FALLBERICHTE 300 Unregelmässiger Puls – unregelmässiges MRI Morbus Paget als Zufallsbefund Patrick Badertscher a , Piotr Urbaniak b , Dorothee Harder c , Stefan Osswald d Klinik für Innere Medizin, b Klinik für Rheumatologie, c Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, d Klinik für Kardiologie; Universitätsspital Basel a Hintergrund Der Fallbericht illustriert die Wichtigkeit der sorgfältigen Gewichtung der Resultate der bildgebenden Verfahren. Das durchgeführte Herz-MRI sollte der Darstellung der Anatomie des linken Vorhofs dienen und eignet sich nur bedingt zur Darstellung extrakardialer Strukturen wie in unserem Fall der Wirbelsäule. Fallbericht Anamnese Der Eintritt erfolgte zur elektiven Pulmonalvenen­ isolation bei paroxysmalem Vorhofflimmern. Der 69-jährige Patient beklagte neu einen deutlichen Leistungsknick. Im Rahmen der präinterventionellen Abklärungen erfolgte ein Herz-MRI zur Darstellung der exakten Anatomie des linken Vorhofs. In diesem MRI zeigte sich als Zufallsbefund eine circa 8 × 8 × 7 cm messende Raumforderung eines thoraka- der Alkalischen Phosphatase (AP) von 230 U/l. Bereits 2006 war die AP mit 158 U/l isoliert erhöht gewesen (Norm <129 U/l). Diagnose Morbus Paget mit Befall von BWK 10. Therapie Wir haben uns bei diesem Patienten aufgrund des Ausmasses, der Hinterkantenbeteiligung und der Frakturgefahr mit potentiellen konsekutiven neurologischen Ausfällen für eine Therapie mit Zole­ dronsäure (intravenös Aclasta®, 5 mg Kurzinfusion über 15 bis 20 Minuten) entschieden. Als häufige Nebenwirkungen sind grippeähnliche Symptome und in Einzelfällen eine Osteonekrose des Kiefers zu erwähnen. Diskussion len Wirbelkörpers (Abb. 1, 2). Der Befund war hochgradig verdächtig auf ein malignes Leiden. Der ge- Morbus Paget (MP), auch bekannt unter Ostitis defor- plante elektrophysiologische Eingriff wurde deshalb mans oder Osteodystrophia deformans, ist eine Er- verschoben. In der erweiterten Anamnese ergaben krankung des Skelettsystems mit lokal oder multilo- sich keine Hinweise für Rückenschmerzen oder eine kulär erhöhtem Knochenumbau, bei der es allmählich B-Symptomatik. zu einer Knochenverdickung kommt. In Erinnerung bleibt aus den Lehrbüchern der Patient, dem auf- Status grund des Umbaus der Schädelkalotte der Hut nicht Klinisch wies die gesamte Wirbelsäule keine Klopf­ mehr passt. Am häufigsten betroffen sind aber Hüfte dolenz auf. (70%) und Wirbelsäule (53%). Die Erkrankung tritt vorzugsweise nach dem 55. Lebensjahr auf und ist Befunde nach der Osteoporose die zweithäufigste Stoffwech- Das PSA bei Eintritt lag im Normbereich. Das umge- selerkrankung des Skelettsystems. Männer sind etwas hend durchgeführte CT Hals-Thorax-Abdomen ergab häufiger betroffen als Frauen. In Westeuropa sind bis das typische Bild eines mono-ostotischen Morbus zu 5% der Männer im achten Lebensjahrzehnt betrof- Paget des Wirbelkörpers BWK 10. Es zeigte sich eine fen [1]. Pathogenetisch geht man davon aus, dass die deutliche kortikale Verdickung, vergröberte zentrale erhöhte Knochenumbaurate eine Erkrankung der Trabekulierung sowie expansive Morphologie des Osteoklasten ist. Wirbelkörpers, auch unter Einbezug der Gelenkfort- Die Diagnose wird primär radiologisch gestellt. Mit- sätze und des Dornfortsatzes. Der Spinalkanal wird tels Computertomographie lässt sich die Verdickung aufgrund des expansiven Charakters ossär mässig- und Ausdehnung des Wirbelkörpers (58% der Fälle im gradig eingeengt (Abb. 3, 4). Im Übrigen fanden sich Bereich der LWS, 45% in der BWS) durch kortikale Hy- keine malignitätssuspekten Läsionen thorakal oder pertrophie und Verdickung des trabekulären Kno- abdominell. Passend zum radiologischen Befund chens am besten erkennen. Differentialdiagnostisch zeigte sich laborchemisch eine isolierte Erhöhung müsste man bei solchen radiologischen Veränderun- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(13):300–302 Fallberichte 301 gen an Metastasen (Prostata, Lunge), ein Osteosar- fällt üblicherweise normal aus. 33% aller Patienten kom oder an ein Hodgkin-Lymphom denken. Bei neu mit MP der Wirbelsäule entwickeln eine Spinal­ diagnostiziertem MP bietet es sich zudem an, eine kanalstenose mit möglicher radikulärer Schmerz- Knochenszintigraphie durchzuführen, einerseits zur symptomatik oder einer motorischen Schwäche. Bestätigung der Diagnose, andererseits zur Bestim- Weitere neurologische Dysfunktionen ergeben sich mung des Aktivitätsausmasses. Eine isoliert erhöhte durch verschiedenste Mechanismen, z.B. durch eine Alkalische Phosphatase (AP), wie in unserem Fall, Kompressionsfraktur, Hypertrophie der Facetten­ spricht ebenfalls für einen MP [2]. gelenke oder durch hypertrophierte Ligamente, Isch- Der MP verläuft in der Regel asymptomatisch. Das ämie sekundär durch Stealphänomen oder durch häufigste Symptom eines MP der Wirbelsäule sind Kompression der vaskulären Versorgung. Das Aus- Rückenschmerzen. Die neurologische Untersuchung mass der neurologischen Komplikationen durch Be- Abbildung 1: MRI des Herzens. T2 TRUFI axial. Übersichtssequenz. Raumforderung eines thorakalen Wirbelkörpers mit Infiltration des Spinalkanals. Der Befund ist suspekt auf das Vorliegen eines Malignoms. Abbildung 2: MRI des Herzens. Post-Kontrast-Sequenz. Axiale Schichtgebung. Raumforderung eines thorakalen Wirbelkörpers mit Infiltration des Spinalkanals und Kontrastmittelanreicherung. Der Befund ist suspekt auf das Vorliegen eines Malignoms. Abbildung 3: CT Thorax. Axiale Schnittebene. Deutliche kortikale Verdickung und vergröberte zentrale Trabekulierung des Wirbelkörpers BWK 10. Der Spinalkanal wird durch die expansive Form ossär mässiggradig eingeengt. Abbildung 4: CT der Wirbelsäule. Sagittale Schnittebene. Deutliche kortikale Verdickung und vergröberte zentrale Trabekulierung des Wirbelkörpers BWK 10, auch unter Einbezug der Gelenkfortsätze und des Dornfortsatzes. Verlängerter sagittaler Durchmesser. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(13):300–302 Fallberichte Korrespondenz: Dr. Patrick Badertscher Medizinische Klinik I 302 fall eines einzelnen Wirbelkörpers ist oft gering, und nate [5]. Die Effektivität der Therapie kann mittels eine chirurgische Dekompression ist selten notwen- Messung der AP erfolgen [6]. Auch nach medikamen- dig. Der spinale MP spricht gut auf eine medikamen- töser Behandlung ist eine Exazerbation bzw. ein Rezi- CH-4031 Basel töse Therapie mit Calcitonin und Bisphosphonaten div des MP oder gar eine maligne Entartung möglich, patrick.badertscher[at]usb.ch an [3]. weshalb ein Follow-up betroffener Patienten indi- In 0,2–1% der Fälle entarten betroffene Knochen zu ziert ist. Eine gute Möglichkeit zur Verlaufskontrolle einem Osteosarkom [4]. bei Patienten mit spinaler Beteiligung bieten die AP Petersgraben 4 Muss nun unser asymptomatischer Patient eine The- und das MRI. Letzteres vor allem auch unter dem rapie für seinen MP erhalten? Gemäss aktuellen Emp- Asp­ekt, vermeidbare Komplikationen frühzeitig zu fehlungen besteht bei asymptomatischen Patienten erkennen. mit Nachweis einer «aktiven» Erkrankung (bestimmt durch die Knochenszintigraphie oder erhöhte AP) eine Behandlungsindikation, wenn der MP Stellen befällt, die Komplikationen mit sich bringen könnten (z.B. Wirbelsäule oder gewichttragende Knochen). Therapie der Wahl sind stickstoffhaltige Bisphospho- Schlussfolgerungen für die Praxis Der Morbus Paget wird oft als radiologischer Zufallsbefund diagnostiziert. Das Erkennen möglicher Komplikationen ist ein wichtiger Schritt zur Indikationsstellung einer Therapie oder Notwendigkeit von Verlaufskontrollen. Bei älteren Patienten kann eine isoliert erhöhte Alkalische Phosphatase Ausdruck eines Morbus Paget sein. Die Therapie der Wahl sind intra­ venöse Bisphosphonate (Zoledronsäure). SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(13):300–302 Finanzierung / Interessenkonflikte Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. Literatur 1 Ralston SH, Langston AL, Reid IR. Pathogenesis and management of Paget’s disease of bone. Lancet 2008; 372:155. 2 Selby PL. Guidelines for the diagnosis and management of Paget’s disease: A UK perspective. J Bone Miner Res 2006; 21 Suppl 2:P92. 3 Hadjipavlou AG, Gaitanis LN, Katonis PG, Lander P. Paget’s disease of the spine and it’s management. Eur Spine J. 2001 Oct;10(59): 370-84. 4 Flachetti A, Masi L, Brandi ML. Paget’s disease of bone: there’s more than the affected skeletal – a clinical review and sugges­ tions for the clinical practice. Curr Opin Rheumatol 2010; 22:410. 5 Charles P. Vega, MD, Guideline Stresses Bisphosphonate Infusion for Paget Disease, Medscape Education Clinical Briefs, Jan 2015. 6 Siris ES, Lyles KW, Singer FR, Meunier PJ. Medical management of Paget’s disease of bone: indications for treatment and review of current therapies. J Bone Miner Res 2006; 21 Suppl 2:P94.