Hygiene, Nosokomiale Infektionen in der Pferdechirurgie Lothar H. Wieler Daten erarbeitet von und in Kooperation mit: Dr. Antina Lübke-Becker, Konsiliarlabor für nosokomiale Dr. Birgit Walther Infektionen in der Veterinärmedizin Dr. Ivonne Stamm Anja Brandenburg Yassmin Abou Elnaga Dr. Peter A. Kopp Prof. Dr. Christa Ewers Dr. Sebastian Günther Torsten Semmler Szilvia Vincze Prof. Dr. Leo Brunnberg Prof. Dr. Barbara Kohn Mikrobiota • Bakterien leben auf den Körperoberflächen von Mensch und Tier • Menschen: mehr Bakterien (ca. 10 Billionen; 2kg) als Körperzellen • Die Vielzahl der Bakterien, die auf und in Körpern ständig leben, nennt man Normalmikrobiota, je nach Körperregion verschiedenartige Standortmikrobiota. • Im Regelfall wird das Prinzip von „leben und leben lassen“ bzw. „voneinander profitieren“ verfolgt. Standortmikrobiota: Kokken auf der Haut Darmbakterien auf der Darmschleimhaut Nosokomial.... Robert Koch-Institut (RKI): Centers for Disease Control- Definiton: Allgemeine Definition einer nosokomialen Infektion (NI) „Als Reaktion auf das Vorhandensein von Mikroorganismen oder ihrer Toxine liegen lokale oder systemische Infektionszeichen vor. Es dürfen keine Hinweise existieren, dass die Infektion bei der Aufnahme in das Krankenhaus vorhanden oder in der Inkubationsphase war.“ 50 0 % Ähnlichkeit 100 Häufig multiresistente Bakterien Datum 05.04.2011 10.04.2011 12.04.2011 05.05.2011 06.05.2011 09.05.2011 Patient Pferd 1 Pferd 2 Pferd 3 Pferd 4 Pferd 5 Pferd 6 Marker Nachweis E. coli (ESBL-positiv) E. coli (ESBL-positiv) E. coli (ESBL-positiv) E. coli E. coli E. coli Muster 1 2 2a 3 3 3 Nosokomiale Infektionen: Einflussfaktoren Mikrooganismen auf Oberflächen Gegenständen, in und auf Mensch und Tier Immunsupprimierte Patienten NI Transmission von Pathogenen zwischen Personal und Patienten, Patient und Patient... Nosokomiale Infektion: Handsache… ungewaschen warmes Wasser Wasser und Seife Wasser und Seife, anschließend alkoholische Händedesinfektion Photo by hoyasmeg Bewertung der Risiken OP- Tisch: Beatmungsgerät: Türklinke 1: Beispiel: MRSA -Infektionskette 1 2 3 4 5 6 7 2.: Pferd A, Wunde (01. Mai) 3.: Tierarzt, Hände (07. Mai) 5.: Pferd B, Wundinfektion (12. Mai) Epidemiologische Untersuchung: • Zeitraum • Ort Makrorestriktionsanalyse des Genoms mit SmaI: Indikatorinfektionen • • • • Postoperative Wundinfektion (engl.: SSI) Katheter-assoziierte Sepsis Katheter-assoziierte Harnwegsinfektion Beatmungs-assoziierte Pneumonie Vet. Med. Übertragungswege • Schmierinfektionen • Tröpfcheninfektionen • Hände von vet. med. Mitarbeitern • nasal besiedeltes Personal • Mehrdosisbehälter • Transfusionen (inkl. Mandrin) • Injektionen Foto: Veterinary practice news Kolonisation Infektion • Viele Faktoren beeinflussen die Weiterentwicklung von der Kolonisation bis zur Infektion • Infektion= Dosis x Virulenz Abwehrlage des Wirtes • Anzahl der Mikroorganismen • Produzierte Virulenzfaktoren • Abwehrlage des Wirtsorganismus Ablauf Wundinfektion Systemische Infektion Lokale Infektion Kritische Kolonisation Kolonisation Kontamination alle Kardinalszeichen einer Entzündung Postoperative Wundinfektionen • • • • • • • • Verzögerte Wundheilung Systemische Infektion & andere Komplikationen Verlängertes Leiden Verlängerte Behandlungsdauer Verlängerter Klinikaufenthalt Gefahr der Übertragung: nosokomiale Infektionen (NI) Erhöhte Behandlungskosten Erhöhter Einsatz von Antiinfektiva – Resistenzförderung • Psychologischer Effekt auf Besitzer und Angehörige Postoperative Infektionen exogen Normal-Mikrobiota Patient Bakterien der Umgebung Gastro-Intestinaltrakt Urogenitaltrakt Kolonisierung Haut Nasopharynx Operationswunde Prädisponierende Grunderkrankung Antibiose endogen Postoperative Wundinfektion Adaptiert an eine Abbildung von: Frederic Gaschen, Dr.med.vet., Dr.habil., DACVIM, DECVIM-CA; Veterinary Clinical Sciences School of Veterinary MedicineLouisiana State University:Baton Rouge, Louisiana, USA Endogene postoperative Infektionen • > 1000 verschiedene Mikroorganismen (>100 Billionen Bakterien) • resistente „Vertreter“ fallen nicht auf • Kommensale inhibieren pathogene Bakterien Bsp.: Staphylococcus epidermidis inhibiert Biofilmbildung und nasale Kolonisierung durch Staphylococcus aureus (Iwase et al. Nature letters: Vol 465|20 May 2010| doi:10.1038/nature09074) • aber: Antibiose Selektionsvorteil für einzelne resistente Bakterien • Vermehrung / Ausbreitung in frei gewordenen „Nischen“ endogene Infektion möglich Exogene postoperative Infektionen Bakterien aus der Umgebung des Patienten: Kranke Pferde liegen nicht im Bett! Beispiele – – – – Mangelnde Wundabdeckung Insekten mangelnder Schutz vor Automutilation Eintrag von Bakterien bei der Wundversorgung (Verbandswechsel !!!) – Eintrag der Bakterien beim Fädenziehen Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen: Wundabstriche vom Pferd % 16 14 12 10 8 6 4 2 E S B L M R S A E S B L En sp te . ro co cc us sp Fu . so ba kt er En ie te n ro ba ct er Ac sp tin . ob ac illu Ps s eu sp do . m on as an ae sp . ro be Ko kk en Pr ot eu s sp . C lo Po st rid rp ie hy n ro m on as Ac sp in et . ob ac te rs p. Pe pt os tre SI G pt oc oc cu s sp . S oi de s KN Ba ct er E. co St li re pt ok ok ke n S. au re us Pr ev ot el la sp . 0 Häufigkeit (in %) nachgewiesener Bakterien in Wundabstrichen vom Pferd 2011, Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der Freien Universität Berlin (IMT) Bundesweit: MRSA in Wundabstrichen Daten aus dem Verbundprojekt MedVet-Staph • Aus annähernd 5% (Hund), 10% (Katze) bzw. 25% (Pferd) aller Wundabstriche wurden Staphylococus (S.) aureus isoliert • Annähernd die Hälfte dieser S. aureus waren MRSA MRSA http://media.photobucket.com S. aureus und MRSA • • • • Gram-positive Kokken Kommensale und opportunistische Pathogene S. aureus kann ein weites Spektrum von Wirten kolonisieren und infizieren (human, animal) MRSA: eine Hauptursache für nosokomiale Infektionen weltweit MRSA kolonisiert / infiziert ? Kultur und Diagnostik Tupfer MRSA Verifikation MRSA? Escherichia coli Rasterelektronenmikroskop: E. coli Pferd: bedeutender Wundinfektionserreger E. coli und ESBL • • • • endogene Infektion durch Fäkalkeime möglich Eintrag aus der Umgebung (Fußboden etc.) eitrige Entzündungen z.T. erschwerte Behandlung durch zahlreiche Resistenzen – Extended Spectrum ß-Lactamase - Produktion • Resistenz gegenüber Penicillinen, Cephalosporinen (1-3. Generation) • sowie gegenüber Aztreonam • nicht gegenüber Carbapenemen • hemmbar durch Clavulansäure (in vitro) ESBL (Paterson und Bonomo, 2005). Foto: University of Liverpool, equine colic webside Warum entwickelten sich Antibiotikaresistenzen? Natürlicher Kampf untereinander „dual / new use“ bakterieller Systeme in neuen Nischen A C Gerry Wright (2011): Resistenzen sind „part of the natural ecology of our planet" B Image: Eye of Science / Science Photo Library Bacterien und Pilze im Boden: Leben in der selben Umwelt Transfer und Austausch von DNA A: Aufnahme der DNA toter Bakterien B: Viren (Bacteriophagen) C: Plasmide Vorkommen multi-resistenter Infektionserreger in diagnostischem Untersuchungsmaterial (Hund, Katze, Pferd) %-Anteil an Erregerspezies gesamt (Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen) ESBL-bildende E. coli und ihre Assoziation mit Klinik HWI Infektion RTI Infektion Wund Infektion Hund Katze Pferd Ewers et al. (2012) Fallbeispiel Pferd • • Vorbericht: Pferd war in Tierklinik 1 zur Behandlung des Sprunggelenks vor 14 Tagen entlassen • Tierklinik 2: Vorstellung im Notdienst: Fieber, hochgradige Schwellung, schlechte Belastung • Ultraschall: Zellreicher Erguß und Schichtenbildung, Punktat: Leukozytose Gelenk- und Bursabeteiligung nicht ausgeschlossen Initial: Penicillin/ Streptomycin • • • • • • Operation: eröffnet und ausgeschält Wundreinigung Tupfer für bakteriologische Untersuchung Bakteriologische Untersuchung aerob: +++ MRSA Oxacillin, Cefoxitin (o. Abb.): Phänotypischer Nachweis Methicillinresistenz resistent MRSA: resistent gegen alle ß-Lactame und Carbapeneme sensibel Phänotypischer Nachweis der Methicillinresistenz gemäß CLSI (Oxacillin, Cefoxitin) Einsatz von Antibiotika: BEISPIEL Hollis and Wilkins, Equine Veterinary Education 2009, 21 Risikominimierung Bsp.: Perioperatives Management • Hände waschen • Nicht zu früh rasieren • Saubere Schermaschine / Scherkopf • Gründliche Reinigung des OP- Feldes • Saubere, sterile Instrumente • Wundabdeckung • Verbandswechsel mit Handschuhen („Wundmanagement“) • Saubere Umgebung • Autoinfektion vermeiden (Halskragen) • Cave: „Fäden ziehen“ unter kontaminationsfreien Bedingungen Surveillance Surveillance bedeutet a) systematische Dokumentation von Infektionen b) hygienische und epidemiologische Analyse der Daten c) Rückmeldung an den betreffenden Bereich und ggf. Intervention mit dem Ziel einer Verbesserung der Präventionsmaßnahmen d) Evaluation der Interventionsmaßnahmen Gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Diagnostik-Labor. Surveillance Anzahl postoperativer Wundinfektionen/ Jahr Interventionen (Beispiele): • Abstellen der ident. Ursache • Mitarbeiterschulung • OP-Sanierung • Verfahrenswechsel • Nasale Sanierung Personal • Antibiotika-Management • Hygienemanagement Sorgfalt und Hygiene Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA250): • Beschäftigte sind zu informieren über: • Bedeutung, Umgang, Hygienemaßnahmen • Hinweis auf Gefahr der Infizierung • gilt ausdrücklich: auch für Umgang mit tierischen Patienten §3(1)/§ §6 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Verantwortung: Patienten Patientenbesitzer Mitarbeiter Angehörige der Mitarbeiter • Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten • Kontrolle der Wirksamkeit von Maßnahmen • Verbesserung des Gesundheitsschutzes • Dokumentation der Maßnahmen 30 Fortbildung / Lehrbücher