Mechanismen der körpereigenen Abwehr

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Mechanismen der körpereigenen Abwehr
Alternative Systeme in Synergie mit Antikörpern und T-Lymphozyten
verfasst von
J.P. Guggenbichler, Univ.-Klinik für Kinder und Jugendliche, Univ. Erlangen Nürnberg
Einleitung
Der Körper ist über die Oberflächen der
Haut und Schleimhäute ständig einer
mikrobiellen Besiedlung mit einer Vielzahl
von Mikroorganismen ausgesetzt. Es handelt sich dabei meist um eine Besiedelung
mit apathogenen oder fakultativ pathogenen Mikroorganismen wie Bakterien,
Pilzen oder Viren.
Die Keimzahlen von Bakterien auf Epitheloberflächen, die bei quantitativen Kulturen
z.B. der Nasenschleimhaut von Gesunden ermittelt wurden, liegen im Bereich von 105 - 107
CFU/cm2. Bei Betrachtung der Epithelzellen
finden sich nur 1 bis maximal 2 Mikroorganismen/Epithelzelle dieser „normalen Flora“.
Es ist insofern bemerkenswert, dass Mikroorganismen auf Schleimhäuten z.B. des
Respirationstraktes trotz optimaler Wachstumbedingungen (Feuchtigkeit, Elektrolyte,
Glukose, Eiweiß, Wärme) nahezu konstant
bleiben.
Das Immunsystem ist gefordert pathogene
und fakultativ pathogene Mikroorganismen
zu erkennen und zu eliminieren jedoch apathogene Kommensalen zu tolerieren. Für viele
Jahre hat man sich ausschließlich auf die Erforschung der adaptiven Immunität konzentriert, die eine wichtige Rolle in der Prävention vieler Infektionen spielt. Das adaptive
Immunsystem ist jedoch in der Evolution eine vergleichsweise junge Strategie, die bei
höher entwickelten Vertebraten besonders
gut ausgebildet ist. Die entscheidende Eigenschaft der adaptiven Immunität ist der „Memory Effekt“, der jedoch gegen die Erstbesiedelung von Schleimhäuten mit einem Mikroorganismus nicht wirksam ist.
Die adaptive Immunität ist jedoch keineswegs der einzige Abwehrmechanismus.
Haut und Schleimhäute wirken primär als
physikalische Barriere und Infektionen werden durch eine undurchdringliche Schicht
aus Lipiden, Hornschuppen und Schleim,
durch die mechanische Reinigungsfunktion
wie die mukoziliäre Clearance, Zilienbewegung, Sekretfluss und korrekte Belüftung
der Mucinschicht (Epithelial linig fluid =
ELF) abgewehrt.
Die vergleichsweise geringe Keimbesiedelung von Epithelzellen verwundert insbesondere im Lichte der Erkenntnis, dass
dieselben Mikroorganismen unter optimalen Wachstumsbedingungen ihre Anzahl
in jeweils 12 bis 20 Minuten verdoppeln
können. Diese Beobachtung ließ den
Schluss zu, dass eine Kontrolle der Besiedelung von Schleimhautoberflächen bestehen
muss und ließ vermuten, dass die Haut und
andere Körperoberflächen mit Kontakt zur
Umwelt neben der physikalischen Barriere
auch ein chemisches Abwehrsystem besitzen, das die Besiedlung durch Mikroorganismen sowohl qualitativ als auch quantitativ kontrolliert. [1]
Pathogenese von
Infektionen, Adhärenz
als Virulenzfaktor von
Mikroorganismen
Die Entstehung einer bakteriellen oder viralen Infektion ist ein komplexes Geschehen
das von unterschiedlichen Faktoren sowohl
auf Seiten des Erregers als auch auf der des
Wirtes abhängt. Bisher wurde die Virulenz
pathogener Mikroorganismen weitgehend
auf die Bildung von Toxinen reduziert, die
zum Zelltod oder zu schweren Störungen
von Körperfunktionen Anlass geben.
Nur Mikroorganismen, die an Epithelzellen
adhärieren entwickeln die Fähigkeit zur
lokalen Proliferation und können Toxine
direkt an den Rezeptor heranbringen. Über
Signalproteine kommt es zur proteolytischen
Auflösung der angrenzenden Schleimhaut
oder durch Freisetzung von Toxinen zu einer
lokalen oder systemischen Entzündung. Die
Adhärenz von Mikroorganismen wird heute
als der erste Schritt für eine Infektion betrachtet und als gleichwertiger Virulenzfaktor wie die Bildung von Toxinen oder die
Gewebezerstörung durch bakterielle Enzyme gewertet. [2, 3] Im Tiermodell konnte
gezeigt werden, dass toxinbildende Mikroorganismen (ETEC) nur in Kombination mit
dem Kolonisationsfaktor zu einer Erkrankung führen.
Abbildung 1: Enterohämorrhagische E. coli
(EHEC) O 157 H7 adhärieren an der Schleimhaut und lösen die Mikrovillusstruktur auf.
Eine wesentliche Aufgabe der körpereigenen Abwehr besteht darin, die
Besiedelung von Epithelzellen durch
pathogene oder faktultativ pathogene Mikroorganismen zu verhindern. Dafür besitzt der Körper eine
Vielzahl von Möglichkeiten.
Mechanismen, die die
Besiedelung von Schleimhäuten kontrollieren
Mukoziliäre Clearance
Ein wesentlicher Mechanismus zur Elimination pathogener Mikroorganismen von
Schleimhäuten besteht in der mechani-
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schen Reinigung von Epitheloberflächen
z.B. durch die mukoziliäre Clearance,
Zilientätigkeit, Peristaltik, Sekretfluss etc..
Die ELF ist aus einer direkt auf den Epithelzellen liegenden Mucoinschicht, die sich
aus einer auf den Epithelzellen liegenden
Sol-Schicht und einer darüberliegenden
Gel-Schicht zusammengesetzt. In der SolSchicht schlagen die Zilien wobei der korrekten Viskosität der Schleimschicht auf
den Epithelzellen entscheidende Bedeutung zukommt. In der Gel-Schicht werden
bakterielle und virale Mikroorganismen
aber auch Antigene (Allergene) gefangen
und mechanisch abtransportiert. Diese Faktoren werden als unspezifische Abwehr
subsummiert. [4]
Stabile normale Flora
Ein vielfach unterschätzter Mechanismus
der körpereigenen Abwehr ist eine stabile
körpereigene Flora. Die normale Flora verhindert die Besiedelung mit obligat pathogenen Mikroorganismen. Eine Destabilisierung der normalen Flora durch Antibiotika
ermöglicht es bereits einem kleinen Inokulum von pathogenen Mikroorganismen, die
Schleimhäute zu besiedeln. [5]
Hemmung der Adhärenz bzw. Proliferation/Toxinbildung von Mikroorganismen an Epitheloberflächen
Ein wesentlicher Virulenzfaktor pathogener
Mikroorganismen ist die Adhärenz an
Epithelzellen. In zahlreichen Untersuchungen wurde beobachtet, dass nur Mikroorganismen, die gleichzeitig mit der Bildung
von Toxinen auch die Schleimhäute besiedeln, zu einer Erkrankung führen. Die
Blockierung der Adhärenz kann sowohl
durch Sekretions Ig A als auch Rezeptor
analoge Kohlenhydrate erfolgen.
Sekretions Ig A
Das Sekretions Ig A wird von speziell dafür
ausgestatteten B Zellen, die in der Peyerschen Plaques gebildet werden und als
Mukosa assoziiertes lymphatisches Gewebe
(MALT) in die Schleimhäute des oberen
(NALT) sowie des unteren Respirationstraktes (BALT), den Darm (GALT) und den Urogenitaltrakt sowie in die Muttermilch auswandern, gebildet. Die Aufgabe des Sekretions Ig A, das nicht zur Aktivierung der
Komplementkaskade imstande ist, besteht
in erster Linie in der Blockierung der Anlagerung von Mikroorganismen an Schleimhäute. Im Sekretions Ig A finden sich daher
vorwiegend Antikörper gegen Oberflächenstrukturen von Mikroorganismen im Gegensatz zum Serum Ig A, das gegen interne
Keimbestandteile einschließlich Toxine gerichtet ist. [6, 7]
Rezeptor Analoge Kohlenhydrate
Mikroorganismen haften an speziellen Kohlehydratstrukturen von Epithelzellen. Diese
Strukturen wurden bei der Majorität pathogener Mikroorganismen als Glykolipide mit
einem Kohlenhydratanteil von einem Molekül Glukose und 3 Molekülen Galaktose, die
1 – 3 und 1 – 4 glykosidisch verknüpft sind,
identifiziert. [8]
Teile dieses Liganden d.h. wasserlösliche
Di- und Trimere, 1 – 4 glykosidisch verknüpfter Galaktosemoleküle befinden sich
in der ELF und blockieren als Rezeptor –
analoge Strukturen die Adhärenz zahlreicher Keime. [9 ] In der Muttermilch sind
Oligosaccharide mit ähnlicher Struktur enthalten, die die Adhärenz blockieren. Auch in
verschiedenen pflanzlichen Extrakten wie
in der Moroschen Karottensuppe und im
Preiselbeer/Heidelbeerpressaft sind diese
Kohlenhydratstrukturen mit antiadhärenter
Wirkung enthalten.
Antimikrobielle
Substanzen in der ELF
Es ist bekannt, das sich auch chemische
Stoffe in der Schleimschicht befinden, die
die Besiedelung von Epithelzellen verhindern. Es sind dies z.B. kurzkettige freie
Fettsäuren, die eine saure, keimabtötende
Oberfläche generieren. Ein Beispiel ist der
Fettsäuremantel der Haut, der die Besiedelbarkeit der Haut steuert.
Freie Eisenmoleküle sind für pathogene
Mikroorganismen ein Wachstumsfaktor (z.B.
Haemophilus influenzae) und für die Toxinbildung notwendig. Siderophore in der
Schleimschicht, die überschüssiges Eisen
speichern, hemmen die Keimproliferation
und Toxinbildung und sind dadurch ebenso
als Abwehrmechanismus zu betrachten. [10]
INFO
Antimikrobielle Peptide
Als Fleming 1922 die ersten, humanen antimikrobiellen Peptide (AP) in der Mucinschicht bzw. in Sekreten wie Speichel entdeckte, dürfte ihm aufgrund der für ihn viel
bedeutenderen Entdeckung des Penicillins,
die Bedeutung dieses „Nebenbefundes“
nicht bewusst gewesen sein. [11] Er nannte diese antimikrobielle Struktur Lysozym
ohne dass es zu einer Strukturabklärung
gekommen war.
Vergleichbare epitheliale Abwehrsysteme
wurden vor Jahren bereits bei Tieren und
später auch bei Pflanzen beschrieben.
Zasloff untersuchte 1987 die Resistenz der
Froschhaut gegen Infektionen und isolierte
Proteine mit 23 – 28 Aminosäuren mit Wirksamkeit gegen ein breites Spektrum gramnegativer und grampositiver Mikroorganismen, Pilze und Protozoen. [15] Diamond et
al. isolierten 1991 das tracheale antimikrobielle Peptid (TAP) aus der Lunge von
Rindern, Schonwetter et al. beschrieben
1995 das linguale antimikrobielle Peptid in
der bovinen Zunge (LAP). [16, 17, 18] Beide
bovinen antimikrobiellen Peptide sind
epithelialen Ursprungs und sind durch
Mikroorganismen und proinflammatorische
Zytokine induzierbar. Sie haben strukturelle
Ähnlichkeit mit den beim Menschen gefundenen antimikrobiellen Peptiden.
Die humane mukosale Abwehr
In den letzten Jahren wurde die molekulare
Struktur dieser Komponenten für die Mukosaassoziierte Abwehr beim Menschen aufgeklärt, die einen völlig neuen Einblick in die
initiale Abwehr von Infektionen geben. Sie
beruht auf der Bildung von genkodierten,
antimikrobiellen Peptiden (AP) durch
Epithelzellen. AP, auch Defensine genannt,
besitzen ein breites bakterizides Wirkspektrum gegen gram-positive, gram-negative
Mikroorganismen, Viren und C. albicans.
[12, 13, 14] Defensine können als körpereigene Antibiotika mit einem breiten
Wirkspektrum bezeichnet werden, wobei
das Risiko einer Resistenzentwicklung als
sehr gering zu betrachten ist.
Früh- und Neugeborene besitzen bereits
Abwehrmechanismen gegen bakterielle
und virale Mikroorganismen, bevor die
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spezifische, stimulierbare/adaptive humorale und zelluläre Abwehr wirksam wird. Dieselben Mechanismen spielen natürlich auch
in der Infektabwehr von Säuglingen und
älteren Kindern sowie bei Patienten, bei
denen die spezifische Abwehr durch Medikamente oder die Grundkrankheit geschwächt ist, eine wesentliche Rolle. Dies
wird als angeborene körpereigene Abwehr
oder Mucosaimmunität bezeichnet. [19]
Die Strukturen in der Zellwand von
pathogenen Mikroorganismen sind meist
membrangebundene Kohlenhydratstrukturen aber auch zytoplasmatische Überwachungsproteinene die „Nucleotid-bindende oligomerisation Domäne” (Nod),
Nod1 und Nod2. Beide Überwachungsstrukturen werden als „pathogen associated molecular patterns“ (PAMPs) bezeichnet. Diese werden von Pattern Recognition
Rezeptoren (PRRs) an Epithelzellen erkannt
und stimulieren die Bildung von antimikrobiellen Peptiden.
Auch Lipopolysaccharide, Lipoproteine,
Peptidoglykane sowie die CpG Oligonukleotid - Sequenzen bakterieller und
viraler DNA stimulieren die Bildung von
antimikrobiellen Peptiden. Unterschiede im
Aufbau von bakterieller und viraler DNA (so
genannte CpG Motife) im Vergleich zur
menschlichen DNA ermöglichen dem Immunsystem diese potentiellen Krankheitserreger auf Grund ihrer DNA Struktur zu erkennen und eine entsprechende Abwehrantwort zu initiieren. [20, 21]
Diese PRRs auf Epithelzellen und Makrophagen werden auch TOLL und TOLL-likeRezeptoren (TLR) bezeichnet und erkennen
eben diese Kohlenhydratmuster von pathogenen Mikroorganismen. Mindestens 11
TOLL-like-Rezeptoren sind bisher bekannt.
Zahlreiche verschiedene Strukturen von
Defensinen wurden in der Zwischenzeit beschrieben. Einige dieser antimikrobiellen
Peptide – die alpha Defensine – werden
ständig in gleich bleibenden Mengen, andere wiederum – die ß Defensine – in erster
Linie nach Kontakt pathogener Mikroorganismen mit der Epithelzelle gebildet. Dadurch wird die Entzündungskaskade und in
der weiteren Folge die Abwehrmechanismen initiiert. [22, 23, 24, 25]
Für die Klinik bedeutet dies, dass durch
alpha Defensine eine Grundimmunität vermittelt wird, die die Besiedelbarkeit von
Epithelzellen steuert und durch ß Defensine
die Abwehr gegen pathogene Mikroorganismen hochgefahren wird. [26]
Wirkungsmechanismen von
antimikrobiellen Peptiden:
Diese durch Kontakt mit pathogenen
Mikroorganismen stimulierbaren antimikrobiellen Peptide, ß Defensine genannt,
sind cysteinreiche, kationische Substanzen
d.h. Peptide mit 11 - 48 Aminosäuren mit
einem hohen Anteil an basischen Aminosäuren wie Lysin oder Arginin.
Die Amphiphilität scheint die wichtigste
Eigenschaft zur Membraneinstülpung und
Porenbildung zu sein. Menschliche Defensine sind dimerbildend.
Trotz vieler Gemeinsamkeiten weisen
antimikrobielle Peptide deutliche Unterschiede in der dreidimensionalen Struktur
auf.
Hall und Mitarbeiter zeigten am Beispiel
des HNP-3-Dimers, dass die räumliche
Struktur wie ein Korb aufgebaut ist mit
einem hydrophoben Boden, den ß Hairpins
entsprechend und dem hydrophilen Gewölbe, das den C und N terminalen Enden
entspricht.
Andere Peptide weisen eine Faltblattstruktur auf. [27, 28, 29]
Der Hauptangriffspunkt sowohl der alpha
als auch der ß Defensine ist die Zytoplasmamembran von Mikroorganismen.
Diese kationischen Proteinmoleküle bestehen aus 38 - 41 Aminosäuren und besitzen
ein Molekulargewicht von ca. 5000 kD.
Elektronenmikroskopische Aufnahmen lassen darauf schließen, dass die antimikrobielle Wirksamkeit auf einer Perforation der
Zellwand pathogener Mikroorganismen
beruht.
ß Defensin I wird vorwiegend im Urogenitaltrakt gebildet und besitzt eine Wirksamkeit gegen gramnegative Mikroorganismen, ß Defensin II wird in den Epithelzellen
der oberen Luftwege gebildet und ist
ebenfalls gegen gramnegative Erreger und
Pilze wirksam, das ß Defensin III wirkt
gegen S. aureus und Enterokokken unabhängig von deren Resistenz gegen Antibiotika. [30]
Abbildung 1: Strukturen, die die Bildung von ß Defensin stimulieren.
Untersuchungen von Schröder zeigen auch,
dass einerseits bestimmte antimikrobielle
Peptide gegen ein unterschiedliches Keimspektrum wirken anderseits z.B. in Respira-
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tionstrakt andere Defensine gebildet werden als im Gastrointestinaltrakt und im
Urogenitaltrakt. HBD2 wirkt z.B. außerordentlich gut gegen gramnegative Darmbakterien, Pseudomonas aeruginosa und
Candida albicans, vermag aber grampositive
Mikroorganismen nicht abzutöten. Dies
lässt den Schluss zu, dass Epithelzellen des
Menschen eine lokale erregerspezifische Induktion Erreger-selektiver Peptidantibiotika
aufweisen können ohne dass das adaptive
Immunsystem mit Leukozyten und Makrophagen als Effektorzellen beteiligt zu sein
scheint. [34]
Abbildung 2: Antimikrobielle Peptide arrangieren sich in der Zellwand von Mikroorganismen, indem
sie die Phospholipid Schicht der bakteriellen Zellwand einstülpen, wodurch Poren in der Zellwand
entstehen durch die das Zytoplasma austritt. Dies bedingt den Tod des Keimes. [30, 31]
Abbildung 3: Eradikation von S. aureus durch ß Defensin nach 30 Minuten Einwirkzeit
(S. Maune unpubl. Beobachtung 2007 [32]
Zugabe von ß Defensin 0 Minuten/45 Minuten
Abbildung 4: Elektronenoptische Darstellung von P. aeruginosa vor und nach Zugabe eines Überstandes aus 105 Uroepithelien + 5 x 105 P. aeruginosa, 90 Minuten: Eradikation eines multiresistenten Stammes von Pseudomonas aeruginosa innerhalb von 45 Minuten.
Interaktion mit der
adaptiven Abwehr
Die Mukosaimmunität ist nicht als einzelnes, von der adaptiven Immunität losgelöstes Abwehrsystem zu betrachten, sondern steht in intensiver Interaktion mit
dendritischen Zellen der Haut und Schleimhäute, die vor allem zur Antigenerkennung
eine wesentliche Rolle spielen, den Makrophagen und der Entzündungsreaktion in
Form proinflammatorischer Zytokine (Leukotriene, Prostaglandine, TNF alpha, IL 1, 6,
8 etc.). [35]
Untersuchungen zeigen, dass die Erkennung von Peptidoglykanen durch das angeborene Immunsystem mittels Nod1 den
Schlüssel für die Aktivierung einer antigenspezifischer T Zell Immunität darstellt. In der
weiteren Folge kommt es zu einer Immunantwort durch Bildung von Antikörpern. In
Verbindung mit der TLR Stimulation konnte
ein Nod1 als Trigger einer Instruktion des
Immunsystems für eine Stimulation des Th1,
Th2 und des Th17 Immunantwort identifiziert werden. Nod1 Stimulation allein stellt
eine Antigen spezifische Immunantwort mit
einem Th2 Profil dar.
Immunzellen außerhalb des hämatopoetischen Systems sind für die ersten
Signale, die für eine orchestrierte Entwicklung der Nod1-abhängigen Immunantwort
notwendig sind, verantwortlich. [36] Diese
Untersuchungsergebnisse weisen auf die
wesentliche Bedeutung von Nod1 als
Schlüssel hin, über die die angeborene Abwehr im lokalen Mikromilieu die adaptive
Immunität anstößt.
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Die Stufen der körpereigenen Abwehr bestehen in
1. Erkennen pathogener Strukturen von Mikroorganismen durch die TOLL und TOLL
like Rezeptoren (PRR). Hierbei erfolgt
auch die Diskriminierung zwischen der
normalen Flora und pathogenen Mikroorganismen.
2. Induktion der Bildung von proinflammatorischen Zytokinen. Direkt über TOLLRezeptoren oder über Vermittlung proinflammatorischer Zytokine erfolgt die
3. Induktion von antimikrobiellen Peptiden
und Keimabwehr an der Oberfläche.
Gleichzeitig kommt es zur
4. Antigen-Präsentation durch Dendritische
Zellen der Mukosa und der Haut; dies
induziert die
5. Induktion der adaptativen erworbenen Immunität mit Stimulation von B und T Lymphotzyen sowie die Antikörperbildung.
Krankheitsbilder, die mit
einer Störung der Mukosaimmunität einhergehen
Durch ein Zusammenspiel der verschiedenen Abwehrmechanismen wird eine konzertierte, umfassende und nachhaltige
Keimabwehr möglich, die jedoch auf
verschiedenen Ebenen zu funktionellen
Störungen Anlass geben kann. Die Mucosaimmunität, d.h. die Bildung von ß Defensinen,
kann sowohl bezüglich Konzentration als
auch dem Zeitpunkt der Bildung bei Säuglingen, Klein- und Schulkindern mit rezidivierenden Infekten gestört sein. Dies bedeutet,
dass bei diesen Patienten Schleimhäute leichter und mit höheren Keimzahlen durch bakterielle Mikroorganismen besiedelt werden
bzw. Keime, die an Epithelzellen haften, nicht
eliminiert werden können.
• Patienten verzögert auf die bakterielle
Besiedelung von Epithelzellen mit der Bildung von ß Defensin reagieren und dadurch einer kleinen Inokulummenge Zeit
geben zu proliferieren, wodurch das System überfordert ist, da ß Defensine nur
gegen eine kleine Inokulummenge wirksam sind.
• Untersuchungen haben auch gezeigt,
dass ß Defensin durch einen erhöhten
Elektrolytgehalt, wie er z.B. bei der
Mucoviscidose besteht, inaktiviert wird.
• Ein besonderes Problem bietet die verminderte Bildung von antimikrobiellen
Peptiden durch geschädigte Epithelzellen
wie sie z.B. im Rahmen einer chronischen
Rhinitis besteht. Von Interesse und noch
nicht geklärt ist, welcher Defekt zuerst
kommt: ist eine verminderte Bildung von
ß Defensin die Ursache für die chronische
entzündliche Schleimhautveränderung
oder die Folge.
Chronische polypöse Sinusitis
Ein besonders schwierig zu behandelndes
Krankheitsbild sind rezidivierende Infekte
der Nasennebenhöhlen. Dabei gestaltet
sich vor allem die Verhinderung von Rezidiven unbefriedigend und hat zu zahlreichen
unterschiedlichen chirurgischen und medikamentösen Maßnahmen geführt.
Bei der Abklärung rezidivierender Sinusitiden stehen anatomische und funktionelle
Störungen, die die Drainage des Sekrets aus
den Nasennebenhöhlen stören, im Vordergrund. Es handelt sich dabei z.B. um eine
Hyperplasie der Adenoide, einen zu langen
Prozessus uncinnatus, eine Deviation der
Nasenscheidewand bzw. das zähe Sekret bei
Mukoviscidose oder Störungen der Zilienmotilität.
Untersuchungen von Maune konnten zeigen, dass ein wesentlicher Faktor für rezidivierende bakterielle Infektionen der Nassennebenhöhlen auf einer Verminderung
der ß Defensinbildung beruht. [37]
Rezidivierende Infekte
der Luftwege bei Kindern
Die Evaluierung von häufig kranken Kindern
mit Infektionen der Luftwege an der Univ.
Erlangen in den Jahren 1995 bis 2005 ergab Defekte der adaptiven Immunität d.h.
ein Antikörpermangel Syndrom einschließlich der Patienten mit einem selektiven Ig A
Mangel und IgG 2 und 4 Subklassendefekt,
Granulozytendefekte, T Zell Defekte wurden
in weniger als 2 % der Patienten als Ursache rezidivierender Infekte identifiziert. In
einer Pilot-Untersuchungsreihe zwischen
2002 und 2006 wurden Patienten mit rezidivierenden Infekten, bei denen keine anatomischen und funktionellen Störungen be-
Möglichkeiten einer Störung
bestehen insofern, als:
• Patienten mit rezidivierenden Infekten
kaum oder im Vergleich zu gesunden Vergleichspersonen zu wenig ß Defensin bilden oder eine bestimmte ß Defensinklasse nicht bilden.
• Patienten nach Kontakt mit bestimmten
Mikroorganismen (z.B. P. aeruginosa)
kein ß Defensin bilden.
Abbildung 5: Genexpression bei chronisch polypöser Sinusitis: Verminderte ß Defensinbildung (S. Maune)
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standen und deren akute Erstinfekte adäquat behandelt wurde auf mögliche Defekte der Mukosa – Immunität untersucht.
[38] Besonderer Wert wurde neben einer
sorgfältigen Anamnese und physikalischen
Untersuchung auf vorangegangene Behandlungen (Antibiotikum, Dosierung, Dosierungsintervalle, Therapiedauer, unterstützende Therapie) gelegt.
An laborchemischen Untersuchungen
wurden die Entzündungsparameter sowie
die Untersuchung der spezifischen adaptiven körpereigenen Abwehr einschließlich
Ig E, RAST. Weiters wurde die unspezifische
Abwehr beurteilt sowie nach anatomischen und funktionellen Defekten gefahndet.
Insgesamt 45 dieser Patienten, bei denen
• eine adäquate Behandlung des Erstinfektes durchgeführt wurde,
• keine anatomischen (Adenoide, Deviation
der Nasenscheidewand, Lippen- KieferGaumenspalte) und funktionellen Störungen vorlagen,
• keine Allergie diagnostiziert wurde und
eine
• normale humorale und zelluläre Immunität vorlag, wurden in die Evaluierung
eingeschlossen. Der Abstrich von Wangenschleimhautepithelien und die Bestimmung der Mukosaimmunität erfolgte bei der Erstuntersuchung, nach 3 bis 6
Monaten und nach 1 Jahr.
Insgesamt wurde bei 53 Patienten mit
den oben genannten Einschlusskriterien
eine initiale Bestimmung der Mukosaimmunität durchgeführt. Von diesen Patienten zeigten 43 Patienten initial eine ß
Defensinkonzentration von < 50 % einer
Kontrollperson.
< 10% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Patienten*
20 – 29% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Patienten
30 – 39% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Patienten
40 – 49% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Patienten
* 1 Patient mit einer schweren carnifizierenden Pneumonie zeigte einen selektiven
Ig A Mangel und einen Ig G 2 und 4 Subklassendefekt, der durch Dauersubstitution
mit Gammaglobulinen behandelt wurde.
Die Diagnosen bei diesen Patienten
bestanden in
• Rezidivierende
Sinusitis
16 Patienten
• Rezidivierende
Pneumonie/Bronchitis
6 Patienten
• Rezidivierende
Otitis media
11 Patienten
• Mucokutane
Candidiasis: 2 Patienten (Geschwister)
• Rezidivierende
Harnwegsinfektionen
4 Patient
• Rezidivierende
Durchfallerkrankungen
3 Patient
• Rezidivierende Hautgranulome
durch P. aeruginosa
1 Patient
Rezidivierende Infekte bei Trisomie 21
In einer gesonderten Untersuchung wurden
8 Patienten mit Trisomie 21 und rezidivierenden Infekten der Luftwege (chronische
bakterielle Rhinitis, Sinusitis, Otitis media)
eingeschlossen. Alle Patienten zeigten rezidivierende Infekte der oberen Luftwege sowie eine Hyperplasie der Adenoide. Bei allen
Patienten mit Trisomie 21 wurde eine ß Defensin Bildung zwischen 20 – 29 % der
Werte von gesunden Vergleichspersonen
ohne rezidivierende Infekte beobachtet.
Therapeutische - Präventive
Untersuchungen bei dieser
Patientengruppe
Natürliche, aber auch synthetische Oligonukleotide – z.B. in Bakterienlysaten – enthalten alle Strukturen, die die ß Defensinbildung umfassend stimulieren. Sie stellen
einerseits ein überaus potentes Adjuvans
dar, anderseits stimulieren sie über diese
verschiedenen TLR-Strukturen die Bildung
proinflammatorischer Zytokine. [21,22, 23,
24] Es war von Interesse, ob Bakterienlysate eine Stimulation der ß Defensinbildung
bewirken können.
39 Patienten mit einer Bildung von
ß Defensin < 50 % im Vergleich zu „matched pairs“ wurden mit Bakterienlysaten
1 Kapsel täglich über 30 Tage behandelt,
4 Patienten erhielten keine Prophylaxe.
Bei 34 Patienten konnte die ß Defensinbildung
von < 50% auf zwischen 60 und 100 % der
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Kontrollperson gesteigert und mit einer
wesentlichen Abnahme der Häufigkeit und
Schwere der Infektionen korreliert werden.
Bei 5 Patienten konnte keine Änderung des
Befundes erreicht werden.
Rezidiviernde Harnwegsinfektionen
bei normaler Urodynamik
Bemerkenswert erscheint, dass 90 % aller
Mädchen bis zum 14. Lebensjahr nie an
einer Harnwegsinfektion erkranken, von
den 10 %, mit einer ersten Harnwegsinfektion ca. 66 % eine Neigung zu rezidivierenden Harnwegsinfektionen aufweisen. Neben einer inkompletten restharnfreien Miktion durch Fehlbildungen der ableitenden
Harnwege, meist eines Refluxes unterschiedlichen Grades ist eine vermehrte Besiedelbarkeit entweder durch eine verminderte Mukosaimmunität oder eine gesteigerte Rezeptordichte für E. coli an Uroepitelien verantwortlich.
Bei Untersuchungen von Patienten mit
rezidivierenden Harnwegsinfektionen und
normaler Urodynamik konnte beobachtet
werden, dass eine 5- bis 8-fach höhere Adhärenz von Mikroorganismen an Uroepithelien des Morgenharns (29 ± 5 versus
5 ± 2 Mikroorganismen pro Epithelzelle) zu
beobachten war als bei Patienten ohne häufige Rezidive.
Eine vermehrte Besiedelbarkeit von Uroepithelien wurde auch bei Patienten, die
wegen eines Refluxes eine Antibiotika
Dauerpropylaxe erhielten und zu rezidivierenden Infektionen mit multiresistenten
Stämmen, die durch die Verabreichung des
Antibiotikums in der Stuhlflora selektioniert
werden, neigen.
Im Gegensatz dazu zeigten Patienten mit
Reflux ohne häufige Durchbruchsinfektionen keine vermehrte Besiedelbarkeit von
Uroepithelien. [39]
Mannhardt-Laackmann konnte zeigen,
dass bei einem Kollektiv von Patienten mit
rezidivierenden Harnwegsinfektionen ohne
funktionelle urodynamische Besonderheiten vor allem eine mangelhafte ß Defensinbildung als Ursache in Frage kommt. Die
Untersuchung erfolgte nach der oben beschriebenen Methode. [40]
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wie Mesalazin zeigt, unterstützen diese
Annahme.[46]
Paradontitis
Die Ätiologie der Paradontitis steht ebenso
vor der Klärung. Auch hier besteht eine verminderte Aktivität der Mukosa-Immunität,
die eine Besiedelung der Gingivaschleimhaut mit verschiedenen Mikroorganismen
begünstigt. Bei der akuten Paradontitis
wurde die Rolle der dendritischen Zellen der
Mukosa in der Antigenerkennung untersucht und Defekte der Stimulation von antimikrobiellen Peptiden in der Schleimhaut
beschrieben. [47, 48]
Neue Medikamente
Abbildung 9: Antimikrobielle Aktivität von Uroepithelien des Morgenharns nach Stimulation mit
E. coli. Habilitationsschrift W. Mannhardt-Laakmann, Mainz 2002
Ob die vermehrte Besiedelbarkeit von Uroepithelien des Morgenharns durch eine Erhöhung der Rezeptordichte oder die verminderte Mukosaimmunität dafür verantwortlich ist, wird gegenwärtig noch diskutiert.
Morbus Crohn
Eine Vielzahl von Theorien wie Diät, Infektionen, unidentifizierte Umweltfaktoren
und eine Immundysregulation auf der Basis
einer genetischen Prädisposition des Patienten werden gegenwärtig als Ursache
von Morbus Crohn diskutiert: Eine weitere
von vielen akzeptiertne Theorien beschreibt
den Morbus Crohn als eine dysregululatorische Immunantwort auf eine weitgehend
harmlose Darmflora. [41, 42]
Die gegenwärtig attraktivste Erklärung zur
Pathogenese ist eine gestörte mikrobielle
Abwehr durch ß Defensine, die von PanethZellen und intestinalen Epithelzellen gebildet werden. Verschiedene direkte und indirekte Mechanismen führen zum Zusammenbruch der antimikrobiellen Barrierefunktion. [43, 44]
Untersuchungen weisen darauf hin, dass
entzündliche Darmerkrankungen auf einer
Mutation des intrazellulären Pathogen
Recognition Receptor (PRR = TOLL/TOLLlike-Rezeptors) für die „Nucleotide-binding
oligomerization domain 2“ (NOD2) beruht.
Periphere Blutleukozyten von Patienten, homozygot für die 3020insC NOD2 Mutation
zeigten eine um 70 % verminderten
Zytokin Antwort nach Stimulation mit
M. paratuberculosis. Diese Daten könnten
aber auch erklären, dass bei der Erkennung
von M. paratuberculosis durch die angeborene Abwehr/Mukosaimmunität genetisch
codierte Veränderungen des TLR2, TLR4,
und NOD2 betroffen sind. [45]
Diese Ergebnisse können eine gemeinsame
Plattform für die verschiedenen Theorien
ermöglichen: Auf Grund der genetischen
Mutation ist die Antigen-Erkennung und
Abwehr von Mycobacterium avium subsp.
Paratuberculosis durch TOLL-Rezeptoren
nicht gegeben. Die verminderte Aktivität
der Mukosaimmunität erlaubt zudem Mikroorganismen der normalen Darmflora in
die Schleimhaut einzudringen und eine
chronische Entzündungsreaktion herbeizuführen.
Hinweise, dass durch ein Coli-Biogen den
Stamm Nissle 1917 (Mutaflor®), die ß Defensinbildung stimuliert wird und dieses
Präparat eine ähnlich gute Wirksamkeit
In den letzten Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, Medikamente
zu entwickeln, die auf diesen neuen Erkenntnissen der Mukosaimmunität basieren. Präparate, die die von Fröschen gebildeten Porine zur Behandlung von Hautinfektionen verwenden, wurden bereits erfolgreich klinisch getestet.
Andere Substanzen auf der Basis der
Stimulation der Mukosaimmunität mit lokaler antimikrobieller Wirksamkeit gegen
bakterielle Hautaffektionen, als antineoplastische Medikamente, gegen Allergien sind
in Phase I, II und III klinischer Evaluierung.
[49]
Diskussion
Die Oberflächen höherer Organismen sind
normalerweise mit zahlreichen Mikroorganismen übersät, es kommt aber nur selten
zu Infektionen. Bisher galt, dass Haut und
Schleimhäute primär als physikalische Barriere wirken und Infektionen durch eine undurchdringliche Schicht aus Lipiden, Hornschuppen und Schleim, durch die Zilienbewegung und durch eine mechanische Klärfunktion abgewehrt werden.
Das Wachstum der Mikroorganismen bleibt
trotz optimaler Wachstumsbedingungen
(Anwesenheit von Feuchtigkeit, Salzen,
Aminosäuren, Wärme) in ihrer Zahl in bestimmten Körperregionen nahezu konstant.
Diese Beobachtung ließ vermuten, dass die
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Haut und andere Körperoberflächen mit
Kontakt zur Umwelt neben der physikalischen Barriere auch ein chemisches Abwehrsystem besitzen, das die Besiedlung
durch Mikroorganismen sowohl qualitativ
als auch quantitativ kontrolliert. [50]
Dies wurde insbesondere durch die Bildung
genetisch kodierter antimikrobieller Substanzen, die von Epithelzellen von Pflanzen,
Wirbellosen- und Wirbeltieren einschließlich
des Menschen auf Haut und Schleimhäuten
produziert werden, erklärt. Bekannt ist dieses Pänomen bereits seit 1922 als Fleming
das „bactericidal permeability increasing
protein“ – heute als Lysozym bezeichnet –
beschrieben hatte. [11] Einige dieser antimikrobiellen Peptide – die alpha Defensine
– werden ständig in gleichbleibenden Mengen, andere wiederum – die ß Defensine –
in erster Linie durch Kontakt der Epithelzellen mit pathogenen Mikroorganismen
über bisher weitgehend unbekannte Rezeptoren oder über proinflammatorische Zytokine bei Kontakt pathogener Mikroorganismen mit der Epithelzelle gebildet.
Entzündungsmediatoren, die durch diese
verschiedenen TLRs induziert werden, sind
TNFa, TNFgamma, Il 1 und Il 6, die ebenso
wie bakterielle Mikroorganismen z.B. ß Defensin II freisetzen. Als TLR Signaltransduktoren für die Freisetzung der proinflammatorischen Zytokine fungieren MyD88, Tirap,
Trif, Tram. Bisher kennt man mindestens 9
(+1) verschiede TL-Rezeptoren, die auf unterschiedliche Strukturen bakterieller Mikroorganismen reagieren, eine bestimmte
Sequenz von Entzündungsmediatoren freisetzen und bakterizide Eigenschaften besitzen. TLR 4 wird durch LPS gramnegativer
Mikroorganismen stimuliert, TLR 2 von
gram-positiven Keimen initiiert. [51] In Bakterienlysaten sind viele dieser stimulierenden Stoffe vorhanden.
Eine Reihe von Erkrankungen, für die bisher
keine ausreichende pathophysiologische
Erklärung vorlag, können heute durch eine
verminderte Mukosaimmunität erklärt werden. Eine Pilotuntersuchung hat gezeigt,
dass bei Patienten mit rezidivierenden
Infektionen und intakter spezifischer körpereigener Abwehr ein Mangel an ß Defensi-
nen eine pathogenetische Rolle spielen
kann. In diesem vorselektionierten Krankengut wurde bei der Majorität der Patienten eine massive bis deutliche Verminderung der Bildung antimikrobieller Peptide
beobachtet. Es ist gerechtfertigt, diesem
lokalen Defekt der Mucosaimmunität bei
der Pathogenese rezidivierender Infekte
eine wesentlich größere Bedeutung beizumessen als z.B. einem Defekt der spezifischen Immunität wie z.B. der Brutonschen
Agammaglobulinämie.
Bei der Behandlung von Patienten mit rezidivierenden Infektionen vor allem der Atemwege kommt der Optimierung der antimikrobiellen Behandlung eine entscheidende
Bedeutung zu. Für einen nachhaltigen Behandlungserfolg sind neben der Wahl eines
wirksamen Antibiotikums, der richtigen
Tagesdosis, der richtigen Dosierungsintervalle (optimale Pharmakodynamik und
Überschreiten der mittleren Hemmkonzentrationen am Infektionsort für mindestens
66 % besser 75 – 90 % der Zeit bis zur
nächsten Dosis) und der korrekten Verabreichungsweise eine entscheidende Bedeutung zu. Zuletzt ist auch eine korrekte Therapiedauer, die sich primär nach pathophysiologischen und funktionellen Gesichtspunkten richtet, von wesentlicher Bedeutung im
Hinblick auf das Auftreten von Rezidiven.
Eine optimale antimikrobielle Erstbehandlung ist entscheidend bei der Verhinderung von Rezidiven.
Eine antibiotische Dauerprophylaxe zur Verhinderung rezidivierender Infekte hingegen
ist nur in Ausnahmefällen erfolgreich. Sie
führt zur Selektion sowie Induktion resistenter bakterieller Mikroorganismen als
Erreger von Rezidiven, was den Einsatz von
oft nur noch parenteral verabreichbarer
Breitspektrum Antibiotika erforderlich
macht. Obwohl in ihrer Bedeutung vielfach
unterschätzt, kommt einer Verbesserung
der unspezifischen Abwehr wie der mukoziliären Clearance eine wesentliche Bedeutung zu. Auch die Untersuchung und Korrektur von anatomischen und funktionellen
Störungen des Sekretflusses und der Belüftung von Oberflächen sowie der Mukosaimmunität ist wichtig.
Bei Säuglingen und Kleinkindern mit rezidivierenden Infektionen können auf verschiedenen Ebenen der körpereigenen Abwehr
Defekte bestehen. Eine effiziente Behandlung rezidivierender Infekte muss sich nun
einer entsprechenden Diagnostik bedienen,
um die einzelnen pathogenetischen Ursachen gezielt behandeln zu können.
In kontrollierten Untersuchungen konnte
eine Reduktion rezidivierender Infekte
nachgewiesen werden. [52, 53, 54] Die
Stimulation der Mukosaimmunität z.B.
durch detoxifiziertes Lipid A bzw. dem Monophosphoryl Lipid A über TLR4 in Kombination mit einer Vakzine hat eine deutliche
Steigerung der Immunantwort zur Folge.
[55] Untersuchungen weisen auch darauf
hin, dass es über die Aktivierung der TLR 4
auch zu einer Aktivierung der adaptiven Immunität kommt. [56]
In Bakterienlysaten ist unter anderem auch
detoxifiziertes Lipid A enthalten. Unsere
Untersuchungen weisen darauf hin, dass
die Verabreichung von Bakterienlysaten in
einem hohen Prozentsatz der Patienten mit
rezidivierenden Infektionen zu einer Besserung der Mukosa-Immunität und zu einer
substantiellen Abnahme der gehäuften Infekte führt. Allerdings ist eine optimierte
antimikrobielle und funktionelle Behandlung der Infekte Voraussetzung.
Ausblick
Die körpereigene Abwehr ruht auf 3 Säulen,
von denen jede Säule bei rezidivierenden Infektionen im Kindesalter gestört sein kann.
1) die stimulierbare, adaptive, spezifische,
körpereigene Abwehr, die auf der Bildung von Antikörpern inklusive Sekretions Ig A Antikörpern und der T Zell Immunität beruht. Defekte dieses Abwehrsystems wie die Brutonsche Agammaglobulinämie, oder T Zell Defekte sind
selten.
2) die unspezifische körpereigene Abwehr,
zu der in erster Linie die mukoziliäre Clearance mit Zilienschlagfrequenz, regulärer
Schleimschicht, Belüftung von Schleimhäuten und freier Sekretfluss zählen, und
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die die Besiedlung der Schleimhäute mit
Mikroorganismen reguliert. Auch die normale Bakterienflora auf Schleimhäuten
des Respirationstarktes, des Urogenital
Traktes und der Haut trägt dazu bei, dass
sich pathogene Mikroorganismen nicht
an Epithelzellen festsetzen können. Zudem kommen noch eine Vielzahl weiterer
Abwehrmechanismen, die in Synergie mit
den oben genannten Abwehrsystemen
die Besiedelung von Epitheloberflächen
beeinflussen. Die Blockierung der Besiedelung erfolgt z.B. auch durch Rezeptor –
analoge Kohlenhydrate. Die unspezifische
Abwehr ist bei Entzündungsprozessen
profund gestört. Sie wird vorwiegend
durch eine optimale antimikrobielle Behandlung d.h. eine rasche Elimination der
Mikroorganismen sowie eine unterstützende Behandlung z.B. durch Phytopharmaka beeinflusst.
3) die neu entdeckte angeborene Abwehr
oder Mucosaimmunität: Sie beruht darauf, dass der Körper Rezeptoren besitzt,
die ohne einen vorangegangenen Kontakt Strukturen bakterieller Mikroorganismen (PAMPs) über die sog. TOLL und
TOLL-like-Rezeptoren (TLR) erkennen
und eine Kaskade von proinflammatorischen Zytokinen mit direkter antimikrobieller Wirkung oder über Vermittlung
von ß Defensin freisetzen.
Von besonderem Interesse ist es in Zukunft,
das Ausmaß der Verminderung der Mukosaimmunität bei Patienten mit rezidivierenden
Infektionen zu definieren. In der Folge ist es
notwendig, eine zeitliche Auflösung für die
ß Defensinbildung zu ermitteln, d.h. zeitliche Unterschiede zwischen Kontrollpersonen und den Probanden bezüglich der
Bildung von ß Defensin zu bestimmen. Eine
zeitliche Verzögerung der ß Defensinbildung kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Mukosa-Immunität führen,
da ß Defensin nur gegen ein kleines Inokulum, wie es bei einer Tröpfcheninfektion zustande kommt, wirkt. Bei zeitlicher Verzögerung der Wirkung kann durch Proliferation
der Keime die Wirksamkeit erheblich vermindert sein. Da im Rahmen einer Virusinfektion eine erhebliche Störung der unspezifischen körpereigenen Abwehr und
insbesondere der mucociliären Clearance
besteht, jedoch nur ein kleiner Prozentsatz
der Patienten an bakterieller Superinfektion
leidet, ist der angeborenen Mucosaimmunität eine möglicherweise entscheidende
Rolle zuzuschreiben. Es wäre dringend
nötig, diese Fragestellung in prospektiven
klinischen Untersuchungen abzuklären.
Offene Fragen bestehen nach wie vor in der
Untersuchung der Mukosaimmunität bei
Patienten mit Trisomie 21. Die Befunde, die
bei der Pilot-Untersuchung bei 8 Patienten
erhoben wurden, müssen noch in einem
größeren Kollektiv bestätigt werden.
Wieweit der konzertierte Ablauf einer
Infektion und die Immunantwort z.B. die
Th2 versus Th1 Immunantwort bei gestörter
Mukosaimmunität verändert ist und durch
Stimulation der Mukosaimmunität ev. auch
durch Bakterienlysate korrigiert werden
kann ist gegenwärtig noch zu wenig systematisch untersucht.
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