Integrationsverein Havas in Wiener Neustadt Der Integrationsverein Havas wurde 2003 gegründet und betreibt einen Gebetsraum in Wiener Neustadt. Wie der Name des Vereins schon andeutet, ist das Hauptziel des Vereins die Integration von - vorwiegend türkisch-stämmigen - MigrantInnen in die österreichische Gesellschaft. Zu diesem Zweck plant Havas die Durchführung von Deutsch- und anderen Weiterbildungskursen für MigrantInnenen – der neue, groß angelegte mehrstöckige Standort des Vereins mit über 1000m2 Nutzungsfläche für Schulungs- und Vereinsräumlichkeiten, einem Jugendzentrum, einem Gebetsraum und Geschäftslokalen - befindet sich derzeit jedoch noch im Baustellen-Stadium und trifft auf heftigen Widerstand von Anrainern, welche gegen die Größe des Projekts und gegen die zu erwartende Lärmbelästigung protestieren. Havas finanziert sich laut eigenen Angaben über Mitgliedsbeiträge seiner knapp über hundert Mitglieder und Spenden (wobei die Anzahl der Besucher beim Freitagsgebet bis zu 250 Personen beträgt). Der Verein vertritt die sunnitische Richtung des Islam und gilt als Vertreter der Lehre des sufischen Naqshbandi Ordens, obwohl laut Havas auch Gläubige, die keiner sufischen Lehre folgen, Vereinsmitglieder sind. Neben der Integrationsförderung sieht Havas laut eigenen Angaben eine seiner weiteren wichtigen Funktionen im interreligiösen Dialog, wobei mehrmals pro Jahr interreligiöse Treffen mit Vertretern der Kirche und humanitären Vereinen organisiert werden, um gemeinsame gesellschaftliche Projekte, wie z.B. Spendenaktionen durchzuführen. Der Integrationsverein Havas gehört einem Unterzweig der Naqshbandiyya, den Menzilci, an, welche sich auf Scheikh Muhammad Rasit zurückführen. Scheikh Rasit verfügte angeblich über Heilfähigkeiten (türkisch „Keramet“), sein Heimatort Menzil in der osttürkischen Provinz Adiyaman entwickelte sich zu einem Pilgerzentrum. Seit dem Tod Rasits 1993 werden die Menzilci aus der deutschen Zentrale in Castrop-Rauxel geleitet. Geschichtlicher Hintergrund des Naqshbandi Ordens Der Naqshbandiorden wurde im 14. Jahrhundert von Scheikh Muhammad Baha’uddin Naqshband (1318-1389) aus Buchara gegründet. Kennzeichen des Naqshbandiordens sind die strenge Befolgung eines gesetzestreuen Islam, das Streben nach religiöser Durchdringung des Alltags, der stille Dhikr (lautloses Gedenken an Gott) und die „Rabita“, eine Meditationsübung, die eine starke Herzensverbindung zwischen Schüler und Lehrer bildet. Naqshband bezog sich vor allem auf die Lehre von Abdul Khaliq Ghujduwani mit seinem Prinzipienkatalog „Weg der Lehrer“, in welchem die Grundsätze „Aufmerksamkeit beim Atmen“ „seine Schritte überwachen“, „innere mystische Reise“, „Einsamkeit in der Menge“, „Innere Sammlung“, „Gedankenkontrolle“, „Gedankenüberwachung“, und „Konzentration auf Gott“, angeführt sind. Aufgrund der puritanischen Ausrichtung des Ordens, welcher auf das von vielen anderen Sufiorden praktizierte ekstatische Erleben verzichtete, erreichten die Naqshbandis eine von der islamischen Orthodoxie relativ unbeeinträchtigte Existenz und sogar Einfluss auf die zentralasiatischen Höfe. In der Türkei ist die Naqshbandiyya heute der größte Sufiorden. In Deutschland beten die türkischen migrantischen Anhänger der Naqshbandiyya häufig in Gebetsräumen unterschiedlicher muslimischer Institutionen ohne Sufi-Bezug. Der in Deutschland mehrheitlich von deutschen Konvertiten vertretene NaqshbandiZweig der „Naqshbandi-Haqqaniyya“, welcher sich auf den zypriotischen Sufi Scheikh Nazim Adil Al-Haqqani zurückführt, ist seit ungefähr 1980 in Deutschland aktiv, steht aber mit den aus der Türkei stammenden Naqshbandi-Anhängern in keinem Kontakt. Zahlreiche Bildungsbewegungen wie die „Nurcu Cemaati“ und die „Süleymancilar“ haben ihre Wurzeln in der Naqshbandiyya. Sufi-Orden haben im Allgemeinen einen großen Einfluss auf ältere und vor allem auf weibliche Muslime, obwohl diese Orden keine frauenfreundlichen Traditionen pflegen. Sufi-Orden leisten aufgrund ihrer Tendenz, Ihren Glauben möglichst unauffällig zu praktizieren und sich selten öffentlichen Diskussionen zu stellen, kaum einen Beitrag zur Integration ihrer Anhänger im jeweiligen Aufenthaltsland. Unsere Kurzanalysen erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit und werden je nach aktuellen Entwicklungen ständig ergänzt bzw. korrigiert. Auf Auftrag erstellen wir gerne detaillierte Langanalysen von einzelnen muslimischen Institutionen oder islamischen theologischen Bewegungen. Info und Feedback unter [email protected]