − − Zyklische Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzol, Phenol) Schwermetalle Methanol, Ethanol Chemotherapeutika, andere Medikamente (z. B. Omeprazol) vorwiegend axonal, aber gelegentlich auch demyelinisierende Komponente UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Polyneuropathie – Symptome Sensorisches Nervensystem • Kribbeln, Stechen, brennende Schmerzen • Störung der Oberflächensensibilität (Berührungsempfinden, Schmerzempfinden, Temperaturempfinden) • Störung der Tiefensensibilität (Vibrationsempfinden, Lagesinn) • Gangunsicherheit und Unsicherheit beim Greifen durch verminderte Wahrnehmung der Lage der eigenen Körperteile • Neuropathischer Schmerz, Tremor Motorisches Nervensystem • Kraftminderung, Lähmung • Muskelkrämpfe • Abschwächung der Reflexe Autonomes System • Niedriger Blutdruck, Herzfrequenzstörungen (Bradykardie) • Gastroparese (Verstopfung, Durchfall) • Beeinträchtigung des Urogenitalsystems (Blasenentleerungsstörung) UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Polyneuropathie – Diagnostik Obligat: – Anamnese (“Richtige Fragen stellen!”) – Klinisch neurologische Untersuchung • Sensibilität, Muskelreflexe, Muskelkraft – Labor (z.B. HbA1c, Glucose, Vit. B12) – Elektrophysiologische Untersuchung (EMG/NCS) • DD: Neuropathie / Myopathie • DD: Polyneuropathie / periphere Neuropathien (z.B. Radikulopathien) • DD: axonal / demyelinisierend Fakultativ: – Erweitertes Labor (z.B. RF, Antikörperbestimmung, serologische infektiologische Diagnostik) – Liquorpunktion (Ausschluss von DD.) – Muskel-/ Nerv-/ Hautbiopsie – Genetische Diagnostik UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN Polyneuropathie beim Multiplem Myelom KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Welche Bedeutung spielt die Polyneuropathie beim Multiplen Myelom? Polyneuropathie bei Diagnosestellung: • Klinische Routineuntersuchung: 3 – 13%1 • Neurologische Untersuchung: 48-54% small fiber neuropathy2,3 • Elektrophysiologie und Histopathologie: ~35%4 Einfluss auf QoL: Physisch – sozial – psychologisch “Frustration” der behandelnden Ärzte: Prävention: schwierig Behandlung: enttäuschend Interferenz mit Behandlung (Dosismodifikation, Therapieabbruch) 1. Dispenzieri & Kyle. Best Pract & Res Haematol 2005;18:673 2. Richardson Blood 2005;106: abstract 2548 3. Richardson P JCO 2009;21:3518-3525 4. Silberman & Lonial. Hematol Oncol 2008;26:55 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Ursachen der peripheren Neuropathie beim Multiplem Myelom Myelom-assoziiert: Mechanische Kompression (Spinalkompression, Radikulopathie) Perineurale oder perivaskuläre Immunglobulin-Ablagerungen (mit oder ohne Amyloidose) Antikörperbildung (z.B. MAG/GM1) gegen neuronale Antigene (IgM>IgG>IgA) Begleiterkrankungen: Diabetes mellitus Alkohol Therapie-assoziiert: Zytostatika / IMiDs / Bortezomib UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Polyneuropathie beim Multiplem Myelom Therapie-assoziierte Polyneuropathie UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie – Risikofaktoren Patientenindividuelle Faktoren – Alter – MM-Subtyp (Paraprotein / Leichtketten) – Erkrankungsdauer vor Therapiebeginn – Erbliche Vorbelastung oder frühere Exposition ggfs. neurotoxischen Substanzen – Komorbidiät: Diabetes, Alkoholabusus, periphere vaskuläre Erkrankungen – Malnutrition: Vitamin-B Mangel Therapie-spezifische Faktoren – – – – Art der Therapie Dosisintensität Kumulative Dosen Therapie mit anderen neurotoxischen Substanzen Richardson PG, et al. JCO 2006;24:3113-20 Hausheer et al. 2006; Seminars in Oncology, 33(1) Hilkens & van den Bent 1997; J of PN System, 2(4) Ocean & Vahdat 2004; Supportive Care in Cancer, 12(9) UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE National Cancer Institute Common Terminology Criteria for Adverse Events UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Vereinfachte NCI-Kriterien Adverse Event I (mild) II (moderat) III (schwer) IV (lebensbesrohlich) Schmerzen einer bestimmten Körperregion Leichte Schmerzen ohne Therapiebedarf Mäßige Schmerzen: Schmerz oder Schmerztherapie beeinflussen die Funktion, aber nicht Alltagsaktivitäten Starker Schmerz: Schmerz oder Schmerztherapie erheblich die Alltagsaktivitäten Invalidisierende Schmerzen Periphere motorische Neuropathie Asymptomatisch; Muskelschwäche nur bei Untersuchung Symptomatische Muskelschwäche mit Beeinflussung der Funktion, aber keine Beeinflussung der Alltagsaktivitäten Muskelschwäche mit Beeinflussung der Alltagsaktivitäten (z.B. Gehstock) Invalidisierend Periphere sensorische Neuropathie Asymptomatisch; Verlust der tiefen Sehnenreflexe oder Parästhesien (einschließlich Kribbeln) ohne Beeinflussung der Funktion Sensorische Alteration oder Parästhesie (einschließlich kribbeln), Beeinflussung der Funktion, aber keine Beeinflussung der Alltagsaktivitäten Sensorische Alteration oder Parästhesie mit Beeinflussung der Alltagsaktivitäten Invalidisierend UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN MPT MPT MPT (IFM 99-06) (IFM 01/01) (GIMEMA) Thal Dosis mDoT ≤400 mg (med. 200) 11 mos 50% Grad 2 Grad 4 100 mg (fix) 13,5 mos 8 mos 19% Grad 1 Grad 3 100 mg (fix) (vs. 16%) 18% 2% (vs. 0%) (vs. 2%) ∅ 14% 9% 17% (vs. 3%) 6% VMP (VISTA) 13% 8% (vs. 1%) (vs. 0%) <1% Grau: Kontrollarm MP Therapie-assoziierte Polyneuropathie – MPT und MPV im Vergleich Palumbo et al., Lancet 2006 Hulin et al., JCO 2009 San Miguel et al., NEJM 2008 Facon et al., Lancet 2007 KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN Neuropathie – Assessment tools KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Total Neuropathy Score Grading Chaudhry et al., 1996/2002 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Neurotoxicity Assessment Tool FACT-GOG Ntx Version 4 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Patientenfragebogen: neuropathischer Schmerz UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Neuropathie Erfassung – Veränderungen • Fehlen eines einheitlichen, universellen Meßsystem • Abgrenzung von chemotherapie-induzierter Polyneuropathie (CIPN) von anderen Ursachen • Schwierigkeiten der Patienten mit der Beschreibung des Empfindens (Differenzierung Schmerz) • Angst des Patienten vor Dosismodifikation/-reduktion oder Therapieabbruch eines potentiell lebensverlängernden Medikamentes • „Unterschätzung“ der Therapie-assoziierten Polyneuropathie von behandelnden Ärzten Smith E et al. Oncology Nursing Forum vol 35, No 1 2008 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Neuropathie Assessment – Patientenfragebogen: Neuropathie • Fragen bzgl. sensiblen Neuropathie: – Leiden Sie unter Missempfindungen? • Taubheitsgefühl, Kribbel-/Prickelgefühl, Brennen, “Einschlafen” von Händen/Füssen • Schmerzhafte Missempfindungen • Krämpfe, Muskelzuckungen • Beeinträchtigung der täglichen Verrichtungen • Fragen bzgl. motorischen Neuropathie: – Leiden Sie unter Kraftlosigkeit oder Schwäche? • Fragen bzgl. autonomen Neuropathie: – – – – Potenzstörungen Schwindel Arrhythmien Sekretionsstörung der Haut UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Neuropathie Assessment – Untersuchungsbogen • Erfassung von – Sensibilität (Oberflächen- und Tiefensensibilität) – Reflexe – Muskelkraft • Graduierung nach Punktescore • Verlaufsbeurteilung Î unter Einbeziehung der Patientenfragebögen UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie – Klinische Manifestation unter Thalidomid und Bortezomib Thalidomid1,2 Bortezomib3,4 Lokalisation Extremitäten: “Handschuh und Socken” ja ja symmetrisch ja ja Missempfindungen ++ ++ Gefühllosigkeit ++ + Überempfindlichkeit + ++ Neuropathische Schmerzen - ++ Propriozeptiver Ausfall + (+) Symptome: motorisch Herabgesetzte Muskelstärke ++ + Symptome: autonom Schwindel/ Blutdruckabfall - + Symptome: sensorisch 1. Chaudry V et al., Neurology 2002;59:1872 2. Mileshkin L & Prince HM, Leuk Lymphoma 2006;47:2276-9 3. Argyriou AA et al., Blood 2008;112:1593-9 4. Cata JP et al., J Pain 2007;8:296-306 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Fallvorstellung • Multiples Myelom vom Typ IgG-Kappa, initiales Stadium III A nach Durie und Salmon mit multiplen Osteolysen, Erstdiagnose 09/2007 • Drei Therapiezyklen nach dem VED-Protokoll, 09/2007 bis 10/2007 • Ergebnis: gute Reduktion der IgG-Konzentration • Ein Zyklus Chemotherapie mit Cyclophosphamid 2 x 2 g/m², 11/2007 mit erfolgreicher Stammzellapharese • Tandem Hochdosistherapie mit Melphalan 200 g/m² und autologer Blutstammzelltransplantation, 12/2007 sowie 04/2008 • Ergebnis: Nahezu komplette Remission mit Rückgang der IgGKonzentration im Serum auf 15 g/l • Erhaltungstherapie mit Thalidomid 100 mg täglich per os, 07/2008 bis 09/2009 • Ergebnis: Nahezu komplette Remission mit Rückgang der IgGKonzentration im Serum auf minimal 11,3 g/l (10/2008) UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Neuropathie Assessment – Patientenfragebogen: Neuropathie • Fragen bzgl. sensiblen Neuropathie: – Leiden Sie unter Missempfindungen? • Taubheitsgefühl, Kribbel-/Prickelgefühl, Brennen, “Einschlafen” von Händen/Füssen • Schmerzhafte Missempfindungen • Krämpfe, Muskelzuckungen • Beeinträchtigung der täglichen Verrichtungen • Fragen bzgl. motorischen Neuropathie: – Leiden Sie unter Kraftlosigkeit oder Schwäche? • Fragen bzgl. autonomen Neuropathie: – – – – Blutdruck Schwindel Arrhythmien Sekretionsstörung der Haut UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Polyneuropathie – Prävention? Therapie ? UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie – Prävention • Randomisiert kontrollierte Studien mit signifikantem Vorteil einer Prävention mit: • Vitamin E (Cisplatin/Paclitaxel) • Calcium/Magnesium (Oxaliplatin) • Glutathion (Cisplatin) • N-Acetylcystein (Oxaliplatin) • Oxcarbazepin (Oxaliplatin) • Randomisiert kontrollierte Studien mit Vorteil einer Prävention mit: • Glutamin (Oxaliplatin) • Xaliproden (Oxaliplatin) • Randomisiert kontrollierte Studien ohne Nachweis eines Benefit einer Prävention mit: • Amifostin (Paclitaxel, Carboplatin) • Nimodipin (Cisplatin) • Org 2766 (Cisplatin, Vincristin) • rhuLIF (Paclitaxel, Carboplatin) ► Keine Daten zur Prävention einer Polyneuropathie beim multiplem Myelom UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Realistische Therapieziele bei Therapieassoziierter Polyneuropathie • • • • Schmerzreduktion um >30% bis 50% Verbesserung der Schlafqualität Verbesserung der Lebensqualität Erhaltung der sozialen Aktivität und des sozialen Beziehungsgefüges • Erhaltung der Arbeitsfähigkeit UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Generelle Empfehlungen bei Intervention Therapie-assoziierter Polyneuropathie - Das wirksame Medikament muss bei jedem einzelnen Patienten durch Erprobung unter Berücksichtigung des individuellen Beschwerdebildes sowie der Nebenwirkungen und Kontraindikationen gefunden werden. - Jeder Patient benötigt eine individualisierte Dosierung in Abhängigkeit von Wirkung und Nebenwirkung (sorgfältige Titration) - Die Wirkungslosigkeit sollte erst nach 2-4 Wochen unter ausreichender Dosierung beurteilt werden. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Intervention bei Therapie-assoziierter Polyneuropathie Pharmakologische Behandlung: • Vitamine: Vit C und Vit B6 (Cave: potentiell tox. Effekt) • Nahrungsergänzungsmittel: Vit B12, Folsäure, Glutamin, L-Carnitin, αLiponsäure • Medikamente: • Trizyklische Antidepressiva: Amitriptylin, Nortriptylin, Desipramin • Antikonvulsiva: Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin, Phenytoin • Opioide: Oxycodon, Hydrocodon, Morphin, Fentanyl • Serotonin/Norepinephrin Reuptake-Inhibitoren: Paroxetin, Duloxetin • Sonstige Schmerzmedikamente: (NSAID), Paracetamol Topische Behandlung: • Lidocain-Patch • Capsaicin Creme, Cocoa-Butter, Ketamin-Gel • 0.5% Menthol in Calamine-Creme Sonstige: Hoch-dosierte intravenöse Gammaglobuline Physikalische Therapie (Viv-Arte-Trainingskonzept Uni Ulm) UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapiealgorhythmus Sreening auf neuropathische Schmerzen und Diagnosestellung Diagnostik relevanter Co-Morbiditäten Symptomatische Schmerztherapie mit einem oder mehreren Medikamenten der vier systemischen Hauptgruppen: a) Calcium-Kanal-modulierende Antikonvulsiva (Pregabalin, Gabapentin) b) Natrium-Kanal-Antikonvulsiva (Carbamazepin, Lamotrigin) c) Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin) oder SSNRI (Duloxetin, Venlafaxin) d) Schwache Opioide (Tramadol, Tilidin) In Ergänzung bei lokalisierten Schmerzen insbesondere mit Allodynie topisches Lidocain Therapieversagen: Andere Kombinationen der vier Hauptgruppen und/ oder hochpotente Opioide UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN Der Ausweg: Weinkühler KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie: Einflußgrößen und Verlauf Thalidomid Bortezomib Dosis-abhängig? ja1,2 Korrelation zwischen kumulativer Dosis und klinischer Beteiligung (insbesondere bei Gabe von > 20 g) ja •CREST-Studie3 (37 % vs. 21 %) •max. bei 30 mg/qm4 Zeit-abhängig? ja Die Inzidenz verdoppelt sich zwischen den Monaten 6 und 12.5 • Maximum etwa im 5. Zyklus • danach stabil6 Reversibilität? vermutlich minimal; Die OPTIMUM-Studie wird dazu genauere Daten liefern. ~70 % Besserung oder Erholung innerhalb von 2–3 Monaten4,7 1. Cavaletti et al., Neurology 2004; 62: 2291 2. Chaudhry et al., Neurology 2002; 2002: 1872 3. Jagannath et al., Br J Haematol 2004; 127: 165 4. Richardson et al., JCO 2006; 24: 1 5. Mileshkin et al., JCO 2006; 24: 4507 6. Berenson et al., Cancer 2005; 104: 2141 7. San Miguel et al., NEJM 2008; 359: 905 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie: Thalidomid Cavaletti et al, Neurology 2004 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie –Bortezomib 1,0 mg/m2 vs.1,3 mg/m2: Therapie-Wirksamkeit Polyneuropathie trat bei einer kumulativen Dosis von ~30 mg/m2 auf. Reduktion der PN von 37% auf 21%! Jagannath, BJH 2004 Argyriou AA et al., Blood 2008;112:1593-1599 Gilardini A et al., Curr Med Chem 2008;15:3025-3035 Cavaletti G et al., Haematologica 2007;92:1308-1309 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie: Einflußgrößen und Verlauf Thalidomid Bortezomib Dosis-abhängig? ja1,2 Korrelation zwischen kumulativer Dosis und klinischer Beteiligung (insbesondere bei Gabe von > 20 g) ja •CREST-Studie3 (37 % vs. 21 %) •max. bei 30 mg/qm4 Zeit-abhängig? ja Die Inzidenz verdoppelt sich zwischen den Monaten 6 und 12.5 • Maximum etwa im 5. Zyklus • danach stabil6 Reversibilität? vermutlich minimal; Die OPTIMUM-Studie wird dazu genauere Daten liefern. ~70 % Besserung oder Erholung innerhalb von 2–3 Monaten4,7 1. Cavaletti et al., Neurology 2004; 62: 2291 2. Chaudhry et al., Neurology 2002; 2002: 1872 3. Jagannath et al., Br J Haematol 2004; 127: 165 4. Richardson et al., JCO 2006; 24: 1 5. Mileshkin et al., JCO 2006; 24: 4507 6. Berenson et al., Cancer 2005; 104: 2141 7. San Miguel et al., NEJM 2008; 359: 905 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie: Thalidomid 73% 38% Mileshkin L et al., JCO 2006 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie –APEX: Neuropathie-Beginn Richardson et al., BJH 2009 (144): 895-903 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie: Einflußgrößen und Verlauf Thalidomid Bortezomib Dosis-abhängig? ja1,2 Korrelation zwischen kumulativer Dosis und klinischer Beteiligung (insbesondere bei Gabe von > 20 g) ja •CREST-Studie3 (37 % vs. 21 %) •max. bei 30 mg/qm4 Zeit-abhängig? ja Die Inzidenz verdoppelt sich zwischen den Monaten 6 und 12.5 • Maximum etwa im 5. Zyklus • danach stabil6 Reversibilität? vermutlich minimal; Die OPTIMUM-Studie wird dazu genauere Daten liefern. ~70 % Besserung oder Erholung innerhalb von 2–3 Monaten4,7 1. Cavaletti et al., Neurology 2004; 62: 2291 2. Chaudhry et al., Neurology 2002; 2002: 1872 3. Jagannath et al., Br J Haematol 2004; 127: 165 4. Richardson et al., JCO 2006; 24: 1 5. Mileshkin et al., JCO 2006; 24: 4507 6. Berenson et al., Cancer 2005; 104: 2141 7. San Miguel et al., NEJM 2008; 359: 905 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie – VISTA: Reversibilität - Bei 79% der Patienten mit PNP verbessert sich diese um mindestens 1 Grad im Median nach 1.9 Monaten. - Bei 60% der Patienten verschwindet die PNP im Median nach 5.7 Monaten. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Multiples Myelom – Neue Substanzen - Lenalidomid NH2 Thalidomid H2 Lenalidomid (Revlimid) UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie: Lenalidomid • Studien MM-009 und MM-010 – Nebenwirkungen, die in mindestens 10 % jeder Behandlungsgruppe auftraten Len/Dex (n = 353) Grad 1–4 n (%) Plazebo/Dex (n = 350) Grad 3/4 n (%) Grad 1–4 n (%) Grad 3/4 n (%) Störungen des Nervensystems Kribbeln 51 (14,4) 1 (0,3) 47 (13,4) 0 (0) Taubheit 37 (10,5) 1 (0,3) 26 (7,4) 0 (0) „Es wurden nur wenige Fälle mit Verdacht auf eine periphere Neuropathie beobachtet…, und deren Inzidenz ist in der Lenalidomid/Dexamethason-Gruppe mit der in der Plazebo/Dexamethason-Gruppe vergleichbar (etwa 5 % bis 8 % Medikamenten-assoziierte periphere sensorische Neuropathien/Parästhesien).” EMEA, European Public Assessment Report (EPAR), S. 25; www.emea.europa.eu; Access 29.06.2007 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Therapie-assoziierte Polyneuropathie – Lenalidomid – Prior Thalidomid (MM-009 und MM-010) Thal-Vorbehandlung (n = 274) Grad 3/4 Neuropathie (%) Keine Thal-Vorbehandlung (n = 430) Len/Dex (n = 127) Dex (n = 147) Len/Dex (n = 226) Dex (n = 204) 3,1 0,7 0,4 0,5 p = 0,06 p = ns Wang et al., Blood 2008 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Dosis-Modifikation bei PNP: Guidelines für Thalidomid Schweregrad der Neuropathie Modifikation der Dosis und des Behandlungsregimes Grad 1 (Parästhesie, Schwäche und/oder Verlust von Reflexen) ohne Funktionsverlust Der Patient sollte durch weitere klinische Untersuchungen überwacht werden. Bei Verschlechterung der Symptomatik ist eine Reduktion der Dosis in Betracht zu ziehen. Jedoch folgt einer Dosisreduktion nicht unbedingt eine Verbesserung der Symptome. Grad 2 (funktions- aber nicht die Alltagsaktivität beeinträchtigend) Dosis reduzieren oder Behandlung unterbrechen und den Patienten durch weitere klinische und neurologische Untersuchungen überwachen. Sollte sich keine Besserung einstellen oder eine weitere Verschlechterung der Neuropathie auftreten, ist die Behandlung zu unterbrechen. Bei einem Abklingen der Neuropathie auf Grad 1 oder besser kann die Behandlung je nach NutzenRisiko-Abwägung wieder aufgenommen werden. Grad 3 (die Alltagsaktivität beeinträchtigend) Behandlung abbrechen Grad 4 (behindernde Neuropathie) Behandlung abbrechen UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Dosis-Modifikation bei PNP: Guidelines für Bortezomib Schweregrad der Neuropathie Modifikation der Dosis und des Behandlungsregimes Schweregrad 1 (Parästhesie, Schwäche und/oder Verlust von Reflexen) ohne Schmerzen oder Funktionsverlust Keine Anpassung erforderlich Schweregrad 1 mit Schmerzen oder Schweregrad 2 (Beeinträchtigung der Funktion, aber nicht der Tätigkeiten des täglichen Lebens) Dosissenkung auf 1,0 mg/m² Schweregrad 2 mit Schmerzen oder Schweregrad 3 (Beeinträchtigung des täglichen Lebens) Schweregrad 4 (sensorische Neuropathie, die stark behindernd ist oder motorische Neuropathie, die lebensbedrohlich ist oder zu einer Lähmung führt) und/oder schwere autonome Neuropathie Absetzen der Bortezomib-Behandlung, bis die Toxizitätssymptome abgeklungen sind. Nach Abklingen der Toxizität erneuter Beginn der BortezomibBehandlung und Verringerung der Dosis auf 0,7 mg/m² und Änderung des Behandlungsschemas zu einer einmal wöchentlichen Anwendung. Abbruch der Bortezomib-Behandlung UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Multiples Myelom – Neue Substanzen – alters-adjustierte Therapiedosierungen 65 – 75 Jahre > 75 Jahre Weitere Dosisreduktion Dexamethason wöchentlich 40 mg 20 mg 10 mg Melphalan Tage 1–4 0.25 mg/kg 0.18 mg/Kg 0.13 mg/kg Thalidomid täglich 200 mg 100 mg 50 mg Lenalidomid* Tag 1 -21 25 mg 15 mg 10 mg Bortezomib 1.3 mg/m2 2x Wöchentlich 1.3 mg/m2 1x Wöchentlich 1.0 mg/m2 1x Wöchentlich • Lenalidomid plus Melphalan Beginn mit 10 mg/d • Wenn Grad ¾ AE: 1. Unterbrechung der Therapie 2. Abwarten bis Grad 1 AE 3. Erneuter Beginn mit niedrigerer Dosis Empfehlungen nach Palumbo UNIVERSITÄTSKLINIKUM ESSEN KLINIK FÜR HÄMATOLOGIE Der Balsam aller Schmerzen ist Geduld. Die Geduld ist aller Schmerzen Arznei! Publilius Syrus, "Spruchverse"