Carnosin, Beta-Alanin Synonyme Carnosin: Ignotin Beta-Alanin: 3-Aminopropionsäure, Beta-Ala Klassifizierung ? Kann aufgrund der zum heutigen Zeitpunkt geringen Anzahl an gesunden, nicht mangelernährten, trainierten Menschen durchgeführten Studien noch nicht klassifiziert werden. F Aufgrund von bisher an gesunden, nicht mangelernährten, trainierten Menschen durchgeführten Studien sind bei nicht adäquater Anwendung und Dosierung eine negative Leistungsbeeinflussung oder Nebenwirkungen nicht auszuschliessen. Allgemeine Beschreibung Carnosin (chemische Bezeichnung: N-Beta-Alanyl-L-Histidin) ist eine Eiweissverbindung aus den Aminosäuren Beta-Alanin und Histidin. Bei Mensch und Tier kommt es in Leber, Niere, Nervenzellen und Muskeln vor. Der Carnosingehalt in den Muskeln unterliegt in Abhängigkeit des Geschlechts, des Muskelfasertyps, der Sportart, des Trainingszustandes, der Carnosinzufuhr (Dauer, Menge) und weiteren Faktoren sehr starken Schwankungen. Oft können in der menschlichen Muskulatur Werte von 45-90 mg Carnosin pro 100 g Muskelmasse gemessen werden. Bei häufig anaerob trainierenden Personen mit hohem Anteil an schnellen Muskelfasern kann der Wert bis zu 180 mg Carnosin ansteigen. Im Gegensatz zur menschlichen Muskulatur sind die Carnosingehalte in der Muskulatur von Tieren bis zu zwanzigmal höher. So sind in 100 g Muskel vom Rind 160 mg, vom Huhn 270 mg, vom Pferd 540 mg, von der Trute 1300 mg und von Wal und Garnele gar 2000 mg Carnosin eingelagert. In Abhängigkeit der konsumierten Fleischart und -menge dürfte sich die tägliche Carnosinzufuhr über Lebensmittel im Bereich von 250-750 mg pro Tag bewegen. Metabolismus, Funktion, allgemeine Wirkung Eine Carnosingabe scheint ca. 90 Minuten nach der Einnahme zu den höchsten Beta-Alaninwerten im Blut zu führen. Carnosin selber oder Carnosin-ähnliche Substanzen können im Blut nicht festgestellt werden; vermutlich wird es nach der Aufnahme aus dem Darm im Blut gleich in die Aminosäuren Beta-Alanin und Histidin zerlegt. Nach Einnahme von Beta-Alanin erreichen die Beta-Alaninkonzentrationen im Blut nach ca. 40 Minuten Höchstwerte. Das Beta-Alanin im Blut gelangt zu den Muskel- und Nervenzellen und führt dort zum Aufbau von Carnosin. Hohe Beta-Alanin- oder Carnosinzufuhren scheinen das Carnosin in den Muskelzellen unabhängig vom bestehenden Carnosingehalt anzuhäufen. Diese Füllung/Überfüllung der Carnosinspeicher ist im Sport interessant, da Carnosin und verwandte Substanzen wie Anserin und Balenin in den Zellen an zahlreichen Stoffwechselfunktionen mitbeteiligt sein sollen: Sie puffern Säuren in der Zelle, wirken als Antioxidans, binden Metalle (z.B. Kupfer, Zink), Antidoping Schweiz, Postfach 606, CH-3000 Bern 22, Tel. +41 31 359 74 44, Fax +41 31 359 74 49, [email protected] 1/6 verbessern die Reizübermittlung zwischen Nervenzellen, beeinflussen die verschiedene Enzyme (z.B. Myosin, ATPase) und die Membranstabilisation (z.B. sarkoplasmatisches Retikulum). Aufgrund dieser und weiterer möglicher Funktionen im Stoffwechsel wird Carnosin neben der Leistungssteigerung auch als Wirkstoff bei der Therapie von Polyarthritis, Bluthochdruck, Wundheilungsstörungen, Augenlinsentrübungen, Magen-/Darmgeschwüren, nicht operierbaren Tumoren und Immunschwächen diskutiert. Spezifische Wirkung auf die Leistungsfähigkeit Fazit: Carnosin besteht aus den Aminosäuren Beta-Alanin und Histidin. Beta-Alanin- und Carnosin-Supplemente erhöhen den Muskel-Carnosingehalt und wirken dadurch vermutlich als Regulatoren des Calciumhaushaltes und als Puffersubstanz indirekt leistungssteigernd bei intensiven Belastungen von 1-2 Minuten und vermutlich auch beim Sprint nach Ausdauerbelastungen. Grössere Mengen Carnosin oder Beta-Alanin können zu Hitzewallungen und Kribbeln vor allem im Kopfbereich, Oberkörper und Rücken führen. Bei wiederholten hochintensiven Belastungen sind die leistungslimitierenden Faktoren in der Muskelzelle bekannt: Muskelstrukturen werden geschädigt, der Energiespeicher erschöpft sich, Stoffwechselprodukte häufen sich an und es entsteht oxidativer Stress (siehe Tabelle im Anhang). Obwohl Carnosin in der Muskelzelle theoretisch alle diese leistungslimitierenden Faktoren beeinflussen könnte, sind vermutlich die Wirkungen als Regulator des Calciumhaushaltes und als Puffersubstanz in der Zelle verantwortlich für die Leistungssteigerung. Der pH-Wert in der Zelle scheint neben Phosphat, Bikarbonatpuffern und dem aktiven und passiven Wasserstoffionentransport auch durch Carnosin und verwandte Substanzen (z.B. Anserin) reguliert zu werden. In einer Studie bei Athleten wurde der Effekt einer Beta-Alanin-Supplementation (viermal täglich 1,5 g während vier Wochen, dann zweimal täglich 1,5 g während den nächsten drei Wochen) bei hochintensivem Intervalltraining untersucht. Es wurde eine verbesserte Ausdauerleistung und eine Zunahme der fettfreien Körpermasse festgestellt. 30 Tage Beta-Alanin-Supplementation (4,5 g pro Tag) führte bei trainierten Football-Spielern zu grösseren Trainingsvolumen und verringerter subjektiver Müdigkeit. Die gezielte mehrwöchige Einnahme (ca. 4-10 Wochen) von hohen Dosen Beta-Alanin oder Carnosin, welche die geschätzte durchschnittliche Tageszufuhr von 250-750 mg / Tag um etwa das Zehnfache übersteigen, scheint den Carnosingehalt in der Muskelzelle durchschnittlich um 40-60 % über die Normalwerte anzuheben. Diese Carnosinüberfüllung in der Muskelzelle soll die Pufferkapazität in langsamen Muskelfasern von 6 % auf 10 %, in schnellen Muskelfasern von 10 % auf 20 % erhöhen. Vermutlich führt die erhöhte Säurepufferkapazität in der Muskelzelle bei hochintensiven, sich wiederholenden Belastungen zu verbesserten Leistungsparametern wie die Zeit bis zur Erschöpfung, die Leistungsfähigkeit an der Ermüdungsschwelle, die Trainingsqualität (Intensität, Umfang) sowie die Körperzusammensetzung. Bei hochintensiven, einmaligen Belastungen (z.B. 400-Meter-Lauf) konnte in einer Studie allerdings kein leistungsfördernder Effekt einer Supplementation beobachtet werden. Antidoping Schweiz, Postfach 606, CH-3000 Bern 22, Tel. +41 31 359 74 44, Fax +41 31 359 74 49, [email protected] 2/6 Obwohl bei den bisher durchgeführten Studien meistens eine zumindest indirekte Leistungssteigerung festgestellt wurde, werden aufgrund der zum heutigen Zeitpunkt geringen Anzahl an gesunden, nicht mangelernährten, trainierten Menschen durchgeführten Studien Beta-Alanin/Carnosin-Supplemente bezüglich des leistungsfördernden Potentials noch nicht klassifiziert. Weil eine negative Leistungsbeeinflussung oder Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden können, werden Beta-Alanin/Carnosin-Supplemente auch der Klasse F zugeteilt. Mögliche Nebenwirkungen Die einmalige Einnahme grosser Mengen an Beta-Alanin (> 10 mg/kg Körpergewicht) oder Carnosin (> 3 g) scheint bei einer Vielzahl von Personen ca. 20-60 Minuten nach Einnahme zu Hitzewallungen und Kribbeln vor allem im Bereich Kopf, Oberkörper und Rücken zu führen (Flushing). Die potentiellen Nebenwirkungen der relativ hohen täglichen Beta-Alanin/Carnosinmengen während 4-10 Wochen, die zur Überfüllung der Carnosinspeicher nötig sind, sind grösstenteils noch nicht geklärt. So kann nicht schlüssig beurteilt werden, in welchem Ausmass derart hohe Beta-Alanin/Carnosinzufuhren mit anderen Substanzen interagieren (z.B. Taurin, Vitamin E, Koffein) oder die Aktivität körpereigener Enzyme (Carnosinase, Carnosinsynthase) beeinflussen. Auch ist unklar, ob hohe Carnosingehalte in den Nervenzellen den Nervenstoffwechsel modulieren, und ob die überfüllten Carnosinspeicher - in Anbetracht der sehr kleinen Beta-Alanin/Carnosinverluste - wieder abgebaut werden können. Eventuell beeinflussen sie auch den Histidin- und damit Histaminstoffwechsel und könnten sich bei Personen mit einer bestehenden Stoffwechselstörung (Hyper-Beta-Alaninämie) ungünstig auswirken. Unbekannt ist auch die Wirkung einer möglichen Verunreinigung mit Herstellungsnebenprodukten (z.B. Hydrazin). Eventuell wird auch die körpereigene Synthese von Pyrimidin und Coenzym A verändert. Wegen der ungeklärten Nebenwirkungen, der aufwändigen täglichen Einnahme während mehreren Wochen und den hohen Kosten sollen – wenn überhaupt – nur qualitativ einwandfreie Beta-Alanin/Carnosinsupplemente und nur unter Kontrolle von Fachpersonen eingenommen werden. In der Schweiz sind keine zum Verkauf zugelassene hochwertigen Produkte bekannt. Anwendung und Dosierung Eine mehrwöchige hochdosierte Beta-Alaninzufuhr (Beispiel siehe Tabelle unten) könnte sich in Trainingsphasen mit hochintensiven Intervall-Belastungen als indirekt leistungsfördernd erweisen. Vermutlich wirken auch hochdosierte Carnosingaben indirekt leistungsfördernd. Antidoping Schweiz, Postfach 606, CH-3000 Bern 22, Tel. +41 31 359 74 44, Fax +41 31 359 74 49, [email protected] 3/6 Beispiel einer Beta-Alanin/Carnosin-Supplementation für eine 75 kg schwere Person: Anwendungsaspekt Beta-Alanin Carnosin Dosierung pro Tag ca. 65 mg/kg Körpergewicht = ca. ca. 162 mg/kg Körpergewicht = ca. 4,8 g 12g 6a · 0,4 g = 2,4 g 6a · 1,0 g = 6,0 g 6a · 0,6 g = 3,6 g 6a · 1,5 g = 9,0 g 6a · 0,8 g = 4,8 g 6a · 2,0 g = 12,0 g geschätzte Kosten pro Tag ca. Fr. 5.00 ca. Fr. 10.00 Anwendungsdauer 4-10-? Wochen 4-10-? Wochen Dosierung pro Tag 1. Anwendungswoche Dosierung pro Tag 2. Anwendungswoche Dosierung pro Tag 3. und folgende Anwendungswochen a Aus Gründen möglicher unerwünschter Nebenwirkungen soll die Einnahme von Beta-Alanin/Carnosin auf ca. sechs jeweils zwei Stunden auseinander liegende Einzelportionen verteilt werden. Antidoping Schweiz, Postfach 606, CH-3000 Bern 22, Tel. +41 31 359 74 44, Fax +41 31 359 74 49, [email protected] 4/6 Anhang Tabelle 1: Carnosin und mögliche Wirkungen in der Muskelzelle bei hochintensiven Belastungen Mögliche leistungsmindernde Faktoren in Muskelzellen bei Beispiele hochintensiven Belastungen 1. Schädigung von Nervenzellen Mögliche Carnosinwirkung bei hochintensiven Belastungen • Stimulation spezifischer Rezeptoren (SNSR's) Strukturen, die an der mit veränderter Schmerzempfindung Muskelkontraktion, - • Neurotransmittervorläufer (Gamma- relaxation beteiligt sind Aminobuttersäure) sarkoplasmatisches • Calciumabgabe sarkoplasmatisches Retikulum Retikulum durch Aktivierung Calciumkanäle (Muskelkontraktion) • Calciumaufnahme sarkoplasmatisches Retikulum durch erhöhte Calciumpumpenaktivität (Muskelrelaxation) 2. Aktin-Myosin-Kupplung • erhöhte Calciumsensitivität Sich erschöpfende • ATP Aktivierung von Enzymen wie ATPasen, Energiespeicher • Kreatinphosphat Glyceraldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase • Glykogen 3. Anhäufung von • ADP Imidazolring Histidin ist wesentlich an der Stoffwechselprodukten • inorganisches intrazellulären pH-Pufferung beteiligt Phosphat • Inosinmonophosphat • Ammoniak • Wasserstoffionen • Milchsäure • Magnesium 4. Oxidativer Stress • freie Radikale • Radikalfänger • reaktive Verbindungen • Bindung freier Metalle (Zink, Kupfer) (Sauerstoffverbindungen, • Stabilisierung von antioxidativen Enzymen (z.B. Aldehyde, Ketone) Superoxiddismutase) Antidoping Schweiz, Postfach 606, CH-3000 Bern 22, Tel. +41 31 359 74 44, Fax +41 31 359 74 49, [email protected] 5/6 Quellen 1. Scriver CR, Pueschel S, Davies E. Hyper-beta-alaninemia associated with beta-aminoaciduria and gammaaminobutyricaciduaia, somnolence and seizures. N Engl J Med 274: 635-43, 1966. 2. Quinn PJ, Boldyrev AA, Formazuyk VE. Carnosine: its properties, functions and potential therapeutic applications. Mol Aspects Med 13: 379-444, 1992. 3. Harris RC, Dunnett M, Greenhaff PL. Carnosine and taurine contents in individual fibres of human vastus lateralis muscle. J Sports Sci 16: 639-43, 1998. 4. Löffler G, Petrides PE. (Hrsg.) Biochemie und Pathobiochemie. p 961ff. 2003. Springer Verlag. 5. Begum G, Cunliffe A, Leveritt M. Physiological role of carnosine in contracting muscle. Int J Sport Nutr Exerc Metab 15: 493514, 2005. 6. Guiotto A, Calderan A, Ruzza P, Borin G. Carnosine and carnosine-related antioxidants: a review. Curr Med Chem 12: 2293315, 2005. 7. Harris RC, Tallon MJ, Dunnett M, Boobis L, Coakley J, Kim HJ, Fallowfield JL, Hill CA, Sale C, Wise JA. The absorption of orally supplied beta-alanine and its effect on muscle carnosine synthesis in human vastus lateralis. Amino Acids 30: 279-89, 2006. 8. Hoffman J, Ratamess N, Kang J, Mangine G, Faigenbaum A, Stout J. Effect of creatine and beta-alanine supplementation on performance and endocrine responses in strength/power athletes. Int J Sport Nutr Exerc Metab 16: 430-46, 2006. 9. Stout JR, Cramer JT, Mielke M, O'Kroy J, Torok DJ, Zoeller RF. Effects of twenty-eight days of beta-alanine and creatine monohydrate supplementation on the physical working capacity at neuromuscular fatigue threshold. J Strength Cond Res 20: 928-31, 2006. 10. Crozier RA, Ajit SK, Kaftan EJ, Pausch MH. MrgD activation inhibits KCNQ/M-currents and contributes to enhanced neuronal excitability. J Neurosci 27: 4492-6, 2007. 11. Derave W, Özdemir MS, Harris RC, Pottier A, Reyngoudt H, Koppo K, Wise JA, Achten E. beta-Alanine supplementation augments muscle carnosine content and attenuates fatigue during repeated isokinetic contraction bouts in trained sprinters. J Appl Physiol 103: 1736-43, 2007. 12. Hill CA, Harris RC, Kim HJ, Harris BD, Sale C, Boobis LH, Kim CK, Wise JA. Influence of beta-alanine supplementation on skeletal muscle carnosine concentrations and high intensity cycling capacity. Amino Acids 32: 225-33, 2007. 13. Özdemir MS, Reyngoudt H, De Deene Y, Sazak HS, Fieremans E, Delputte S, D'Asseler Y, Derave W, Lemahieu I, Achten E. Absolute quantification of carnosine in human calf muscle by proton magnetic resonance spectroscopy. Phys Med Biol 52: 6781-94, 2007. 14. Stout JR, Cramer JT, Zoeller RF, Torok D, Costa P, Hoffman JR, Harris RC, O'Kroy J. Effects of beta-alanine supplementation on the onset of neuromuscular fatigue and ventilatory threshold in women. Amino Acids 32: 381-6, 2007. 15. Hoffmann JR, Ratamess NA et al. Short-duration β-alanine supplementation increases training volume and reduces subjective feelings of fatigue in college football players. Nutr Res 28:31–35, 2008. 16. Smith AE, Walter AA et al. Beta-alanine supplementation and high-intensity interval training augments metabolic adaptations and endurance performance in college-aged men. J Int Soc of Sports Nutr 5(Suppl 1):P5, 2008. 17. Van Thienen R, Van Proeyen K et al. Beta-alanine improves sprint performance in endurance cycling. Med Sci Sports Exerc 41(4):898-903, 2009. Erstellt: Januar 2008, aktualisiert: Juli 2009 Antidoping Schweiz, Postfach 606, CH-3000 Bern 22, Tel. +41 31 359 74 44, Fax +41 31 359 74 49, [email protected] 6/6