1 Ausarbeitung der Vorlesung Grundlagen aus der Analysis 1 Modul G.Ana1 Studiengänge Bachelor, Master, Lehramt Mathematik: Kombi-Bachelor SoSe 2016 - apl. Prof. Dr. G. Herbort Bergische Universität Wuppertal 2 Bücher zur Vorlesung Endl, K. , Luh, W. : Analysis 1, Studientexte, AULA-Verlag Wiesbaden Klaus Fritzsche: Grundkurs Analysis 1, Spektrum/Elsevier. Otto Forster: Analysis 1, Vieweg-Verlag 1984. Konrad Königsberger: Analysis 1, Springer 2003 S. Hildebrandt: Analysis 1, Springer H. Heuser, Lehrbuch der Analysis, Teil 1, Teubner Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 1.1 Elemente aus der Mengenlehre . . . . 1.2 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zahlenbereiche: Angeordnete Körper 1.4 Das Induktionsprinzip . . . . . . . . 1.5 Abzählbarkeit . . . . . . . . . . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 11 17 21 28 4 INHALTSVERZEICHNIS Kapitel 1 Grundlagen 1.1 Elemente aus der Mengenlehre Wir wollen uns zuerst mit Schreibweisen aus der Mengenlehre bekannt machen. Die Mengenlehre selbst ist von dem Mathematiker Georg Cantor (1845 - 1918) ”erfunden” worden. Anlass dazu waren Fragen zur Konvergenz von Fourierreihen. Für uns sollen die Schreibweisen und Grundregeln der Mengenlehre nur insofern Bedeutung haben, als sie das angemessene Ausdrucksmittel sind, mit dem sich mathematische Inhalte in der gewünschten Klarheit beschreiben lassen. Die folgende Definition einer Menge stammt von Cantor: Definition. Eine Menge ist eine Zusammenfassung von wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Ist also M eine Menge, so schreiben wir x ∈ M , wenn das Objekt x zur Menge M gehört und x ∈ / M , wenn es nicht zu M gehört. Zwei Mengen M1 und M2 sind genau dann gleich, wenn jedes Objekt x, das zu M1 gehört, auch schon zu M2 gehört und ebenso jedes Objekt x, das zu M2 gehört, auch schon zu M1 gehört. Die Objekte, welche zu einer Menge gehören, werden als deren Elemente bezeichnet. Beispiele. Die natürlichen Zahlen, die ganzen Zahlen und die rationalen Zahlen bilden wichtige Beispiele von Mengen. Sie werden mir N, Z bezw. mit Q bezeichnet. Wir werden später noch die Bereiche R und C der reellen und der komplexen Zahlen kennen lernen. Man kann Mengen zum Beispiel durch Aufzählen ihrer Elemente darstellen M = {x1 , x2 , x3 , ....} sofern man ihre Elemente abzählen kann: 5 6 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Beispiele: Die Menge Z der ganzen Zahlen: Z = {0, 1, −1, 2, −2, 3, −3, 4, −4, ....} oder die Menge N2 aller Paare natürlicher Zahlen N2 = {(1, 1), (1, 2), (2, 1), (1, 3), (2, 2), (3, 1), (1, 4), (2, 3), (3, 2), (4, 1), ....} Achtung: Eine solche Aufzählung ist aber nicht immer möglich: Beispiel: Die reellen Zahlen entsprechen in umkehrbarer und eindeutiger Weise den Punkten der Zahlengeraden und lassen sich nicht abzählen, ebenso nicht irgendein Intervall reeller Zahlen! Wir können zwei Mengen miteinander vergleichen Definition. Sind A und M zwei Mengen, so nennen wir A eine Teilmenge von M , wenn jedes Element von A schon zu M gehört. Wir schreiben dann: x ∈ A =⇒ x ∈ M , oder A⊂M oder M ⊃A Folgendes leuchtet nun ein: • Stets ist M ⊂ M , • Es ist A = M genau dann, wenn A ⊂ M und M ⊂ A gilt, • Wenn B ⊂ A und A ⊂ M , so ist auch B ⊂ M . Auswahlregel. Ist M eine Menge, so kann man auf folgende Weise neue Mengen aus M gewinnen: • Ist P ein Merkmal, das Objekte aus M haben können oder nicht, so kann man alle Elemente x aus M , die das Merkmal P aufweisen, zu einer Menge zusammenfassen: {x ∈ M | x hat P} Achtung: Dieses Prinzip funktioniert nur innerhalb einer gegebenen Menge (hier M ). Merkmale allein definieren im allgemeinen keine Menge! Als Beispiel denke man an die Russelschen Antinomien (B. Russel (18721970), britischer Mathematiker, Philosoph, Nobelpreisträger für Literatur). Das Gebilde M := {S | S Menge S ∈ / S} kann keine Menge sein ! 1.1. ELEMENTE AUS DER MENGENLEHRE 7 Vereinigung von Mengen Angenommen, M sei eine gegebene Menge. Für zwei Teilmengen A, B von M sei dann A ∪ B die Menge derjenigen Elemente von M , welche zu A oder zu B gehören. Dabei ist zugelassen, dass Elemente sowohl zu A als auch zu B gehören. Die so entstehende Menge heißt dann die Vereinigung von A und B. Für sie verwenden wir das Symbol A ∪ B, also A ∪ B = {x ∈ M | x ∈ A oder x ∈ B} Beispiele: 1) Für die Menge der ganzen Zahlen haben wir die Zerlegung Z = {x ∈ Z | x ist von der Form x = 2k, k ∈ Z} ∪{x ∈ Z | x ist von der Form x = 2k + 1, k ∈ Z} 2) Die Menge M aller Paare (x, y) mit |x| = |y| ist darstellbar als M = {(x, x) | x ∈ Q} ∪ {(x, −x) | x ∈ Q} Wir notieren einfache Regeln für die Vereinigungsbildung: Sind A, B und C Teilmengen einer Menge M , so gilt • A∪B =B∪A • (A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C) • Genau dann ist A ⊂ B, wenn A ∪ B = B, Es lassen sich auch Vereinigungen beliebig vieler Mengen bilden. Wir können dies so formulieren: Sei I eine beliebige Menge (etwa I = N oder I = Z, oder I = R). Angenommen, zu jedem i ∈ I sei eine Teilmenge Ai ⊂ M gegeben. Dann bezeichnet [ A := Ai i∈I die Teilmenge von M , welche genau aus allen Elementen all dieser Ai besteht. Anders gesagt: Ein Element x ∈ M gehört genau dann zu A, wenn es zu einer der Mengen Ai gehört. Beispiele. 1) Ist etwa I = {k ∈ N | k ≥ 2} und bezeichnen wir mit Ak die Menge aller ganzen Zahlen, die sich durch k teilen lassen, so ist Z \ {−1, 1} = ∞ [ Ak k=2 2) Ist etwa M die Menge, die aus der Ebene durch Herausnehmen des Ursprungs (0, 0) entsteht, und ist Mt für t > 0 die Menge aller Punkte, die vom Ursprung einen Abstand von mindestens t haben, so ist [ M= Mt t>0 8 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Durchschnitte von Mengen. Sei wieder M eine Menge. Für zwei Teilmengen A, B von M sei dann A ∩ B die Menge von Elementen aus M , die sowohl Element von A als auch von B sind. Diese Menge heißt der Durchschnitt von A mit B und wird mit A ∩ B bezeichnet, also A ∩ B = {x ∈ M | x ∈ A und x ∈ B } Beispiele. 1) Ist etwa M = Z und Ak die Menge aller der Zahlen, welche durch k teilbar sind, so haben wir A6 = A2 ∩ A3 Allgemeiner: Wenn m und ` zwei teilerfremde ganze Zahlen sind (d.h.: Es gibt keine ganze Zahl d, die m und gleichzeitig ` teilt), so ist Am` = Am ∩ A` Es gelten sinngemäß die Regeln, die wir auch schon bei der Vereinigungsbildung notiert haben. Sind A, B und C Teilmengen einer Menge M , so gilt • A∩B =B∩A • (A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C), • Genau dann ist A ⊂ B, wenn A ∩ B = A. Desgleichen können wir auch Durchschnitte beliebig vieler Teilmengen von M bilden: Ist also I eine Indexmenge und (Ai )i∈I eine Familie von Teilmengen von M , so bezeichnet \ A := Ai i∈I die Teilmenge von M , deren Elemente in allen Ai zugleich gelegen sind. Anders gesagt: Ein Element x ∈ M gehört genau dann zu A, wenn es zu jeder der Mengen Ai gehört. Beispiel. Ist M die ganze Ebene und t > 0, so sei At der Kreis um den Ursprung O mit Radius t. Dann gilt \ {O} = At t>0 Die leere Menge. Es kommt vor, dass innerhalb einer Menge M keine Elemente existieren, die ein bestimmtes Merkmal P aufweisen: Man kann diesen Sachverhalt innerhalb der Mengenlehre mit Hilfe der leeren Menge, ausdrücken, die durch das Symbol ∅ beschrieben wird: {x ∈ M | x hat P} = ∅ 1.1. ELEMENTE AUS DER MENGENLEHRE 9 Diese Menge vertritt in etwa dieselbe Rolle beim Rechnen mit Mengen wie die Null beim Addieren von Zahlen. Man denkt sie sich als Menge, die kein Element enthält und vereinbart, dass ∅ Teilmenge jeder Menge ist. Ein oft auftretendes Merkmal ist etwa dieses: Sind A und B zwei Teilmengen von M , die keine gemeinsamen Elemente haben, so kann man das durch A∩B =∅ darstellen. Man nennt A und B dann disjunkt. Etwas allgemeiner schreibt man für endlich viele Mengen A1 , A2 , ..., An ⊂ M , dass A1 ∩ A2 ∩ ... ∩ An = ∅ wenn keine Elemente in M existieren, die in allen A1 , ..., An zugleich enthalten sind. Übungsaufgabe: Die Aussage A1 ∩ A2 ∩ ... ∩ An = ∅ ist gleichbedeutend damit, dass zu jedem Element x ∈ M ein Index j ∈ {1, ..., n} existiert, so dass x∈ / Aj . Die Operationen der Vereinigung und Durchschnittsbildung ”vertragen” sich in dem folgenden Sinne gut miteinander: 1.1.1 Lemma. Sind A, B, C Teilmengen einer gegebenen Menge M , so gilt • (A ∪ B) ∩ C = (A ∩ C) ∪ (B ∩ C) • (A ∩ B) ∪ C = (A ∪ C) ∩ (B ∪ C) Beweis. Wir überzeugen uns davon, dass dies gilt. Zum Beweis der ersten Aussage ist zweierlei zu zeigen: a) (A ∪ B) ∩ C ⊂ (A ∩ C) ∪ (B ∩ C) b) (A ∩ C) ∪ (B ∩ C) ⊂ (A ∪ B) ∩ C Zu a). Ist x ∈ (A ∪ B) ∩ C, so gehört x zu A ∪ B und gleichzeitig zu C. 1. Fall: x ∈ A. Dann ist x ∈ A ∩ C, also erst recht x ∈ (A ∩ C) ∪ (B ∩ C). Im 2. Fall: x ∈ B gehört x zu B ∩ C, also wieder zu (A ∩ C) ∪ (B ∩ C). Das beweist die Beziehung a). Zu b). Da A ∩ C ⊂ (A ∪ B) ∩ C und ebenso B ∩ C ⊂ (A ∪ B) ∩ C, haben wir auch (A ∩ C) ∪ (B ∩ C) ⊂ (A ∪ B) ∩ C, also b). Die zweite Rechenregel beweist man auf ähnliche Weise. Komplementbildung. Ist A Teilmenge einer Menge M , so fasst man alle nicht zu A gehörenden Elemente aud M zu einer neuen Menge Ac zusammen, die man das Komplement von A in M nennt. Man schreibt auch Ac = M \ A dafür: Ac = M \ A = {x ∈ M | x ∈ / A} Folgende Regeln sind offensichtlich 10 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN • (Ac )c = A für jede Menge A ⊂ M • M c = ∅, und ∅c = M , • Genau dann ist A ⊂ B, wenn B c ⊂ Ac gilt Mit den Vereinigungs-und Durchschnittsbildungen verträgt sich die Komplementbildung ebenfalls: 1.1.2 Lemma.(de Morgansche Regeln) Sind A und B Teilmengen einer gegebenen Menge M , so gelten die Regeln • (A ∪ B)c = Ac ∩ B c • (A ∩ B)c = Ac ∪ B c Entsprechendes gilt bei unendlichen Vereinigungen und Durchschnitten: Ist I eine Indexmenge und (Ai )i∈I eine Familie von Teilmengen von M , so wird !c [ \ Ai = Aci i∈I i∈I und !c \ i∈I Ai = [ Aci i∈I Potenzmenge einer Menge Die Welt ist nicht nur in Mengen und Elemente eingeteilt: Was eben noch als Menge angesehen wurde, kann bei anderer Gelegenheit selbst Element einer Menge sein. Dafür lernen wir ein erstes Beispiel kennen: Ist M eine Menge, so können wir die Gesamtheit aller Teilmengen von M selbst zu einer Menge zusammenfassen. Diese wird die Potenzmenge von M genannt und mit dem Symbol P(M ) bezeichnet, also P(M ) = {A | A ⊂ M } Der Name rührt von der Tatsache her, dass, wenn etwa M eine Menge mit ` Elementen ist, dann P(M ) genau 2` Elemente hat. Beispiel. a) Ist etwa M = ∅, so haben wir P(M ) = {∅} b) Ist M = {1}, so wird P(M ) = {∅, M }, c) Wenn M = {1, 2} ist, so folgt P(M ) = {∅, {1}, {2}, M } d) Schließlich sei M = {1, 2, 3}, so finden wir P(M ) = {∅, {1}, {2}, {3}, {1, 2}, {1, 3}, {2, 3}, M } 1.2. ABBILDUNGEN 11 e) Angenommen nun, es sei M = N. Dann ist die Menge P(M ) schon so groß, dass man ihre Elemente nicht mehr abzählen kann. ( Diese Menge ist überabzählbar!) Kartesische Produkte Angenommen, wir haben zwei Mengen M1 und M2 gegeben. Dann können wir alle Paare (x1 , x2 ), die aus einem Element x1 ∈ M1 und einem Element x2 ∈ M2 bestehen, zu einer neuen Menge M1 × M2 zusammenfassen, die man das kartesische Produkt von M1 und M2 nennt (benannt nach dem frz. Mathematiker René Descartes (1596-1650)). Beispiele. 1) Werfen wir mit 2 Würfeln, so lässt sich die Menge M aller möglichen Ergebnisse als kartesisches Produkt schreiben: M = {1, 2, 3, 4, 5, 6} × {1, 2, 3, 4, 5, 6} 2) Steht L für die Menge aller Punkte auf einer Geraden, so beschreibt L2 die Menge aller Punkte einer Ebene. Entsprechend kann man das kartesische Produkt von endlich vielen Mengen M1 , ..., Mk bilden: Das ist die Menge aller Kollektionen (x1 , ..., xk ) (man nennt diese auch k-Tupel) von Elementen, wobei x1 ∈ M1 , x2 ∈ M2 ,..., xk ∈ Mk gehört. M1 × M2 × ... × Mk = {(x1 , ..., xk ) | x1 ∈ M1 , x2 ∈ M2 , ..., xk ∈ Mk } Sind alle Mengen M1 , ..., Mk gleich einer Menge M , so schreibt man kurz M k statt M × .... × M . Beispiele. 1) Angenommen, an einem Empfang nehmen k Personen teil und man fragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit zwei von ihnen am selben Tag Geburtstag haben, so kann man für dieses Problem ein mathematisches Modell entwerfen, bei dem man die Menge S aller Verteilungen von Geburtstagen auf Personen verwenden muss. Diese ist gegeben durch S = {1, 2, 3, 4, ...., 365}k 2) Datensätze, etwa die Ergebnisse einer Messreihe sind durch Elemente aus der Menge Qn aller n-Tupel rationaler Zahlen (Vektoren) darstellbar. 1.2 Abbildungen Ein fundamentales Konzept ist der Begriff der Abbildung. Das beschreiben wir jetzt: 12 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Definition. Sind A und B Mengen, so bezeichnen wir als Relation zwischen Elementen von A und solchen von B jede Teilmenge R ⊂ A × B von A × B. Eine Abbildung von A nach B ist eine Relation f ⊂ A×B, bei der die folgende Bedingung erfüllt ist: • Wenn (x, y 0 ) und (x, y 00 ) zu f gehören, so muss y 0 = y 00 sein. Veranschaulichung: B B A A Abbildung Relation, aber keine Abbildung Notation. Ist nun f eine Abbildung von A in eine Menge B, so schreiben wir künftig f : A −→ B Ferner schreiben wir nicht mehr (x, y) ∈ f , sondern y = f (x) und sagen, y sei Bild von x unter f , und x sei Urbild von y unter f . Ist T ⊂ A, so ist f erst recht auf T definiert und ergibt dort eine Abbildung f |T die wir auch die Einschränkung von f auf T nennen. Beispiele für Abbildungen. 0) Ist A eine Menge, so sei Id A : A −→ A die Abbildung, die jedes x ∈ A auf sich selbst abbildet, also IdA (x) = x. Man nennt sie die identische Abbildung oder auch die Identität auf A. 1) Beim Taxifahren ist der Fahrpreis eine Funktion der gefahrenen Kilometerzahl, und zwar f (s) = a · s + b, wobei a der Tarif je Kilometer und b die Grundgebühr darstellt. Ferner ist a, b ∈ Q. Ähnliches gilt beim Telefonieren: Die Rechnungsbetrag ist von der Form f (z) = az + b wobei z die Anzahl der Gebühreneinheiten ist und b die Grundgebühr. Ferner ist a, b ∈ Q. 1.2. ABBILDUNGEN 13 2) Beim Zerfall einer radioaktiven Substanz ist die noch nicht zerfallene Menge abhängig von der Zeit. 3) Beim freien Fall ist die durchfallene Strecke eine Funktion der Zeit 4) Wird an einen Widerstand Spannung angelegt, so ist die Stromstärke eine Funktion der angelegten Spannung. 5) Angenommen, wir haben im Raum ein festes Koordinatensystem gewählt (definiert durch 3 Einheitsvektoren). Dann können wir die Lage eines jeden Punktes im Raum bezüglich dieses Koordinatensystems beschreiben durch ein Tripel von Zahlen, den Koordinaten. Dies induziert eine Abbildung vom L3 in sich. Hierbei soll L für die Menge aller Punkte einer Geraden stehen. 6) In der speziellen Relativitätstheorie wird in der Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit R4 nach den Transformationen der Koordinaten von einem Inertialsystem in ein anderes gesucht. Das sind Abbildungen vom R4 in sich. 7) Ist M = {1, 2, 3, 4, 5, 6} so ist jede Vertauschung der Reihenfolge der Zahlen 1, 2, 3, 4, 5 und 6 eine Abbildung von M nach sich selbst. Wir werden dieser Art von Abbildungen noch öfter begegnen. Definition (Bild- und Urbildmenge). Ist wieder f : A −→ B eine Abbildung und S ⊂ A, so nennen wir die Menge f (S) := {t |Es gibt x ∈ S, so dass t = f (x)} die Bildmenge von S unter f . Ist T ⊂ B, so bezeichnen wir mit f −1 (T ) := {x ∈ A |f (x) ∈ T } als die Urbildmenge von T unter f . Das folgende ist leicht nachgeprüft: 1.2.1 Lemma. Sei f : A −→ B eine Abbildung. Dann gilt a) Wenn S, X ⊂ A, so ist f (S ∩X) ⊂ f (S)∩f (X) und f (S ∪X) = f (S)∪f (X) b) Wenn T, Y ⊂ B, so ist f −1 (T ∩ Y ) = f −1 (T ) ∩ f −1 (Y ) und f −1 (T ∪ Y ) = f −1 (T ) ∪ f −1 (Y ). c) Ferner hat man f (f −1 (T ) ) ⊂ T und S ⊂ f −1 (f (S) ) für alle T ⊂ B und S ⊂ A. Achtung: In a) kann in der ersten Behauptung im allgemeinen kein Gleichheitszeichen stehen, ebenso nicht bei c). Ü.A.: Man belege dies durch Beispiele. Aus gegebenen Abbildungen gewinnen wir neue: 14 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Definition (Komposition). Sind A, B und C Mengen und f : A −→ B und g : B −→ C Abbildungen, so definiert g ◦ f (x) = g(f (x)) eine Abbildung von A nach C. Diese wird Komposition nach g und f genannt. Wir überzeugen uns leicht von der Richtigkeit der folgenden Regeln: 1.2.2 Lemma. Sind A, B, C und D Mengen und f : A −→ B, g : B −→ C und h : C −→ D Abbildungen, so gilt (i) (ii) (h ◦ g) ◦ f = h ◦ (g ◦ f ) Assoziativgesetz IdB ◦ f = f (Existenz eines neutralen Elementes) Achtung: Sind f : A −→ B und g : B −→ C Abbildungen, so kann man sicher g ◦ f bilden, im allgemeinen nicht aber f ◦ g, außer, es ist A = C. Insbesondere muss im allgemeinen, auch wenn A = B = C, nicht f ◦ g = g ◦ f gelten. Dazu denken wir an das folgende Beispiel: Sei A = B = {1, 2, 3} und f (1) = 1, f (2) = 3, f (3) = 2 sowie g(1) = 3, g(2) = 1 und g(3) = 2. dann wird f (g(2)) = f (1) = 1, g(f (2)) = g(3) = 2 Für das Folgende beutzen wir eine Aussage, die E. Zermelo 1904 formuliert hat und die heute Auswahlaxiom genannt wird. Auswahlaxiom (Zermelo). Gegeben sei eine Indexmenge I 6= ∅ und eine feste Menge M . Ist dann (Ai )i∈I eine Familie nichtleerer Teilmengen Ai von M so gibt es eine Abbildung f : I −→ A := ∪i∈I Ai mit f (i) ∈ Ai für alle i ∈ I. Injektivität und Surjektivität Die folgenden Begriffsbildungen sind von Bedeutung. Sie stammen von einer in Frankreich gegründeten Gruppierung von Mathematikern, die unter dem Namen N. Boubaki ein umfassendes Werk publizierte, das viele Sparten der Mathematik (wie Analysis, Algebra, Topologie,etc. ) behandelte. Definition. Sei f : A −→ B eine Abbildung. a) Wir nennen f injektiv, wenn jedes Element y ∈ B nicht Bild von 2 verschiedenen Elementen aus A sein kann, also: f (x0 ) = f (x00 ) = y notwendigerweise x0 = x00 zur Folge haben muss. Eine äquivalente Kennzeichnung ist diese: Wenn x0 , x00 ∈ A und x0 6= x00 , so muss f (x0 ) 6= f (x00 ) sein. 1.2. ABBILDUNGEN 15 b) Wir nennen f surjektiv, wenn zu jedem y ∈ B ein Element x ∈ A mit f (x) = y existiert. Eine äquivalente Beschreibung ist etwa: B = f (A). c) Eine Abbildung heißt bijektiv, wenn sie sowohl injektiv als auch surjektiv ist. Hier sind Regeln zur Kennzeichnung injektiver und surjektiver Abbildungen: 1.2.3 Lemma. Gegeben sei eine Abbildung f : A −→ B. a) Genau dann ist f surjektiv, wenn eine Abbildung g : B −→ A mit f ◦ g = Id B existiert, b) Genau dann ist f injektiv, wenn eine Abbildung g : B −→ A mit g◦f = Id A existiert. c) Genau dann ist f bijektiv, wenn eine Abbildung g : B −→ A mit g◦f = Id A und f ◦ g = Id B existiert. Beweis. a) Wir haben zu zeigen: i) Ist f surjektiv, so gibt es eine Abbildung g : B −→ A mit f ◦ g = Id B ii) Gibt es eine Abbildung g : B −→ A mit f ◦ g = Id B , so ist f surjektiv Zu i) Angenommen, es sei f (A) = B. Dann ist für jedes y ∈ B die Urbildmenge Ay := f −1 ({y}) 6= ∅. Wir wählen dann eine Abbildung g : B −→ ∪y∈B Ay mit g(y) ∈ Ay und erhalten eine gewünschte Abbildung g : B −→ A mit f (g(y)) = y für alle y ∈ B. Zu ii) Wenn eine Abbildung g : B −→ A mit f ◦ g = Id B gegeben ist, so ist für jedes y ∈ B mit g(y) ein Urbild von y unter f gefunden. Damit ist erkannt, dass f surjektiv sein muss. b) Auch hier müssen wir zwei Dinge beweisen: i) Ist f injektiv, so gibt es eine Abbildung g : B −→ A mit g ◦ f = Id A ii) Gibt es eine Abbildung g : B −→ A mit g ◦ f = Id A , so ist f injektiv Zu i) Wir wissen, dass f (A) ⊂ B. Wir definieren die Abbildung g zuerst auf f (A) ⊂ B. Jedes Element aus f (A) hat die Form f (x) mit einem passenden x ∈ A. Wir setzen also g(f (x)) = x. Zu zeigen bleibt, dass dies auch wirklich eine Abbildung definiert! Dazu müssen wir zeigen: Wenn f (x0 ) = f (x00 ) ist, so muss schon x0 = x00 sein. Aber das ist der Fall, da ja f injektiv ist. Sei a0 ∈ A beliebig. Ist y ∈ B \ f (A), so setzen wir fest g(y) := a0 . Dann ist g : B −→ A sinnvoll definiert, und es ist g ◦ f = Id A , und wir haben eine gewünschte Abbildung g : B −→ A der gewünschten Art gefunden. Zu (ii). Sind x0 , x00 ∈ A und f (x0 ) = f (x00 ), so gilt x0 = g(f (x0 )) = g(f (x00 )) = x00 , also ist f injektiv. c) Gibt es eine Abbildung g : B −→ A mit g ◦ f = Id A und f ◦ g = Id B , so ist f nach a) und b) bijektiv. Ist umgekehrt f : A −→ B bijektiv, so gibt es nach 16 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN a) und b) Abbildungen g1 , g2 : B −→ A mit f ◦ g1 = Id B und g2 ◦ f = Id A . Dann ist aber g2 = g2 ◦ Id B = g2 ◦ (f ◦ g1 ) = (g2 ◦ f ) ◦ g1 = Id A ◦ g1 = g1 Wir setzen also g = g1 und haben eine gewünschte Abbildung gefunden. Definition. Ist f : A −→ B eine Bijektion zwischen den Mengen A und B, so ist die in Punkt c) genannte Abbildung eindeutig bestimmt und wird mit f −1 bezeichnet und Umkehrabbildung zu f genannt. Das folgende zu beweisen eignet sich als Übungsaufgabe: 1.2.4 Lemma. Es sei f : A −→ B eine Abbildung. a) Dann sind äquivalent: i) f ist injektiv ii) f (S ∩ T ) = f (S) ∩ f (T ) für alle Teilmengen S, T ⊂ A iii) f −1 (f (T )) = T für alle T ⊂ A. b) Weiter sind äquivalent: i) f : A −→ B ist surjektiv, ii) f (f −1 (Y )) = Y für alle Y ⊂ B. c) Wenn g : B −→ C eine Abbildung von B in eine weitere Menge ist, so ist mit f und g auch g ◦ f injektiv (bzw. surjektiv, bzw. bijektiv). Eine weitere schöne Anwendung des Surjektivitätsbegriffs ist der folgende Satz, der besagt, dass man die Teilmengen einer unendlichen Menge niemals abzählen kann. 1.2.5 Satz (Schröder-Bernstein). Ist A eine Menge, so kann es keine surjektive Abbildung f : A −→ P(A) geben. Beweis. Wir argumentieren diesesmal durch einen Widerspruchsbeweis: Angenommen, es gebe doch eine derartige Abbildung f : A −→ P(A). Dann betrachten wir die Menge T := {t ∈ A | t ∈ / f (t)} Diese Definition ist sinnvoll. Da aber f surjektiv sein sollte, muss es ein x ∈ A geben, so dass f (x) = T . Aber das geht nicht, denn wäre x ∈ T , so müsste ja x∈ / f (x) = T sein, also x ∈ / T : ein Unsinn! Es bliebe also nur noch x ∈ / T . Jedoch hätte man nun x ∈ / f (x), also x ∈ T , was ebenso nicht möglich ist. Es wäre also weder x ∈ T noch x ∈ / T möglich. Dieser Widerspruch lehrt, dass zu dieser Menge T kein Urbild unter f vorhanden sein kann, und der Satz ist bewiesen. Für endliche Mengen gilt: 1.2.6 Lemma. Ist f : A −→ A eine Abbildung und die Menge A endlich, so ist f genau dann injektiv, wenn f surjektiv ist. 1.3. ZAHLENBEREICHE: ANGEORDNETE KÖRPER 17 Beweis. Angenommen, f sei injektiv. Dann hat f (A) mindestens so viele Elemente wie A. Zum anderen ist f (A) ⊂ A. Das geht nur, wenn f (A) = A ist. So erkennt man, dass f surjektiv ist. Sei m die Anzahl der Elemente von A. Ist f nicht injektiv, so gibt es 2 verschiedene Elemente a, b ∈ A, so dass aber dennoch f (a) = f (b) gilt. Dann ist aber f (A) = {f (a)} ∪ f (A \ {a, b}) ⊂ A eine Menge, die bestenfalls noch m − 1 Elemente haben kann, somit kann nicht f (A) = A sein. So sehen wir, dass f nicht surjektiv ist. 1.3 Zahlenbereiche: Angeordnete Körper Wir sind alle seit langem mit dem Umgang mit Zahlen aller Art vertraut, man kennt den Bereich N der natürlichen Zahlen, auf dem man addieren und multiplizieren und mit Einschränkungen auch subtrahieren und dividieren kann und auf dem man 2 Zahlen bzgl. ihrer Größe miteinander vergleichen kann, die Menge Z der ganzen Zahlen, welche die der natürlichen Zahlen umfasst, innerhalb welcher uneingeschränkt Subtraktionen möglich sind und die auf N vorhandene Ordnungsrelation erweitern. Da man aber nicht uneingeschränkt dividieren kann, erweitert man den Bereich der ganzen Zahlen nochmals zu dem der rationalen Zahlen, den man mit Q bezeichnet. Die Zahlen aus Q sind von der Form x = pq mit ganzen Zahlen p, q, wobei q 6= 0 sein muss. Dabei bedeutet pq = rs , dass ps = qr. Nun ist jede ganze Zahl m vermöge der Identifikation m = m1 ein Element von Q. Wir haben die Addition p r ps + qr + = q s qs und die Multiplikation p r pr · = q s qs Ist nun pq 6= 0, so folgt pq · pq = 1, also ist uneingeschränkte Division innerhalb Q möglich. Bereiche mit einer Struktur, wie sie die rationalen Zahlen aufweisen, nennt man Körper. Definition. Unter einem Körper verstehen wir eine Menge F mit mindestens 2 Elementen, auf der 2 Rechenoperationen, nämlich Addition + und Multiplikation · definiert sind, welche folgende Axiome erfüllen: 18 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN • Axiome der additiven Gruppe (A1) x, y ∈ F =⇒ x + y ∈ F für alle x, y, z ∈ F (A2) (x + y) + z = x + (y + z), für alle x, y ∈ F (A3) x + y = y + x, (Assoziativgesetz) (Kommutativgesetz) (A4) Es gibt ein Element 0 ∈ F mit 0 + x = x + 0 = x für alle x ∈ F (Nullelement (A5) Zu jedes x ∈ F gibt es ein Element −x ∈ F , so dass (−x) + x = x + (−x) = 0 ( negatives Element) • Axiome der multiplikativen Gruppe (M1) x, y ∈ F =⇒ x · y ∈ F (M2) (x · y) · z = x · (y · z), (M3) x · y = y · x, für alle x, y, z ∈ F für alle x, y ∈ F (Assoziativgesetz) (Kommutativgesetz) (M4) Es gibt ein Element 1 ∈ F \ {0} mit x · 1 = 1 · x = x für alle x ∈ F (Einselement) (M5) Zu jedes x ∈ F \ {0} gibt es ein Element x−1 ∈ F , so dass x−1 · x = x · x−1 = 1 ( inverses Element) Wir schreiben auch Distributivgesetz (D) 1 x = x−1 für x ∈ F \ {0}. x · (y + z) = x · y + x · z für x, y, z ∈ F . Stets lassen sich zwei rationale Zahlen miteinander bezgl. ihrer Größe vergleichen, wobei dieser Ordnungsbegriff auf der Teilmenge der ganzen Zahlen mit dem dortigen übereinstimmt. Definition. a) Sind x, y ∈ Q, so schreiben wir x < y, wenn x kleiner als y ist und x ≤ y, wenn x < y oder x = y gilt. Analog schreiben wir x > y, wenn y < x und x ≥ y, wenn y ≤ x ist. Bekanntlich gilt immer genau eine der 3 Aussagen: x < y, x = y oder x > y. So wird Q ein Beispiel für einen Zahlenbereich, den man als angeordneten Körper bezeichnet: Definition. a) Wir nennen einen Körper F angeordnet, wenn auf F ist eine Ordnungrelation 00 <00 vorhanden ist, so dass gilt (o1) Für je zwei x, y ∈ F gilt genau eine der folgenden Aussagen: x < y, x = y, y < x, (Trichotomie) 1.3. ZAHLENBEREICHE: ANGEORDNETE KÖRPER (o2) Aus x < y und y < z folgt x < z, 19 (Transitivität) (o3) Aus a < b folgt n a+c < b+c für alle c ∈ F, c > 0 ac < bc (Monotonie) Bei Kehrwertbildung oder Multiplikation mit negativen Zahlen z ∈ F kehrt sich eine Ungleichung um, nämlich a) Ist z < 0 und a < b, so ist az > bz, denn es gilt az − bz = (−z)(b − a) > 0 nach (o3). a = 1b wieder nach (o3) b) Ist a > b > 0, so ist a1 < 1b , denn a1 = abb > ab Anmerkungen. a) Wir schreiben natürlich wieder xy statt x·y für die Multiplikation zweier Zahlen aus F . Das n-fache Produkt von x mit sich selbst schreiben wir wieder als xn . b) Wir schreiben auch y > x, um x < y auszudrücken. Die Ordnungsrelation < wird zu x ≤ y :⇔ x < y oder x = y erweitert. Aus x ≤ y und y ≤ x folgt dann, dass x = y sein muss. Durch Fallunterscheidung erhalten wir wieder die zu (o2) und (o3) analogen Gesetze, wenn wir dort < durch ≤ ersetzen. Analoge Bedeutung hat x ≥ y. Wir nennen x positiv, wenn x > 0 und negativ, wenn x < 0. Wir sagen, x sei nichtnegativ, wenn x ≥ 0. Definition (Intervalle) . Sind a, b ∈ F und a < b, so definieren wir die Intervalle (a, b), [a, b), (a, b] und [a, b] durch (a, b) := {x | a < x < b} , [a, b) := {x | a ≤ x < b} (a, b] := {x | a < x ≤ b} , [a, b] := {x | a ≤ x ≤ b} . Weiter setzen wir F + := {x ∈ F | x > 0}, F0+ := {x ∈ F | x ≥ 0} und analog definieren wir F − und F0− . Die Betragsfunktion Es sei in diesem Abschnitt stets F ein angeordneter Körper. Definition. Es sei F ein angeordneter Körper. Für ein x ∈ F setzen wir |x| := x, wenn x ≥ 0 und |x| := −x, wenn x < 0 ist. Ist F = Q, so bedeutet also |x| anschaulich den Abstand von x als Punkt der Zahlengeraden vom Ursprung 0. Für den Umgang mit der Betragsfunktion haben wir folgende Regeln: 20 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.3.1 Lemma. Für die Betragsfunktion auf F gilt a) |x| ≥ 0 für alle x, und |x| = 0 genau dann, wenn x = 0 ist, b) |x|2 = x2 . Weiter ist |xy| = |x||y| für x, y ∈ F . c) Sei x ∈ F und t > 0. Genau dann ist |x| ≤ t, wenn x ∈ [−t, t] , c’) Sei x ∈ F und t > 0. Genau dann ist |x| < t, wenn x ∈ (−t, t ) , d) Die Dreicksungleichung gilt: |x + y| ≤ |x| + |y| für x, y ∈ R. e) Es gilt | |x| − |y| | ≤ |x − y| für x, y ∈ F . Beweis. a) ist klar. b) Man erhält die erste Aussage durch Fallunterscheidung. Da nun |xy|2 = (|x||y|)2 , muss (|xy| − |x||y|)(|xy| + |x||y|) = 0 sein. Wenn xy 6= 0, bleibt nur |xy| = |x||y|. c) Angenommen, es sei |x| ≤ t. Dann ist x ≤ t, wenn x ≥ 0 und −x ≤ t, wenn x < 0. In jedem Fall ist aber dann −t ≤ x ≤ t. Umgekehrt nehmen wir an, es sei −t ≤ x ≤ t. Dann ist |x| = x ≤ t, wenn x ≥ 0 und |x| = −x ≤ t, da auch x ≥ −t gilt. d) Wir beachten −|x| ≤ x ≤ |x| und −|y| ≤ y ≤ |y|. Addieren wir beide Ungleichungen, so entsteht −(|x| + |y|) ≤ x + y ≤ |x| + |y| , was nach c) die Behauptung ergibt. e) Wir schreiben |x| = |y + x − y| ≤ |y| + |x − y|, also |x| − |y| ≤ |x − y|. Vertauschen wir die Rollen von x und y, finden wir auch |y| − |x| ≤ |x − y|. In jedem Falle folgt nun die gewünschte Ungleichung. Definition. Sind x, y ∈ F , so setzen wir max{x, y} = x, wenn x ≥ y und max{x, y} = y, wenn x ≤ y. Ebenso sei min{x, y} = x, wenn x ≤ y und min{x, y} = y, wenn x ≥ y. Dann haben wir 1.3.2 Lemma Für x, y ∈ F gilt max{x, y} = x + y |x − y| + , 2 2 min{x, y} = x + y |x − y| − . 2 2 Beweis. Übungsaufgabe. 1.4. DAS INDUKTIONSPRINZIP 1.4 21 Das Induktionsprinzip Die Menge N der natürlichen Zahlen ist durch das folgende von G. Peano aufgestellte Axiomensystem gekennzeichnet: (P1) 1 ist eine natürliche Zahl (P2) Jeder natürlichen Zahl ist ein eindeutig bestimmter ”Nachfolger” n0 zugeordnet. (P3) 1 ist Nachfolger keiner natürlichen Zahl (P4) Sind n, m ∈ N und n0 = m0 , so muss schon n = m sein. (P5) Ist E ⊂ N eine Menge mit den Eigenschaften (1): 1∈E (2): n ∈ E =⇒ n + 1 ∈ E, so ist schon E = N. (P2)-(P4) rechtfertigen es, statt n0 auch n + 1 zu schreiben. Das Axiom (P5) beinhaltet das Induktionsprinzip, das die Grundlage für die Herleitung zahlreicher Formeln bildet, in denen natürliche Zahlen involviert sind. Notationen: a) Mit N0 bezeichnen wir die Menge N ∪ {0}. b) Endliche Summen. Ist F ein Körper und sind a1 , ..., an ∈ F , so schreiben wir n X aj = a1 + a2 + ... + an j=1 c) Endliche Produkte: Sind a1 , ..., an ∈ F , so schreiben wir n Y aj = a1 · a2 · ... · an j=1 Beispiele. a) Es gilt sn := n X j=1 j= n(n + 1) 2 Hier setzen wir E := {n ∈ N | Die Formel gilt für n} . 22 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Aus s1 = 1 = 1·2 folgt 1 ∈ E. 2 . Dann wollen wir zeigen, dass Angenommen, es sei n ∈ E, also sn = n(n+1) 2 (n+1)(n+2) sn+1 = sein muss, das ist dann mit n + 1 ∈ E gleichbedeutend. Es ist 2 aber sn+1 = sn + n + 1 = n(n + 1) + 2(n + 1) (n + 1)(n + 2) n(n + 1) +n+1= = . 2 2 2 Damit ist nach (P5) dann E = N, also die Formel richtig für alle n ∈ N. b) Für die Summe der Quadrate der ersten n natürlichen Zahlen gilt sn := n X j2 = j=1 n(n + 1)(2n + 1) 6 Wieder setzen wir E := {n ∈ N | Die Formel gilt für n} . folgt 1 ∈ E. Aus s1 = 1 = 1·2·3 6 Angenommen, es sei n ∈ E, also sn = n(n+1)(2n+1) . 6 Dann ist n(n + 1)(2n + 1) + (n + 1)2 6 (n + 1) n(2n + 1) + 6(n + 1) sn+1 = sn + (n + 1)2 = = = 6 (n + 1)(2n2 + 7n + 6) (n + 1)(n + 2)(2n + 3) = 6 6 (n + 1)( (n + 1) + 1))(2(n + 1) + 1) . 6 Das bedeutet wieder n + 1 ∈ E und damit E = N. = c) Die geometrische Summenformel: Sei q ∈ F \ {1}. Dann ist n X j=0 qj = q n+1 − 1 . q−1 Sei E die Menge derjenigen n, für welche dies gilt. Aus (q − 1)(q + 1) = q 2 − 1 folgt q 1+1 − 1 1+q = q−1 1.4. DAS INDUKTIONSPRINZIP 23 somit 1 ∈ E. Nun nehmen wir an, es sei n ∈ E. Dann haben wir aber 1 + q + q 2 + ... + q n+1 = 1 + q + q 2 + ... + q n + q n+1 q n+1 − 1 = + q n+1 q−1 q n+1 − 1 + q n+2 − q n+1 q−1 n+2 q −1 q (n+1) +1 − 1 = = = q−1 q−1 = Damit ist aber n + 1 ∈ E, also E = N. Diese Formel ist verallgemeinerbar zu: Ist a 6= b und a 6= 0, so gilt n−1 X k=0 an−1−k bk = an − b n a−b das folgt aus der geometrischen Summenformel mit q = ab : n−1 n−1 n−1 n X X an − b n a k X n−1−k k n−1 q − 1 n−1 k n−1 =a =a a b q =a ( ) = a−b q−1 b k=0 k=0 k=0 d1) Es gilt (ab)n = an bn für a, b ∈ F und n ∈ N. d2) Aus (o3) folgt leicht: Wenn 0 < a < b, so ist an < bn für alle n ∈ N. Wenn n a = bn und a, b > 0, so ist schon a = b. (Übungsaufgabe). e) Sei x ∈ F, x ≥ −1. Dann gilt für alle n ∈ N die Bernoulli-Ungleichung (1 + x)n ≥ 1 + nx . Sei wieder E die Menge der natürlichen Zahlen n, für die dies richtig ist. Klarerweise ist 1 ∈ E. Angenommen, n ∈ E. Dann ist aber (1 + x)n+1 = (1 + x)(1 + x)n ≥ (1 + x)(1 + nx) = 1 + (n + 1)x + nx2 ≥ 1 + (n + 1)x . Dabei bedenken wir, dass 1 + x ≥ 0, also mit (o3) auch (1 + x)(1 + x)n ≥ (1 + x)(1 + nx) geschlossen werden darf. Der Binomialsatz Wieder sei F ein Körper. Angenommen, es sei ` := ` · 1 6= 0 für alle ` ∈ N. Definition. Für α ∈ F sei k Y α−`+1 α := k ` `=1 24 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Wir setzen α 0 := 1. (Binomialkoeffizient). n Für eine Zahl n ∈ N gibt an, auf wie viele Weisen man aus einer k n-elementigen Menge eine k-elementige Teilmenge bilden kann. n Wir vereinbaren, dass für n, k ∈ N der Binomialkoeffizient den Wert k null haben soll, wenn k > n ist. 49 Beim Zahlenlotto 6 aus 49 kann man einen Tippzettel auf Weisen 6 ausfüllen (sofern man genau 1 Spiel machen will). Das sind 13 983 816 Möglichkeiten. Wir streben an, per Induktion einen Ausdruck für (a + b)n für a, b ∈ F und n ∈ N herzuleiten. 1.4.1 Lemma. Die Binomialkoeffizienten sind symmetrisch: n n = , k, n ∈ N n−k k α b) Man kann α+1 für α ∈ F und k ∈ N aus αk und k−1 berechnen: k α+1 α α = + k k k−1 Beweis. a) klar. Zu b) Es gilt α k−1 = k−1 Y m=1 α−m+1 m α · (α − 1) · ... · (α − (k − 1) + 1) 1 · 2 · ... · (k − 1) α k = k α+1−k = und damit α k + α k−1 k ) α+1−k k α α + 1 (α + 1) · α · ... · (α − k + 1) = = k α+1−k 1 · 2 · ... · k · (α − k + 1) (α + 1) · α · ... · (α − k + 2) α+1 = = 1 · 2 · ... · k k = α (1 + 1.4. DAS INDUKTIONSPRINZIP 25 Das folgende Schema zur Berechnung der Binomialkoeffizienten basiert auf diesem Hilfssatz und heißt (nach dem französischen Mathematiker Blaise Pascal) auch Pascalsches Dreieck: 0 k 1 k 2 k 3 k 4 k 5 k 6 k 7 k 1 1 1 1 1 1 1 1 7 2 1 3 4 5 6 1 3 6 10 15 21 1 4 10 20 35 1 5 15 35 1 6 21 1 7 1 Die Regel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 , (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 lässt sich verallgemeinern zum Binomischen Lehrsatz: 1.4.2 Satz (Binomischer Lehrsatz). Für zwei Zahlen a, b ∈ F und n ∈ N gilt: (a + b)n = n X n k=0 k an−k bk Auch dies ist mit Induktionsverfahren und der Rekursionsformel für die Binomialkoeffizienten zu zeigen. 26 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Der Induktionsanfang ist n = 1 ist klar. Nehmen wir an, die Formel gelte für n, so gilt sie auch für n + 1, denn n+1 (a + b) = (a + b) n X n l l=0 = n X n l=0 n+1 X l a an−l bl n−l+1 l b + n X n k k=0 n+1 X an−k bk+1 n n+1−l l n = a b + an+1−l bl l l − 1 l=0 l=1 n X n n n+1 = a + + an+1−l bl l l−1 l=1 n+1 X n+1 = an+1−k bk k k=0 Zwei Folgerungen: Stets ist (1 − 1)n = 0 Pn k=0 n k = (1 + 1)n = 2n und Pn k k=0 (−1) n k = Definition. Ist A eine nichtleere Menge, so verstehen wir unter einer Folge (an )n von Elementen von A eine Abbildung f : N −→ A, wobei f (n) = an ist. Nun kommen wir zu theoretischeren Anwendungen des Induktionsprinzips. Die Botschaft des nächsten Satzes ist diese, dass man zur Definition einer Folge (an )n lediglich den Wert a1 definieren und dann angeben muss, wie aus a1 , ..., an der Wert an+1 berechnet werden soll. Dies ist die Grundlage jedes Iterationsverfahrens. In der rechnergestützten Mathematik sind Iterationsverfahren (Regula falsi, Newtonverfahren, etc.) ein unverzichtbares Hilfsmittel. 1.4.3 Satz ( Induktive Definition ). Sei B eine Menge, b ∈ B beliebig und für jedes n ∈ N eine Abbildung gn : B n −→ B gegeben. Dann existiert genau eine Abbildung f : N −→ B mit folgenden Eigenschaften: (1) f (1) = b, (2) f (n + 1) = gn (f (1), ..., f (n)), für alle n ∈ N. Beweis. Wir definieren als A(n) die folgende Aussage: Auf Sn := {1, ..., n} existiert genau eine Abbildung fn : Sn −→ B mit (1’) fn (1) = b und (2’) fn (k + 1) = gk (fn (1), ..., fn (k)), wenn k ∈ Sn , k < n. Als Menge E wählen wir E = {n ∈ N | A(n) ist wahr}. 1. Schritt: Wir zeigen, dass E = N ist. 1.4. DAS INDUKTIONSPRINZIP 27 Wir definieren auf S1 einfach f1 (1) := b. Dann gilt (1’). Die Anforderung (2’) ist leer. Somit haben wir 1 ∈ E gezeigt. Angenommen, wir besitzen eine eindeutig bestimmte Abbildung fn : Sn −→ B mit (1’) und (2’). Dann setzen wir fn+1 : Sn+1 −→ B fest durch fn (k) , wenn k ≤ n fn+1 (k) := gn (fn (1), ..., fn (n)) , wenn k = n + 1 Dann ist sicher fn+1 (1) = fn (1) = b und weiter für k ≤ n − 1 fn+1 (k + 1) = fn (k + 1) = gk (fn (1), ..., fn (k)) = gk (fn+1 (1), ..., fn+1 (k)) und für k = n fn+1 (k + 1) = fn+1 (n + 1) = gn (fn (1), ..., fn (n)) = gn (fn+1 (1), ..., fn+1 (n)) . Damit ist eine Abbildung fn+1 : Sn+1 −→ B mit den Eigenschaften (1’) und (2’) (mit n + 1 statt n ) gefunden. Angenommen, es sei fen+1 : Sn+1 −→ B eine weitere solche Abbildung. Dann gilt fen+1 |Sn = fn , da ja fen+1 |Sn ebenfalls die Eigenschaften (1’) und (2’) hat. Weiter ist fen+1 (n + 1) = gn (fen+1 (1), ..., fen+1 (n)) = gn (fn (1), ..., fn (n)) = fn+1 (n + 1) , also fen+1 = fn+1 . Das heißt also, dass fn+1 mit den Eigenschaften eindeutig bestimmt ist. Wir haben also A(n + 1) bewiesen. 2. Schritt: Wir geben die Abbildung f : N −→ B an. Es sei einfach f (n) := fn (n) . Dann hat f die Eigenschaften (1) und (2). Denn f (1) = f1 (1) = b, und für alle n ∈ N ist f (n + 1) = fn+1 (n + 1) = gn (fn+1 (1), ..., fn+1 (n)) = gn (fn (1), ..., fn (n)) = gn (f (1), ..., f (n)) Dabei beachten wir, dass fn+1 |Sn = fn ist, was aus der Eindeutigkeitsaussage für fn folgt. Insbesondere ist also f (k) = fk (k) = fn (k), wenn n ≥ k. 3. Schritt: Eindeutigkeit von f . Sei fe : N −→ B eine Abbildung mit (1) und (2). Wir zeigen induktiv, dass fe(n) = f (n) für alle n ∈ N. Klar ist f (1) = b = fe(1). Ist aber fe(n) = f (n), so folgt fe(n + 1) = gn (fe(1), ..., fe(n)) = gn (f (1), ..., f (n)) = f (n + 1) . 28 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Dieser Satz liefert uns die Möglichkeit, Folgen rekursiv zu definieren. Hier ist ein erstes Beispiel: Sei a0 = 2 und an+1 := 2 − 1 an für n ≥ 0. Dann gilt 3 4 5 a1 = , a2 = , a3 = , .... 2 3 4 Per Induktion kann man zeigen, dass an = 1.5 n+2 n+1 gilt. Abzählbarkeit Definition. Wir nennen eine Menge A abzählbar, wenn sie endlich ist, oder wenn eine bijektive Abbildung f : N −→ A existiert. Im letzteren Fall nennen wir A auch abzählbar unendlich. Beispiele. a) Die Menge N ist offenbar abzählbar. b) Auch Z ist abzählbar. Wir beachten nämlich, dass k−2 wenn k gerade 2 f (k) := k+1 − 2 wenn k ungerade eine gewünschte bijektive Abbildung f : N −→ Z liefert. c) Auf N × N definieren wir die Abbildung f (x, y) := (x + y − 2)(x + y − 1) +y. 2 Dann ist f : N2 −→ N bijektiv. Die Motivation für diese Aussage sehen wir etwa an Hand der Arbeitsweise dieser Abbildung: (1, 1) (2, 1) (3, 1) (4, 1) .. . (1, 2) (2, 2) (3, 2) (4, 2) .. . (1, 3) (2, 3) (3, 3) (4, 3) .. . (1, 4) (2, 4) (3, 4) (4, 4) .. . ... ... ... ... ... Die Diagonale Nummer k hat k Einträge. Der Punkt (x, y) liegt in der Diagonalen mit derPNummer x + y − 1. Also gab es in den vorhergehenden Diax+y−2 Punkte. Da der Punkt (x, y) in der gonalen schon k = (x+y−2)(x+y−1) k=1 2 (x + y − 1).-ten Diagonalen an y.-ter Stelle liegt, kommt ihm in der Zählung die Nummer (x+y−2)(x+y−1) + y zu. So gelangen wir zu der Formel für f . Zum 2 Beispiel ist f (1, 1) = 1, f (2, 1) = 2, f (1, 2) = 3, f (3, 1) = 4, f (2, 2) = 5, f (1, 3) = 6 1.5. ABZÄHLBARKEIT 29 1.5.1 Satz( Wohlordnungsprinzip). Jede nichtleere Menge A ⊂ N hat ein kleinstes Element, d.h.: Es gibt ein k0 ∈ A mit k ≥ k0 für alle k ∈ A. Dieses Element ist eindeutig bestimmt. Wir schreiben es als min A. Beweis des Satzes. Angenommen, das sei nicht so. Ist wieder Sn := {1, ..., n}, so zeigen wir induktiv, dass Sn ∩ A = ∅ sein muss. Dann ist also n ∈ / A für alle n, somit A = ∅, ein Widerspruch. S1 ∩A = ∅. Anderenfalls wäre k0 = 1 ein kleinstes Element in A. Angenommen weiter, wir wüssten, dass Sn ∩ A = ∅. Dann ist auch n + 1 ∈ / A, sonst wäre n + 1 kleinstes Element von A, da als noch kleinere Elemente höchstens 1, ..., n zur Verfügung stehen, diese jedoch nicht zu A gehören. Das beweist, dass n + 1 ∈ / A, also auch Sn+1 ∩ A = Sn ∩ A = ∅. 1.5.2 Lemma. a) Ist T ⊂ N eine Menge, so ist T abzählbar. b) Ist A eine abzählbare Menge und S ⊂ A, so ist auch S abzählbar. Beweis. Wir zeigen a). Der Beweis von b) ist eine Übungsaufgabe. Wir nehmen an, T sei unendlich. Wir definieren h(1) := min T , h(2) = min(T \{h(1)}), sodann h(3) := min(T \ {h(1), h(2)}) und allgemein h(n + 1) := min(T \ {h(1), ...,h(n)}). Das definiert uns nach Satz 1.4.3 mit B := T und gn (x1 , ..., xn ) := min T \ {x1 , ..., xn } eine Abbildung h : N −→ T . Da nach Definition dieser Abbildung stets h(n) > h(k) ist, wenn k ≤ n − 1, ist h injektiv. Es gilt sogar h(n) ≥ h(1) + n − 1 für alle n ∈ N. Ist nun p ∈ T , so gibt es eine größte Zahl n ∈ N, so dass h(n) < p ist. Es folgt p ∈ T \ {h(1), .., h(n)}, also h(n + 1) ≤ p. Wäre h(n + 1) < p, so folgte ein Widerspruch zur Wahl von n. Also h(n + 1) = p. Somit ist h : N −→ T auch surjektiv. Folgende weitere Anwendungen zum Thema Abzählbarkeit enthält folgendes 1.5.3 Lemma. Sei A eine Menge. a) Genau dann ist A abzählbar, wenn eine injektive Abbildung f : A −→ N existiert. b) Genau dann ist A abzählbar, wenn es eine surjektive Abbildung g : N −→ A gibt. c) Sind A und B abzählbar, so auch A × B. d) Ist (Ai )i∈N eine abzählbare Familie von Mengen Ai ⊂ A, und jedes Ai abzählbar, so ist auch ∪∞ i=1 Ai abzählbar. Beweis. Wir nehmen an, A sei unendlich. Ist A abzählbar, so finden wir die Abbildungen aus a) bzw. b), was klar ist. a) Angenommen, f : A −→ N sei injektiv. Dann ist f : A −→ f (A) bijektiv. Aber f (A) ist abzählbar, also auch A selbst. 30 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN b) Angenommen, man habe eine surjektive Abbildung g : N −→ A. Dann sei h(y) := min( g −1 ({y}) ). Das ist dann eine wohldefinierte Abbildung. Offenbar ist h injektiv, denn wenn y1 6= y2 ist, so kann nicht h(y1 ) = h(y2 ) sein, sonst wäre h(y1 ) ∈ g −1 ({y1 }) ∩ g −1 ({y2 }) = ∅, ein Unsinn. Mit a) folgt die Behauptung. c) Sind nämlich fA : N −→ A und fB : N −→ B Surjektionen, so ist auch h(x, y) := (fA (x), fB (y)) eine Surjektion von N2 −→ A × B. Dann ist die Abbildung h ◦ f −1 : N −→ A × B eine Surjektion, wobei f wie unter Beispiel c) (zu Beginn dieses Abschnitts) sein soll. d) Wir nehmen surjektive Abbildungen fi : N −→ Ai und definieren g(k, i) := fi (k) auf N × N. Dann ist g : N × N −→ ∪∞ i=1 Ai surjektiv. Da sich auch eine surjektive Abbildung f0 : N −→ N × N finden lässt, folgt alles aus b). Folgerung. Auch Q ist abzählbar. Denn A := Z × (Z \ {0}) ist abzählbar, und f (x, y) := xy eine surjektive Abbildung A −→ Q. Nicht alle Mengen sind abzählbar: 1.5.4 Satz. Sei A eine Menge mit mindestens 2 Elementen a, b. Die Menge F aller Folgen von Elementen aus A ist überabzählbar, also nicht abzählbar. Beweis. Angenommen, das gelte doch. Dann könnte man F als F = {Xk | k ∈ N} schreiben. Jedes Xk ∈ F hat dann die Form Xk = (akn )∞ n=1 Dann setzen wir yn := a, wenn ann = b und yn := b, wenn ann = a. Dann sei Y = (yn )∞ n=1 . Es müsste, da Y ∈ F , nun ein ` ∈ N geben, so dass Y = X` . Also y` = a`` . Das gilt aber auf Grund der Definition der Glieder von Y gerade nicht! Dieser Widerspruch beweist alles.