Aus der Fachzeitschrift : “Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde” (Niederländische Fachzeitschrift für Heilkunde); 2002; 146 : 2543-2547. Originaluntersuchung : Der günstige Einfluss einer standardisierten Eliminationsdiät auf das Verhalten jüngerer Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHD), eine explorative Untersuchung. L. M. J. PELSSER UND J. K. BUITELAAR* Kurzzusammenfassung: Ziele: Untersuchung, ob eine Standardeliminationsdiät die ADHD - Symptome bei einer heterogenen Gruppe jüngerer Kindern mit ADHD verringert. Untersuchungsdesign: Nicht-vergleichende, offene Untersuchung. Methode. 40 Kinder (36 Jungen und 4 Mädchen im Alter von 3-7 Jahren, das Durchschnittsalter betrug 4,8 Jahre), welche die DSM-IV Kriterien für ADHD erfüllten, nahmen während 2 Wochen ihre übliche Ernährung zu sich und anschließend 2 Wochen lang die Standardeliminationsdiät. Diese bestand aus einer breiten Variation von wenigen Lebensmitteln (Reis, Truthahn, Birne und Kopfsalat). Das Verhalten des Kindes war zu Beginn der Studie, nach dem ersten Untersuchungsabschnitt (Ausgangszustand) und nach der Diätperiode evaluiert worden. Die Eltern füllten am Ende jedes Untersuchungsabschnittes eine verkürzte Conner-Liste, den ADHD Fragebogen (ARS) und eine Körper- Beschwerdeliste aus. Der/Die LehrerIn füllte sowohl vor als auch nach der Diät die verkürzte Connerskala, und den ARS-Fragebogen aus. Ergebnisse. Nach Einschätzung der Eltern reagierten 25 Kinder (62 %) mit einer Verhaltensverbesserung von mindestens 50% auf der verkürzten Conner-Liste, sowie auch auf dem ARS auf die Diät. 9 Kinder (23%) stiegen vorzeitig aus, da es den Eltern nicht gelang, die Diät konsequent durchzuführen oder weil das Kind krank geworden war. Bei 15 Kindern gab es Ergebnisse der LehrerInnen: 10 von ihnen wurden sowohl von den Eltern als auch von den Lehrern als „Responder“ betrachtet (reagierten positiv auf die Behandlung) . Schlussfolgerung. Bei jüngeren Kindern mit ADHD können bei Anwendung einer Standardeliminationsdiät statistisch bedeutsame Symptomverringerungen erreicht werden. Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 1 Einleitung Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHD) ist eine häufig vorkommende (kinder)psychiatrische Störung, die gekennzeichnet ist durch hyperaktives Verhalten, Impulsivität und Probleme in der Konzentration (Lit.:1). Erbliche Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von ADHD. Unter Einbezug der Umwelt können zusätzlich prä- und postnatale Risikofaktoren Einfluss ausgeübt haben (Lit.:2). In den siebziger Jahren war die Beziehung zwischen Farbstoffen in der Ernährung und Verhalten häufig erforscht worden, mit dem damals wichtigsten Ergebnis, dass keine messbare Beziehung zwischen Nahrungsadditiven und Hyperaktivität festgestellt werden konnte (Lit.: 3-5). Die Hypothese, dass prinzipiell jeder Bestandteil der Nahrung Verhaltensprobleme verursachen könnte, führte dazu, eine Diät zu erforschen, die nur einige hypoallergene Bestandteile enthielt. Diese bestand überwiegend aus Reis, Truthahn, Kopfsalat und Birne. In einer Placebo-überprüften Doppelblind Studie reagierten rund 70% der Teilnehmer mit statistisch bedeutenden Verhaltensverbesserungen auf diese Diät (Lit.: 6 – 9). Die Teilnehmer dieser Studie waren jedoch vorselektiert aufgrund ihrer atopischen Konstitution oder sie hatten gut auf diätische Interventionen angesprochen. Das Ziel der Studie, welches in diesem Artikel beschrieben wird, war zu belegen, in welchem Ausmaß eine Standard-Eliminationsdiät die ADHD-Symptome bei einer heterogenen, nicht-vorselektierten Gruppe jüngerer Kinder mit ADHD beeinflussen kann. Dabei wurde die Hypothese getestet, ob eine Eliminationsdiät bei jüngeren Kindern mit ADHD zu einer Symptomverringerung führen würde, die sich in einer Reduktion der erreichten Punktzahl um mindestens 50% auf der verkürzten Conner-Skala (Lit.: 10) und dem ADHD Fragebogen zeigen würde (Lit.:11). PATIENTEN UND METHODE: 1. Patienten Nach Aufforderung in verschiedenen Zeitschriften hatten Eltern ihr Kind entweder gemeldet, oder die Kinder waren von Kinderpsychiatern überwiesen worden. Aufnahmekriterien waren: die Diagnose für ADHD nach dem DSM-IV (Lit.:12) musste erfüllt sein, das Alter sollte zwischen 3-7 Jahre betragen und die Einnahme von Psychopharmaka ausgeschlossen sein. Ausschlusskriterien waren: biologische Faktoren, die zur Entstehung von ADHD geführt haben könnten, wie z.B. Frühgeburt oder Alkoholmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft (Lit.:13). Die Studie begann mit 40 Kindern, 36 Jungen und 4 Mädchen, im Alter von 3-7 Jahren (Altersdurchschnitt: 4,8). Davon war bei 11 der 40 Kindern bereits ADHD diagnostiziert worden. Bei allen 40 Kindern war die Diagnose mit Hilfe eines strukturierten kinderpsychiatrischen Interviews (diagnostic interview schedule for childern – parents version (DISC-P) (Lit.: 14), welches mit den Eltern durchgeführt worden war, bestätigt worden. 36 Kinder erfüllten die Kriterien für ADHD des kombinierten Subtypus, 4 Kinder zeigten den hyperaktiven-impulsiven Subtyp und 31 Kinder erfüllten zusätzlich die Kriterien der oppositionellen Verhaltensstörung (ODD). 24 Kinder hatten eine Atopie, welche als Gradmesser für das Vorliegen einer klinisch manifesten Allergie bei einer Verwandtschaft ersten Grades (ein Elterteil, oder Geschwister) anzusehen ist. Alle Eltern gaben ihre Zustimmung zur Untersuchung. Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 2 Bewertung der Ergebnisse : Das wichtigste Ergebnis waren die Scores auf der verkürzten Conner-Liste (VCL) (Lit.:10). Dieser Fragebogen wird häufig in der pharmakologischen Forschung von ADHD eingesetzt und besteht aus10 Fragen, je 4-stufig skaliert und erfasst die Kernsymptome Ruhelosigkeit, Impulsivität und Ablenkbarkeit. Die Gesamtpunktzahl liegt zwischen 0 und 30. DIE VCL wurde 3 mal von den Eltern ausgefüllt: am Anfang der Untersuchung, nach durchgeführter Ausgangsdiät und im Anschluss an die Eliminationsdiät (siehe Abbildung). Das zweit wichtigste Resultat war der erzielte Score auf dem ARS (Lit.:11). Dieser Fragebogen enthält 9 Items über Ablenkbarkeit und 9 Items über Impulsivität und Hyperaktivität aus der Beschreibung von ADHD in dem DSM-IV, je ausgesetzt in einer 4-Punkte Skala. Die Eltern füllten diese Listen zur gleichen Zeit aus wie die VCL und der/die Lehrer(in) der Kinder füllten diese Listen jeweils nach den 2 Diätperioden aus. Der dritte Fragebogen betraf mögliche andere Beschwerden des Kindes. Gefragt wurde nach Vorkommen von körperlichen Beschwerden im Laufe des letzten Jahres, wie Magen-Darmproblemen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Exzeme, Asthma und übertriebenem Schwitzen, sowie Schlafprobleme (Lit.:15). Auf jede Frage konnte man mit „nicht“, „manchmal“ oder „häufig“ antworten. Es gab 2 Messzeitpunkte: vor der Ausgangsdiät und nach der Eliminationsdiät. Dieser Fragebogen wurde nur von den Eltern ausgefüllt. Nach Beendigung der Eliminationdiät wurde das DISC-P-Interview wiederholt, um nachvollziehen zu können, in welchem Ausmaß Veränderung stattgefunden hatten und wie weit die Kinder noch die Diagnosekriterien für ADHD und ODD erfüllten. Verfahren und Intervention : Während des Aufnahmeinterviews wurde mit Hilfe vom DISC-P die Diagnose ADHD verifiziert und eine Kartei angelegt, wo die komorbiden Störungen wie ODD miterfasst wurden (siehe Abbildung). Dann füllten die Eltern drei Fragebögen aus. Danach begann das Kind mit der Ausgangsdiät, bei der keine speziellen Nahrungsmittel gemieden werden mussten. Untersuchungszeitpunkte in Wochen FRAGEBÖGEN Körperbeschwerdeliste ADHD Fragebogen: (ARS) Eltern ARS Lehrer VCL Eltern VCL Lehrer DISC-P x X x x x x x x x Anfang 1. 2. 3. I------gewohnte Ernährung--------I 4. 5. X X X X X 6. I--------Eliminationsdiät-------------------I Zeitschema zur Untersuchung der Auswirkung der Standard-Eliminationsdiät auf das Verhalten junger Kinder mit ADHD; VCL = verkürzte Conner-Liste (Lit.:10); DISC-P = ' Diagnoseinterviewschedule Eltern-Kind- Version' (Lit.:14) Die Eltern hielten mit Hilfe eines Tagebuches alle Auffälligkeiten bezüglich Nahrung und Verhalten fest, damit man einen guten Einblick in die Essens- und Verhaltensmuster des Kindes gewinnen konnte. Nach 2 Wochen wurden zum 2. Mal Fragelisten ausgefüllt. Dann begannen die Kinder mit der 2 Wochen währenden Eliminationsdiät. Die Eliminationsdiät war abgeleitet worden von der „Wenig- Nahrungsmittel-Diät“ (few foods diet), welche aus Reis, Truthahn, Birne, Kopfsalat und Wasser bestand (Lit.:8, Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 3 Lit. 16). Da das Durchhalten der Diät schwierig war (Lit.: 8), wurden einige Nahrungsmittel hinzugefügt wie Mais, Apfel, Weizen und Honig, aber nur in beschränkten Mengen und mit Hilfe eines RotationsPlanes. Das Tagebuch wurde auch während der Eliminationdiätsperiode weitergeführt. Für alle Kinder waren die Untersuchungsbedingungen gleich. Statistische Analyse. Die von den Eltern ausgefüllten Fragebögen, welche bei den Messzeitpunkten 2 und 3 erhoben worden waren und die ADHD- Ergebnisse auf den DISC-P Listen wurden einer statistischen Überprüfung mit Hilfe des T-tests für Vorher-Nachhermessung unterzogen. Die Fragelisten, die von den Lehrern ausgefüllt worden waren, wurden wegen der geringen Anzahl mit dem Wilcoxon Test analysiert und binäre Ereignisse (wie die Anzahl der Kinder mit einer atopischen Konstitution unter den Respondern und den Non-Responders) mit dem messgenaueren Test von Fischer. Ein Kind galt als Responder auf die Diät, wenn die Verbesserung auf Messmoment 3 in Bezug auf Messmoment 2 eine Reduktion von mindestens 50 % Punkten sowohl auf der VCL als auch der ARS betrug. Die Statistikanalysen wurden mit SPSS durchgeführt (Version 9.0 für Windows). ERGEBNISSE 9 der 40 (23%) der teilnehmenden Kinder stiegen vorzeitig aus der Untersuchung aus; 3 in der Anfangsphase, da die Eltern doch nicht ausreichend Motivation hatten, die Diät durchzuführen, 3 entweder aufgrund Krankheit des Kindes oder wegen Motivationsmangel des Kindes und 3 nach Abschluss der Diät (erschienen nicht bei dem Abschlusstermin). Die restlichen 31 Kinder nahmen komplett an der Untersuchung teil. Bei 15 davon gab es ebenfalls Ergebnisse der Lehrer beim 2. und 3. Messzeitpunkt. Bei den übrigen Kindern gab es keinen Kontakt mit der Schule, entweder weil Ferien waren, oder weil das Kind noch nicht schulpflichtig war. ADHD-Symptome In den Fragebögen, die von den Eltern ausgefüllt worden waren (n =31; Tabelle 1) und von den Lehrern (n =15; Tabelle 2) waren die Problemscores statistisch signifikant niedriger am Messmoment 3 im Vergleich zu Messmoment 2. Die Verbesserungen betrafen sowohl die Unaufmerksamkeits- als auch die HyperaktivitätImpulsivitäts- Symptome. Nach den DISC-P Kriterien erfüllten am Ende der Untersuchung nur noch 4 der 31 Kinder die Kriterien für ADHD (p < 0,000). Nach Einschätzung der Eltern reagieren 25 der Kinder positiv auf die Diät („waren Responder“) ; bezogen auf die Gesamtgruppe von 40 sind dies 62% und bezogen auf die Gruppe von 31 Kindern, welche die Gesamtuntersuchung bis zum Ende mitmachten, waren das 81%. Von den restlichen 15 Kindern (38%) waren 9 Kinder ausgestiegen und 6 sprachen nicht auf die Diät an (waren Non-responder). Von 15 Kindern gab es auch Ergebnisse der Lehrer (Schule): 10 Kinder davon reagierten sowohl positiv zu Hause als auch in der Schule, 1 Kind reagierte nur zu Hause positiv, aber nicht in der Schule; die restlichen 4 Kinder wurden sowohl zu Hause als auch in der Schule als Non-responder beschrieben. ODD-symptome (oppositionelle Verhaltenssstörung) Am Ende der Eliminationsdiät war mithilfe des DISC eine statistisch bedeutsame Abnahme von ODDSymptomen erkennbar (siehe Tabelle 1). Vor der Eliminationsdiät erfüllten 26 der 31 Kinder die ODDKriterien. Von diesen 26 waren 21 Responder. Nach der Untersuchung zeigten nur noch 2 Kinder die ODD- Symptome (p<0,000). Körperliche Beschwerden : Vor der Eliminationsdiät hatten 20 der 31 Kinder 3 oder mehr körperliche Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, viel Durst und/oder übermäßiges Schwitzen, Durchfall, Ekzeme oder Asthma. Alle diese 20 Kinder gehörten zu den Kindern, die positiv auf die Diät reagierten (=“ Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 4 Responder“) (sieheTabelle 3). Nach der Eliminationsdiät hatte die Anzahl der körperliche Beschwerden abgenommen und zwar waren bei 13 Kindern (hiervon waren 9 Kinder Responder und 4 Kindern Nonresponder) alle körperlichen Beschwerden verschwunden. Es gab keinen Unterschied in der Anzahl der Kinder mit einer atopischen Konstitution zwischen der Responder-Gruppe (13/25) und der NichtResponder Gruppe 4/6 (p= 0,43). Tabelle: 1. ___________________________________________________________________________________________________ Von den Eltern mittels der verkürzten Conner-Skala (VCL) (Lit.: 10) und der ' ADHD ratingscala (ARS) (Lit.:11) ermittelte Symptomscores vor und nach der Eliminationsdiät bei 31 Kindern mit (ADHD) und Kriterien für ADHD oder ODD (Oppositionelle Verhaltensstörung) erhoben mit Hilfe des 'Diagnostic interview schedule for parents and children version (DISC-P)’ (Lit.:14). VCL, mittlerer Score ' ADHD Bewertungsskala ' Unaufmerksamkeit Hyperaktivität/Impulsivität Summe DISC-P, Zahl der Kriterien : ADHD ODD Anfang der Üntersuchung nach Ausgangsdiät nach der Eliminationsdiät 95%- p für eine Differenz 24,13 (3.29) 25,35 (2.42) 8,84 (5.98) 14.28-18.75 * 19,10 (4.25) 22,42 (3.65) 4152 (6.60) 20,58 (4.21) 23,35 (2.39) 43,61 (5.12) 7,81(5.53) 8,42 (5.95) 16,23 (11,04) 10.36-15.19 * 12.86-17.01 * 23.18-31.59 * 15,03 (2.27). 6 (1.4) - 3,49 (4.75) 1,3 (1.8) 9,74-13,42† 3,86-5,60† * p = 0,000 für die Differenzen zwischen den Werten nach Ausgangsdiät und nach Eliminationsdiät; t-Test für Vorher-Nachher-Messung †p = 0,000 für die Differenzen zwischen der Zahl der erfüllten Kriterien am Anfang der Überprüfung und nach der Eliminationsdiät; Wilcoxon Test _______________________________________________________________________________________________________________ Tabelle: 2 _______________________________________________________________________________________________ Symptomscores vor und nach der Eliminationsdiät bei 15 Kindern mit (ADHD), wie von ihren Lehrkräfte mittels der verkürzten Conner-liste (VCL) (Lit.:10) und der ADHD Ratingskala (Lit.:11) festgestellt. nach Ausgangsdiät unter Eliminationsdät 95%-Signifikanz- p* niveau verkürzte Conner-liste 18,13 (3.60) 10,27 (4.57) 5.94-9.79 0,001 „ADHD Schätzskala ' Unaufmerksamkeit Hyperaktivität/Impulsivität Summe 13,27 (5.26) 16,73 (4.79) 30,00 (7.16) 8,40 (5.53) 9,80 (5.45) 18,20 (9.56). 2.39-7.34 4.18-9.68 7.40-16.20 0,007 0,001 0,001 * p-Wert für die Differenz vor und nach Elirninationsdiät; Wilcoxon Test. ______________________________________________________________________________________________________________ Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 5 Diskussion In dieser offenen Studie beeinflusste die Diätintervention die Verhaltensprobleme einer Anzahl junger Kinder mit ADHD im positiven Sinn. Der Prozentsatz der Responder war vergleichbar mit den Ergebnissen früherer Forschungen (Lit.: 6-9). Dieser hohe Prozentsatz könnte das Ergebnis der Auswahlkriterien sein. Kinder, bei denen prä – und postnatale Risikofaktoren für das Entstehen des ADHD vorhanden gewesen waren, waren im Vorfeld von der Untersuchung ausgeschlossen worden. Auch die Zusammensetzung der Diät kann einen Einfluss auf den hohen Prozentsatz der Responder haben: in einer Studie, wobei Nahrungsmittel, die das Verhalten beeinflussen können, wie Kartoffeln und Äpfel (Lit.:17) uneingeschränkt gegessen werden durften, wurde ein Prozentsatz an Respondern von nur 24% gefunden (Lit.:10). Außerdem erfüllten 84% der Kinder die ODD Kriterien. Die Kombination von ADHD mit aufsässigem oder aggressivem Verhalten ist prognostisch ungünstig (Lit.: 18, 19). Die Diät hatte in dieser Studie einen positiven Effekt sowohl bezogen auf ADHD als auch auf ODD Symptome. Die Kinder waren nicht vorselektiert hinsichtlich einer Affinität auf Diätintervention, atopischem Hintergrund oder Vorliegen von Allergien. Laut vorherigen Forschungsergebnissen hätten atopische Kinder mit ADHD (dafür belegt Lit. 9 und dagegen belegt Lit. 20) eine größere Chance auf Diätinterventionen zu reagieren. In dieser Studie wurde kein Zusammenhang zwischen atopischer Konstitution und Ansprechen auf die Diät gefunden. Obwohl die Versuchspersonen nicht nach körperlichen Beschwerden ausgewählt worden waren, kamen körperliche Beschwerden häufig vor. Da Kinder mit vielen körperlichen Beschwerden öfter weniger gut auf Medikamente ansprechen (Lit.: 21), könnte eine Eliminationsdiät für diese Kindern einen Ausweg darstellen. Tabelle 3 Anzahl (%) der Kinder mit körperlichen Beschwerden* mit ADHD vor und nach der Eliminationsdiät, aufgeteilt nach Respondern und nicht Respondern†. Anzahl der körperlichen Beschwerden ≥ 1-2 0 3 Responder (n = 25) Non-responder (n = 6) vorher nachher vorher nachher 20 (80) 5 (20) 0 (0) 0 (0) 16 (64) 9 (36) 0 (0) 5 (83) 1 (17) 0 (0) 2 (34) 4 (66) * Zum Beispiel: Magen-Darmbeschwerden z.B., Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Ekzeme, Asthma- und übermäßiges Schwitzen. † ein Kind galt als Responder, wenn die Punktzahl (scores) auf der verkürzten Connerliste und auf der ADHD rating scale sich nach der Eliminationsdiät um mindestens 50% verringert hatte (im Vergleich zur Ausgangsdiät). _________________________________________________________________________________________________________________ Eine wichtige Beschränkung dieser Studie ist, dass sie nicht doppelblind und Placebo-überprüft wurde. Zur Verifizierung der von den Eltern berichteten Änderungen, konnte Kontakt mit den Lehrkräften aufgenommen werden. Die Beobachtungen der Eltern wurden von den Lehrkräften bestätigt. Eine frühere Untersuchung bezüglich diätischer Intervention hatte (bereits) ergeben, dass die Beobachtungen der Eltern bestätigt werden konnten. Dies war eine Studie, die doppelblind und mit Placebo-kontrollierter Planung, sowie objektiven Tests durchgeführt worden war. (Lit.: 22) . Der Effekt hypoallergener Diäten in der Behandlung von ADHD war ebenfalls in einer doppel-blind ausgeführten Studie mit einer vorselektierten Gruppe (Lit.: 23) überzeugend nachgewiesen worden. Es ist nicht klar, auf welche Art die Ernährung das Verhalten beeinflusst: allergische, pharmakologische oder toxische Mechanismen könnten hierbei eine Rolle spielen. Die Zunahme der Zahl der atopischen Erkrankungen, die wohl überwiegend von den derzeitigen Ernährungsgewohnheiten verursacht werden, könnte ein Indikator für eine allgemeine Zunahme von Nahrungsmittelunverträglichkeiten sein (Lit.:24). Möglicherweise gibt es keinen immunologischen Mechanismus (Lit.:16), aber Bestandteile der Nahrung oder Metaboliten (= Abbauprodukte) davon könnten das Neurotransmittersystem des Gehirns direkt Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 6 beeinflussen (Lit.: 25). Forschungsergebnisse zeigen, dass bestimmte Farbstoffe, wie Erythrosine, die Abgabe der Neurotransmitter beinflussen können (Lit.: 26). Auf Grund dieser Forschungsergebnisse wären weitere Forschungen zum Einfluß der Nahrung auf das Verhalten der Kinder wünschenswert. Dabei sollten langfristige Effekte der Nahrung auf das Verhalten der Kinder untersucht werden. Auch müsste überprüft werden, ob die Diät nicht langfristig zu Nahrungsmängel bei dem Kind führen könnte. Obgleich Kinder mit statistisch bedeutsamen Verhaltensverbesserungen auf eine Diät reagieren können, muß klar gestellt werden, dass die Vulnerabilität (Empfindlichkeit) des Kindes für ADHD mit einer Diät nicht behoben werden kann. Wie bei der medikamentösen Behandlung kann eine Diät nicht zu einer endgültigen Heilung führen (Lit.:13). Aber mögliche Vorteile einer Diät sind, dass die Effekte während 24 Stunden wirksam sind und, dass die körperlichen Beschwerden sich verringern. Wenn die Kinder sich aber nicht konsequent an die Diät halten, kommen die Symptome zurück. Bei den Eltern ist deshalb viel Durchhaltevermögen und Konsequenz erforderlich, um die Diät auf Dauer durchzusetzen. Vorzugsweise richten sich neue Diätforschungsbemühungen immer wieder auf junge Kinder (Lit.:19). Auch aus präventiven Erwägungen heraus ist es wichtig bei jungen Kindern bezüglich ihrer ADHD Symptomatik zu intervenieren. Bei jüngeren Kindern ist das Befolgen einer Eliminationsdiät einfacher zu kontrollieren und die Diätbeschränkungen beeinflussen weniger das soziale Leben. Es ist noch unklar, wie der Einfluss der Nahrung auf das Verhalten beschaffen ist, außerdem beeinflusst eine Diät das tägliche Leben des Kindes und der Familie enorm. Aus diesem Grund ist zunächst Zurückhaltung bei der Anwendung der Eliminationsdiät geboten. Finanzielle Unterstützung: Stiftung Niederländische Kinder-Briefmarken. Abstract Favourable effect of a standard elimination diet on the behavior of young children with ADHD: a pilot study Objective. To determine whether a standard elimination diet can decrease the ADHD-symptoms in a heterogeneous group of young children with ADHD. Design. Open, descriptive. Method. 40 children, 36 boys and 4 girls; aged 3-7 (average 4.8 years), who met the DSM-IV-criteria for ADHD, followed their usual diet for two weeks and thereafter for two weeks an elimination diet, based on the few foods diet (rice, turkey, pear and lettuce). The behavior of the child was evaluated at study entry, after the baseline period and at the end of the diet. Parents completed the 10-item Conners list, the ADHD Rating Scale and a physical complaints list. The teachers completed the 10-item Conners list and the ADHD Rating Scale twice, at the beginning and at the end of the diet. Results. According to the parent-ratings, 25 children (62%) showed an improvement in behavior of at least 50% on both the Conners list and the ADHD Rating Scale at the end of the elimination diet. Nine children (23 %) withdrew from the study because the parents were unable to stick to the diet or because the child fell ill. Among the 15 children with both parent and teacher ratings, 10 responded both at home and in school. Conclusion. In young children with ADHD an elimination diet can lead to a statistically significant decrease in symptoms. Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 7 Literatur : 1 Kooij JJS, Aeckerlin LP, Buitelaar, JK. 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Aanvaard Op 2 juli 2002 Ned Tijdschr Geneeskd 2002; I46:2543-2547. * Untersuchungszentrum für Hyperaktivität und ADHD, Vlokhovenseweg 11, 5625 WT Eindhoven. Frau Dr. L.M. Pelsser, wissenschaftliche Untersucherin. St. Radboud Universität Medizinisches Zentrum Abt. Kinderpsychiatrie, Nijmegen. Prof. Dr. J.K. Buitelaar, Kinderpsychiater. Korrespondenzadresse: Frau Dr. L.M. J. Pelsser ([email protected]). Übersetzt aus: Ned Tijdschr Geneeskd 2002,28 december; I46 (52) 8