Skriptum zu Prinzipien 2007

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Prinzipien der modernen Physik
Teil 1
Vorlesung von B. Baumgartner
gehalten im Sommersemester 2007
 Bernhard Baumgartner, Wien, 2000,2002 und 2005
Alle Rechte vorbehalten
1. Einleitung
Die Prinzipien dieser Vorlesung
Um die Prinzipien der modernen Physik richtig verstehen zu können, ist es
notwendig, über einige Grundsätze der Erkenntnistheorie Bescheid zu wissen.
Was ist die Physik?
Naturwissenschaft
Die Physik ist eine Naturwissenschaft. Ein Naturwissenschaftler untersucht Ereignisse,
Dinge und Körper, die beobachtet werden, und die es - im Prinzip - auch ohne Menschen
gibt.
So sind die Naturwissenschaften abgegrenzt von Geisteswissenschaften (z.B.
Volkskunde), von den Formalwissenschaften (z.B. Mathematik) und auch von den
technischen Wissenschaften (z.B. Maschinenbau). Eine verfeinerte Form der Beobachtung ist
das Messen.
Spezialisierung auf allgemeine Aspekte
Die Physik ist unter allen Naturwissenschaften dadurch ausgezeichnet, dass sie die
umfassendste ist, denn sie trifft eine Auswahl von Aspekten, die jedem Ereignis zukommen
(auch ein springendes Eichhörnchen unterliegt der Schwerkraft; auch bei einer chemischen
Reaktion bleibt die Energie erhalten). Sie ist auch insofern die Grundlage für alle anderen
Naturwissenschaften, als sie das Verhalten der kleinen Teile eines jeden Körpers beschreibt.
Dieses konkrete Teilen der Dinge ist, genau bedacht, eng verbunden mit dem abstrakten
Teilen der Begriffswelt und der verschiedenen Aspekte
Bildung von Modellen und Theorien
„Verstehen“ ist das Erfassen von Zusammenhängen. Die Naturgesetze werden im
Wechselspiel von Messung und Bildung von Theorien entdeckt: An beobachteten Ereignissen
werden charakteristische Strukturen wahrgenommen. Diese werden in mathematischer Form
beschrieben: So entstehen empirische Gesetze. Mehrere empirische Gesetze (z.B. Galileis
Fallgesetz und die Keplerschen Gesetze der Planetenbahnen) werden dann in einer
umfassenderen Theorie erklärt (z.B. Newtons Gravitationstheorie). Diese Erklärung erfolgt
dadurch, dass ein Modell definiert und analysiert wird (z.B. zwei Massenpunkte, Sonne und
Planet repräsentierend).
Entwicklung der Begriffe
Mit der Zeit ändern sich die Fragestellungen der physikalischen Forschung, ebenso
ihre Methoden und die Vorgangsweise. Gibt es revolutionäre neue Ergebnisse, so führt dies
zu einer Wandlung der Begriffe. (In der Relativitätstheorie gibt es zum Beispiel statt „Raum“
und „Zeit“ das „Raum-Zeit-Kontinuum“.). Das war in der Geschichte mehrmals der Fall, und
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auch in der Zukunft wird es wohl noch viele kleinere, vielleicht auch größere Wandlungen der
Begriffswelt geben.
Warum Beschäftigung mit der Geschichte?
Die Entstehungsgeschichte einer Theorie kann die Bildung der Prinzipien und den
Zusammenhang der Begriffe aufdecken, der ja durch die Auswahl von Aspekten hergestellt
wurde, mit denen brauchbare Modelle entwickelt werden können. Am Beispiel der
Geschichte wichtiger Neuerungen der Physik kann man sich auch vielleicht auf die
Neuerungen, die noch kommen werden, vorbereiten.
Grobe Einteilung
Nach der Physik der Antike, dominiert von den Lehren des Aristoteles, aufgenommen
in die Philosophie des Mittelalters durch die Scholastik, begann die klassische Physik um
1600 mit Galileo Galilei. (Gleichzeitig Johannes Kepler, Vorläufer sind Nikolaus Kopernikus
und Simon Stevin)
Die moderne Physik beginnt mit 1900 (Planck, Einstein, Bohr, Schrödinger, Heisenberg,
Pauli....)
Messungen  Theorien
Verknüpfung von Theorie und Praxis
Bei jeder Messung sind Theorie und Praxis miteinander verknüpft, da ja die MessErgebnisse und die Sinneseindrücke interpretiert werden müssen. Ein Beispiel ist die
Bestimmung der Sonnenoberflächentemperatur: Die Thermodynamik (die „Theorie der
Wärme“) liefert ein Strahlungsgesetz, eine Formel für den Zusammenhang der Temperatur
des strahlenden Körpers mit der Intensität und Zusammensetzung seiner Wärmestrahlung. Ein
Vergleich der so gefundenen Frequenzkurven mit den Daten der Sonnenstrahlung läßt auf
eine Temperatur von 5800 Kelvin (~5500°C) schließen.
Genauigkeit und Fehler
Die Physik ist die genaueste aller Naturwissenschaften. Damit hat sie auch die
Verpflichtung zu wahrhaftiger und glaubwürdiger Genauigkeit, mit der Angabe ihrer
Grenzen, also der möglichen Fehler.
Die genaue Berücksichtigung von Fehlern kann auch zu direkten Erfolgen führen: C.F.
Gauß entwickelte die Fehlerrechnung und konnte damit den Astronomen mitteilen, wo ein
von ihnen neu entdeckter, aber dann wieder aus ihrem Blickfeld verschwundener Planetoid
aufzufinden war. (In Anerkennung dieser Leistung wurde er zum Leiter der Göttinger
Sternwarte berufen.)
Experiment
Galilei betonte die Wichtigkeit des Experiments als Quelle der „kleinen Wahrheit“, die
er den großen Thesen vorzog. Damit geschah der Schritt weg von der Beschäftigung mit einer
umfassenden „Naturphilosophie“ hin zur Forschung im Stile der klassischen Physik.
Vorläufer, in diesem Sinne, war Simon Stevin (genannt „Simon von Brügge“), der sowohl
praktische Ingenieurarbeiten durchführte (Windmühlen, Wasserpumpen, Schleusensysteme),
als auch theoretische Abhandlungen schrieb („...weeghconst“ - Statik). Überhaupt ist die
ganze Handwerkskunst, der praktische Umgang mit Materialien, die Grundlage zur
Entstehung der Naturwissenschaften.
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Teile  Ganzheit
Analyse und Synthese
Die Methode, zuerst das Verhalten kleiner Teile der Natur zu untersuchen, dann erst
ihre Wechselwirkungen im Ganzen (explizit genannt von Galilei in Betonung des
Unterschieds von den früheren Naturphilosophen) wurde zum Erfolgsrezept der klassischen
Physik. In der modernen Physik gibt es nun Grenzen dieser Methode. In der Quantenphysik
sind z.B. der Beobachter und das Beobachtete im Prinzip als Einheit zu sehen.
Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile
Beispiel Temperatur: Ein Gas besteht aus Atomen. Ein Gas hat Temperatur. Ein
einzelnes Atom hingegen wird ohne Temperatur beschrieben. Ein historischer Irrtum (bis
Ende 18. Jhdt.) erwuchs aus der Überbetonung des Konzeptes „Teilen“: Man hielt die Wärme
für einen Stoff (das „Phlogiston“). Die „Statistische Physik“ als Grundlage der
Thermodynamik erklärte dann die Temperatur als eine Eigenschaft der Gesamtheit aller
Atome.
Die „Reduktion“, das ist die Erklärung des Ganzen durch Rückführung auf die Teile,
geschieht nie ohne Reste.
Modelle  Wirklichkeit
Die Vorgangsweise der Naturerklärung
Erst kommt die „Verwunderung“ (Augustinus sagt „das Staunen“), über eine Klasse
von Phänomenen. (Vielleicht auch der Wunsch nach technischer Beherrschbarkeit)
Dann entsteht das Problem der Erklärung.
Es folgen Lösungsversuche mit Modellbildung und Analyse.
Schließlich erfolgt der Vergleich von Modell und Wirklichkeit mit der Elimination der
Irrtümer (oder auch Erkenntnis der Grenzen der Anwendbarkeit).
(nach Karl R. Popper „Alles Leben ist Problemlösen“)
Jede physikalische Theorie ist so innerhalb der Begrenzung ihres Anwendungsbereiches
ein „Modell der Wirklichkeit“. (nach Wolfgang Pauli „Phänomen und physikalische Realität“)
Modellbildung
Die Konstruktion eines Modells beginnt mit der Auswahl von Aspekten, die man für
wichtig hält. Dann folgt die Anwendung einer Theorie.
Beispiel: Erklärung der Planetenbahnen:
Wichtige Aspekte sind die Massen der Sonne und der Planeten, und die
Wechselwirkung jedes einzelnen Planeten mit der Sonne. Somit ist das erste Modell ein
System eines einzelnen Paares von Sonne und Planet, dargestellt als Massenpunkte. Mit
Newtons Bewegungsgleichungen und seiner Theorie der Gravitation folgt die Erklärung der
Keplerschen Gesetze.
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Für die Auswahl der Aspekte ist eine Abschätzung der Größenordnungen wichtig.
Beispiel: Sonnensystem:
Mit der groben Abschätzung, dass die Dichte aller Körper im Sonnensystem gleich ist,
und der Berechnung der Volumina aus den beobachteten Durchmessern, ergibt sich für den
größten Planeten, den Jupiter, eine Masse von einem Tausendstel der Sonnenmasse. Da die
Planeten einander nicht sehr nahe kommen, sind auch ihre Kräfte aufeinander nicht größer als
ein Tausendstel der Schwerkraft der Sonne. Sie können fürs erste also unberücksichtigt
bleiben. Auch sind die Durchmesser der Körper um mindesten vier Größenordnungen kleiner
als die Durchmesser ihrer Bahnen. Sie können somit fürs erste als punktförmig betrachtet
werden.
Verfeinerung von Modell und Theorie
Die Verbesserung und Verfeinerung eines Modells geschieht durch Berücksichtigung
von Aspekten, die zuerst weggelassen wurden. Fehler der Theorie sollen dabei geringer, die
Fehlergrenzen enger werden.
Beispiel: Die Einwirkung des Planeten Jupiter auf die anderen Planeten. (Eine volle,
exakte Lösung des Dreikörperproblems ist nicht möglich, daher betreibt man
Störungstheorie.)
Fortschritte
Die Entdeckung gemeinsamer Strukturen verschiedener Modelle ist die Erkenntnis
allgemeiner Prinzipien.
Beispiel: Bewegungen im Schwerefeld  Prinzip der Energieerhaltung.
Diese Prinzipien sind abstrakter als die zuerst gefundenen Gesetze und von den
einfachen Vorstellungen weiter entfernt. In der Entwicklung neuer Theorien ist es oft
notwendig, gewohnheitsmäßige Vorstellungen, die früher als selbstverständlich galten, durch
neue zu ersetzen. Die abstrakteren Prinzipien erweisen sich dagegen als standfester. (nach
Max Planck: „Die Quantenhypothese“)
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ORIGINAL-TEXTE
MAX PLANCK
Die Quantenhypothese
Der erste Anstoß zu einer Revision und Umbildung einer physikalischen Theorie
geht fast immer aus von der Feststellung einer oder mehrerer Tatsachen, die in den
bisherigen Rahmen der Theorie nicht hineinpassen. Die Tatsachen bilden stets den
Archimedischen Punkt, von dem aus auch die gewichtigste Theorie aus den Angeln
gehoben werden kann. Insofern ist für den richtigen Theoretiker nichts interessanter
als eine Tatsache, die mit einer bisher allgemein anerkannten Theorie in direktem
Widerspruch steht; denn hier setzt seine eigentliche Arbeit ein.
Was ist nun in einem solchen Falle zu tun? Fest steht nur das eine: An der
bestehenden Theorie muß irgend etwas geändert werden, und zwar so, daß sie mit
der festgestellten Tatsache in Übereinstimmung kommt.
........
Und nun ist das überaus wichtige und merkwürdige Resultat zu verzeichnen, daß
in allen derartig entstandenen Konflikten der neueren Zeit die großen allgemeinen
physikalischen Prinzipien, so namentlich das Prinzip der Erhaltung der Energie, das
Prinzip der Erhaltung der Bewegungsgröße, das Prinzip der kleinsten Wirkung, die
Hauptsätze der Thermodynamik, es gewesen sind, welche ausnahmslos das Feld
behauptet haben, und deren Bedeutung daher ganz erheblich gewachsen ist,
während dagegen die im Kampfe unterlegenen Sätze solche sind, welche bisher
zwar allen theoretischen Entwicklungen als scheinbar sicherer Ausgangspunkt
dienten, aber nur deshalb, weil sie als so selbstverständlich angesehen wurden, daß
man sie besonders zu erwähnen gewöhnlich entweder nicht für nötig fand, oder
überhaupt vergaß.
Zusammenfassend kann man geradezu sagen, daß die neueste
Entwicklung der theoretischen Physik ihr Gepräge erhält durch den Sieg der
großen physikalischen Prinzipien über gewisse tief eingewurzelte, aber doch
nur gewohnheitsmäßige Annahmen und Vorstellungen.
.........
Sowenig sich eine Weltanschauung wissenschaftlich beweisen läßt, so sicher
kann man darauf bauen, daß sie jeglichem Ansturm gegenüber unerschütterlich
standhalten wird, sofern sie nur mit sich selber und mit den Tatsachen der Erfahrung
in Übereinstimmung bleibt.
........
Freilich: der Glaube allein tut's nicht, er kann, wie die Geschichte einer jeden
Wissenschaft lehrt, leicht auch einmal in die Irre führen und in Beschränktheit und
Fanatismus ausarten. Um ein zuverlässiger Führer zu bleiben, muß er beständig an
der Hand der Denkgesetze und der Erfahrung nachgeprüft werden, und dazu verhilft
in letzter Linie nur gewissenhafte, oft mühsame und entsagungsvolle Einzelarbeit.
["Neue Bahnen der physikalischen Erkenntnis"
In: Physikalische Rundblicke. Gesammelte Reden und Aufsätze, Leipzig 1922 ]
[Auch im Buch von S. Samburski nachzulesen.] Hervorhebungen durch Fettdruck von B. Baumgartner.
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WOLFGANG PAULI
Phänomen und physikalische Realität
Im folgenden will ich einige Hinweise geben, welche Probleme in Verbindung mit
den Stichworten Phänomen und Realität in der heutigen Physik eine wichtige Rolle
spielen, ohne Anspruch, dieses unerschöpfliche Thema auch nur annähernd
bemeistern zu können. Dabei will ich aber auch kontroverse Fragen berühren, denn
diese sind es ja, denen sich das allgemeine Interesse am meisten zuwendet. Zur
Orientierung der Philosophen möchte ich gleich bemerken, daß ich selbst keiner
bestimmten philosophischen Richtung angehöre, die einen mit den Silben «ismus»)
endenden Namen trägt. Darüber hinaus bin ich auch dagegen, spezielle physikalische Theorien wie zum Beispiel die Relativitätstheorie oder die Quanten- oder
Wellenmechanik speziellen -ismen zuzuordnen, obwohl dies zuweilen von physikalischer Seite her geschieht. Meine allgemeine Tendenz ist vielmehr, zwischen
extremen Richtungen eine gewisse Mitte einzuhalten. In diesem Sinne ist es wohl am
besten, sich zunächst darüber zu besinnen, wie Phänomen und Realität im
beruflichen Alltagsleben des Physikers vorkommen.
Das Phänomen, die Erscheinung, kann elementar oder auch recht komplex sein.
Zu den unmittelbaren Phänomenen gehören die Bewußtseinsinhalte. Die
Beschreibung derselben als Wahrnehmungen ist insofern einseitig, als auch
Gedanken und Ideen spontan entstehen.
.......
Das, was wir antreffen, was sich unserer Willkür entzieht, womit wir rechnen
müssen, ist das, was man als wirklich bezeichnet.
........
Wenn wir nun zu formulieren versuchen, was das physikalische Phänomen und
was die physikalische Wirklichkeit ist, so gehen die Meinungen bereits auseinander.
.... erscheint mir eine solche Trennung selbst bereits das Resultat einer
besonderen kritischen Gedankenarbeit, welche die stets vorhandenen unbewußt
instinktiven Denkzutaten entfernt. Eine Beschränkung auf festgestellte oder
feststellbare Bewußtseinsinhalte würde sowohl das Leben wie die Wissenschaft
unmöglich machen. Erst unwillkürlich und später bewußt, setzt der Mensch an und
für sich nicht Feststellbares, man kann auch sagen relativ Transzendentes - wie zum
Beispiel das Bewußtsein der anderen, die Rückseite des Mondes, eine Geschichte
der Erde, die zum Teil kein Lebewesen gesehen hat -, um daraus wieder
Feststellbares abzuleiten.
Von dieser Mitte aus ist es ein gleich weiter Weg bis zur Elimination des Wirklichkeitsbegriffes einerseits und der Annahme von metaphysischen, unbedingt und für
immer geltenden Seinsurteilen andererseits. Ich glaube, daß für die Naturwissenschaften keines von beiden nötig ist. Der Mensch wird immer wieder die spontane
Erfahrung einer Wirklichkeit erleben und diese in Worten beschreiben, die ihm angemessen scheinen. Er kann aber Seinsurteile als bedingt erkennen durch die
Bestrebungen, Hoffnungen, Wünsche, kurz durch die allgemeine seelische Einstellung des Einzelnen oder der Gruppe, welche diese Aussagen machen. Hierzu
gehört, insbesondere auch beim Forscher, der Grad seiner Kenntnisse, das Maß des
Wissens seiner Zeit. Auf diese Weise entsteht eine Spannung zwischen Phänomen
und Wirklichkeit, die den Reiz des Lebens wie der Forschung ausmacht.
Der Naturwissenschaftler hat es mit besonderen Phänomenen und einer
besonderen Wirklichkeit zu tun. Er hat sich auf das zu beschränken, was
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reproduzierbar ist. Hierzu rechne ich auch das, für dessen Reproduktion die Natur
von selbst gesorgt hat. Ich behaupte nicht, daß das Reproduzierbare an und für sich
wichtiger sei als das Einmalige, aber ich behaupte, daß das wesentlich Einmalige
sich der Behandlung durch naturwissenschaftliche Methoden entzieht. Zweck und
Ziel dieser Methoden ist ja, Naturgesetze zu finden und zu prüfen, worauf die Aufmerksamkeit des Forschers allein gerichtet ist und gerichtet bleiben muß.
Die zusammenhängende Formulierung von Gedankensystemen, bestehend aus
mathematischen Gleichungen und aus Regeln, wie diese mit Erfahrungsdaten zu
verknüpfen sind, nennen wir eine physikalische Theorie, die man dann innerhalb
der Begrenzung ihres Anwendungsbereiches als "Modell der Wirklichkeit"
bezeichnen kann.
........
Theorien kommen zustande durch ein vom empirischen Material inspiriertes
Verstehen, welches am besten im Anschluß an Plato als Zur-Deckung-Kommen von
inneren Bildern mit äußeren Objekten und ihrem Verhalten zu deuten ist. Die
Möglichkeit des Verstehens zeigt aufs Neue das Vorhandensein regulierender
typischer Anordnungen, denen sowohl das Innen wie das Außen des Menschen
unterworfen sind.
[Aufsätze über Physik und Erkenntnistheorie, Braunschweig 1961]
Hervorhebungen durch Fettdruck von B. Baumgartner.
Literatur:
Zu den hier angeschnittenen fachübergreifenden Themen:
Friedrich Hund: Geschichte der physikalischen Begriffe
Shmuel Samburski: Der Weg der Physik
Herbert Pietschmann: Phänomenologie der Naturwissenschaft
Infolge der Weiterentwicklung der Physik und auch der Ausbildungsmethoden gibt es
(noch) kein ganz genau passendes Buch zu dieser ganzen Vorlesung. Besonders empfehlen
kann ich ausgewählte Kapitel aus
„Physik“ von Paul A. Tipler
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Entstehung der modernen Physik
Max Planck
1900
Wirkungsquantum
Albert Einstein
1905
Spezielle Relativitätstheorie
Albert Einstein
1905
Quanten des Lichts
Niels Bohr
1913
Atommodell mit Quantenzahlen
Albert Einstein
1916
Allgemeine Relativitätstheorie
Louis Victor de Broglie
1924
„Recherches sur la théorie des Quanta“
Erwin Schrödinger
1926
„Die Quantisierung als Eigenwertproblem“
Max Born
1926
Wahrscheinlichkeits-Interpretation
Werner Heisenberg
1927
Unschärferelation
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2. Das Relativitätsprinzip (klassisch);
Ereignisse in Raum und Zeit
Um die Vielfalt der Ereignisse, die wir beobachten, verstehen zu können,
beobachten wir auch ihre Ordnung und Anordnung. Der allgemeinste Aspekt ist die
Anordnung in Zeit und Raum: Wann und wo etwas geschieht oder geschehen ist. Die
Gesetzmäßigkeiten dieser Ordnung sind einerseits die Grundlagen der Physik und
wurden als erste Prinzipien erforscht; andererseits wurden gerade diese Fundamente
in der modernen Physik neu festgelegt. Dabei bleiben aber die klassischen Gesetze als
Grenzfälle. Sie helfen auch, die modernen Prinzipien zu verstehen.
Literatur:
P.Tipler (ältere Auflagen), Kapitel 1.1, 3, 4 / 2.2, 3 / 3 / 4.1 / 8.1 / 34.1 / 42.6
2.1. Koordinaten
2.1.1 Die Menge der Ereignisse; Raum-Zeit-Diagramme
Ein Beispiel: Vortragende Person geht vor den sitzenden Hörern auf und ab. Dann wirft er
ihnen ein Kreidestück zu, ein Hörer fängt es auf. Symbolische Darstellung der Menge von
Ereignissen in einem Diagramm:
Zu verschiedenen Zeiten wird das
Kreidestück
an
verschiedenen
Orten
wahrgenommen. Das gibt eine Abfolge von
sehr vielen Ereignissen. Diese Ereignisse, an
denen das Kreidestück teilnimmt, bilden die
Weltlinie der Kreide - idealisiert ist das eine
stetige, sehr dünne (infinitesimal dünne) Kurve
im Raum-Zeit-Diagramm.
Schon in so einer nicht näher quantifizierten symbolischen Darstellung stecken einige der
„tief eingewurzelten, aber doch nur gewohnheitsmäßigen Annahmen und Vorstellungen“. Der
Begriff „Ereignis“ wird zu einem tiefen Problem der Quantenphysik. Die Festlegung eines
„Ortes“ (z.B. Sitzplatz im Hörsaal) bedeutet, wie von Galilei dargestellt, keine absolute Ruhe.
Um physikalische Gesetze zu finden, brauchen wir auch noch detailliertere Angaben, über
Abstände zwischen verschiedenen Orten, also die „Metrik“ des Raumes, über die Dauer eines
Ablaufes von Ereignissen, über Festlegung von „früher“ oder „später“ oder „gleichzeitig“.
Der Begriff „gleichzeitig“ wird zum archimedischen Punkt, um die klassische Mechanik
durch die relativistische Kinematik zu ersetzen. Erst die Festlegung von „Gleichzeitigkeit“
ermöglicht es, Schnitte durch die Menge aller Ereignisse zu legen, die den „Raum“
charakterisieren.
Das grundlegende Problem ist also die Wahl eines Systems von Koordinaten.
(Auch die gewohnheitsmäßige Voraussetzung, dass man ein kartesisches Koordinatensystem wählen kann, muss in der allgemeinen Relativitätstheorie fallen gelassen werden.)
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2.1.2. Die Zeit
Intuitiv erscheint uns persönlich die Zeit als gerichtete lineare Ordnung. Wir erleben die
Qualität „früher - später“. Zu dieser Qualität kommt die Quantität „Dauer“. Wir können sie
durch Messen mit Uhren konkretisieren.
Im Lauf der Geschichte gab es verschiedene Vorstellungen von „Zeit“. Zunächst eine
einzige von außen vorgegebene Zeit, nämlich durch Bewegungen von Sonne, Mond, Planeten
und Sternen relativ zum beobachtenden Menschen. In der Anordnung der irdischen Ereignisse
in dieser Zeit wurden Gesetzmäßigkeiten erkannt und zur Entwicklung von Uhren verwendet.
Auch im Ablauf der astronomischen Ereignisse wurden Gesetze erkannt. Um sie zu
beschreiben, brauchte man eine Zeit, die nicht selber durch diese astronomischen Ereignisse
definiert wird. Newton postulierte die Existenz einer absoluten Zeit. Die Gesetze der Physik
schienen zunächst mit dem Postulat so einer absoluten Zeit verträglich zu sein. Die Zeitdauer,
die eine Uhr anzeigt, sollte demnach je nach Güte der Uhr beliebig genau mit dieser absoluten
Zeitdauer übereinstimmen.
In der modernen Physik, in der Relativitätstheorie, gibt es keine absolute Zeit. Jede Uhr
zeigt eine Eigenzeit an. Zwar zeigen Uhren, die nahe beieinander sind und die sich nicht
relativ zueinander bewegen, die gleiche Eigenzeit an, aber räumliche Trennung und / oder
relative Bewegung kann dazu führen, dass sie verschiedene Eigenzeiten anzeigen. Eine
konkrete Demonstration dieses „Uhrenparadoxons“ erfolgte erstmals im Oktober 1971, im
Hafele-Keating-Experiment. Siehe Anhang im nächsten Kapitel.
In diesem Kapitel verwenden wir im folgenden Newtons Modell einer absoluten Zeit. In
diesem Modell gibt es eine absolute „Gleichzeitigkeit“.
Mathematische Struktur:
Ist die wirkliche Zeit eine stetige Abfolge von Ereignissen oder eine diskrete, so wie die
Folge der Bilder eines Films? Wir wissen es nicht. Wir bleiben bei dem Modell:
Kontinuum, wie bei den reellen Zahlen.
Festlegung einer Einheit der Zeitdauer:
Im SI-System (seit 1960) ist eine Sekunde die Dauer von 9 192 631 770 Schwingungen der
Strahlung einer bestimmten Hyperfeinstruktur der Atome 133Cs (Cäsium-Atome mit je 133
Nukleonen).
Die Möglichkeit dieser universellen Definition ist durch die Prinzipien der Quantenphysik
gegeben.
10
2.1.3. Der Raum
Die Gleichzeitigkeit ist eine logische Voraussetzung für die Bildung des Begriffs Raum.
Im Modell der absoluten Zeit kann man Schnitte der Gleichzeitigkeit durch die Menge der
Ereignisse legen. So eine Menge von „gleichzeitigen“ Ereignissen bildet dann den Raum.
Newton postulierte die Existenz eines absoluten Raumes, der stets gleich und unbeweglich ist.
Es gibt keinen Einfluss auf diesen Raum.
Klassisches Modell
Der Raum ist ein euklidischer dreidimensionaler Raum. Er ist homogen und isotrop. Das
heißt, alle Richtungen und alle Orte sind gleichwertig. Kein Punkt ist ausgezeichnet und keine
Richtung ist es. (Galilei hat gegen die Auszeichnung der Erde als „Mittelpunkt“ der Welt
gekämpft.) Absolute Begriffe sind „gerade Linie“ und „parallele Gerade“. Es gibt „Längen“
von Strecken und „Winkel“ zwischen einander schneidenden Geraden. Der euklidische Raum
ist wieder ein Kontinuum. Es gibt infinitesimale Abstände.
Mathematische Beschreibung
Meistens mit kartesischen Koordinaten.
Auswahl eines Punktes  Nullpunkt, Ursprung
Auswahl von Richtungen  Achsen
Auswahl einer Längeneinheit (z.B. nach SI-System)  Zahlenwerte der Koordinaten
Jedem Punkt wird ein Vektor zugeordnet, der vom Nullpunkt zu ihm hin zeigt:
x
  1
x.... x 2 
 
 x3 
Die Koordinaten des Punktes sind die Komponenten des Vektors.

x  x 12  x 22  x 32


 
 Abstand zwischen den Punkten, die x und y entsprechen: | x  y |


   
Winkel  zwischen x und y :
x  y  x y cos 
Länge eines Vektors:
SI-Einheit der Länge
1
s zurücklegt.
299 792 458
Die Möglichkeit dieser universellen Definition ist durch die Prinzipien der Relativitätstheorie gegeben.
1 m ist die Strecke, die das Licht im Vakuum in der Zeitdauer
Moderne Physik
Es gibt keinen absoluten Raum. Eine Auswahl von „gleichzeitigen“ Ereignissen ist
„relativ“ zu einem ausgewählten Bezugssystem. (Spezielle Relativitätstheorie) Der Raum
wird dann auch noch durch Einwirkung der Materie gekrümmt. (Allgemeine Relativitätstheorie) Er ist nur im kleinen Maßstab näherungsweise euklidisch.
11
2.1.4 Die Raum-Zeit
Problemstellung: Trennung der Aspekte „räumliche Distanz“ und „zeitliche Distanz“
durch Festlegung von Koordinatenachsen in der Menge der Ereignisse.
Zu einer ausgewählten Zeit t0 wählt man einen bestimmten Ort und bestimmte Richtungen
als Ursprung des Koordinatensystems und als Achsenrichtungen. Kann man diesen
ausgewählten Punkt und diese Richtungen zu anderen Zeiten wiedererkennen? (Beispiel,
erdachte Science Fiction: Ein Gefangener erwacht in einem Raumschiff ohne Kontakt nach
außen. Kann er feststellen, ob sich das Raumschiff bewegt?)
Newton postulierte den absoluten Raum als unbeweglich. Er konnte mit dem berühmten
Beispiel des rotierenden Eimers zeigen, dass man mit physikalischen Beobachtungen
Rotationen feststellen kann, also Änderungen der Richtungen: Einmal ausgewählte
Richtungen kann man also zu anderen Zeiten wiedererkennen.
Einmal ausgewählte Orte kann man aber zu anderen Zeiten nicht wiedererkennen. Das ist
Galileis Relativitätsprinzip. Galilei veranschaulichte das mit dem Beispiel eines Schiffes,
das sich bei ruhigem sanftem Wind gleichmäßig vorwärts bewegt. Dem Beobachter auf dem
Schiff erscheint zum Beispiel der Fuß des Mastes immer als der „gleiche“ Ort. Durch
physikalische Experimente, die keine Einwirkungen von außerhalb einbeziehen, ist auf dem
Schiff keine Bewegung festzustellen. Einem Beobachter am Ufer erscheint das Schiff
natürlich in Bewegung. Für die physikalischen Gesetze gibt es aber keinen prinzipiellen
Unterschied zwischen Ruhe und Bewegung.
Was Galilei noch nicht genau formuliert hat: Man kann schon zwischen verschiedenen
Arten von Bewegungen unterscheiden. Es gibt zwar keine einzelne ausgezeichnete Bewegung,
keine „absolute Ruhe“, aber es gibt eine ausgezeichnete Klasse von Bewegungen:
Trägheitsprinzip
(Das 1. Newtonsche Axiom)
Ein Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit (geradlinig
gleichförmig) weiter, wenn keine resultierende äußere Kraft auf ihn einwirkt.
Für Newton war die Definition von „geradlinig gleichförmig“ in Bezug auf den absoluten
Raum möglich. In der modernen Physik gilt dieser Begriff relativ zwischen kräftefreien
Körpern. Zur Beschreibung der physikalischen Ereignisse und ihrer Gesetze wählt man
günstigerweise Koordinatensysteme, in denen ein kräftefreier Körper eventuell ruht. Jeder
andere kräftefreie Körper wird in so einem Bezugssystem dann entweder auch als ruhend oder
als mit konstanter Geschwindigkeit sich bewegend beschrieben. Jedes solche Bezugssystem
ist ein Inertialsystem.
Relativitätsprinzip
( = Das 1. Postulat der Relativitätstheorie)
Die Naturgesetze haben in jedem Inertialsystem dieselbe Form. Es gibt kein physikalisch
bevorzugtes Inertialsystem.
12
Mathematische Beschreibung
Mit der Auswahl eines Punktes im Raum und Zuordnung entsprechender Punkte zu allen
Zeiten (z.B. Weltlinie eines kräftefreien Körpers) definiert man eine neue Achse, die
Zeitachse, für ein kartesisches Koordinatensystem der Raum-Zeit.

Ein idealisiertes Ereignis hat Koordinaten ( t, x )

Eine Weltlinie ist eine Menge {( t, x )} solcher Ereignispunkte, in der es zu jeder Zeit t nur

einen Punkt gibt. Man definiert daher als Bahn die Vektor-wertige Funktion x ( t ) .
Die Geschwindigkeit ist ein Vektor, eine Größe mit Betrag und Richtung. Aus den Daten
der Bahn berechnet man die Geschwindigkeit durch Differentiation nach der Zeit. Konvention
der Physik, zurückzuführen auf Newtons Schreibweise: Differenzieren nach der Zeit wird


durch einen Punkt symbolisiert. v ( t )  x ( t ) (Buchstabe v kommt von „velocitas“ und
„velocity“) Diese Differentiation einer vektorwertigen Funktion ist als komponentenweise
Differentiation definiert.
d
v 1 ( t )  x 1 ( t )  x 1 ( t ) ...
dt


Beschleunigung gibt die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit an: a ( t )  v ( t )
(Buchstabe a kommt von „acceleration“) Achtung: Anders als in der Sprechweise des Alltags
ist in der Physik die Beschleunigung auch dann ungleich Null, wenn sich nur die Richtung,
nicht aber der Betrag der Geschwindigkeit ändert. (Beispiel Kreisbahn)
Geradlinig gleichförmige Bewegung:




x ( t )  x ( 0)  t  v


v(t)  v



a( t)  0
Beispiel Kreisbahn
Bewegung in einer Ebene. Wählen die Koordinaten so, dass x 3 ( t )  0 ist, und schreiben
in der Folge nur die beiden ersten Komponenten der Vektoren. Als Nullpunkt wird der

Mittelpunkt der Kreisbahn gewählt. | x ( t ) | ist daher konstant =:r. Die Winkelgeschwindigkeit
ist zeitlich konstant. Das heißt, in Polarkoordinaten wäre der Winkel (t) = t.


x (t)
x ( t )   1   r  cos t 
 sin t 
 x 2 (t) 

v (t)
v ( t )   1   r   sin t 
 cos t 
 v 2 (t) 


a (t)
a ( t )   1    2 r  cos t    2 x ( t )
 sin t 
 a 2 (t) 
Die Geschwindigkeit ist zwar im Betrag konstant, aber in der Richtung zeitlich
veränderlich. Die Beschleunigung ist daher ungleich Null.
 Die Bewegung ist nicht kräftefrei! Es muss eine Kraft wirken, die Zentripetalkraft.
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2.2. Wechsel des Bezugssystems
Wir betrachten die Beschreibung von Ereignissen in zwei verschiedenen Inertialsystemen.
Hätten die räumlichen Achsen verschiedene Richtungen, wäre die mathematische
Beschreibung recht aufwendig. (Dafür ist die Diskussion der physikalischen Konzepte bei
bloßer Richtungsänderung unkompliziert.) Wir betrachten also nur zwei Inertialsysteme, die
relativ zueinander bewegt sind, deren Achsenrichtungen aber übereinstimmen.
Als Beispiel können wir an Galileis Beispiel des gleichmäßig fahrenden Schiffes denken.

Im Inertialsystem, in dem der Beobachter am Ufer ruht, wird die Bahn eines Körpers mit x ( t )
beschrieben. Die Bewegung des Schiffs, genaugenommen eines bestimmten Punktes am
Schiff, ist geradlinig gleichförmig, beschrieben als



S( t )  S(0)  w  t
Dieser bestimmte Punkt auf dem Schiff ist zu jeder Zeit der Nullpunkt des RaumKoordinaten-Systems des zweiten Bezugssystems, in dem der Beobachter auf dem Schiff

ruht. In diesem an das Schiff fixierten System wird die Bahn eines Körpers mit ( t )
beschrieben. Zwischen diesen Beschreibungen gilt die Relation






x ( t )  S( t )  ( t )  S(0)  w  t  ( t )
Geschwindigkeiten des Körpers:


Auf dem Schiff:
u( t )  ( t )
Vom Ufer aus:




 
v ( t )  x ( t )  S ( t )  ( t )  w  u( t )
Beschleunigungen des Körpers:


Auf dem Schiff
a ( t )  u ( t )
Vom Ufer aus:



v ( t )  u ( t )  a ( t )
Es gilt die Addition der Geschwindigkeiten
  
vuw
und die Invarianz der Beschleunigungen.
Die Beschleunigung ist - in der klassischen Physik - absolut.
14
2.3. Ein Modell des expandierenden Universums
(klassisch)
Erstes Bezugssystem: Sonnensystem, eigene Galaxie, die „Milchstraße“ im Ursprung.

Von uns aus betrachtet, hat jede Galaxie, wenn ihr der Koordinaten-Vektor x zugeordnet
wird, die Geschwindigkeit („Fluchtgeschwindigkeit“)


v  Hx
Das ist das Hubble-Gesetz. Dabei ist H die Hubble-Konstante
23 km s 1
1
H 6
 10
10 Lichtjahre 10 a
(Der „genaue“ Wert, die zweite Stelle, ist noch umstritten.)


Von der Galaxie G (bei y ) aus, die für uns die Geschwindigkeit H y hat, haben wir die


Geschwindigkeit w   H y .
  

Eine dritte Galaxie (für uns im Abstand x ) hat von dort aus die Koordinaten   x  y
und die Geschwindigkeit

  


u  v  w  Hx Hy  H
Das Hubble-Gesetz gilt daher in jedem Bezugssystem mit einer Galaxie im Ursprung und
in Ruhe. Es gibt in diesem Modell keinen „Mittelpunkt“ des Universums und keine absolute
Ruhe!
15
ORIGINAL-TEXTE
Sir Isaak Newton
Absoluter Raum, absolute Zeit ...
I.
Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und
vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgend einen
äußern Gegenstand. Sie wird so auch mit dem Namen Dauer belegt.
Die relative, scheinbare und gewöhnliche Zeit ist ein fühlbares und
äußerliches, entweder genaues oder ungleiches Maß der Dauer, dessen man
sich gewöhnlich statt der wahren Zeit bedient, wie Stunde, Tag, Monat, Jahr.
II.
Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf
einen äußern Gegenstand stets gleich und unbeweglich.
Der relative Raum ist ein Maß oder ein beweglicher Teil des erstern...
III.
Der Ort ist ein Teil des Raumes, welchen ein Körper einnimmt...
IV.
Die absolute Bewegung ist die Übertragung des Körpers von einem absoluten
Orte nach einem andern absoluten Orte...
Das Experiment mit einem rotierenden Gefäß
Die Wirkungen, durch welche absolute und relative Bewegungen voneinander
verschieden sind, sind die Fliehkräfte...
Man hänge z.B. ein Gefäß an einer sehr langen Schnur auf, drehe dasselbe
ständig im Kreise herum, bis die Schnur durch die Drehung sehr steif wird; hierauf
fülle man es mit Wasser und halte es zugleich mit dem letzteren in Ruhe. Wird es
nun durch eine plötzlich wirkende Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung versetzt
und hält diese, während die Schnur sich ablöst, längere Zeit an, so wird die
Oberfläche des Wassers anfangs eben sein, wie vor der Bewegung des Gefäßes;
hierauf, wenn die Kraft allmählich auf das Wasser einwirkt, bewirkt das Gefäß, daß
das Wasser merklich sich umzudrehen anfängt. Es entfernt sich nach und nach von
der Mitte und steigt an den Wänden des Gefäßes in die Höhe, indem es eine hohle
Form annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst gemacht.) ...
Grundsätze oder Gesetze der Bewegung
1. Gesetz.
Jeder Körper beharrt in seinem Zustande der Ruhe oder der gleichförmigen
geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird,
seinen Zustand zu ändern.
...
Philosophiae naturalis principia mathematica, 1687
Übersetzung von J. Ph. Wolfers, Berlin 1872
16
3. Spezielle Relativitätstheorie
Zeit und Raum, gemeinsam mit Materie, bilden das Universum. Nichts davon ist
absolut. Die Aufteilungen und auch die Maße dafür erscheinen verschieden bewegten
Beobachtern verschieden. Unter relativ zueinander bewegten Körpern hat jeder seine
spezielle Eigenzeit. Als Konsequenz müssen auch Impuls und Energie neu definiert
werden, die Energie trägt zur Masse bei, Masse und Energie sind äquivalent.
Literatur:
P.Tipler (Ältere Auflagen)
34.3 - 34.5, 34.8 - 34.10
3.1. Die Raum-Zeit; Kinematik
3.1.1. Das Relativitätsprinzip und die Elektrodynamik
Galileo Galilei hatte als Argument für die Bewegung der Erde die beobachtete
Relativität der physikalischen Gesetze betont. (Als Beispiel diskutierte er den fallenden
Körper auf einem bewegten Schiff.) Newton brachte dann dieses Prinzip in den
fundamentalen Gesetzen der Mechanik zur Geltung. (Trotzdem postulierte er einen absoluten
Raum; die Mathematik seiner Zeit war noch nicht so weit, darauf zu verzichten. Vielleicht
hatte Newton auch metaphysisch-philosophische Gründe.) Die klassische Mechanik ist dann
noch weiter ausgebaut und verfeinert worden, aber an der grundlegenden Struktur der
Beschreibung von Ereignissen in Raum und Zeit hat sich bis 1900 nichts geändert.
Die Elektrodynamik knüpfte mit Beobachtungen von Kraftwirkungen auf elektrisch
geladene Körper und auf Magnete zunächst an die Mechanik an. In der folgenden
Entwicklung, in der mathematischen Beschreibung, eröffnete sie neue Gebiete, unabhängig
von der Mechanik. Maxwell hat anfangs noch mechanische Modelle für die elektrischen und
magnetischen Felder entworfen. Später hat er seine Theorie ganz ohne solche Modelle
formuliert. Die Elektrodynamik war somit ein eigenes Gebiet, das sich nur teilweise mit der
Mechanik deckte.
Eine Relativität der elektrodynamischen Gesetze ist einerseits zu beobachten, zum
Beispiel an den Gesetzen der Induktion: ein Strom wird induziert, wenn sich ein Leiter im
„ruhenden“ Magnetfeld bewegt, und auch, wenn sich ein Magnetfeld über einen „ruhenden“
Leiter bewegt. Andererseits ist die einheitliche, absolute Geschwindigkeit elektrodynamischer
Wellen, die Lichtgeschwindigkeit, nicht zugleich mit der klassischen Geschwindigkeitstransformation und mit dem klassischen Relativitätsprinzip vereinbar. Denn nach der
klassischen Physik müsste ein bewegter Beobachter eine andere Geschwindigkeit messen.
Das wäre aber nur in Verbindung mit anderen zugrundeliegenden Gesetzen für die Felder
möglich.
H.A.Lorentz versuchte einen Ausweg aus diesem Dilemma, indem er ein
mechanisches Modell für die Schwingungen der Felder ansetzte: Das Äther-Modell. Dieses
Modell führt aber zu grotesken Schlüssen: Der Äther müsste das ganze Universum füllen, das
Licht ohne irgendwelche Verluste transportieren (Licht von fernen Sternen), eine ungebremste
Bewegung der Materie ermöglichen (Bewegung der Sterne und Planeten seit Milliarden von
Jahren), und dennoch einen Einfluss auf Ausdehnungen und Zeitabläufe bewegter Körper
ausüben. (Um zu erklären, dass Michelson und Morley keine Unterschiede in den
17
Geschwindigkeiten des Lichts in verschiedenen Richtungen relativ zur Erdbewegung messen
konnten.) -- Diese Eigenschaften entsprechen wieder gar nicht den klassischen Gesetzen der
Physik.
Einstein hatte den Mut, die Fundamente der Physik neu zu analysieren. Seine
„Desiderata“, die Liste von Anforderungen für eine gute Theorie sind:
a)
b)
c)
d)
Einfachheit, „Schönheit“, („Denk-Ökonomie“ von Ernst Mach)
Innere Konsistenz, Einheitlichkeit der neuen Physik
Verträglichkeit mit anderen Teilen der Physik und mit anderen Wissenschaften
Empirische Gültigkeit, Verträglichkeit mit Experimenten
3.1.2. Neue Axiome für lokale Inertialsysteme
Struktur der Menge von Ereignissen:
a) Quasi-klassische Beschreibung im Lokalen Inertial-System: Jeder Beobachter
kann die Ereignisse lokal (in seiner Umgebung, in kleinen zeitlichen und räumlichen
Abständen) im euklidischen Raum und in einer davon unabhängigen Zeit beschreiben.
b) Trägheitsprinzip: Es gilt weiterhin das erste Newtonsche Axiom:
Ein Körper
ohne äußere Krafteinwirkung bleibt im Zustand der Ruhe oder der geradlinig
gleichförmigen Bewegung. (Das gibt wieder die Charakterisierung von LIS.)
c) Relativitätsprinzip:
In jedem Inertialsystem gelten die gleichen physikalischen Gesetze.
d) Konstanz der Lichtgeschwindigkeit:
In jedem Inertialsystem ist die Lichtgeschwindigkeit gleich c.
Raum-Zeit-Diagramme
Jeder Beobachter in einem lokalen Inertialsystem, LIS, kann ein Koordinatensystem
festlegen, mit dem er die Anordnung der Ereignisse in einem Raum-Zeit-Diagramm
beschreiben kann. („Minkowski-Diagramm“)
(Die Einschränkung auf „lokal“, nicht auf das Universum auszudehnen, wird in der
allgemeinen Relativitätstheorie wichtig.)
In den folgenden Beispielen wird die Auswahl einer einzigen Raumkoordinate x genügen.
Die Einheiten werden dabei meistens so gewählt, dass die „Bahn“
des Lichts genau den rechten Winkel zwischen den Achsen teilt. Wenn
die Zeit-Einheit Sekunde gewählt wird, ist die passende Einheit für
Längen eine Lichtsekunde.
18
3.1.3. Die Relativität der Gleichzeitigkeit
Was ist „gleichzeitig“?
Beispiel: Funk-Kontakt Erde-Mond:
Aussendung eines Signals von der Erde ist Ereignis A.
Das Signal wird vom Mond sofort beim Eintreffen bestätigt: Fernes Ereignis F.
Das Eintreffen dieser Rückmeldung auf der Erde ist Ereignis R.
Welches Ereignis G auf der Erde ist gleichzeitig mit F?
Die Zeitdauer zwischen A und R ist mehr als zwei Sekunden, da ja die Entfernung
Erde-Mond, ~ 380 000 km, etwas mehr als eine Lichtsekunde ist. Es bewegt sich
nichts schneller als das Licht, also könnte jedes Ereignis zwischen A und R als
gleichzeitig mit F betrachtet werden.
Wir brauchen eine
Definition:
Das Ereignis G, am selben Ort wie A und R, genau in der Hälfte der Zeitdauer
zwischen A und R, ist gleichzeitig mit dem fernen Ereignis F, bei dem das Licht- (oder
Funk-) Signal, das von A ausgeht, zur Rückkehr R gespiegelt wird.
Die x-Achse sowie alle dazu parallelen Linien
im Raum-Zeit-Diagramm verbinden jeweils
gleichzeitige Ereignisse. (x = Abstand vom
Mond)
Im Folgenden kommt noch die Bahn eines
Raumschiffes dazu. Das Raumschiff ist
gerade beim Ereignis F ganz nahe beim
Mond.
Wie sieht nun die Einordnung dieser Ereignisse in ein Raum-Zeit-Diagramm aus, in dem
dieses Raumschiff, das sich gerade sehr schnell am Mond vorbei zur Erde bewegt, als ruhend
erscheint?
Wir verwenden nun das Axiom der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.
Das Bezugs-System
Das System, in dem das Raumschiff ruht;
wo also t-Achse = Bahn des Raumschiffs.
Die x-Achse verbindet Ereignisse, die für das
System gleichzeitig sind.
-
19
Koordinaten der Ereignisse im System :
A
(xA ,tA)
R
(xR ,tR)
F
(xF = 0, tF = 0)
G
(xG ,tG)
Das Ereignis G ist genau in der Mitte zwischen den Ereignissen A und R, und daher nicht
auf der Achse, welche die Gleichzeitigkeit für das Raumschiff darstellt. Denn vom bewegten
Bezugssystem aus nähert sich die Erde zu dem Ort des Ereignisses F, sodass das Licht dorthin
noch länger braucht als bei der Rückkehr, bei der die Erde schon näher ist.
Berechnung der Koordinaten von G im Bezugs-System
Wir wissen von folgenden Tatsachen:
1) Die Ereignisse A und R liegen auf den Lichtlinien durch das Ereignis F, welches
als Ursprung des -Koordinatensystems dient.
xA
 c
tA
xR
c
tR
2) Geschwindigkeit der Erde relativ zum Raumschiff hat den konstanten Wert v.
x R  xA
 v
tR  tA
3) Ereignis G ist in der Mitte zwischen A und R.
xG 
x R  xA
2
tG 
tR  tA
2
Mit diesen drei Formeln berechnen wir die Zeit tG , in Abhängigkeit vom Abstand xG.
3

tG 
1

2

1

3

tR  tA
1
v
 v x  xA  v
(t R  t A )  2 R
 (x R  x A ) 
 2 xG
2
2c
2c
c
2
c
Das Ereignis G, welches für das System der erdgebundenen Beobachter so wie das
Ereignis F mit der Zeitangabe 0 charakterisiert wird, erscheint vom relativ bewegten System
aus, in dem F wieder die Zeitangabe 0 erhält, zu der früheren Zeit
tG  
v
xG
c2
20
Dieser Zeitunterschied zum Koordinatenursprung ist proportional zur x-Koordinate. Die
Menge aller Erd-gleichzeitigen Ereignisse (im Erd-System die x-Achse) bildet hier die Linie
mit der Gleichung zwischen den Koordinaten
t
v
x
c2
Das Minuszeichen erscheint hier deshalb, weil die
- System
Geschwindigkeit der Erde relativ zum
negativ ist, gleich -v.
Umgekehrt, von der Erde aus, hat das Raumschiff die positive Geschwindigkeit v; und die
-gleichzeitigen Ereignisse auf der x- Achse des - Systems erscheinen im Erdsystem auf der
Linie t = (v/c2)x .
Die
Galileische
Revolution
war
Relativierung der Linien „gleicher Ort“.
die
Die Einsteinsche Revolution ist hier die
Relativierung der Ebenen „gleiche Zeit“.
3.1.4. Die Eigenzeit
Wir kennen nun im Raum-Zeit-Diagramm den Wechsel der Koordinatenachsen, die
einen Wechsel des Bezugssystems begleiten muss.
Die nächste Frage:
Wo liegen die Einteilungen für die Einheiten auf den Achsen? Speziell bezüglich der
Achse, die die Weltlinie eines (möglichen) Körpers im neuen LIS darstellt: Wo liegt das
Ereignis „Die im Ursprung des neuen LIS lokalisierte Uhr zeigt den Ablauf einer Sekunde
an!“, vom ersten Bezugssystem aus gesehen ?
Antwort:
In der Ebene der ersten Gleichzeitigkeit, die den Ablauf
von  Sekunden angibt; mit

1
1  v2 c2
 Die Eigenzeit  - das ist die Zeit-Dauer für die Uhr im „bewegten“ Bezugssystem- ist,
ausgedrückt durch die im äußeren Bezugs- System gemessene Zeit t:
21
   1t
Anschauliche Begründung:
Die Zeit-Dehnung, die „Zeit-Dilatation“ folgt aus den Unterschieden der
Gleichzeitigkeits-Ebenen in der Raum-Zeit.
Als Beispiel analysieren wir eine fiktive Situation mit allen Bewegungen in xRichtungen. Wir stellen uns zwei an der Erde vorbeifliegende Raumschiffe vor, A mit
Geschwindigkeiten +v und B mit v. (Sollen die folgenden Zahlen des Beispiels stimmen,
muss v2 = c2/3 sein.) Es gibt dabei also drei Bezugssysteme (lokale Inertialsysteme): A, B,
und das „neutrale“ Bezugssystem der Erde.
 Wir betrachten die Uhren der Raumschiffe (Annahme: alle sind physikalisch gleich,
würden also, nebeneinander liegend, gleich gehen.): Im Bug und im Heck jeweils eine. Sie
werden von der Ankunft eines Lichtblitzes synchronisiert, der von der Mitte des
Raumschiffes ausgeht. In einem Inertialsystem gelten ja zwei Ereignisse auch dann als
gleichzeitig, wenn zwei Lichtsignale, die von der Mitte ihres räumlichen Abstands
gleichzeitig ausgehen, jeweils gleichzeitig mit den Ereignissen an ihren Orten eintreffen.
 Zunächst diskutieren wir nur die Ereignisse im Raumschiff A. Von der Erde aus
betrachtet, kommt die Heck-Uhr dem Lichtsignal entgegen, wird also (von der Erde aus
gemessen!) früher in Gang gesetzt, als die Bug-Uhr, der das Lichtsignal nacheilen muss.
Wenn jede Uhr beim Eintreffen des Lichtsignals auf „Null“ gestellt wird und dann weiter
geht, ist also die Heck-Uhr schon weiter, als „Null“ - Sagen wir, bei „Zwei“ - wenn das Signal
vorne eintrifft und die Bug-Uhr auf „Eins“ gestellt wird.
Ist dann die Zeit der Bug-Uhr „Eins“,
so ist die der Heck-Uhr schon „Drei“,
und so weiter.
Das Analoge gilt für das Raumschiff B:
22
 Und wir nehmen nun an, dass die Uhren der Schiffe beim Vorbeiflug aneinander genau
so sind wie im Bild, also genau diese Zeiten anzeigen.
Die Differenzen in jedem Schiff bleiben bestehen. Zum Beispiel könnten beim
Vorbeiflug der Hecks aneinander die Uhren um je zwei Zeiteinheiten weitergegangen sein:
Und so sieht die Situation für einen Beobachter vom Raumschiff A aus, für das ja keine
Zeitdifferenz der eigenen Uhren besteht: „Beim Treffen unseres (A) Bugs mit dem B-Bug
zeigte die dortige Uhr 'Eins', wie die unsere. Jedoch beim Vorbeiflug des B-Bugs an unserem
Heck war bei uns (A) die Zeit 'Fünf' und im B-Bug erst die Zeit 'Drei'. Während für uns
(Schiff A) vier Zeiteinheiten vergangen sind, sind für B erst zwei Zeiteinheiten vergangen.
Die Uhr in B geht also langsamer als unsere Uhren in A !“
Das ist die Zeit-Dehnung, die „Zeit-Dilatation“.
 Achtung: Die Bilder, die solche Situationen darstellen, sind meistens anders als die
„Bilder“, die direkt optisch wahrgenommen würden. Die gezeigten Bilder sind verschiedene
Querschnitte durch das Raum-Zeit-Diagramm. Alle obigen Bilder stellen die Querschnitte
durch die Raum-Zeit zu festen Zeiten des Beobachters auf der Erde dar.
Berechnung des  - Faktors für die Eigenzeit
Berechnungen einfacher Spezialfälle sollen mit elementaren mathematischen Mitteln die
physikalischen Prinzipien darstellen.
Wir analysieren die Eintragungen im Raum-Zeit-Diagramm des ersten Systems mit
der Zeit-Koordinate t. Wir verwenden die schon berechnete Neigung der GleichzeitigkeitsEbenen des zweiten Systems mit der Eigenzeit t' und das Relativitätsprinzip: Was für die
Beziehung vom System 2 zum System 1 gilt, muss auch umgekehrt gelten. Aus Symmetriegründen muss auch die Relativ-Geschwindigkeit von jedem System aus den gleichen Betrag
haben.
Mit den Diagramm-Einheiten, in denen der Lichtstrahl den rechten Winkel zwischen xund t-Achsen teilt, ist der Winkel der t'-Gleichzeitigkeitslinie mit der x-Achse gleich dem
Winkel der t'-Achse mit der t-Achse.
(Das entspricht der Wahl von Einheiten, für die „c=1“ gilt. Nach dieser Berechnung
kehren wir zurück zur Verwendung allgemeinerer Einheiten. Dann schreiben wir v/c anstelle
von v. Denn: In Einheiten mit c=1 hat z.B. die „halbe Lichtgeschwindigkeit“ den Wert 1/2.
Denselben Wert erhalte ich in anderen Einheiten bei Berechnung von v/c.)
Wir untersuchen die Geometrie im Raum-Zeit –Diagramm, mit folgenden Punkten:
O ist der Koordinatenursprung
E ist die Markierung der Zeit-Einheit auf der Zeit-Achse des ersten Systems
D ist die Markierung der Zeit-Einheit auf der Zeit-Achse des zweiten Systems
F liegt auf der Zeit-Achse des ersten Systems, hat im zweiten System die Zeit „Eins“.
23
E ist der Punkt der Zeit-Einheit:
t(E) = t(D) = 1[s]
a hat die Länge v mal 1[s] = v/c [s]
Die Eigenzeit  in D ist t'(D) = -1 [s]
F hat die selbe t'-Zeit wie D.
t'(F) = t'(D) = -1
Das Dreieck D-E-F ist ähnlich zum
Dreieck O-E-D.
Wegen der Relativität, und wegen der Symmetrie, verhält sich die t-Zeit von F zur t'-Zeit
von F (=t'-Zeit von D = -1) so wie die t'-Zeit von D zur t-Zeit von D (= t(E) = 1[s]):
t ( F) t ' ( D )

t ' ( F) t ( D )

t ( F) t ' ( D )

t ' ( D) t ( E )

t ( F) 
[ t ' ( D)]2
  2
t( E)
Wegen der Ähnlichkeit der Dreiecke D-E-F und O-E-D gilt
t ( E )  t ( F)
a

a
t ( E)
1   2 a

a
1
also
Diese Gleichung kann nach  aufgelöst werden und gibt den angegebenen Ausdruck:
 = ((1 - a2)-1/2 = (1 _ v2/c2)-1/2
Umfassender und vollständiger sind dann Berechnungen mit ausgefeilten
Methoden der Matrizenrechnung. Die geben dann die Lorentz-Transformation.
Veränderliche Geschwindigkeit
Für Körper, die ihre Bewegungszustände, also die Geschwindigkeit, ändern, setzt sich
die Eigenzeit aus Stücken zusammen.
Für jedes Stück gilt  = -1(v)t
Daher gilt für die Summe, für die ganze Eigenzeit
        1 ( v  ) t 


Wenn die Geschwindigkeiten sich stetig ändern, dann ist die Summe durch ein Integral zu
ersetzen.
24
Das Zwillingsparadoxon
Wenn der bewegte Körper (einer der Zwillinge) zum Ausgangspunkt zurückkehrt,
dann ist die für ihn abgelaufene Eigenzeit  an Ort und Stelle mit der abgelaufenen Zeit t
des ruhenden Systems (des nicht bewegten Zwillings) zu vergleichen. Da jeder Faktor -1
kleiner (oder gleich) 1 ist, gilt
    1 ( v  ) t    t   t


Der ruhende Zwilling hat die längste Zeitspanne hinter sich, der bewegte ist weniger
gealtert.
Auch die Resultate des Hafele-Keating-Experiments, siehe Anhang, sind so zu erklären.
3.1.5. Geschwindigkeitstransformation
Als Folge der Unterschiede, der Relativität von Zeiten und Längen, gelten auch andere
Gesetze für die Zusammensetzung von Bewegungen; die einfache Addition der
Geschwindigkeiten gilt nicht mehr. Für die Zusammensetzung von Geschwindigkeiten v und
w in einer Richtung zu einer neuen Geschwindigkeit u gilt nun:
u
vw
1  vw / c 2
a) Der klassische Grenzfall:
Für |v| und |w| viel kleiner als c ist u näherungsweise gleich v+w.
b) Die Lichtgeschwindigkeit wird nie überschritten:
Für |v| kleiner als c und |w| kleiner als c ist auch |u| kleiner als c.
c) Die Universalität der Lichtgeschwindigkeit:
w=c

u=c
d) Symmetrie:
v = –w  u = 0
Ein im “ruhenden” System ruhender Körper hat, vom mit Geschwindigkeit w
„bewegten“ System aus, die Geschwindigkeit –w.
Bei Zusammensetzung einer Relativbewegung zweier Systeme in Geschwindigkeit v mit
einer zusätzlichen Bewegung eines Objekts mit Geschwindigkeit w quer zur Relativbewegung kommt die Zeitdilatation zum Tragen: Im System 1 bewegt sich ein Raumschiff in
x – Richtung mit Geschwindigkeit v. Im Raumschiff, im System 2, bewegt sich ein Objekt
quer zur Flugrichtung mit Geschwindigkeit w. Vom System 1 aus beobachtet, ist die
Geschwindigkeit des Objekts ein Vektor mit zwei Komponenten. In x – Richtung ist die
Komponente v, quer dazu ist die Komponente -1(v)w.
25
3.2 Dynamik
3.2.1. Wechselwirkungen
Es gibt keine absolute Gleichzeitigkeit. Daher kann es keine Fernwirkung geben. Die
Wechselwirkungen voneinander entfernter Körper werden über Felder oder Teilchen
vermittelt. Zum Beispiel wirkt die Coulomb-Kraft nicht instantan, sondern über das
elektromagnetische Feld. Dessen Ausbreitung geschieht durch Wellen mit Lichtgeschwindigkeit. Auch die Gravitation wirkt nicht direkt zwischen weit entfernten schweren
Körpern, sondern über Vermittlung der Raum-Zeit-Krümmung.
Es gibt keine absolut starren Körper, es gibt keine absoluten Zwangskräfte. Die
beobachteten „Zwangskräfte“ sind in Wirklichkeit Kräfte zwischen den Atomen,
zurückzuführen auf elektrische Kräfte und auf Quanteneffekte. Keine Ausbreitung mit
Überlichtgeschwindigkeit!
Die Beschreibung der Wechselwirkungen mit Kräften und mit zeitunabhängigen
Potentialen ist oft nicht möglich, nur im Grenzfall langsamer Bewegungen, wenn v/c  1.
3.2.2. Energie und Impuls
Man braucht relativistische Erhaltungsgrößen, die im Grenzfall die klassischen Größen
geben. Energie und Impuls werden neu definiert.


p  m0 v
E  m0c 2
Dabei ist mo die Ruhemasse des Teilchens.
Auch die Masse kann, wenn man so will, als abhängig von der Geschwindigkeit betrachtet
werden. (Die Nützlichkeit so einer Betrachtung ist umstritten.) Einem Körper wird dabei eine
invariante Ruhemasse m0 zugeschrieben, die bei höheren Geschwindigkeiten zur
relativistischen Masse mrel wird.
mrel = mo
Im Grenzfall |v| viel kleiner als c, wird   1 und der Impuls p  mv.
In der Formel für die Energie muss man in diesem Grenzfall den Faktor  entwickeln:
   ( v) 
1 v2
 1
2 c2
1
1 v
2
c2
In der Formel für E ergibt das
E  m0 c 2 
26
m0 v 2
2
Der geschwindigkeitsabhängige Term gibt die klassische kinetische Energie. Da in der
klassischen Mechanik immer nur Differenzen von Energien beobachtbar sind, ist die „RuheEnergie“ Eo = moc2 vor dem zwanzigsten Jahrhundert nicht beobachtet worden.
Erste Anwendung: Erklärung der Massendefekte beim radioaktiven Zerfall.
Einsicht in die Formel für den relativistischen Impuls
Betrachte die streifende Streuung zweier gleicher Teilchen A und B. Verwende in der
Überlegung das hier intuitiv einleuchtende Prinzip der Symmetrie.
Im Schwerpunkts-System bewegen sich beide Teilchen vor der Streuung in x-Richtung
aufeinander zu. Nach der Streuung legt jedes in der gleichen Zeit ein gleich langes kleines
Wegstück quer zur x-Richtung zurück. (In entgegengesetzten Richtungen). Die Eigenzeiten
beider Teilchen verlaufen auch ganz gleich: Um eine gegebene Differenz  der Querkoordinaten zu überwinden, brauchen beide Körper die gleiche Eigenzeit .
Nun wechseln wir das Bezugssystem, verwenden das Labor-System, in dem das Teilchen
A vorher ruht. Das Teilchen B nähert sich ihm in x-Richtung. Nach der Streuung hat das
Teilchen A einen (kleinen) Impuls quer zur x-Richtung. Der Betrag dieses Impulses ist,
wegen der kleinen Geschwindigkeit, ungefähr gleich dem klassischen Wert movA. Den gleich
großen, entgegengesetzt gerichteten Impuls hat das Teilchen B aufgenommen, wie wir nun
berechnen: Die Komponente der Geschwindigkeit quer zur x-Richtung ist aber für das
Teilchen B kleiner, und zwar um den Faktor -1. Denn im neuen Bezugssystem erscheint seine
Eigenzeit um diesen Faktor geringer als die Zeit des Systems. Die Eigenzeit von A hingegen
ist, wegen der sehr kleinen Geschwindigkeit, praktisch identisch mit der Zeit des Systems. Da
beide Teilchen in gleicher Eigenzeit  = A = B gleiche Querstrecken  - die in jedem System
gleich lang sind - zurücklegen, brauchen sie in der neuen Systemzeit dazu verschieden lange.
A braucht die Systemzeit tA = A , B braucht dazu die Systemzeit tB = B .
|(vB)quer| =



= -1 |vA|

  1
t B   B
A
Bei der Berechnung der Querkomponente des Impulses von B wird dieser Faktor in der
relativistischen Formel wieder kompensiert:
|(pB)quer| =  mo|(vB)quer| =  mo-1 |vA| = mo|vA| = |pA|
Da die Richtungen einander entgegengesetzt sind, ist die Summe der Querkomponenten
der Impulse von A und von B auch nach der Streuung wieder gleich Null.
Man kann auch den Gamma-Faktor und die Ruhemasse zusammen als „relativistische
Masse“ bezeichnen.
27
3.2.3. Die Äquivalenz von Masse und Energie
Die Masse-Energie-Äquivalenz ist in der Kurzform E = mc2 allgemein bekannt.
Gedankenexperiment
Ein zusammengesetztes Objekt wird beschleunigt, es muss ihm Impuls und Energie
zugeführt werden. Der Widerstand dagegen, die „Trägheit“, definiert die träge Masse Mo des
Objekts. Nun kann man aus dieser Trägheit allein nicht feststellen, ob die Teile (indiziert mit
, aus denen das Objekt besteht, ruhen, sodass M0 =  mo() gilt, oder ob sich die Teile
vielleicht sehr schnell bewegen, sodass M0 =  (v)m0() gilt, so wie weiter oben bei der
Untersuchung der Querkomponente des Impulses. Dann wäre die Masse des zusammengesetzten Objekts größer als die Summe der Ruhe-Massen der Teile. Die kinetischen
Energien tragen ebenfalls zur Gesamtmasse bei.
Beim Zerfall eines zusammengesetzten Körpers kann also ein Teil seiner Ruhemasse zur
kinetischen Energie der Zerfallsprodukte werden. (Genau das geschieht beim radioaktiven
Zerfall schwerer Atomkerne.)
Einsteins Hypothese: Das Äquivalenzprinzip
a) Die Äquivalenz von Masse und Energie gilt nicht nur teilweise für zusammengesetzte
Körper, sondern immer und ganz.
Diese Hypothese hat sich als zutreffend erwiesen. Wenn ein Teilchen auf sein Antiteilchen
trifft, können die Massen dieser Teilchen vollständig in Energie umgewandelt werden.
b) Träge Masse = Schwere Masse
Diese starke Form des Äquivalenzprinzip ist das Fundament für die Theorie der
Gravitation, die „allgemeinen Relativitätstheorie“.
Weiterführende Literatur:
Wolfgang Rindler
28
„Essential Relativity“
Anhang: Das Hafele-Keating Experiment
Flugzeug umrundet die Erde einmal nach Osten, einmal nach Westen.
Atomuhren im Flugzeug werden vor den Flügen mit Vergleichsuhren auf der Erde
synchronisiert. Nachher zeigen sie andere Eigenzeit als die Vergleichsuhren.
Beim Westflug ist der Unterschied der Eigenzeiten anders als beim Ostflug.
Geschwindigkeit des Flugzeuges:
Dauer  eines Fluges:
900 km/h
40 Stunden
Differenz der gemessenen Unterschiede zwischen den Eigenzeiten von West- und
Ostflug:
 ~ 300109 s (Dreihundert Nano-Sekunden)
Der Vergleich der Gang-Differenz zur Dauer eines Fluges ergibt:
 300  10 9 10 9


 2  10 12

40  3600 480
Als „ruhender Ort“ könnte für diese
Zeitspanne der Südpol betrachtet werden. Die
Erde dreht sich in diesem System nach Osten.
Das Flugzeug im Ostflug hat gegen das System
dauernd eine noch höhere Geschwindigkeit, das
Flugzeug im Westflug eine geringere. Daher
vergeht beim Westflug mehr Eigenzeit.
Darstellung in einem Raum-Zeit-Diagramm
mit Angabe der geographischen Länge. Um 360°
( = 2 ) weiter ist derselbe Ort.
Übungsaufgabe: Berechnung der Eigenzeiten im Hafele-Keating-Experiment.
Vereinfachende Annahmen: Die Geschwindigkeit eines jeden Flugzeugs relativ zur Erdoberfläche ist ständig 900 km/h, die Flugstrecken sind entlang dem Äquator.
(In Wirklichkeit kommt dann noch ein Effekt hinzu, der davon herrührt, dass die
Flugzeuge im Schwerefeld der Erde höher sind. Dieser Effekt wird in der allgemeinen
Relativitätstheorie erklärt.)
Unter „klassischen“ Verhältnissen mit kleinen Geschwindigkeiten (|v| << c) und
schwachen Schwerefeldern (wie auf der Erde) sind die Unterschiede der Eigenzeiten nur mit
verfeinerten Methoden messbar.
29
ORIGINAL - TEXT
Zur Elektrodynamik bewegter Körper;
von A. Einstein.
Daß die Elektrodynamik Maxwells - wie dieselbe gegenwärtig aufgefaßt zu werden
pflegt - in ihrer Anwendung auf bewegte Körper zu Asymmetrien führt, welche den
Phänomenen nicht anzuhaften scheinen, ist bekannt. Man denke z. B. an die
elektrodynamische Wechselwirkung zwischen einem Magneten und einem Leiter. Das
beobachtbare Phänomen hängt hier nur ab von der Relativbewegung von Leiter und
Magnet, während nach der üblichen Auffassung die beiden Fälle, daß der eine oder der
andere dieser Körper der bewegte sei, streng voneinander zu trennen sind. Bewegt sich
nämlich der Magnet und ruht der Leiter, so entsteht in der Umgebung des Magneten ein
elektrisches Feld von gewissem Energiewerte, welches an den Orten, wo sich Teile des
Leiters befinden, einen Strom erzeugt. Ruht aber der Magnet und bewegt sich der Leiter, so
entsteht in der Umgebung des Magneten kein elektrisches Feld, dagegen im Leiter eine
elektromotorische Kraft, welcher an sich keine Energie entspricht, die aber - Gleichheit der
Relativbewegung bei den beiden ins Auge gefaßten Fällen vorausgesetzt - zu elektrischen
Strömen von derselben Größe und demselben Verlaufe Veranlassung gibt, wie im ersten
Falle die elektrischen Kräfte.
Beispiele ähnlicher Art, sowie die mißlungenen Versuche, eine Bewegung der Erde
relativ zum "Lichtmedium" zu konstatieren, führen zu der Vermutung, daß dem Begriffe der
absoluten Ruhe nicht nur in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik keine
Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen, sondern daß vielmehr für alle
Koordinatensysteme, für welche die mechanischen Gleichungen gelten, auch die gleichen
elektrodynamischen und optischen Gesetze gelten, wie dies für die Größen erster Ordnung
bereits erwiesen ist. Wir wollen diese Vermutung (deren Inhalt im folgenden "Prinzip der
Relativität" genannt werden wird) zur Voraussetzung erheben und außerdem die mit ihm
nur scheinbar unverträgliche Voraussetzung einführen, daß sich das Licht im leeren Raume
stets mit einer bestimmten, vom Bewegungszustande des emittierenden Körpers
unabhängigen Geschwindigkeit V fortpflanze. Diese beiden Voraussetzungen genügen, um
zu einer einfachen und widerspruchsfreien Elektrodynamik bewegter Körper zu gelangen
unter Zugrundelegung der Maxwellschen Theorie für ruhende Körper. Die Einführung eines
"Lichtäthers" wird sich insofern als überflüssig erweisen, als nach der zu entwickelnden
Auffassung weder ein mit besonderen Eigenschaften ausgestatteter "absolut ruhender
Raum" eingeführt, noch einem Punkte des leeren Raumes, in welchem elektromagnetische
Prozesse stattfinden, ein Geschwindigkeitsvektor zugeordnet wird.
Die zu entwickelnde Theorie stützt sich - wie jede andere Elektrodynamik - auf die
Kinematik des starren Körpers, da die Aussagen einer jeden Theorie Beziehungen zwischen
starren Körpern (Koordinatensystemen), Uhren und elektromagnetischen Prozessen
betreffen. Die nicht genügende Berücksichtigung dieses Umstandes ist die Wurzel der
Schwierigkeiten, mit denen die Elektrodynamik bewegter Körper gegenwärtig zu kämpfen
hat.
I. Kinematischer Teil.
§ 1. Definition der Gleichzeitigkeit.
.........
Annalen der Physik 17, p.891, 1905
30
4. Quanten und Wellen-Natur der Materie
4.1. Quanten des Lichts, Photonen
Die Energie eines Lichtstrahls ist quantisiert. Energiequanten sind E = 
Eine Science-Fiction-Geschichte
Die Besatzung eines Raumschiffs landet auf einem unbewohnten Planeten. Früher einmal
waren dort schon Raumpiraten, die ihre Beute in einer Höhle deponiert haben und den Eingang zur
Höhle mit einem Kraftfeld abgeschirmt haben. Nur die Strahlen der Laserpistolen können diesen
Schutzschild durchbrechen. Der Erkundungstrupp schießt mit roten Laserstrahlen auf den metallisch
glänzenden Rahmen des Höhlentores, in dem die Quelle des Kraftfeldes liegt. Nichts rührt sich, auch
nicht bei höchster Intensität des Strahles. Der Wissenschaftler des Trupps entscheidet daraufhin, blaue
Laserstrahlen zu verwenden. Sie bewirken kleine Funken am beschossenen Teil. Bei steigender
Intensität der Bestrahlung werden diese Funken dichter, aber nicht länger, sie bleiben dicht am
Rahmen und das Feld ändert sich nicht. Dann werden Ultraviolett-Laser eingesetzt: Schon bei
kleinster Intensität werden lange Entladungsbögen zwischen gegenüberliegenden Rahmenseiten
ausgelöst, das Feld wird immer schwächer und verschwindet schließlich ganz.
Diese kurze Geschichte ist eine Erzählung vom lichtelektrischen Effekt.
4.1.1. Der Lichtelektrische Effekt
1887 von Heinrich Hertz entdeckt, 1900 bis 1902 von Philipp Lenard genauer gemessen.
(Wird auch „photo-elektrischer Effekt“ oder „Photo-Effekt“ genannt.)
Elektromagnetische Strahlung (UV-Licht
der Frequenz /2) fällt auf einen Emitter. Wenn
dabei Elektronen aus dem Emitter austreten,
treffen sie auf den Kollektor und erzeugen einen
Strom, dessen Stärke mit einem Galvanometer
gemessen wird.
Es wird also gemessen, welche Strahlung
Elektronen aus dem Emitter herauslösen kann.
Wird noch zusätzlich eine Spannung U, die
die Elektronen vom Kollektor abstößt, zwischen Emitter und Kollektor angelegt, so muss ein
Elektron die Energie eU aufbringen, um am Kollektor aufzutreffen. Das ist nur dann
möglich, wenn es mit mindestens dieser Energie aus dem Emitter austritt. Durch Variation
von U misst man so die Austrittsenergie der Elektronen.
31
Das Ergebnis zeigt für E eine lineare
Abhängigkeit von der Frequenz  = /2 der
einfallenden Strahlung.
Strahlung mit Kreisfrequenz kleiner als 
löst keine Elektronen aus. Strahlung größerer
Frequenz löst Elektronen aus dem Emitter aus.
Sie haben dann die Energie
E =   - E0
wobei
E0 =  
(Eo ist die Bindungsenergie eines Elektrons im Metall des Emitters.)
Die Erklärung dieses Effekts:
4.1.2. Die Lichtquanten-Hypothese
Einen wesentlichen Schritt zur Schaffung der Quantenphysik setzte Albert Einstein 1905
mit der Lichtquantenhypothese:
Das Licht besteht aus Lichtquanten (Photonen), „welche sich bewegen, ohne sich zu teilen“.
Hat das Licht die Kreisfrequenz , so ist die Energie eines Lichtquants
E=.
So konnte der photoelektrische Effekt erklärt werden. Dafür erhielt Einstein 1921 den
Nobelpreis.
Einsteins Erklärung dieses Effekts:
Elektromagnetische Strahlung gibt es nur in Vielfachen von Lichtquanten, deren jedes die
Energie E =   hat. Elektronen sind im Emitter mit Energie E gebunden. Um austreten zu
können müssen sie mindestens diese Energie aufnehmen. Nehmen sie von einem Lichtquant
kleinerer Kreisfrequenz als  geringere Energie auf, so haben sie diese entweder als
Reflexion abgestrahlt, oder als thermische Erregung abgegeben, bevor das nächste Photon
eintrifft. Wenn sie austreten, bleibt ihnen im Freien die Energie E =   - E0
Vorgeschichte:
Max Planck beschäftigte sich mit Problemstellungen der Thermodynamik. Nach
jahrelangem Bemühen, die Grundlagen für die phänomenologisch bekannten Gesetze
(Temperaturabhängigkeit und Frequenzverteilung) der Hohlraumstrahlung (der Wärmestrahlung eines schwarzen Körpers) zu finden, erreichte er Ende 1900 sein Ziel. Er erkannte
die Notwendigkeit einer revolutionären Hypothese:
32
Es gibt ein Wirkungsquantum,
 = 1,... 10-34 J s .
Energieaustausch zwischen Materie und elektromagnetischen Wellen mit Kreisfrequenz 
geschieht in Energiequanten
E=.
Planck selbst verwendete noch
das Plancksche Wirkungsquantum
h=2
 = /2
E=h.
die Frequenz
und die Formel
In dieser erfolgreichen Hypothese zur Erklärung der Strahlungsgesetze war es noch nicht
klar, ob die Quantisierung bei den „Oszillatoren“ des Materials, oder bei den Lichtwellen,
oder bei deren Wechselwirkung anzusetzen ist.
4.1.3. Lichtquanten als Teilchen: Photonen
Energie, Impuls, Frequenz und Wellenvektor
Mit Einsteins Lichtquantenhypothese bekommt das Licht auch einen Teilchencharakter.
Der Streit zwischen Newtons Teilchentheorie des Lichtes und der Huygenschen Wellentheorie war nur scheinbar endgültig zugunsten der letzteren entschieden worden. (Nach 1800,
von Thomas Young und Augustin Fresnel.) Beide Theorien müssen nun koëxistieren.
Das Photon hat, so wie andere Teilchen, Energie und Impuls. Diese Größen sind nach der
Relativitätstheorie in folgender allgemeiner Formel miteinander verknüpft:
E2 = m02 c4 + p2 c2
m0 ..... Ruhemasse des Teilchens, beim Photon: m0 = 0, c ..... Lichtgeschwindigkeit
Speziell für das Photon ohne Ruhemasse (m0 = 0) gilt, im Limes m0  0 , E konstant:
E2 = p2 c2
Für den Betrag p des Impulses folgt daraus
p = E / c =  / c = h / c = h / 
.....Wellenlänge

Mit dem Wellenvektor k , der dazu verwendet wird, um harmonische ebene Wellen zu
beschreiben, dessen Richtung gleich der Fortpflanzungsrichtung der Wellen ist, und dessen
Betrag k die Wellenzahl gibt:
p = h k/2 =  k
Nun gilt die Gleichung nicht nur für den Betrag, sondern auch für die Richtung.


p  k
Eine kurze Erklärung der wichtigsten Begriffe aus der Theorie von Wellen folgt im Anhang.
33
4.1.4. Elastische Streuung am Elektron: Compton-Streuung
Für Energie und Impuls der Photonen gelten die aus der Mechanik bekannten
Erhaltungsgesetze bei Stößen, man kann Streuprozesse mit Teilchen berechnen.
Die Erhaltungssätze für Energie und Impuls ergeben, zusammen mit den EinsteinBeziehungen für die entsprechenden Größen des Photons, bei einem Stoßprozess zwischen
Photon und Elektron:
Eeinlaufendes Teilchen + ein = Eauslaufendes Teilchen + aus




p ein +  k ein = p aus +  k aus
Bei Streuung an Metall kann ein
Photon also auch die innere Struktur, den
Zustand des Körpers ändern, indem es
Energie mit einem Elektron austauscht. Es
wird dabei an einem einzelnen Elektron, das
im Metall „fast frei“ ist, gestreut.
Die Energie des Elektrons wird dadurch geändert, es erfährt einen „Rückstoß“. Dabei
muss das Photon beim Stoß Energie abgeben. (Dass umgekehrt das Elektron keine Energie
abgeben kann, ist eine Folge des „Pauli-Verbots“, und des Zustands der Elektronen im
„Fermi-See“ in Metallen.)
 aus   ein
Das gestreute Licht hat dann kleinere Frequenz, größere Wellenlänge, als das einfallende.
Die Differenz hängt von dem Streuwinkel  ab. Man berechnet sie aus der Erhaltung von
Energie und Impuls als:
h

 
2 sin 2 (  / 2) 
2(1  cos )
mc
mc
Die Größe /mc (die „Compton-Wellenlänge des Elektrons“) ist ~ 410-13 m .
Die Änderung der Wellenlänge ist also etwa ein Prozent der Wellenlänge von Röntgenstrahlen.
Der Effekt wurde 1922 beobachtet.
Wendet man dieselbe Überlegung an auf die Streuung des Photons an einem größeren
Körper, so muss man nur die größere Masse in dieselbe Formel einsetzen. Die Änderung der
Wellenlänge ist umgekehrt proportional zu dieser Masse, also z.B. schon bei einem kleinen
Körper von nur einem Mikrogram um 21 Größenordnungen kleiner als bei der Streuung am
Elektron und praktisch unbeobachtbar. Somit können wir einen solchen Körper bei
Lichtstreuung als „unbeweglich“ betrachten. (Diese Situation wird im Beispiel von 4.4.1.
vorausgesetzt werden.)
34
4.2. Wellen-Natur massiver Teilchen
Teilchen der Materie haben Zustands-Eigenschaften, die man von Wellen kennt.
De Broglie-Wellen
Prince Victor Louis de Broglie (ein Franzose aus italienischer Adelsfamilie)
entwickelte 1923 die Idee, die Begriffsverbindung von Welle und Teilchen, wie sie in
Einsteins „Lichtquantenhypothese“ geschehen war, auch bei Teilchen der Materie
durchzuführen. (Daraus wurde seine Dissertation.)
So soll dann mit stehenden Wellen das Bohrsche Quantenpostulat erklärt werden.
Das Bohrsche Quantenpostulat
Die Elektronen können im Atom nur Zustände mit Energien aus einer Menge
bestimmter diskreter Werte {En} einnehmen. (Mehr dazu im Anhang zu Kap. 6)
Die Hypothese von De Broglie
Es gelten auch für Teilchen der Materie die Quantenbeziehungen
E=


p  k

Ein freies Teilchen mit Energie E und Impuls p zeigt auch die Eigenschaften der Welle:
e
 
i ( k x   t )
Zur Veranschaulichung:
Diese komplexwertige Welle hat keine „Berge“ und
„Täler“. Der Betrag des Absolutwertes ist überall gleich.
Wenn man sich ein Bild machen will, so kann man sich
die Werte als Punkte auf dem Einheitskreis in der
komplexen Ebene vorstellen: Die Welle entlang einer
Geraden im Raum bewegt sich dann wie eine
geschobene Schraube. Nur wenn man den Realteil und
den Imaginärteil extra betrachtet, erhält man Kosinusund Sinus-Wellen.
Genauer betrachtet hat jede Welle Beginn und Ende. Es handelt sich dabei um „Wellenpakete“.
35
Ein Wellenpaket in Bewegung:
Am Spezialfall solcher Wellen ist schon ersichtlich, dass für Berechnungen in der
Quantenmechanik die Verwendung komplexer Zahlen notwendig ist.
Rechenregeln:
(a,b,c,d, sind reelle, w, z sind komplexe Zahlen)
i2 = 1
(a + i b) + (c + i d) = (a+c) + i (b + d)
(a + i b)(c + i d) = (ac – bd) + i (ad + bc)
|a + i b| = (a2 + b2)
e i  = cos  + i sin 
ew+z = ewez
Die Interferenz, mit der Möglichkeit einer Auslöschung, unterscheidet Wellenstrahlen von
anderen gewohnten Strahlen. Zwei Strahlen von Teilchen könnten einander in der klassischen
Mechanik nie auslöschen. Geschichte: Thomas Young und Augustin Fresnel zeigten (~ 1800 - 1820) dass es bei Licht Interferenzen gibt.  Die Wellentheorie löste Newtons
Teilchentheorie des Lichts ab.
Der fundamentale Unterschied zur Bewegung der Teilchen der klassischen Physik ist die
Interferenz der Wellen, mit der Möglichkeit der Auslöschung.
Einige Begriffe und Fakten aus der Theorie der Wellen finden Sie im Anhang!
Um die Theorie des Atombaus befriedigend aufzustellen, muss man
allerdings dreidimensionale Probleme der Wellengleichungen lösen.
Schrödinger, mit solchen mathematischen Problemen vertraut, schaffte das
1925/26, aufbauend auf de Broglies Ideen. Dazu mehr in den folgenden
Kapiteln.
36
4.3. Interferometrie mit Neutronen
Moderne Experimente
makroskopischen Bereich
zeigen
die
Wellennatur
der
Materie
auch
im
Noch eine Science-Fiction-Geschichte
Ein Raumschiff ist in einen dichten Sternenstaubnebel geraten. Es gibt nur zwei mögliche
Wege, um einen Riesenstern herum, die beide dann in einen Strukturknoten leiten, und schließlich
weiter aus diesem heraus entweder ins Verderben in einem schwarzen Loch oder in die Freiheit in den
weiten Raum hinaus führen. Der Kapitän schickt zur Erkundung kleine Proberaketen aus. Erst über
den Weg A: Aus dem Strukturknoten heraus gelangen sie mit unvorhersehbarer Zufälligkeit teils ins
schwarze Loch, teils ins Freie, und zwar mit jeweils gleicher Chance. Dann wird der Weg B getestet:
Auch hier gleiche Wahrscheinlichkeit für Verderben wie für Entkommen. Der Chefwissenschaftler
stellt Berechnungen an und findet die sichere Vorgangsweise zum Verlassen des verhexten Nebels:
Das Raumschiff muss völlig abgeschirmt werden, so dass es von nichts und niemandem beobachtet
werden kann, und auch keine eigene Beobachtung des eingeschlagenen Weges ermöglicht. Dann
fliegen sie, ohne Klarheit über den zurückgelegten Weg, es kann A sein, genauso auch B. Und mit
völliger Sicherheit erreichen sie so die Freiheit!
Diese Geschichte ist eine Erzählung über Interferometrie, die nicht nur mit Licht,
sondern auch schon mit kleinen Materieteilchen, etwa mit Neutronen, beobachtet wurde.
4.3.1. Prinzip des experimentellen Aufbaus
Ein Neutronen-Interferometer besteht aus drei parallelen
Platten, die aus einem circa 8 cm  5 cm  5 cm großen
Einkristall geschnitten werden.
Von außen fällt auf die erste Platte unter schrägem
Winkel ein Strahl „monochromatischer“
thermischer Neutronen ein. Auf der
anderen Seite tritt ein Teil dieses Strahles
in gleicher Richtung, ein anderer Teil unter
verändertem Winkel wieder aus. Beide
dieser Strahlen, der direkte und der
gebeugte, treffen auf die zweite Platte, wo sie wiederum in je zwei Strahlen geteilt werden.
Von diesen vier Strahlen treten die äußersten aus dem Apparat aus. (Sie brauchen uns nicht
weiter zu interessieren. Bei Interferometern für Photonen gibt es stattdessen eine Spiegelung
des Strahls.) Die zwei inneren treffen bei der dritten Platte wieder zusammen. Jeder dieser
beiden Strahlen A und B würde nun für sich allein auch in der dritten Platte in I und II
aufspalten. (Experimentell überprüfbar durch Abblocken des jeweils anderen Strahles)
37
Wenn aber die beiden Strahlen gemeinsam auftreffen, so tritt, unter bestimmten
Bedingungen der Anordnung, hinter der dritten Platte nur ein Strahl aus. Seine Intensität ist
die Summe der Intensitäten der beiden wieder zusammentreffenden Strahlen.
Die Neutronen fliegen dabei immer einzeln durch das Interferometer.
Dieses Experiment wurde mit Neutronen erstmals am österreichischen Atominstitut
1974 von Rauch, Treimer und Bonse durchgeführt. Die Messresultate lieferten genau die für
Wellen berechneten Oszillationen der Intensität, die zu beobachten sind, wenn es im Strahl B
einen verstellbaren Phasenschieber gibt. In Wirklichkeit ja sind die Intensitätsverteilungen
nicht ganz so praktisch wie hier angenommen. Aber durch Einbau eines Phasenschiebers
ergaben sich großartige Resultate. Siehe Anhang.
4.3.2. Die Theorie zur Erklärung der Messergebnisse
Die Strahlen werden mit ihrer Wellennatur berechnet. Die Welle im Strahl A kommt
mit Wellenvektor  . Sie wird beim Durchdringen der Kristall-Platte in zwei austretende
Wellen geteilt: Eine mit unverändertem Wellenvektor  (Strahl II ) und eine gebeugte mit
Wellenvektor k (Strahl I ).
Die folgenden Annahmen für die Gesetze im speziellen Apparat (die wirklichen Gesetze beim
Experiment hängen von den verwendeten Winkeln und Plattenstärken ab) sind so getroffen,
dass die Berechnung möglichst einfach wird:
Gesetz 1: Die ungebeugte Welle ist einfach ein fortgesetzter Teil der einlaufenden Welle. Die
gebeugte Welle hat eine andere Phase, sie ist mit dem Phasenfaktor i = e i /2 zu multiplizieren.
Gesetz 2: Wir nehmen an, die Intensitäten beider austretender Wellen seien gleich.
Zur übersichtlicheren Berechnung nehmen wir die Intensität jeder dieser letzten Teilwellen als
1 an. Die Welle am Weg A hat daher Intensität 2, und als Amplitude Wurzel aus 2.
Die Welle im Strahl B kommt mit Wellenvektor k und, wegen ihrer Vorgeschichte – sie
wurde einmal öfter gebeugt –, schon mit einem Phasenfaktor i . Sie teilt sich ebenfalls in zwei
gleichstarke austretende Wellen, wobei die gebeugte (jetzt im Strahl II ), wieder mit dem
Phasenfaktor i multipliziert wird.
Dann werden die Beiträge addiert. Es geschieht die Superposition der Wellen:
A
B
Summe,
Superposition
2 e

i x

ikx
2 ie




ie
 
ik x
ie
ei  x
 
ik x
2i e
 
ik x
 
 
 ei  x
0
Die Überlagerung der Wellenanteile beider Wege bewirkt, dass nur ein Strahl in
2
Richtung  austritt und zwar mit der Intensität 2i = 4, das ist die Summe der Intensitäten der
Strahlen A und B. In Richtung  tritt gar nichts aus.
Die Verteilung ist also ganz anders als bei den einzelnen Wellen A, B. Denn bei den
Wellen werden nicht die Intensitäten, sondern die Amplituden addiert. Dadurch entstehen
eben die Interferenzen, bis zur gegenseitigen Auslöschung.
38
4.4. Die Interpretation
Mit den Wellen berechnet man Wahrscheinlichkeiten von Messergebnissen
4.4.1. Wahrscheinlichkeiten
Nun stellt sich die Frage, wie die scheinbar gegensätzlichen Beschreibungen durch Wellen
 (x) und durch Teilchen in einer Theorie erscheinen können. Die Intensitäten der Wellen
verändern sich stetig, kontinuierlich; die Neutronen jedoch treten in ganzen Zahlen auf. Die
Wellen sind genau berechenbar; für das einzelne Neutron kann man aber im allgemeinen nicht
mit Sicherheit voraussagen, in welchem Strahl es zu messen ist. (Außer es ist die Anordnung
gerade so, dass ein Strahl durch die Interferenz ganz ausgelöscht wird.)
In der klassischen Wellentheorie gilt:
Intensität  Betragsquadrat der Amplitude
In Wirklichkeit misst man hinter dem Neutroneninterferometer einzelne Neutronen. Eine
Messung besteht aus einer Messreihe, bei der eine große Zahl von Neutronen durch den
Apparat geschickt wird. Man wertet die Messungen aus und bestimmt die
relative Häufigkeit von Neutronen im Strahl A 
Zahl der in A gemessenen Neutronen
Anzahl aller gemessenen Neutronen
In großer Zahl der auftreffenden Neutronen entspricht ihre relative Häufigkeit der
berechneten Intensität der Welle. (Mit statistischem Fehler.) Nach dem mathematischen
Gesetz der großen Zahlen (Wahrscheinlichkeitstheorie) entspricht diese relative Häufigkeit
einer Wahrscheinlichkeit für die einzelnen Neutronen.
Intensität  Wahrscheinlichkeit
zusammen gibt das die Interpretation der Welle:
Wahrscheinlichkeit  Betragsquadrat der Amplitude
Historisches: Diese Wahrscheinlichkeits-Interpretation wurde 1926 von Max Born
gefunden. Der Anlass war damals die Theorie der Streuungen von Teilchen.
Im Zeitraum 1925 / 26 erfolgte nämlich die Geburt der richtigen Quantenmechanik:
 Werner Heisenberg schuf 1925, zusammen mit Max Born und Pascual Jordan, die
Matrizenrechnung der Quantenmechanik.
 Erwin Schrödinger erfand unabhängig davon 1925 / 26 die Quantenmechanik als
Wellenmechanik.
 Max Born kam 1926 auf die richtige Interpretation der Wellenfunktion als
Wahrscheinlichkeits-Amplitude.
39
Ein Beispiel: Elastische Streuung von Licht
Licht wird an einem Metallkörper gestreut. Der Metallkörper ist unbeweglich, seine
kinetische Energie ist nach der Streuung so wie vor der Streuung gleich Null. (Die Streuung
nennt man elastisch, wenn keine Änderungen in der inneren Struktur auftreten, wenn die
innere Energie des Körpers unverändert bleibt.) Es gilt also Energieerhaltung für das Photon:
 aus   ein
Es wird Licht der gleichen Frequenz wieder ausgestrahlt, wie eingefallen ist.
Für ein Streuzentrum in einem breiten Lichtstrahl berechnet man in der
klassischen Elektrodynamik eine
auslaufende
Kugelwelle;
eine
Welle, deren Flächen gleicher Phase
(„Wellenfronten“)
Kugelflächen
sind. Die Intensität ist dabei von der
Richtung abhängig, also eine
Funktion der Winkel. In einem
größeren Abstand werden dann die
Intensitäten
durch
die
Schwärzungen eines Films gemessen.
In der klassischen Elektrodynamik gilt, wie in der klassischen Wellentheorie:
Intensität  Betragsquadrat der Amplitude
In Wirklichkeit entsteht ein Bild aus dem Auftreffen einzelner Photonen („welche sich
bewegen, ohne sich zu teilen“), die einzelne Bildpunkte erzeugen. In großer Zahl entspricht
die Dichte der auftreffenden Photonen der berechneten Intensität. Nach dem mathematischen
Gesetz der großen Zahlen (Wahrscheinlichkeitstheorie) entspricht diese Dichte den
Wahrscheinlichkeiten:
Intensität  Wahrscheinlichkeitsdichte
zusammen:
Wahrscheinlichkeitsdichte  Betragsquadrat der Amplitude
Teilen:
Die Wellenfunktion breitet sich aus, aber das Teilchen teilt sich dabei nicht.
4.4.2. Erwartungswerte und Unschärfen
Es gibt für Wellenpakete auch Schranken der möglichen Lokalisierungen im
klassischen Orts- und Impuls-Raum. Diese Schranken gelten sowohl für die
Messungen, als auch für die Herstellungen von Zuständen der Objekte:
Erwartungswerte
Der
„Schwerpunkt“
<x>
einer
Wellenfunktion
(x)
wird
mit
Wahrscheinlichkeitsdichte |(x)|2 berechnet, wenn das „Wellenpaket“ „normiert“ ist:
40
der
x   x | ( x ) |2 dx
In der Beobachtung, wenn viele Messergebnisse, x1 ... xN , vorliegen, entspricht dieser
Erwartungswert dem Mittelwert:
1
x  xn
N n
Die allgemein gültigen Unschärferelationen für Wellenpakete
k x  1/2
 t  ½
und
geben die Heisenbergsche Unschärferelation
p x  /2
E t  /2
und
(Heisenberg fand die Unschärferelationen 1927)
Dabei sind die Unschärfen als die Wurzeln der mittleren quadratischen Abweichungen
vom Mittelwert definiert:
x 
x  x 
2

x2  x
2
Man kann also weder Ort und Impuls, noch Zeit und Energie gleichzeitig beliebig genau
messen.
4.4.3. Einige Bemerkungen
Die Personen
Einige große Theoriegebäude der Physik, auch die Relativitätstheorie, wurden von
einzelnen Personen geschaffen: Galilei, Newton, Maxwell, Boltzmann, Einstein. Die
Quantenmechanik ist aber durch gemeinsame und wechselweise Anstrengungen vieler
Forscher entstanden. Der Grund dafür liegt vielleicht darin, dass sie sich von unserer
alltäglichen Begriffswelt viel weiter weg entfernt als jede andere Theorie.
Der Fortschritt der Quantentheorie kam durch verschiedene revolutionäre Ideen junger
Leute (Einstein 1905, Bohr 1913, Heisenberg 1925), gepaart mit den Kenntnissen, oder in
Frage gestellt und geprüft von erfahrenen Menschen (Einstein nach 1925, Bohr um 1925,
Born, Schrödinger). Zu bewundern ist Max Planck, der, eigentlich konservativ, ursprünglich
dem Atomismus und den Boltzmannschen Ideen gegenüber eher misstrauisch, gegen den
eigenen Widerstand durch Konsequenz und Korrektheit den ersten Schritt zur größten
Revolution in der Physik unternommen hat.
Niels Bohr hat um 1922 Bedenken gegen die Einsteinsche Lichtquantenhypothese
ausgesprochen und versuchte noch, die klassischen Vorstellungen zu retten. Nach 1925 war
die Situation umgekehrt: Niels Bohr wirkte in Kopenhagen als Leitfigur aller jungen
Theoretiker. Einstein aber war nicht zufrieden mit der „Kopenhagener Deutung“ der
Quantenmechanik. Seine Überzeugung war: „Gott würfelt nicht.“
41
Die größten Theoretiker betonten die Wichtigkeit des Wechselspiels von Theorie und
Experiment. Man kann nicht, wie Descartes wollte, alle Naturgesetze aus zweifelsfrei
richtigen Erkenntnissen deduktiv ableiten. Gerade die Quantenmechanik wäre so nie erdacht
worden.
Weltbild und Geschichte
Die Wahrscheinlichkeit ist übrigens auch sonst, in anderem Zusammenhang, erst spät
als Werkzeug und Untersuchungsobjekt in die Wissenschaften aufgenommen worden. Auch
ist ihre Umsetzung in die Wirklichkeit kein praktisches, aber ein philosophisches Problem:
Wie verhält sich ein Einzelfall zu den statistischen Gesetzen?
Physik ist wohl die genaueste aller Naturwissenschaften. Die klassische Mechanik und
die klassische Elektrodynamik vermitteln auch eine oft staunenswerte Genauigkeit und
Sicherheit von Gesetzen und Aussagen. Beispiele dafür findet man in den Gesetzen der
Astronomie und in der Methode der Navigation mit Ortsbestimmungen durch Funk über
Satelliten.
Der Determinismus der klassischen Physik führt in äußerster Konsequenz zu dem
Weltbild des Universums als „Uhrwerk“: Eine genaue Kenntnis der Orte und
Geschwindigkeiten aller Körper zu einer bestimmten Zeit würde im Prinzip die Berechnung
der Zustände zu jeder anderen Zeit ermöglichen. Ein solches Weltbild entsteht dadurch, dass
man den Naturgesetzen, die man bei Experimenten im Labor findet, einen unbeschränkten
Bereich der Gültigkeit zuspricht: Man denkt, sie gälten an allen Orten, zu allen Zeiten, und
auch für alle Größenordnungen. Philosophische Bedenken gegen solche unendliche
Ausdehnung gab es schon im Altertum bei den Griechen. Speziell bei Erörterung sehr kleiner
Größenordnungen gab es zwei Denkrichtungen: Kontinuumstheorie contra Atomismus.
Solche gegensätzliche Schulen gab es auch zur Zeit um 1900; noch niemand hatte ein Atom
gesehen.
Nach der Entdeckung der Quantenmechanik wurde es deutlich, dass man Atome auch
gar nicht im üblichen Sinn „sehen“ kann -- die Unschärferelation gibt Schranken des
Messbaren. Es gibt nun „Grenzen ohne Grenzen“. Die Bilder, die wir von Molekülen machen,
haben noch eine schwache Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit, die Bilder der Atome sind nur
noch Symbole. Dafür kann man andererseits verstehen, wie es möglich ist, dass punktförmige
Teilchen in endlicher Anzahl einen ausgedehnten Körper bilden. Die alten philosophischen
Probleme sind auf unerwartete Weise gelöst worden; dafür sind ganz neue Probleme
aufgetaucht.
Der Bruch mit der Tradition war bei der Entstehung der Quantentheorie viel tiefer als
Galileis Bruch mit der Physik des Aristoteles. Jetzt stecken schon in den Grundgesetzen
Aussagen über Wahrscheinlichkeiten, es gibt hier nicht mehr den Determinismus der
klassischen Physik.
„Verstehen“ -- Wissen:
Rückführung auf Bekanntes ist hier nicht möglich. In diesem Sinne kann man also die
Quantenphysik nicht „verstehen“. Aber man kann ihre Gesetze und Prinzipien kennen und die
Zusammenhänge logisch verstehen. Man kann, zur Unterstützung des Denkens, auch
Analogien finden, wie eben „Wellen“, und Modelle bilden.
Modellvorstellungen?
Maxwell hatte zuerst eine Modellvorstellung für die elektromagnetischen Wellen als
Schwingungen eines materiellen „Äthers“ entwickelt, ist aber später davon wieder
abgekommen. Modellvorstellungen können in die Irre führen.
Auch das Bohrsche Atommodell ist schon längst überholt.
42
Anhänge
4.A.1. Begriffe aus der Theorie der Wellen
Es werden physikalische Erscheinungen mit einer Wellenfunktion (x,t) beschrieben.
Eine Gleichung für die zeitliche Änderung heißt Wellengleichung. Es gibt viele
verschiedene Wellengleichungen. In der nicht-relativistischen Quantenphysik gilt die
Schrödinger-Gleichung, die im nächsten Kapitel besprochen wird.
Ein ganz wichtiger Spezialfall von Wellenbewegungen, von Lösungen einer Wellengleichung ist die Menge von harmonischen Wellen.
  e

i ( kx t )
i(kx–t)
In einer Raum-Dimension ist das e
.
Auch die Amplitude ist komplexwertig, Â = A  ei . Der Verlauf des Realteils
A cos (kx – t + )
hat wirklich zu jeder festen Zeit die erwartete gewohnte Form einer „Welle“.
Die Wellenlänge, der Abstand von einem Wellenberg zum nächsten, ist
 = 2/|k|
k heißt Wellenzahl, denn die Anzahl der Wellenberge oder –täler auf einer Strecke von
der Länge 2 mal der Einheitslänge ist gleich |k|. Sie kann positiv oder negativ sein. Das
Vorzeichen bestimmt die Bewegungsrichtung

In drei Dimensionen ist k ein Vektor, der Wellenvektor k , und die Formeln für die
harmonischen ebenen Wellen sind
 

 (x, t)  A ei(kx t )
mit Realteil
 
A cos(k  x   t  )
Die Wellenberge des Realteils der Wellenfunktion sind dabei in Ebenen
angeordnet

(deshalb „ebene“ Welle), die orthogonal zu dem Wellenzahlvektor k sind.
43
Interferenzen: Verstärkung - Auslöschung
Beispiel: Von einer Quelle kommt die Welle
1(x,t) = A cos(kx–t+1) ,
von einer anderen Quelle (oder über einen anderen Weg) kommt die Welle
2(x,t) = A cos(kx–t+2) .
Die beiden Wellen haben also gleiche Wellenzahl, gleiche Frequenz, gleiche Amplitude,
aber verschiedene Phasen.
Die Überlagerung ergibt
  2 
   2 

  1   2  2A cos  1
 cos  kx  t  1

2 
 2 

Der letzte Term in dieser Formel ist wieder die Welle mit gleicher Wellenzahl, mit einer
mittleren Phase, die jetzt nicht weiter interessant ist. Die Differenz der Phasen 1 - 2
bestimmt im Vorfaktor die Stärke dieser Welle, ob es zu Abschwächung oder Verstärkung
kommt:
Wenn (1 - 2)/2 gleich Null oder einem ganzzahligen Vielfachen von  ist, kommt es
zu maximaler Verstärkung, die Amplitude ist dann 2A.
Wenn (1 - 2)/2 ein ungeradzahliges Vielfaches von 2 ist, kommt es zur
Auslöschung.
4.A.2. Neutroneninterferometer mit Phasenschieber
Schon die Unterdrückung eines der beiden austretenden Strahlen und Verstärkung des
anderen zeigt den Wellencharakter der Neutronenstrahlen im Experiment. Noch deutlicher
wird dieses Wellenverhalten durch den Einbau eines Phasenschiebers in den Strahl B. (Es ist
das ein Stück eines amorphen Materials. Die Änderung der Phase im Strahl ist proportional
zur Länge des Weges, die der Strahl in diesem Stück zurücklegt. Durch Drehung des
Materials wird diese Länge, und damit die Phase, variiert.)
Der Phasenfaktor für den Strahl B ist nun iei mit variablem . Neuerliche Berechnung
ergibt:
44
A
B
2 e
i
2  ie e

i  x

ikx


ie

ie e
Superposition der Wellen
Intensität


ikx
e
 
i  x

i ix

i ikx
 
ik  x
(1 + ei) i e
2 + 2 cos
–e e
 
(1 – ei) i ei  x
2 – 2 cos
Die Verteilung der Intensitäten ist eine oszillierende Funktion der Phase .
Effekte von Störungen
Wenn der Kristall kein gut gewachsener Einkristall ist, kommt es durch die
thermischen Bewegungen der einzelnen Platten zu Fluktuationen der Phasenbeziehung der
beiden Wellen auf den Wegen A und B. Für jedes neu durchlaufende Neutron gibt es eine
andere Phasenrelation. In der Summe gibt der Mittelwert über alle Phasen (Mittelwert über
alle möglichen  in obigen Berechnungen) die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, wo das
Neutron austritt, also die Intensität der Strahlen. Der Mittelwert über cos ist Null, die
Intensität ist in jedem austretenden Strahl 2, wie bei klassischen Teilchenstrahlen!
4.A.3. Messungen
Auch Beobachtungen, Messungen, die feststellen, welchen der Wege das Neutron
durchläuft, A oder B, sind ein Eingriff in das System. Hat man gemessen, dass das Neutron
den Weg B nimmt, dann nimmt es wirklich den Weg B und nicht den Weg A. Die weitere
Fortbewegung der Welle geschieht dann so, wie für den Weg B berechnet wurde, und es gibt
wieder zwei gleich wahrscheinliche Richtungen des Austretens, die zwei Strahlen  und .
Die Messung beeinflusst das gemessene System. Wenn es gemessen wird, verhält es sich
anders als ohne Messung. Befragt man das Neutron, woher es komme, so gibt es keine
Interferenzen der beiden Möglichkeiten mehr.
Die Teilung Objekt – Beobachter kann nicht restlos geschehen. Ein weiterer
Beobachter muss den ersten Beobachter als verknüpft und „verschränkt“ mit dem Messobjekt
beschreiben. Das alte Subjek–Objekt-Problem der Philosophie taucht nun in neuem
Zusammenhang auf: Jede Messung beeinflusst das gemessene System.
Die neuen Prinzipien der Physik wurden zwar erst in den kleinen Größenordnungen
offensichtlich, doch ändern sie das Weltbild auch im großen Maßstab: Es gibt für die
Gültigkeit der Quantenmechanik keine Grenze in den Größenordnungen.
Diese Revolution der erkenntnistheoretischen Grundlagen der Wissenschaften ist
selbst von den bei der Schaffung Mitwirkenden Einstein und Schrödinger nicht voll akzeptiert
worden; nicht so radikal wie von Bohr, Heisenberg, Born und Dirac. Bei den Diskussionen
über Gültigkeit, Vollständigkeit und Interpretation der Quantenmechanik – Probleme, die man
mit der Frage „Was ist Wirklichkeit?“ umfassen kann – wurden Probleme aufgedeckt, die
immer noch diskutiert werden:
Das Einstein-Podolski-Rosen (EPR) -Paradoxon (Messungen an einem Punkt haben
scheinbare Effekte auch an weit entfernten Orten.)
Schrödingers Katzen-Paradoxon (Erst durch Beobachtung wird die Katze, die durch
einen Quanteneffekt vielleicht vergiftet wurde, tot oder lebendig.)
Jedes dieser Paradoxa ist ein Effekt der Gültigkeit der Quantenmechanik in allen Größenordnungen.
45
ORIGINAL - TEXT
Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes
betreffenden heuristischen Gesichtspunkt
von A. Einstein
........
Die mit kontinuierlichen Raumfunktionen operierende Undulationstheorie des
Lichtes hat sich zur Darstellung der rein optischen Phänomene vortrefflich bewährt
und wird wohl nie durch eine andere Theorie ersetzt werden. Es ist jedoch im Auge
zu behalten, daß sich die optischen Beobachtungen auf zeitliche Mittelwerte, nicht
aber auf Momentanwerte beziehen, ........
Es scheint mir nun in der Tat, daß die Beobachtungen über die „schwarze
Strahlung“, Photolumineszenz, die Erzeugung von Kathodenstrahlen durch
ultraviolettes Licht und andere die Erzeugung bez. Verwandlung des Lichtes
betreffende Erscheinungsgruppen besser verständlich erscheinen unter der
Annahme, daß die Energie des Lichtes diskontinuierlich im Raume verteilt sei. Nach
der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines von einem
Punkte ausgehenden Lichtstrahles die Energie nicht kontinuierlich auf größer und
größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen
Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne
sich zu teilen, und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können.
........
[Ann. d. Phys. 17 132 (1905)]
Auch in S. Samburski, „Der Weg der Physik“ nachzulesen
46
47
INHALT von TEIL 1
1. EINLEITUNG
1
Die Prinzipien dieser Vorlesung / W as ist die Physik? / Entwicklung der Begriffe
Messungen  Theorien / Teile  Ganzheit / Modelle  Wirklichkeit
ORIGINAL – TEXTE von Max Planck und Wolfgang Pauli
Entstehung der modernen Physik
8
1
2
5
2. DAS RELATIVITÄTSPRINZIP (KLASSISCH);
2.1. Koordinaten
2.1.1 Die Menge der Ereignisse; Raum-Zeit-Diagramme
2.1.2. Die Zeit
2.1.3. Der Raum
2.1.4 Die Raum-Zeit
2.2. Wechsel des Bezugssystems
2.3. Ein Modell des expandierenden Universums (klassisch)
ORIGINAL – TEXTE von Sir Isaak Newton
9
9
9
10
11
12
14
15
16
3. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
3.1. Die Raum-Zeit; Kinematik
3.1.1. Das Relativitätsprinzip und die Elektrodynamik
3.1.2. Neue Axiome für lokale Inertialsysteme
3.1.3. Die Relativität der Gleichzeitigkeit
3.1.4. Die Eigenzeit
3.1.5. Geschwindigkeitstransformation
3.2 Dynamik
3.2.1. Wechselwirkungen
3.2.2. Energie und Impuls
3.2.3. Die Äquivalenz von Masse und Energie
Anhang: Das Hafele-Keating Experiment
ORIGINAL – TEXT von Albert Einstein
17
17
17
18
19
21
25
26
26
26
28
29
30
4. QUANTEN UND WELLEN-NATUR DER MATERIE
4.1. Quanten des Lichts, Photonen
Eine Science-Fiction-Geschichte
4.1.1. Der Lichtelektrische Effekt
4.1.2. Die Lichtquanten-Hypothese
4.1.3. Lichtquanten als Teilchen: Photonen
4.1.4. Elastische Streuung am Elektron: Compton-Streuung
4.2. Wellen-Natur massiver Teilchen
De Broglie-Wellen
4.3. Interferometrie mit Neutronen
Noch eine Science-Fiction-Geschichte
4.3.1. Prinzip des experimentellen Aufbaus
4.3.2. Die Theorie zur Erklärung der Messergebnisse
4.4. Die Interpretation
4.4.1. Wahrscheinlichkeiten
4.4.2. Erwartungswerte und Unschärfen
4.4.3. Einige Bemerkungen
4.A.1. Begriffe aus der Theorie der Wellen
4.A.2. Neutroneninterferometer mit Phasenschieber
4.A.3. Messungen
ORIGINAL – TEXT von Albert Einstein
48
31
31
31
31
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33
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35
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39
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40
41
43
44
45
46
5. Die Zeitentwicklung
in der Quantenmechanik
Die Bewegungen werden durch eine Wellengleichung beschrieben: die
Schrödinger-Gleichung. Wellengruppen bewegen sich ähnlich wie klassische Teilchen,
wenn ihre Unschärfen klein sind im Vergleich mit den äußeren Einflüssen. Wenn dies
nicht der Fall ist, dann entstehen Quanteneffekte, zum Beispiel durch Einfließen der
Wellenfunktion in klassisch verbotene Gebiete.
Literatur:
P. Tipler ,
ältere Auflagen: Kapitel 36,1 / 36,5 / 36,10
5.1. Das Superpositionsprinzip
Der fundamentale Unterschied zur Bewegung der Teilchen der klassischen Physik ist die
Interferenz der Wellen, mit der Möglichkeit der Auslöschung.
So wie die meisten Wellengleichungen der Physik ist auch die zeitabhängige
Schrödingergleichung eine lineare Gleichung, das heißt sie hat folgende Eigenschaften:
Sind (x,t) und (x,t) mögliche gültige Wellenfunktionen, genügen also den physikalischen
Gesetzen, sind  Konstante, so ist auch (x,t) = (x,t) (x,t) möglich.
Es können sich somit Lösungen der Wellengleichung „überlagern“, „superponieren“ und
bilden damit wiederum Lösungen. So, wie zum Beispiel Lichtwellen, die von Quelle A zum
Empfänger B laufen, sich mit Lichtwellen von C nach D kreuzen können, ohne dass die
beiden Lichtbündel im Gebiet der Überlagerung einander irgendwie beeinflussen.
Dieses Prinzip ist weiters ein ganz allgemeines Postulat der Quantentheorie. Es gilt auch
für Wellenfunktionen von zwei oder mehr Teilchen A, B,...  (xA, xB, ...), für Wellenfunktionen, die auch Wahrscheinlichkeiten über Spin-Orientierungen s beschreiben,  (x,s);
ganz allgemein für Zeitabhängigkeit von „Vektoren im Hilbertraum“, wie man die mathematische Charakterisierung von Wellenfunktionen nennt. Es ist die Grundlage für Interferenzphänomene, die ja bis zur Auslöschung führen können.
5.2. Wellengleichung für freie Teilchen
Die von de Broglie aufgestellte Theorie der Wellen-Natur eines Teilchens wird nun
zur Erforschung ihrer Konsequenzen mathematisch untersucht.
Geschichte
Schrödinger befasste sich mit dem Problem, eine theoretische Grundlage für Bohrs
Quantenpostulat zu finden. Er griff De Broglies Idee der Begründung mit stehenden Wellen
auf, und fand: So wie die schwingende Saite nur in einer diskreten Menge von „Eigenwerten“
der Frequenz schwingen kann, so gibt es für die Atome eine Beschreibung mit Wellen, die
nur in einer diskreten Menge von „Eigenwerten“ der Energie erscheinen können. Erst danach
49
forschte er nach einer zeitabhängigen Wellengleichung für solche Wellen, und publizierte
diese in einer späteren Arbeit der Reihe von Veröffentlichungen mit dem Titel „Die
Quantisierung als Eigenwertproblem“.
Wir kehren nun zum Erarbeiten der Prinzipien den Weg dieser Entwicklung um, denn so
wird die logische Notwendigkeit deutlich. Die Gültigkeit der Beschreibung freier Teilchen
mit De Broglie Wellen ist ja inzwischen auch experimentell direkt gezeigt worden, ohne
weitere theoretische Entwicklungen verwenden zu müssen.
Die Wellen mit scharfer Energie und mit scharfem Impuls

Ein freies Teilchen mit Energie E und Impuls p zeigt auch die Eigenschaften der Welle:
e
 
i ( k x   t )
Erinnerung: Im vorherigen Kapitel hatten wir De Broglies Postulat:
Es gelten auch für Teilchen der Materie die Quantenbeziehungen
E=


p  k
Diese beiden Gleichungen sind bei Photonen durch eine relativistische Gleichung für
Energie und Impuls sowie eine schon früher bekannt gewesene Wellengleichung (und deren
Dispersionsrelation) miteinander verknüpft. Hier werden beide extra postuliert. Die
dynamischen Beziehungen zwischen Energie Impuls bestimmen dann die Beziehungen
zwischen Kreisfrequenz und Wellenzahl, also die Dispersionsrelation.
Dabei gelten hier aber andere Beziehungen zwischen den Werten von E und von p als bei
den Photonen, daher auch andere Beziehungen zwischen  und k. Es gilt eine andere
Dispersionsrelation, gefunden mit der klassischen Gleichung für die kinetische Energie:

p2
E
2m


k2

2m
Die Phase einer einzelnen Wellenfunktion ist nicht messbar. Beobachtbare physikalische
Effekte beziehen sich nur auf Differenzen von Phasen, zum Beispiel bei Überlagerungen.
Deshalb kann man beruhigt die relativistische Ruhe-Energie E=moc2 weglassen, solange man
nur Systeme mit Teilchen betrachtet, die viel langsamer als das Licht sind.
Die Wellengleichung
Welche Wellengleichung kann so eine Wellenfunktion, ei(kx–ωt), zur Lösung haben?
Die (partielle) Ableitung nach der Zeit gibt, mit der Beziehung zwischen Energie und
Frequenz:
( x , t )  ikx it
i
 

e e
 e ikx  (i)e it   E ( x, t )

t
t


Diese Gleichung multiplizieren wir mit i und verwenden die klassische Gleichung für die
kinetische Energie, E = p2/2m, dann die de Broglie – Beziehung zwischen Impuls und
Wellenzahlvektor. Zunächst denken wir an Wellen in nur einer Dimension, verwenden
p  k , und erhalten:
50
  E 
i
2 2
p2

k 
2m
2m
Den Wellenzahl-Vektor k, der verschiedene Werte annehmen kann, und im allgemeinen
auch gar nicht scharf ist, möchten wir eliminieren, das heißt, durch den Operator ersetzen,
der ihn aus dem gegebenen  produziert. Das erreichen wir durch partielles Differenzieren
nach x:

 ikx it

 ik  e ikx e it  ik
e e
x x
 2
 (ik ) 2   k 2 
2
x
2
2
k  2
x
Diese Gleichung setzen wir in obige ein:
i  
2 2

2m x 2
Das ist nun die Wellengleichung für die Wellenfunktion eines freien Teilchens in einer
Dimension. Für die Herleitung haben wir zwar angenommen, dass Energie und Impuls
bestimmte Werte hätten, diese kommen aber am Ende der Rechnung gar nicht mehr vor. Also
gilt die Wellengleichung für beliebige Energien und Impulse, und, wegen des Superpositionsprinzips, auch für alle Überlagerungen harmonischer Wellen. Da man jede
Wellenfunktion als eine solche Überlagerung (eindeutig) darstellen kann (Fourierzerlegung),
gilt die Wellengleichung für alle Wellenfunktionen freier Teilchen.


In drei Dimensionen ist der Impuls p ein Vektor, die Wellenzahl k ist ein Vektor;
sein Quadrat ist die Summe der Quadrate seiner Komponenten:

k 2  k 12  k 22  k 23
und das alles gibt
 
 
2
2
2
k 2 e i ( kx t )   2 e i (...)  2 e i (...)  2 e i (...)   e i ( kx t )
x 1
x 2
x 3
mit dem Laplace-Operator , der als Symbol, als „icon“ aufgefasst werden kann, dass die
Funktion des Vektors x, die rechts von ihm steht und auf die er wirkt, nach jeder Komponente
des x-Vektors zweimal abgeleitet wird.
Die Wellengleichung für freie Teilchen in drei Dimensionen ist somit
 
i
2

2m
51
Wellengruppen für ein freies Teilchen
Wir untersuchen Wellenpakete und finden einen wichtigen Anknüpfungspunkt zur
klassischen Physik.
Die oben gefundene Wellengleichung gilt auch für alle Überlagerungen von harmonischen
Wellen. Die Bildungen von Ableitungen sind ja lineare Prozesse. Das Superpositionsprinzip
für Wellen ist weiters sogar ein Axiom der Quantenmechanik.
Die Wellengleichung gilt daher für beliebige Wellengruppen, denn alle Wellen sind sogar eindeutig - als Überlagerungen von Wellen scharfer Wellenzahlen darzustellen
(Fourier-Zerlegung).
Zur Berechnung der Gruppengeschwindigkeit v, sie wird im Anhang erklärt, brauchen wir
die Funktion (k):
 = E = p2/2m



(k )  k 2 / 2m

In einer Dimension ist
In drei Dimensionen:


p  k
und
(k) = k2/2m
und
v = d/dk = k/m = p/m
v j   / k j  k j / m  p j / m
 
v p/m
Ein erstes Anzeichen für „das Bohrsche Korrespondenzprinzip“:
Die klassische Mechanik kann als Grenzfall der Quantenmechanik aufgefasst werden, in
Größenordnungen, wo die Wellengruppen, Wellenpakete sehr klein, fast punktförmig


erscheinen. Manche wichtige Beziehungen -- hier p  mv -- kann man auf die
Quantenmechanik übertragen.
Es gibt zwar bei exakter Berechnung die unvermeidlichen Unschärfen, aber für die
Mittelwerte x und p gelten die klassischen Gesetze:
dx/dt = p/m
Analogie zum ersten Newtonschen Axiom zum „Trägheitsgesetz“: Der Wellenzahlvektor




k ändert sich nicht mit der Zeit  p und v = p /m ändern sich nicht mit der Zeit  Der
Schwerpunkt des Wellenpakets bewegt sich geradlinig und gleichförmig.
Unschärfen
Man erkennt am Beispiel zur Berechnung der Gruppengeschwindigkeit im Anhang: Die
Darstellung von Wellenpaketen mit jeweiliger Länge k ist nur durch Überlagerung von
harmonischen Wellen mit verschiedenen Wellenzahlen, im Abstand 2k, möglich.
Die räumliche Ausdehnung eines Wellenpakets ist reziprok zur Ausdehnung der
Wellengruppe im „k-Raum“. Egal, wie man k wählt, das Produkt von räumlicher
Ausdehnung und Wellenzahl-Unschärfe ist immer gleich 2.
52
Auch mit anderen Überlagerungen lässt sich dieses Prinzip nicht ändern. Und es gibt
eine strikte Ungleichung für die Unschärfen im Ortsraum und im k-Raum: xk  1/2
(Dabei werden die Unschärfen x und k so wie die Schwankungsquadrate der Wahrscheinlichkeitsrechnung, analog zur Fehlerrechnung, definiert.)
Untersucht man auch noch die Zeitdauer , die ein Wellenpaket braucht, um über einen
Punkt zu laufen, findet man eine ähnliche Ungleichung:   ½. Beide Ungleichungen
entsprechen den Heisenbergschen Unschärferelationen, wie in 4.4.2. besprochen.
Zerfließen des Wellenpakets
Aufgrund der Unschärferelation besteht jedes räumlich eingeschränkte Wellenpaket aus
vielen Teilen mit verschiedenen Impulsen. Und aufgrund der Dispersion bewegen sich diese
Teile eines Wellenpakets mit verschiedenen Geschwindigkeiten, entsprechend ihren
verschiedenen Impulsen. Im Laufe der Zeit bewirken diese verschiedenen Geschwindigkeiten
verschieden lange Wegstrecken, das Wellenpaket zerfließt, weil seine Teile auseinander
laufen.
5.3. Schrödingergleichung für die Zeitentwicklung
Welcher Operator bestimmt die Zeitentwicklung für Teilchen im Potential? Für freie
Teilchen ist es der Laplace-Operator, der auch noch als der Operator betrachtet werden kann,
der die Wellenfunktion eines freien Teilchens mit dessen kinetischer Energie multipliziert.
Die geniale Idee von Schrödinger, aufbauend auf den Ideen von de Broglie, ist es, diese
Wellengleichung für den allgemeinen Fall von wechselwirkenden Teilchen so zu erweitern,
dass dieser Operator zum Hamilton-Operator ergänzt wird (analog zur Hamilton-Funktion der
klassischen Mechanik), als Summe von kinetischer und potentieller Energie. (Im Jahr davor
entstanden, in einem anderen Zugang, die Arbeiten Heisenbergs, der mit Unterstützung von
Max Born die Matrizen-Mechanik geschaffen hat. Dabei wird mit Operatoren ähnlich den
Matrizen gerechnet, welche die Größen der Mechanik darstellen. Schrödinger zeigte dann die
mathematische Äquivalenz der beiden Methoden.)
Somit erhält man als Wellengleichung für ein Teilchen im Potential V(x):
2



 ( x , t )  
i
 ( x, t )  V( x)  ( x, t ) 
2m
2
 
  
  V ( x )  ( x , t ) 

 2m


H ( x, t )
Kurz geschrieben als
  H
i
Das ist die Schrödingergleichung der Zeitentwicklung.
Der Hamilton-Operator H kann wieder als eine Zusammenfassung all der
Operationen verstanden werden, die mit der rechts davon stehenden Wellenfunktion
durchzuführen sind: Nach jeder Komponente des Ortsvektors ist extra zweimal zu
2
differenzieren und die Ergebnisse sind zu addieren ( Laplace-Operator), und mit  
2m
53
zu multiplizieren; dann ist  an jedem Ort mit dem dortigen Wert des Potentials zu
multiplizieren, und das Ergebnis dieser Multiplikation ist wieder an jedem Ort zu dem schon
vorher berechneten zu addieren.
Der Hamiltonoperator hat zwei Aspekte:
Einerseits
gibt er die Energie des Teilchens an. Wenn diese scharf ist, reproduziert er sie mit
dem genauen Wert. (Siehe Kap. 6.) Wenn sie unscharf ist, kann man mit ihm den
Erwartungswert H berechnen, der dann bei Messungen dem Mittelwert der
Ergebnisse einer Messreihe entspricht.
Anderseits
erzeugt er die Zeitentwicklung, so wie die Schrödingergleichung es angibt.
5.4. Quantenphänomen Tunneleffekt
Die Quantenmechanik ermöglicht es, ein Teilchen an Orten zu finden, wo es klassisch
gar nicht hin dürfte.
Ein Modell
Es soll die Zeitentwicklung berechnet werden, deren Erzeugende der Hamiltonoperator
H = p2/2m + V(x)
ist, mit dem Potential
V(x) = 0
V(x) = V > 0
für x < 0
für x > 0
(Es ist das ein einfaches eindimensionales Modell für die Bewegung eines Elektrons in
einem Metall mit der begrenzenden Oberfläche { x = 0 })
Die konkrete Problemstellung ist die: Ein Wellenpaket, das zunächst ganz im Inneren
des Metalls, im Bereich x < 0, lokalisiert ist, hat negative Energie und bewegt sich zum Rand,
zur Potentialstufe, hin. Was geschieht dort? Was besagt die Schrödingergleichung über die
Welle im klassisch verbotenen Bereich x > 0 ?
54
Wellen mit scharfer Energie
Wir nützen das Superpositionsprinzip und stellen uns Wellenpakete, wie beim freien
Teilchen, als Überlagerungen von Wellen  mit scharfer Energie E vor.
Diese Wellen sollen Lösungen der Schrödingergleichung sein:
i   (x,t) = H (x,t)
Und so wie die ebenen Wellen bei freien Teilchen als Wellen mit scharfer Energie E mit
Kreisfrequenz  schwingen, so muss auch hier die Zeitabhängigkeit in einem Faktor e–it
erscheinen. Die zeitabhängige Wellenfunktion (x,t) ist daher von Produktform.
Lösungs-Ansatz:
(x,t) = (x) e–it
Dabei gilt wieder E =   . Somit wird die linke Seite der Schrödinger - Gleichung:
i   (x,t) = i(x) (–ie–it = (x) e–it = E (x) e–it
Die rechte Seite:
H (x) e–it = [ H (x) ] e–it
Kürzt man beide Seiten durch e–it so erhält man (mit Vertauschung der Seiten) die
Differentialgleichung für die x-Abhängigkeit der Welle:
Hx = Ex
(Diese Gleichung wird im nächsten Kapitel noch eine ganz wichtige Bedeutung erhalten.)
Im klassisch erlaubten Bereich hat diese Gleichung Teile der ein- und auslaufenden
Wellen, die bekannten de Broglie - Wellen eikx , e–ikx zur Lösung; und Überlagerungen, wie
cos(kx + )
Der klassisch verbotene Bereich
Einen neuen Aspekt der Quantenmechanik finden wir für Energien E < V. Klassisch
wäre dann der Halbraum x > 0 ganz verboten. Zwei fundamentale mathematische Lösungen
der Differentialgleichung H  = E  sind dort die Exponentialfunktionen
e x
und
e–x ,
mit
V – E = 22/2m
also

1
2m V  E

Alle mathematisch möglichen Lösungen sind Linearkombinationen dieser beiden
Exponentialfunktionen. Exponentiell anwachsende Funktionen eignen sich aber nicht zur
Bildung von Wellenpaketen. Daher ist aus physikalischen Gründen die Lösung ex
auszuschließen. Es bleibt
(x) = e–x
55
für x > 0
Die Teilchen dringen auch in die klassisch verbotene Zone ein, mit einer in x exponentiell
abfallenden Wahrscheinlichkeitsdichte.
Dieser Effekt wird dann beobachtbar und wichtig, wenn der klassisch verbotene
Bereich nur eine dünne Potentialbarriere ist, mit der Dicke . Dann tritt der Tunneleffekt auf,
die Teilchen können mit einer Wahrscheinlichkeit, die proportional zu e-2 ist,
„durchtunneln“, die Barriere also durchdringen und sich auf der anderen Seite weiter
bewegen. (Der Faktor 2 im Exponenten tritt deshalb auf, weil die Wahrscheinlichkeit das
Quadrat der Amplitude ist!)
Geschichte
George Gamow erklärte 1928 den  - Zerfall von Atomkernen mit dem Tunneleffekt:
Zwischen den Nukleonen (Protonen und Neutronen) wirkt die anziehende starke Kernkraft.
Sie ist bei Entfernungen bis zu etwa 10-15 m stärker als die Coulomb-Abstoßung der positiv
geladenen Protonen, hat aber nur eine kurze Reichweite von circa 10-14 m. Man stellt sich vor,
dass sich in einem Kern mit vielen Nukleonen zunächst zwei Protonen und zwei Neutronen zu
einem -Teilchen verbinden. Die Kernkräfte zwischen diesem Teilchen und allen anderen
Nukleonen bilden einen Potentialtopf für das -Teilchen. Bei einiger Entfernung vom Rest
des Kerns überwiegt aber die positive abstoßende Coulomb-Wechselwirkung. Sie schafft eine
positive Potentialbarriere rund um den Kern. Wenn es nun für das -Teilchen keinen
gebundenen Zustand mit Energie < 0 gibt, sondern nur metastabile Zustände mit positiven
Energien, so wird der Kern zerfallen, indem das -Teilchen durch die Barriere durchtunnelt.
Der Tunneleffekt wird auch technisch verwendet, zum Beispiel beim
Raster - Tunnel - Elektronen - Mikroskop
zur genauen Vermessung von Materialoberflächen: Die Teilchen sind Elektronen, der
klassisch verbotene Bereich liegt zwischen der Spitze einer beweglichen Anode und der zu
vermessenden Fläche. Die Stromstärke, die Intensität des durchtunnelnden Elektronenstrahls,
variiert mit der Länge  des Weges von der Anode zur Fläche, und zwar ist sie proportional zu
e-2
Für 1Å ist dieser Faktor  1/ 1000
56
Anhang
5.A. Das zeitliche Verhalten von Wellen
In drei Dimensionen ist die Formel für die harmonischen ebenen Wellen
 

 (x, t)  A ei(kx t )
 
A cos(k  x   t  )
mit Realteil
Die Wellenberge des Realteils der Wellenfunktion zu einer festen Zeit sind dabei in

Ebenen angeordnet (deshalb „ebene“ Welle), die orthogonal zu dem Wellenzahlvektor k
sind. (Die Bewegung der Erscheinungsform besteht in einem Wandern dieser Ebenen mit
Geschwindigkeit  / | k | in der Richtung des Wellenzahlvektors.)

An einem festen Punkt x ist die zeitliche Veränderung nichts anderes als die zeitliche
Veränderung der Phase, die aber an sich nicht beobachtet werden kann.
Die Kreisfrequenzen  können, abhängig von der Wellenzahl, verschiedene Werte
annehmen. Die Funktion  = (k) heißt Dispersionsrelation.
Die harmonischen Wellen, die hier betrachtet werden, sind eine kleine Menge ganz
spezieller Wellen. Durch Überlagerung von solchen kann man aber alle möglichen Wellen
darstellen:
Die Methode heißt Fourierzerlegung oder Fouriertransformation. (Vorlesung M2!)
Die Gruppengeschwindigkeit
Wenn Wellen Information oder Energie übertragen, dann muss das in einem
begrenzten Bereich möglich sein, so dass diese Übertragung Anfang und Ende hat. Die
Übertragung erfolgt in einem Wellenpaket (Wellengruppe, Wellenpuls). Ein Wellenpaket
entsteht durch Überlagerung von harmonischen Wellen mit leicht verschiedenen
Wellenzahlen. Durch die solcherart räumlich verschiedenen Phasenunterschiede der
Schwingungen kommt es im Inneren des Wellenpakets zur Verstärkung, an den Rändern zur
Auslöschung.
Die
Geschwindigkeit
einer
solchen
Wellengruppe
heißt
Gruppengeschwindigkeit.
d( k )
vG 
dk
Rechnerisch einfachstes Beispiel: Überlagerung zweier harmonischer Wellen mit eng
benachbarten Wellenzahlen und Frequenzen:
k1 = k + k
1 =  + 
,
,
k2 = k _ k
 =  _ 
2
 (x, t)  ei(k1x 1t )  ei(k 2 x 2 t )
Den Realteil stellen wir dar:
57
Re[(x,t)] = cos(k1x _ 1t) + cos(k2x _ 2t) =
= 2 cos(kx _ t) cos(kx _ t)
Berechnung der komplexen Wellenfunktion:
 (x, t)  ei[(kx t )  ( k x  t )]  ei[(kx t ) ( k x  t )]
 ei( k x  t )  e i( k x  t )   ei(kx t )
 2 cos(k x   t)  ei(kx t )
Der Term ei(kx–ωt), er gibt cos(kx _ t) im Realteil, ist die gewohnte Welle. Sie ist aber
hier mit dem Faktor cos(kx _ t) moduliert. Durch diese Modulation entstehen
Wellenpakete. Die Bewegung der Modulation gibt die beobachtbare Bewegung der
Wellenpakete. Der Mittelpunkt eines Wellenpakets ist der Ort xMittel, wo
_ t) = 1
cos(kx

x
(t) = x
(t=0) + (/δk)t
Mittel
Mittel
Die Geschwindigkeit der Bewegung dieser Mittelpunkte ist
Mittel
v =  /k
Für infinitesimal kleine Unterschiede der Wellenzahlen wird dieser Quotient zum
Differentialquotienten. Die Geschwindigkeit, die man somit berechnet, ist eben die
Gruppengeschwindigkeit.
d( k )
vG 
dk
Wenn sich die Gruppengeschwindigkeit mit der Wellenzahl ändert, dann laufen
einzelne Wellenpakete auseinander. Man nennt das Dispersion. Die Abhängigkeit der
Frequenz von der Wellenzahl, die Funktion (k) hat deshalb den Namen Dispersionsrelation.
Bei Wellenbewegung in drei Dimensionen ist die Gruppengeschwindigkeit ein Vektor.
Die einzelnen Komponenten berechnet man mit partieller Ableitung: Ganz analoge
Berechnungen ergeben

 v G ,1 

( k )


v G   v G , 2 ..........v G , j 
k j
v 
 G ,3 
58
6. Quantisierte Energie
Die Quantisierung der Energie von gebundenen Teilchen ist die historische
Wurzel der Quantenphysik, die Erklärung dessen, was Bohr im Quantenpostulat
gefordert hatte. Hier ist der Schlüssel zur Erkenntnis der Struktur der Materie.
Literatur:
P. Tipler ,
ältere Auflagen: Kapitel 36,6 / 36,7 / 36,9
6.1. Ein Teilchen im Potentialtopf
So wie De Broglie es vorhersah und teilweise auch schon zeigte, sind die
stationären Zustände der Elektronen in Atomen als stehende Wellen zu erklären. Da
das volle Problem nicht ganz einfach ist, machen wir uns an einem einfacheren Modell
mit den Prinzipien vertraut.
6.1.1. Modell und Problemstellung
Wir interessieren uns für die gebundenen Zustände im eindimensionalen Modell mit
einem Potential-Kasten:
V(x) = 
für x < 0
V(x) = 0
für x  [0,]
und
für x > 
Analog zu den Wellen eikx e-it freier Teilchen suchen wir Wellenfunktionen scharfer
Energie.
(Andere Lösungen der Zeitentwicklungs-Schrödingergleichung kann man dann, wie es das
Superpositionsprinzip sagt, als Überlagerungen dieser Wellenfunktionen beschreiben.)
Ansatz für die Lösung:
(x,t) = (x)e-it
(„Trennung der Variablen“)
Diesen Ansatz, mit noch unbekanntem  und mit unbekanntem  setzen wir in die
Schrödinger-Gleichung für die Zeitentwicklung ein.
und erhalten
  H
i
i(-i) = (x)e-it = (H)(x)e-it
Der Hamilton-Operator H wirkt ja nur auf den x-abhängigen Teil der Wellenfunktion.
In dieser Gleichung verwenden wir die Einstein-de-Broglie-Beziehung E =  und
kürzen durch e-it :
(H)(x) = E(x)
59
Das ist eine „Eigenwertgleichung“: Es stellt sich heraus, dass E nicht beliebig gewählt
werden kann, sondern als „Eigenwert“ des Operators H erst zu finden ist; stehende Wellen
gibt es eben nur mit bestimmten Frequenzen. (Der Titel von jeder der vier Arbeiten
Schrödingers, die seine Gleichungen enthielten, ist: „Die Quantisierung als
Eigenwertproblem“.) Der Wert der Energie, E, kann deshalb nicht beliebig sein, weil für die
Wellenfunktion  die folgenden Randbedingungen gelten müssen:
(x) = 0
bei x = 0 und bei x = 
Idealisierung des Randes
Woher kommen die Randbedingungen? Zur Beantwortung dieser Frage überdenken wir
die Beziehung des Modells „Potentialkasten“ zur Wirklichkeit. Die unendlich hohen „Wände“
sind ja eine Idealisierung (zum Zweck der einfacheren Berechnung). In Wirklichkeit kann
zum Beispiel ein Elektron aus einem Potentialtopf (z.B. im Inneren eines Metalls) durch
Aufnahme von Energie entweichen. Etwas realistischer wäre also das Modell eines
„Potential-Topfs“ mit endlich hohen Wänden. Dort gibt es andere Randbedingungen:
Wir wissen schon (Tunneleffekt, 7.2.3): Die Wellenfunktion kann über den Rand
hinausreichen und fällt dort exponentiell ab. Auch direkt am Rand muss aber die Wellenfunktion - so wie auch ihre Ableitung - stetig sein, sonst gibt es Energie-Unschärfen. (Das
findet man durch eine mathematische Analyse.)
Je größer die Energiedifferenz |Vaußen - ETeilchen| ist (die Energie, die dem Teilchen fehlt,
um aus dem Potentialtopf weiter zu entweichen), desto steiler fällt dieser exponentielle
Außenteil der Wellenfunktion ab, und es sieht ganz ähnlich aus, als wäre die Wellenfunktion
direkt am Rand schon Null. Daher kann man das Modell, mit dem hier eine Situation
beschrieben wird, abändern zum Kasten-Potential.
6.1.2. Die Lösungen der Eigenwertgleichung
Stehende Wellen
In einer Dimension kann man eine stehende Welle im Inneren des Kastens als
Überlagerung zweier in entgegengesetzten Richtungen laufender Wellen betrachten:
(x, t ) 


1 i ( k  x   t )
e
 e i (  k  x   t ) 
2i
sin(k  x )  e i t
Die nur von x abhängigen Teile solcher Wellen (im Allgemeinen noch mit
Phasenkonstanten) sind Lösungen der Eigenwertgleichung:
Mit
H
2 2
2 m x 2
und
gilt
60
(x) = sin(kx)
H  
 2  2 sin( k  x )  2 k 2

sin( k  x )  E  sin( k  x )  E .
2m
x 2
2m
Wobei der Energie-Eigenwert dieser Wellenfunktion natürlich dieselbe Energie ist, die
auch die überlagerten Wellen haben:
2 k 2
E
2m
Randbedingungen
An den Rändern muss (x) = 0 sein. Für den Rand bei x = 0 gilt das schon genau für alle
Sinus-Funktionen. (Deshalb wurde genau die am Beginn angegebene Überlagerung gebildet.)
Für den Rand bei x =  ist die Bedingung
sin(k) = 0

k  {...}
dann sind also nur noch diskrete Werte der Wellenzahl k möglich:
kn = n/
n  {1, 2, 3, ....}
Sie geben diskrete Energie-Eigenwerte charakterisiert durch die „Quantenzahl“ n
En = p2 /2m = (kn)2/2m = (n/)2/2m
Zu jedem Energie-Eigenwert gibt es eine Wellenfunktion, hier
 n ( x, t )  sin( k n  x )  e  in t
Nullpunkts-Energie
Auch der tiefste Energie-Eigenwert, die „Grundzustands-Energie“ E1 ist höher als der
Boden des Potentialkastens, und zwar um den Wert
(/)2/2m
Man kann das als eine Folge der Unschärferelation auffassen: Die Orts-Unschärfe ist nicht
größer als der halbe Durchmesser des Kastens . Daher gibt es eine Impuls-Unschärfe p > /
 und die kinetische Energie, p2/2m ist größer als (p)2/2m > (/)2/2m. Diese Überlegung
liefert auch fast die richtige Größenordnung. Den genauen Wert (der um den Faktor 2 größer
ist) findet man durch die genaue Berechnung.
61
Wirklichkeit
Dieses Beispiel eines Systems mit einer Menge von diskreten Energiewerten läßt sich mit
den modernen Techniken der Materialbearbeitung für Elektronen in Potentialtöpfen in
Halbleitern wirklich herstellen.
Und die Beschreibung dreidimensionaler Systeme kann manchmal mit der Methode der
„Trennung der Variablen“ auf Berechnung eindimensionaler Systeme zurückgeführt werden.
6.2. Allgemeine Schrödingergleichung
Die Herleitung der Eigenwertgleichung in 6.1.1. war im Prinzip des mathematischen
Verfahrens ganz unabhängig vom Modell. In jedem System kann man nach Wellenfunktionen
mit scharfer Energie suchen, indem man nach Lösungen der „zeitunabhängigen“
Schrödingergleichung sucht:
H = E
Damit findet man spezielle Lösungen der „zeitabhängigen“ Schrödingergleichung
  H ,
i
nämlich
(x,t) = (x)e–it
wobei E =  gilt. Die Energie ist hier scharf, sie zeigt keine Schwankungen.
Bindungen und Quantisierung
Wenn der klassisch erlaubte Bereich für ein Teilchen mit Energie E endliches Volumen
hat, wenn das Potential dort unterhalb beschränkt ist (oder zumindest nicht zu stark gegen
minus Unendlich strebt), dann gibt es quantenmechanisch für Energien kleiner als E nur eine
diskrete Menge von Wellenfunktionen mit scharfer Energie. Diese sind Eigenfunktionen n
des Hamilton-Operators. Sie sind lokalisiert, man muss sie also nicht erst zu Wellenpaketen
formen, um Zustände zu beschreiben. Die Zustände, die sie beschreiben, sind stationäre
gebundene Zustände. Die dazugehörigen Eigenwerte En des Hamilton-Operators sind die
scharfen, schwankungsfreien Energien der Zustände, charakterisiert durch Quantenzahlen n.
Die Eigenwertgleichung ist
H n = En n
Das ist also die Ursache der „Quantisierung“ der Energien gebundener Zustände.
Der ganze Hamiltonoperator, somit das ganze Potential V(x), bestimmt das physikalische
Verhalten des gebundenen Teilchens. Das Potential hat daher mehr Bedeutung als bloß die
Festlegung der potentiellen Energie des Teilchens. Zum Beispiel im Kastenpotential gibt es
nur einen einzigen möglichen Wert für die potentielle Energie. Aber die Ränder des
Kastenpotentials bestimmen mit ihrer Lage die möglichen scharfen Werte der Energie.
62
Die Wellenfunktionen für gebundene Zustände
 Solange keine Magnetfelder im Spiel sind, sind, können die Wellenfunktionen der
gebundenen Zustände als reellwertig gewählt werden.
 Der Zustand mit niedrigster Energie, der „Grundzustand“, ist nirgends Null (außer
vielleicht am Rand). Das Teilchen kann an jedem Punkt sein. Die Wellenfunktion kann,
wieder in Fällen ohne Magnetfeld, als positiv gewählt werden. Sie hat keine Nullstellen,
wechselt im Raum das Vorzeichen nicht.
 Die Zustände mit höheren Energien werden immer wellenähnlicher, sie oszillieren
immer mehr, je größer die Quantenzahlen werden, das heißt, je höher die Energie wird. Durch
Überlagerungen solcher wellenähnlicher Funktionen mit verschiedenen Energien, also durch
Bilden von Wellenpaketen mit unscharfer Energie, entsteht dann „Bewegung“ in der
Bindung. Übungsaufgabe: Bilden sie die Überlagerung zweier Wellenfunktionen mit
benachbarten Energien im Kastenpotential. Diskutieren sie die Bewegung. Vergleichen Sie
diese mit der klassischen Bewegung!
 Auch klassisch verbotene Bereiche werden erreicht (Tunneleffekt). Dort fallen die
Wellenfunktionen schnell ab.
Damit schließt sich der Kreis, vom Ursprung der Quantentheorie bei Planck, über
Einstein, Bohr, De Broglie und Schrödinger.
63
6.3. Der harmonische Oszillator
Ein oft verwendetes Modell zur Beschreibung von Teilchen, die nahe beim tiefsten Punkt,
bei Minimum, eines Potentials sind.
Das Modell
So wie oft in der klassischen Mechanik betrachten wir ein eindimensionales Modell
mit dem Potential
V(x) = x2/2
Es ist das eine Näherung für realistischere Modelle, wie zum Beispiel das Lennard-JonesPotential für die Wechselwirkungsenergie zweier Atome. Solche Näherungen sind dann
brauchbar, wenn die Teilchen nur wenig von ihrer (klassischen) Ruhelage abweichen.
Mehrdimensionale Systeme kann man, so wie beim Kastenpotential, wieder aus
eindimensionalen Systemen zusammensetzen. Das eindimensionale Modell ist im logischen
Sinne ein Teil des dreidimensionalen Modells.
Der Grundzustand
Wie in 6.2. bemerkt wurde, ist die Wellenfunktion des Grundzustandes (= Zustand mit
tiefster Energie) dadurch ausgezeichnet, dass sie nirgends Null ist.
Hier ist die Wellenfunktion des Grundzustands eine Gauß-Funktion:
0 (x)  ex
2
/ 2a 2
a = (2/m)1/4
mit Breite
Überprüfung dieses Ansatzes durch Berechnung:
2 2
 2    x  x 2 / 2a 2 
2



(
x
)
e
 2 m
2 m x 2 0
2 m  x  a 2
 2
 2 ma

4
x2 
x2
1   x 2 / 2a 2

 a 4  a 2 e


2 
 0 (x )
2 ma 2 
Um die Schrödingergleichung H = E zu lösen, muss  = 2/ma4 gelten  obige
Gleichung für a. Die Grundzustands-Energie ist
E0 
2
2
2 ma

1

2

m
Unschärfen
Die Gauß-Funktionen haben minimale Produkte von Unschärfen. Die Orts- und ImpulsUnschärfen sind:
x  a / 2
und
p   / a 2
64
Es gilt daher
xp = /2
Die Energie-Eigenwerte
Die Kreisfrequenz

m

charakterisiert die klassische Schwingungs-Bewegung im Oszillator.
In der Quantenmechanik charakterisiert sie das Energie-Spektrum:
En = (n + 1/2) 
mit
n = 0,1,2,...
Der Grundzustand hat die sogenannte „Nullpunktsenergie“ /2.
Jeder Abstand zwischen aufeinanderfolgenden Energieniveaus ist ein „Energiequant“ .
Solche Energiequanten gibt es auch für das elektromagnetische Feld (als Photonen), es gibt
sie aber in dieser einfachen Form ganz allgemein nur bei harmonischen Schwingungen!
Strahlungs-Übergänge
Wenn das Elektron, oder ein anderes elektrisch geladenes Teilchen, von einem Zustand
mit Energie En+1 zum anderen mit Energie En wechselt, dann gibt es die überschüssige
Energie meistens in Form von elektromagnetischer Strahlung ab, in Quanten mit Energie 
= En+1 - En . Das elektromagnetische Feld schwingt in so einer Welle mit Periode T = 2/.
Umgekehrt kann das Teilchen auch Photonen aufnehmen und in einen Zustand mit
höherer Energie übergehen.
Auch beim harmonischen Oszillator geschehen Strahlungsübergänge mit Abstrahlung
(oder Aufnahme) von Photonen mit Energie  = En+1 – En.
„Zufällig“ ist dabei Photon = Oszillator .
65
Anhang
6.A. Das Quantenpostulat von Niels Bohr
Der Atombau
1858 wurden die Kathodenstrahlen entdeckt. Bald stellte man fest, dass sie aus negativ
geladenen Teilchen bestehen. 1897 wurde durch Analyse der Bewegung im elektromagnetischen Feld das Verhältnis e/m (Ladung durch Masse) bestimmt. Man nahm an, ihre
Ladung wäre die Elementarladung, die aus Daten der Elektrolyse (Faradaysche Zahl) und mit
der Loschmidtschen Zahl (Avogadro-Konstante) berechnet werden konnte. Die Teilchen
wurden Elektronen genannt.
1911 schloss Rutherford aus einem Vergleich der von ihm experimentell bei Streuung (im
Durchschießen von dünnen Goldfolien) gefundenen Ablenkung von -Teilchen (HeliumKernen) mit Berechnungen der Streuung am Coulomb-Feld auf quasi Punktförmigkeit der
Atomkerne. Niels Bohr war damals in Rutherfords Labor in Manchester.
Das Quantenpostulat
Als die Bausteine des Atoms bekannt waren, stellte man die Fragen:
Warum fallen die Elektronen nicht in den Atomkern?
Warum die scharfen Spektral-Linien?
Nach der Quantisierung der Lichtwellen war ein „komplementärer“ Schritt eine
Quantisierung der Zustände der Atome. Niels Bohr setzte 1913 das Quantenpostulat:
Die Elektronen können im Atom nur Zustände mit Energien aus einer Menge bestimmter
diskreter Werte {En} einnehmen.
Beim Übergang von einem Zustand mit Energie Em zu einem Zustand mit Energie En wird ein
Lichtquant mit der Kreisfrequenz  = |Em -En|/ ausgestrahlt oder absorbiert.
So konnte die große Menge von Spektrallinien der Atome eines Elements mit der
Kombination einer kleineren Menge von Energiewerten erklärt werden. Die neue
Problemstellung der Theorie ist nun die Erklärung dieser quantisierten Energiewerte.
Die Regeln zur Berechnung der Energiewerte wurden aber von Niels Bohr in seinem
Modell der Atome noch auf die klassische Mechanik „aufgepfropft“ und waren bei
schwereren Atomen nicht so erfolgreich wie bei dem Wasserstoff-Atom.
66
7. Atome
Die Atome sind mit klassischer Mechanik nicht mehr zu erklären. Die Entwicklung
einer Theorie der Atome war geschichtlich der Anlass zur Entdeckung der
Quantenphysik. Hier braucht man alle in den letzten Kapiteln vorgestellten Konzepte
und erkennt damit die Ansatzpunkte für Grundlagen der Chemie sowie aller Kräfte
zwischen den Teilen der Materie.
Literatur:
P.Tipler ,
Ältere Auflagen: Kapitel 37,1 / 37,2 / 37,6
7.1. Atomistik
Atomistik als Denkmodell
Bei den Griechen gab es philosophische Überlegungen, ob die Materie unendlich teilbar
wäre, oder ob man beim Teilen auf unteilbare Teilchen stoßen würde. Das „Atom“, das
Unteilbare, wurde von den Vorsokratikern Leukipp und Demokrit als kleinster Baustein der
Materie gedacht. Aristoteles dagegen vertrat die Kontinuumstheorie.
Atomistik als Erklärungsmodell für physikalische Gesetze
Die geometrische Struktur von Kristallen ist schon von Johannes Kepler als regelmäßige
Anordnung von Atomen gedeutet worden. Auch die bei genauen Messungen beobachteten
geometrischen Gesetze der Kristallographie konnten dann von Haüy 1785 auf die „AtomHypothese“ zurückgeführt werden.
Die physikalischen Gesetze der Gase und Flüssigkeiten versuchte man seit dem 18.
Jahrhundert mit der Bewegung von Atomen bzw. Molekülen zu erklären. Erste konkrete
Berechnungen gab es von Daniel Bernoulli („Hydrodynamica“, 1738). Es folgten Amedeo
Avogadro (1811 Hypothese, dass alle Gase bei gleichem Volumen, Druck und Temperatur die
gleiche Anzahl von Atomen, bzw. Molekülen, enthält), Joseph Loschmidt (1865 Berechnung
der „Avogadro-Zahl“ aus Messdaten), James Clerk Maxwell (~1860 Kinetische Gastheorie)
und Ludwig Boltzmann (~1868 bis 1878 Statistische Mechanik).
Aber bis ~1900 gab es Skeptiker, wie Ernst Mach, die jeden Atomismus ablehnten.
Atomistik als Erklärungsmodell für Gesetze der Chemie
Die moderne Chemie gab seit Lavoisier (zuverlässige Messmethoden, 1789) und John
Dalton („Ein neues System der chemischen Wissenschaft“, 1809) noch weiter reichende
Grundlagen für den Atomismus: Unterscheidung zwischen Elementen und Verbindungen, das
Gesetz der konstanten Proportionen, der Begriff des Mols (Beispiel: H2O, CO2, CH4),
Elektrolyse (1832 Michael Faraday: elektrochemisches Äquivalentgesetz).
Spektroskopie und Struktur der Atome
1859 wurde von Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen die Spektroskopie als Methode der
chemischen Analyse erfunden. (Damit wurden auch die bis dahin unbekannten Elemente
Caesium und Rubidium entdeckt.) J.R. Rydberg und W. Ritz entdeckten Gesetzmäßigkeiten
im Spektrum des Wasserstoffatoms (Frequenzen sind m,n= Ry(1/m2 – 1/n2) , mit Ry... =
Rydbergkonstante), die dann 1913 von Bohr „erklärt“ wurden. (Siehe 6.2.1.)
Die Elektronen waren seit 1858 bzw. 1897 bekannt, die Existenz eines sehr kleinen
Atomkerns erst seit Rutherfords Experimenten 1911. (Siehe 6.2.1.)
67
Der Spin des Elektrons wurde in einer Hypothese zur Erklärung von Multipletts und
Aufspaltungen von Linien der Atomspektren 1925 von G.E. Uhlenbeck und S. Goudsmit in
die Theorie eingefügt. Wolfgang Pauli entwickelte 1927 die Theorie weiter. Vorher hatte er
schon das „Ausschließungsprinzip“, das „Pauli-Verbot“, entdeckt: Nicht mehr als ein
Elektron kann einen bestimmten Zustand einnehmen. (Siehe 7.4.4.)
Moderne Physik
Es waren verschiedenste erfolgreiche Experimente, die jeden Widerspruch gegen die
Atomistik verschwinden ließen:
1907/08 Sir Ernest Rutherford, unterstützt von Hans Geiger, zählt die Szintillationen
einzelner Alpha-Teilchen.
1908: Jean Perrin untersucht die Brownsche Bewegung, die thermische Bewegung
sehr kleiner Teilchen, die im Mikroskop gerade noch zu beobachten sind. Daraus lässt sich
die Boltzmannkonstante und die Avogadro-Zahl bestimmen. (Die Theorie dazu ist 1905 von
Albert Einstein geschaffen worden.)
1912 Max von Laue: Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen  Gitterstruktur der
Kristalle, Messung der Abstände von Atomen.
1913:Robert A. Millikan bestimmt durch Untersuchungen an im elektrischen Feld
fallenden geladenen Öltröpfchen die Einheit der elektrischen Ladung. Über Faradays elektrochemisches Äquivalent gibt das auch eine Bestimmung der Avogadro-Zahl.
Es folgt die Theorie. Zuerst Atom-Modelle von Rutherford und Niels Bohr. Dann
1926 Erwin Schrödinger: Berechnung der Energieeigenzustände des Wasserstoffatoms.
In kurzer Zeit folgen Berechnungen für andere Atome und für die chemische Bindung.
(Wo Bohrs alte halbklassische Theorie völlig versagt hat.)
1986: Nobelpreis für Binnig und Rohrer, für die Erfindung des Rastertunnelmikroskops; damit wird die atomare Struktur von Oberflächen sichtbar. Wir können nun die
einzelnen Atome sehen.
7.2. Modelle zur Berechnung
Wir betrachten die nicht-relativistische Theorie, mit Coulomb-Wechselwirkung zwischen
Atomkern und Elektron.
7.2.1. Das Wasserstoff-Atom
Die Theorie ist ein zwei-Teilchen-Problem. So wie in der klassischen Physik gibt es auch
in der Quantenmechanik die Trennung in die Systeme der Schwerpunkts- und der
Relativbewegung. Wegen des großen Unterschiedes der Kern- und der Elektronenmasse
muss man nur eine kleine Korrektur von der Elektronmasse zur effektiven Masse machen,
wenn man vom primitiveren Modell des beweglichen Elektrons im Feld des fixierten
Atomkerns zum realistischeren Modell der Relativbewegung übergeht.--- Alles wie in der
klassischen Physik.
7.2.2. Mehr-Elektron-Atome
Mehr-Teilchen-Probleme sind hier nicht mehr exakt lösbar. Man muss Näherungen
machen. Sehr nahe an der Wirklichkeit sind schon folgende Näherungen:
68
Fester Atomkern
Beim Wasserstoffatom kann man in den Berechnungen überprüfen, dass die Annahme
eines „unendlich schweren“, also unbeweglichen Atomkerns nur ein sehr kleiner Fehler ist.
Bei schwereren Atomkernen wird dieser Fehler noch unbedeutender. Die Situation ist ganz
analog zur Theorie des Sonnensystems in der klassischen Mechanik.
Effektives Feld
Jedes Elektron „bewegt“ sich unabhängig von den Details der Bewegungen der anderen
Elektronen in einem „effektiven Feld“, welches aus dem anziehenden Potential des
Atomkerns mit der Kernladungszahl Z und dem abstoßenden Potential der
„Elektronenwolke“ besteht.
e2

Veffektiv (x) 
40

 Z
(x) 3 
  | x |   | x  x  | d x


Die Dichte  der Elektronenwolke ist die Summe der Wahrscheinlichkeitsdichten:

( x ) 


|  j ( x ) |2
Elektronen , j
Hier erscheint wieder eine dieser ganz neuen Eigenheiten der Quantenphysik: Das
Elektron als Teilchen ist so gut wie punktförmig. Wenn es aber um seine Wechselwirkung
mit anderen elektrischen Ladungen geht, dann verhält es sich wirklich wie eine ausgedehnte
Ladungs-Wolke.
Diese Elektronenwolke ist im Atom drehsymmetrisch, daher ist das effektive Feld
drehsymmetrisch.
7.3. Drehimpuls eines Elektrons
7.3.1. Bahn-Drehimpuls
Die Theorie des Drehimpulses ist eigentlich aufwendig. Hier können nur einige Plausibilitätsargumente vorgestellt werden.
Analogien
Kraft
Kraft wirkt in
einer linearen Richtung
z.B. x1-Richtung
Impuls
Welle eikx
p = k

Drehmoment („Kraft mal Kraftarm“)
Drehmoment wirkt in
einem Dreh-Sinne um eine Achse;
z.B. um x3-Achse, Winkel  - Drehung
Drehimpuls
(Kreis-) Welle eim
L3 = m




Unterschied
Die Wellenzahl k ist irgendeine reelle Zahl, m dagegen ist eine ganze Zahl. Nur mit
solchen Werten ist die Welle, wenn man sie im Kreis herum, den Winkel  verändernd,
verfolgt, auch dort stetig, wo man mit  = 0 begonnen hat, und mit  = 2 wieder anlangt.
69
Nun ist der Drehimpuls eine gerichtete Größe, und hat drei Komponenten. Wegen der
Unschärfe-Relationen können aber im Allgemeinen nicht alle drei gleichzeitig scharfe Werte
annehmen, sondern nur einer. (Ausnahme: Alle drei sind gleich Null.) Aber, wenn die eine
Komponente scharf ist, können die unscharfen Verteilungen der anderen beiden
Komponenten so aufeinander abgestimmt sein, dass der Betrag des ganzen Drehimpulses
auch scharf ist.
Zusammenfassung
Die magnetische Quantenzahl m, eine ganze Zahl, gibt den Eigenwert m von L3 .
Der Betrag des ganzen Bahn-Drehimpulses eines Elektrons wird charakterisiert durch die
Bahn-Drehimpuls-Quantenzahl :

Die Eigenwerte von L 2 sind 2(+1)
mit
 = 0, 1, 2, 3,....

L 2 und L3 können gleichzeitig scharfe Werte einnehmen, mit
m  {,...}
Für gegebenes  gibt es daher 2+1 verschiedene Werte für m.
Das Coulomb-Feld des Atomkerns und auch das effektive Feld von der Ladundswolke
aller Elektronen sind drehsymmetrisch. Tiefere mathematische Untersuchungen ergeben:
Deshalb bleiben scharfe Werte für den Bahn-Drehimpuls in der Zeitentwicklung erhalten, und
deshalb können sie gleichzeitig mit scharfen Energie-Eigenwerten erscheinen.
Die zugehörigen Wellenfunktionen werden nun günstigerweise mit Polarkoordinaten
angegeben. Für eine „Eigenfunktion“ von L3 gilt:
( r , , )  ( r , )  e i m 
7.3.2. Zustände mit =0 und =1
=0
Es muss auch die magnetische Quantenzahl m Null sein. Das heißt, die Wellenfunktion
ändert sich gar nicht bei Drehungen um die x3-Achse, eim = e0 = 1. Wenn man überlegt, dass
man ja auch irgendeine andere Komponente des Drehimpuls-Vektors messen könnte, und
dass für alle anderen Komponenten dasselbe gilt, kommt man zu dem Schluss, dass sich die
Wellenfunktion bei gar keiner Drehung um den Atomkern ändert: Die Wellenfunktion ist
kugelsymmetrisch.
Von der klassischen Begriffswelt hat sich für die Zustände der Elektronen noch das Wort
„Orbital“ (=Bahn) erhalten. Von der Spektroskopie her werden Zustände mit Quantenzahl  =
0 mit dem Buchstaben s charakterisiert. Es sind „s-Orbitale“.
70
=1
Diese Zustände heißen nun „p-Orbitale“. Für die Quantenzahl m gibt es die möglichen
Werte 1, 0 und +1. Die zugehörigen Wellenfunktionen, als Funktionen der Polarkoordinaten
r,, geschrieben, sind von Produktform, mit durch m gegebenem Verlauf im Winkel :
(r,)eim
Hier ist eim gleich
e–i, 1 oder e+i.
Nun muss L3 nicht immer scharf sein, die Elektronen können auch Zustände besetzen, die
durch Überlagerung entstehen. Für die chemische Bindung sind dann folgende „p-Orbitale“
wichtig:
ei + e–i = 2cos
ei – e–i = 2isin
Die erste Wellenfunktion mit cos ist mehr bei der x-Achse (x = x1) lokalisiert,  px-Orbital;
die zweite Wellenfunktion mit sin ist mehr bei der y-Achse (y = x2) lokalisiert  py-Orbital.
Die Wellenfunktion, die in  konstant ist, hat als Funktion von  einen anderen Verlauf als
die px und py -Orbitale, und ist mehr bei der z-Achse (z = x3) lokalisiert (hantelförmig)
 pz-Orbital.
(Das Wort „Orbital“ ist ein Relikt aus dem Bohrschen Atom-Modell, wo man noch an
klassische Bahnen = Orbitale der Elektronen dachte. Für Erklärung von „p“ siehe 7.4.3.)
7.3.3. Spin
Es gibt noch den inneren Freiheitsgrad „Spin“ des Elektrons, mit zwei Zuständen, die

durch die Spin-Quantenzahl s = 1/2 charakterisiert sind. Der Spin S ist der EigenDrehimpuls (So etwas ähnliches wie bei der Erde die Drehung um die eigene Achse.) Der
Betrag des Spins ist für alle Elektronen gleich, „Spin ½“ ( quadriert gleich 2(½)(1 + ½) ).
Die Richtung kann variieren. Die Drei-Komponente kann also auch variieren. Sie ist es, die
durch die Spin-Quantenzahl s (auch ms geschrieben) angegeben wird, wenn sie scharf ist.
Dass der Spin halbzahlige Quantenzahlen hat, ist ein Hinweis darauf, dass man ihn nicht
wirklich als „Drehung“ von Bestandteilen des Elektrons verstehen kann.
71
7.4. Quantenzahlen und Energie-Spektrum
Das Wort „Spektrum“ ist von der Bedeutung „Strahlungsspektrum“ her zur Bezeichnung
von dessen Ursprung, also der Menge der Energie-Eigenwerte, übernommen worden.
7.4.1. Das Wasserstoff-Atom
Der quadrierte Drehimpuls ist klassisch
 
(p  x) 2  r 2 p 2tangential

und gibt, mit 1/2mr2 multipliziert, einen Beitrag zur kinetischen Energie Ekin = p 2/2m .
Analog gilt in der Quantenmechanik: Bei scharfem Drehimpuls gibt 2(+1), multipliziert
mit 1/2mr2 , einen Beitrag zur kinetischen Energie. Da der Anteil des Drehimpulses an der
kinetischen Energie für größere Werte von  auch größer wird, ist der tiefste EnergieEigenwert mit =0 zu erreichen.
Man kann das in der klassischen Mechanik so verstehen: Ein Punktteilchen in einem
anziehenden Potential in irgend einer Entfernung vom Zentrum kann noch verschiedene
Impulse, damit verschiedene Energien haben. Die kleinste kinetische Energie hat es natürlich
ganz ohne Impuls. Ohne einen solchen wird es dann in das Zentrum fallen, auf einer Bahn mit
Bahn-Drehimpuls Null.
In der Quantenmechanik gibt es zwar die Unschärfen von Ort und Impuls, und von
manchen Komponenten des Drehimpulses, aber der Betrag des Drehimpulses kann bei
Drehsymmetrie gleichzeitig mit der Energie scharfe Werte annehmen, und es bleibt dabei,
dass kleinere Drehimpulse, kleinere Quantenzahlen , auch kleinere Energien ermöglichen.
Die tiefste Energie des Wasseratoffatoms für ein gegebenes  ist
2
 e2  m
1


2
2
 40  2 (  1)
  h Ry
1
(  1) 2
(Die Energien sind negativ, weil man die Energie des System-Zustands, wo Atomkern und
Elektron ganz getrennt sind und beide ruhen, als Null definiert. Bei der Bindung fällt das
Elektron dann in einen Potentialtopf hinein und gibt Energie ab.)
Nun stellt sich bei Berechnung der angeregten Zustände heraus, dass der erste angeregte
Zustand mit  = 0 dieselbe Energie wie der tiefste Zustand mit  = 1 hat; dass der zweite
angeregte Zustand mit  = 0 dieselbe Energie hat, wie der erste angeregte Zustand mit  = 1
und dieselbe Energie wie der Grundzustand mit  = 2; und so weiter.
Die Energie-Eigenwerte werden durch eine einzige Quantenzahl, die Hauptquantenzahl n
charakterisiert:
En = – hRy / n2
Diese Energie kann zusammen mit einem Drehimpuls auftreten, bei dem die Quantenzahl
 durch +1 = n gegeben, oder auch kleiner ist. Die Energie-Eigenwerte sind entartet, das
heißt: Es gibt immer mehr als nur einen Zustand mit dieser Energie.
72
Die Energie-Eigenzustände werden weiter noch durch die Quantenzahlen ,m,s
charakterisiert, die keinen weiteren Einfluss auf die Energie haben (solange keine
Magnetfelder wirken und solange relativistische Effekte vernachlässigt werden.).
n = 1,2,3,...
Hauptquantenzahl
 = 0,1,2,...
m = ...–2,–1,0,1,2,...
  n–1
Drehimpuls-Quantenzahl
|m|  
magnetische Quantenzahl
s = 1/2, +1/2
Spin-Quantenzahl
7.4.2. Grundzustand des H-Atoms
Die tiefste Energie ist mit  = 0 zu erreichen, das heißt, die Wellenfunktion ist völlig
drehinvariant, sie ändert sich nur mit r, nicht mit den Winkeln der Polarkoordinaten. Für die
kinetische Energie im Hamilton-Operator verwendet man daher am besten den LaplaceOperator in Polarkoordinaten (siehe Formelsammlung):

2
r 2

2 
   ,
r r
Auf die Wellenfunktion (r) wirkt nur der Teil mit Ableitungen nach r, der andere gibt
Null und kann weggelassen werden.
Für eine solche Wellenfunktion ist die Schrödingersche Eigenwertgleichung:
 2  2 2  
e2 






 r 2 r r  4 r    E
2
m

0 



Wir machen den Lösungs-Ansatz
(r) = e–r/a
und setzen ihn in die Gleichung ein.
Wir berechnen die Ableitungen:
´(r) = (–1/a)e–r/a
´´(r) = (1/a2)e–r/a
'' + 2'/r = [ 1/a2 – 2/(ra) ]  e–r/a
Also können wir in der Folge die ganze Svhrödinger-Gleichung durch e–r/a kürzen:
73
 2  1 2 
e2 
 2  

E
ar  4  0 r 
 2m  a
Die Koeffizienten von 1/r müssen einander annullieren. Damit ergibt sich für a
a  rB 
 2 4 0
me 2

 0,5... A
Das ist der Bohrsche Radius rB. Die Wellenfunktion (r) ist dort, wo der Abstand vom
Kern r gleich rB ist, auf (0)/e abgefallen.
Zuletzt erhält man damit die Energie des Grundzustands
E1 = –h Ry = –(m/22)(e2/40)2  –13 eV
Die früher empirisch gefundene Rydbergkonstante Ry ergibt sich daher als Größe, die aus
der Elektronen-Masse mEl und den fundamentalen Naturkonstanten , e, 0 gebildet wird.
7.4.3. Das Schalenmodell für Mehr-Elektron-Atome
Die „zufällige“ Entartung, die beim Wasserstoffatom auftritt, gibt es bei anderen Atomen
nicht mehr. Die Energie-Eigenwerte sind für verschiedene Drehimpulse nicht mehr gleich. Es
gibt nur noch die 2 (2 + 1) fache Entartung (durch Spin- und magnetische Quantenzahl).
Trotzdem verwendet man weiterhin die Hauptquantenzahl n, um die Zustände zu
charakterisieren. Der tiefste Zustand mit Drehimpuls  hat die Hauptquantenzahl n =  + 1 .
Dieselbe Hauptquantenzahl gibt es auch in Verbindung mit kleineren Drehimpulsen.
Nun macht man folgende Beobachtungen: Die Zustände mit gleicher Hauptquantenzahl
haben bei kleineren Drehimpulsen immer tiefer liegende Energien. In einem halbklassischen
Bild kann man diese Ordnung so verstehen: Kreisbahnen haben großen Drehimpuls; im
Keplerproblem haben Ellipsenbahnen mit gleicher Energie bei kleinerem Drehimpuls eine
größere Exzentrizität, sie kommen näher zum Kraftzentrum. Nun haben wir hier nicht nur ein
anziehendes Kraftzentrum, sondern auch eine für jedes einzelne Elektron abstoßende
Elektronenwolke. Nach dem Prinzip des Faradayschen Käfigs wirkt an jedem Punkt nur der
Teil der Ladungswolke, der näher dem Zentrum mit der Kernladung Ze ist, und nach dem
Newtonschen Prinzip wirkt sie mit derselben Kraft, als wäre sie im Zentrum konzentriert. An
jedem Punkt wirkt eine Kraft proportional zu Zeffektiv(r)/r2 , mit einer effektiven Kernladung,
die mit größerem Abstand r vom Zentrum abnimmt, weil immer mehr durch die
Elektronenwolke abgeschirmt wird. Die „Tauchbahnen“ mit größerer Exzentrizität kommen
näher zum Zentrum und daher wirken auf sie größere Anziehungskräfte, als sie ein CoulombPotential mit einem Zeffektiv(rKreisbahn) erzeugen würde, das effektive Potential ist dort tiefer.
(Umgekehrt reicht die exzentrischere Bahn auch weiter hinaus. Dabei nehmen die wirkenden
Kräfte dort rascher ab und das Potential steigt nicht so stark an wie ein Coulomb-Potential mit
Zeffektiv(rKreisbahn).) Im Vergleich mit dem Keplerproblem sind also hier die exzentrischeren
Bahnen im Mittel in Bereichen mit tieferen potentiellen Energien.
In der Quantenmechanik bleiben die Überlegungen über den Verlauf der Kräfte und
Potentiale genauso gültig. Nur muss man statt der Bahn die radiale Ortsunschärfe der Wellenfunktion betrachten: Auch sie ist für kleinere Drehimpulse weiter ausgedehnt.
74
Der Effekt der Elektronenwolke ist der, dass bei gleicher Hauptquantenzahl die Zustände mit
kleinerem Drehimpuls die tiefere Energie haben.
Man nennt nun die Menge der Zustände mit einer fixierten Hauptquantenzahl n und einer
fixierten Drehimpulsquantenzahl  eine „Schale“. Im Modell mit dem effektiven Feld haben
sie alle die gleiche Energie. Erst bei detaillierteren Berechnungen findet man kleine
Energieunterschiede innerhalb einer Schale.
Von den Strahlungsspektren her hat sich eine Nomenklatur mit speziellen Buchstaben für
die Drehimpulseigenzustände ergeben:
=0
s
„scharf“
=2
d
„diffus“
=1
p
„prinzipal“
=3
f
„fundamental“
Eine „Schale“ des Atoms wird also durch eine Hauptquantenzahl und den Buchstaben für
den Drehimpuls bezeichnet. Die höchstmögliche Anzahl von Elektronen in so einer Schale ist
2 (2 + 1) .
7.4.4. Das Pauli-Prinzip für Fermionen
Elektronen haben Spin ½. (Der Spin ist so etwas ähnliches wie ein innerer Drehimpuls,
wie eine Rotation um die eigene Achse.). Ein sehr tief in den theoretischen Fundamenten (der
relativistischen Quantenfeldtheorie) verwurzelter Satz besagt, dass sie deshalb Fermionen
sind, (nach Enrico Fermi benannt, der als erster ihre thermodynamischen Eigenschaften
berechnet hat,) und dem Pauli-Prinzip, das auch Pauli-Verbot genannt wird, genügen:
Zwei Fermionen können nicht gleichzeitig einen Zustand
mit den selben Quantenzahlen einnehmen.
Wolfgang Pauli hat damit den Aufbau von Atomen mit mehreren Elektronen erklärt.
Gemeinsam mit Arnold Sommerfeld hat er damit auch eine Theorie zur Beschreibung der
Elektronen in Metallen entwickelt.
In dieser Vorlesung wurde dieses Prinzip schon im Zusammenhang mit dem ComptonEffekt erwähnt. (Siehe 4.1.4.) Die Zustände für die Elektronen in einem Stück Metall sind bis
zu einer Grenze, der „Fermi-Energie“, besetzt. Beim Auftreffen eines Photons kann ein
einzelnes Elektron nur in einen freien Zustand über dieser Fermi-Energie übergehen. Die
Zustände mit tieferer Energie sind schon besetzt und für jedes weitere Elektron „verboten“.
75
7.4.5. Strahlungsspektren
Beim Übergang von einem Energieniveau zu einem anderen sendet ein Elektron ein
Photon mit  = (Ezuvor – Edanach )/ aus (manchmal auch zwei), oder absorbiert es. So
entstehen die Spektrallinien
Bei den äußeren, den „Valenz - Elektronen“ (sie sind auch für die chemischen Bindungen
zuständig) sind die Energien im selben Bereich wie beim H-Atom. Die Spektrallinien sind im
sichtbaren und im UV-Bereich.
Die innersten Elektronen können nur durch harte Röntgenstrahlen hinausgeschleudert
werden, oder sie strahlen umgekehrt solche ab, wenn sie „eingefangen“ werden.
(Aufgabe: Ein inneres Elektron hat ungefähr solche Energien, wie man sie erhält, wenn
man in der Formel für das H-Atom den Term (e2/4)2 durch (Ze2/4)2 ersetzt. Wenn nun
Z = 50 ist, in welchem Bereich sind die Wellenlängen?)
7.5. Periodensystem der Elemente
7.5.1. Geschichte
Phänomenologie
~1830 Erkenntnis der Existenz von „Reihen“ chemisch analoger Elemente.
(z.B. Li, Na, K)
~1870 Lothar Meyer und Dimitri Mendelejew ordnen alle bekannten Elemente in ein
Periodensystem ein, geordnet nach Molgewicht (entspricht dem Atomgewicht).
Dabei erscheinen Lücken. Für diese Stellen wird die Existenz bis dahin
unbekannter Elemente vorausgesagt.
1875 – 1885 Entdeckung der „Lückenfüller“, Elemente Ga, Ge, Sc
Neunziger Jahre: Entdeckung der Edelgase.
Theorie
1922 Halbklassische Theorie von Niels Bohr, mit Ein-Elektron-Näherung für die
Quantisierung und mit dem „Abschlussprinzip“ dass die Schalen mit 2, bzw. 6,
bzw. 10 Elektronen abgeschlossen sind. (Spätere Erklärung mit Quantenzahlen
und dem Pauli-Prinzip.)
1926 Schrödingergleichung
1927 Heitler und London begründen die Quantenchemie.
1927, -29 Pauli, Sommerfeld: Theorie der Elektronen in Atomen.
76
7.5.2. Theorie
Beim Aufbau des Atoms werden zuerst die tieferen Schalen angefüllt; und in jedem Atom,
bei jeder Kernladungszahl Z, ist die Reihenfolge die gleiche: Zuerst kommen die kleineren
Hauptquantenzahlen. Bei jeder Hauptquantenzahl kommen zuerst die „Tauchbahnen“ mit den
kleineren Drehimpulsquantenzahlen. Dieser Bruch der „zufälligen“ Coulomb-Entartung, das
Absinken der Energien von Zuständen mit kleinem , ist so groß, dass diese Zustände mit
kleinen  sogar tiefer liegen als Zustände mit kleinerem n und um 2 Einheiten größerem :
4s kommt vor 3d,
5s kommt vor 4d,
6s vor 4f und 5d,
7s vor 5f und 6d.
Damit hat man fast alle Details des periodischen Systems der Elemente erklärt.
Periodisches System mit einigen ausgewählten Elementen:
H
Li Be
Na
K
Sc
B
Ti
V
Cr
Mn Fe
Co Ni
La
Ac
Lanthanide
Actinide
Cu Zn
Ag
Au Hg
C
N
O
S
F
Cl
He
Ne
Pb
Ce
U
Pu
Der Typus der Elektronen mit höchster Energie:
1s
2s
3s
4s
5s
6s
7s
2s
3s
4s
5s
6s
7s
3d
4d
5d
6d
Lanthanide
Actinide
3d
4d
5d
5d
4f
5f
( oder 5d )
( oder 6d )
77
2p
3p
4p
5p
6p
1s
2p
3p
4p
5p
6p
7.A. Stabile und stationäre Zustände
Nun bringt das neue Weltbild nicht nur eine Unsicherheit in manchen Voraussagen,
sondern andererseits einen Gewinn an Sicherheit bezüglich der Zustände eines Systems und
Stabilität der Materie. Vergleichen wir die klassische Mechanik des Planetensystems mit der
Quantentheorie der Atome:
Wir können zwar die Bewegungen der Planeten mit „astronomischer Genauigkeit“
vorausberechnen, aber von anderen Sonnen wissen wir nicht, welche Planetenbahnen sie mit
sich führen. Abgesehen davon, dass wir nicht wissen, ob sie überhaupt Planeten haben, und
wenn ja, wie viele und von welcher Masse, so ist in einem weiten Bereich ein riesiges
Kontinuum von großen und kleinen Halbachsen der Bahnen möglich, bis zum Sturz des
Planeten in die Sonne.
Auch bei unserem eigenen Planetensystem sind wir, trotz aller Rechentechnik, noch
nicht imstande, die Stabilität für mehr als wenige Millionen Jahre zu garantieren. Wir können
nicht ausschließen, dass nach so vielen Jahren ein Planet in die interstellaren Räume
entweicht, oder einer in die Sonne fällt, oder dass zwei zusammenstoßen.
Dem ganz entgegengesetzt ist die Physik der Atome. Da gibt es für jedes Atom
einen stabilen Zustand,
den „Grundzustand“, mit einem für jedes Element charakteristischen bestimmten
Durchmesser (~10-10 m = 1 Å ).
Somit werden die Atome eines Isotops ununterscheidbar nachdem ja schon dessen
Bausteine ununterscheidbare Elementarteilchen sind.
Über diesem Grundzustand, bei höheren Energien, gibt es zunächst kein Kontinuum,
sondern eine diskrete Menge von stationären Zuständen. Durch die Abgabe von
elektromagnetischer Strahlung gehen sie in tiefer liegende Zustände über, das Strahlungsspektrum des Atoms entsteht. Einerseits können wir über die Zeit dieser Übergänge nur
Wahrscheinlichkeitsvoraussagen machen. Andererseits wissen wir aber über die Energien
dieser Zustände mit solcher Genauigkeit Bescheid, somit auch über die Energien,
Wellenlängen und Frequenzen der ausgesandten Strahlungsquanten, dass so ein Übergang zur
Definition der S I - Einheit der Zeit verwendet wird.
Und wir sind sicher über die Stabilität der Materie.
78
8. Elementarteilchen
Literatur:
P.Tipler,
ältere Auflage: Kapitel 40.1 / 40.6 / 41.1 - 5
8.0. Eine Erzählung
Der Traum
Kürzlich hatte ich einen Traum: Galileo Galilei erschien mit teils durch den Prozeß
verbittertem, teils verschmitztem Gesichtsausdruck. Er sagte, er habe unbedingt noch einen
Dialog verfassen wollen, und er überreichte mir einige beschriebene Blätter.
Ich wachte auf; noch im Halbschlaf sah ich, im Geiste, das Manuskript vor meinen
Augen, und ich übertrug, soviel ich vor deren Verschwinden noch konnte, den Inhalt, der nun
folgt, auf wirkliches echtes Papier.
Die Fragestellung
Simplicio: Mein lieber, verehrter Sagredo; ich bin in letzter Zeit etwas mitgenommen
von all den überraschenden Wandlungen um uns herum. Nun ist es mein brennender Wunsch,
Bescheid zu wissen, was denn bestehen bleibt. Was ist die Substanz unserer Welt, die in aller
Ewigkeit war und sein wird?
Sagredo: Ich möchte Sie, lieber Simplicio, über Schicksalsschläge trösten und möchte
Ihnen vorab versichern: All die guten Erlebnisse, die wir hatten und wohl noch haben werden,
sind unverrückbar, jenseits aller fließenden Zeit, in der Ewigkeit aufbewahrt. Sonst kann ich
über die Ewigkeit wenig aussagen. Unser Universum ist in einem Urknall entstanden, der
keine Ewigkeit, sondern einige Milliarden Jahre zurückliegt.
Simplicio: Ja, davon habe ich gehört (war wohl recht laut, der Urknall), und ich sehe
ein, ich muß meinen Wissensdurst einschränken. Ich erinnere mich, man soll den Weg zur
großen Weisheit bei den kleinen Wahrheiten beginnen. Also sagen Sie mir: Was von unserer
Welt bleibt von heute bis morgen bestehen, von diesem Jahr zum nächsten?
Sagredo: Auf diese Frage gibt es viele Antworten.
Bausteine der Chemie: Atome, Reaktionsenergie, Wärme
Sagredo: Um etwas sagen zu können, muß ich Sie um weitere Einschränkung bitten,
eine Festlegung der Richtung unserer Überlegungen. Am besten ist es, an eine ganz konkrete
Situation zu denken.
Simplicio: Sie zwingen mich zur Bescheidenheit. Aber dabei fällt mir ja doch ein, daß
ich schon ein klein wenig über die Substanz der Welt weiß. Wenn ich an eine konkrete
Situation des Wandels denken soll, dann drängt sich meinen Vorstellungen gleich das Feuer
auf. Es kann ja viel in der Struktur zerstören, aber die Materie bleibt. Wenn ich mir vorstelle,
ich habe einen völlig abgedichteten Ofen, eine Brennkammer mit ein wenig Holz und sehr
viel Luft, dann verwandelt das Feuer diese Ausgangsstoffe in Rauch, Asche und Gase: CO2,
Stickoxide. Also scheint mir, die Masse der Materie besteht, bis ins allerkleinste Teilchen;
und dabei kann ich mich sogar noch wärmen.
Sagredo: Mit den Aussagen über allerkleinste Teilchen und über Massenbilanz
müssen wir vorsichtiger sein. Wer sich mit der Wärmestrahlung des Ofens die Wintertage
79
verschönt, der nimmt ja viele, viele Photonen in sich auf, die die Energie des Feuers hinaus
tragen. Und, Sie wissen ja: E = mc2 .
Simplicio: Nun bin ich verunsichert. Feuer ist doch ein chemischer Prozeß, und man
hat mich gelehrt, in der Chemie gelte die Erhaltung der Masse, die um 1800 entdeckt wurde.
Sie sagen nun, dieses Gesetz gilt nicht.
Sagredo: Gemach, gemach, und nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Gerade in
der genauesten aller Wissenschaften, der Physik, haben wir gelernt, bescheiden zu sein. Viele
der bekannten Gesetze gelten nur mit Einschränkungen; nur unter speziellen
Rahmenbedingungen und nur mit gewissen Fehlern. Der Fehler im Gesetz von der Erhaltung
der Masse bei chemischen Prozessen besteht darin, nicht die Umwandlungsenergien
einzubeziehen. Diese sind allerdings nicht mehr als wenige eV pro Atom. Das wäre selbst
beim leichtesten Atom, dem Wasserstoffatom, mit einer Masse von etwa 1000 Mev/c2 erst bei
einer Meßgenauigkeit von 1/1000 p.p.m. feststellbar
Simplicio: Nun ist zwar auch ein Tausendstel part per million nicht Null, und tausend
Mega-Elektronvolt, was ja wohl dasselbe wie ein GeV ist, sind nicht unendlich viel mehr als
ein eV; aber ich sehe ein, daß bescheidenere Meßkünste solche Anteile nicht bemerken
können. Ich schließe daraus, ich muß die Annahme der Unwandelbarkeit auf die Masse der
nackten Atome einschränken, ohne die Bindungsenergien mitzurechnen. Und dann bleiben
wohl noch die Atome selber, mit ihren rund neunzig verschiedenen Arten, als unwandelbare
Bausteine der Materie?
Bausteine der Atome: Elektronen und Kerne
Sagredo: Die Atome ändern sich bei der Zusammensetzung, in der Bindung zu
Molekülen und Festkörpern.
Simplicio: Wie sind sie dann in der chemischen Analyse noch immer als Atome
bestimmter Elemente zu erkennen?
Sagredo: Was sich in der chemischen Bindung nicht ändert, sind die Atomkerne. Sie
sind es, die das Element bestimmen. Auch die Masse ist in der Hauptsache von ihnen, denn
jedes der Elektronen wiegt nur 10-30 kg, etwa ein halbes MeV/c2. Also spielt es für die
Massenverteilung eine geringe Rolle, wenn sie in der Bindung unter den veschiedenen
Atomen anders als zuerst aufgeteilt werden.
Simplicio: Und wenn die Bindung wieder aufgelöst wird, ändern sich dann die Atome,
wenn sie mit fremden Elektronen sich entfernen?
Sagredo: Die Elektronen sind ununterscheidbar, sogar identisch, wie übrigens alle
Elementarteilchen in ihrer Art.
Atomkerne
Simplicio: Dann gibt es also auch bei den Atomkernen nur neunzig verschiedene?
Sagredo: Nein, zu fast allen Elementen gibt es verschiedene stabile Atomkerne. Sie
werden "Isotope" genannt, da sie im Periodensystem der Elemente an den selben Platz
gehören.
Simplicio: Was ist an ihnen gleich, was ist verschieden?
Sagredo: Die Isotope eines Elements haben die gleiche Kernladungszahl Z, aber
verschiedene Massen, deren jede etwa ein ganzzahliges Vielfaches der atomaren
Masseneinheit u ist
Kernmasse = Au mit
u ~ 1,6610-27 kg ~ 930 MeV/c2
A heißt Massenzahl.
80
z.B. für Helium, welches Z = 2 hat, gibt es zwei Isotope. Das häufigere hat Massenzahl 4,
das andere A = 3. Man schreibt sie
4He
und 3He
Bausteine der Atomkerne: Protonen und Neutronen
Simplicio: Ich bewundere immer die Vielfalt der Natur. Nicht nur neunzig
verschiedene Atomkerne, nein, noch viel mehr gibt es. So viele verschiedene Substanzen der
Welt!
Sagredo: Die Vielfalt der Natur beruht in der Komplexität ihrer Strukturen, wie einige
wenige Bausteine auf verschiedene Arten zusammengesetzt werden. Tatsächlich kann man
jeden Atomkern dadurch charakterisieren, wie viele Protonen und wie viele Neutronen er
enthält: Die Anzahl der Protonen ist gleich der Kernladungszahl Z, die Anzahl der Neutronen
ist A - Z.
Simplicio: Mir scheint, jetzt sind wir tatsächlich beim Kern angelangt, bei der Antwort
auf meinen Frage:
Die Substanz der Welt ist die Menge der drei verschiedenen Elementarteilchen:
Elektronen, Protonen, Neutronen. Sie sind unzerstörbar, ihre Anzahl ist unveränderlich, die
Summe ihrer Massen ist das Gewicht der Welt.
Sagredo: Leider muß ich diese Ihre voreilige Schlußfolgerung fast vollständig für
ungültig erklären.
Bindungsenergie der Nukleonen
Sagredo: Ich beginne mit der Widerlegung der letzten Ihrer Aussagen. In der Materie,
die täglich in und um uns ist, ist die Massenbilanz nicht einfach die Summe der Nukleonen
(so nennt man Protonen und Neutronen zusammen.) Die Masse eines Protons ist ~938
MeV/c2, die Masse eines Neutrons mehr als 939 MeV/c2.
Simplicio: Das sind ja acht bis neun MeV/c2 mehr als die atomare Masseneinheit.
Wohin verschwindet denn der Rest?
Sagredo: Der Rest ist die Bindungsenergie, im Mittel circa 8 MeV pro Nukleon. Sie
wird abgegeben, wenn sich die Nukleonen zu Kernen vereinigen, in Wasserstoffbomben und
im Sonneninneren.
Exkurs über dunkle Materie
Sagredo: Nun folgt mehr Widerspruch zum "Gewicht der Welt": Aus astronomischen
Beobachtungen der Rotationen von Galaxien und aus Überlegungen über die Ausdehnung des
Universums wissen wir, daß alle sichtbare Materie nur wenige Prozent zu der gesamten
schweren Masse beiträgt. Über den Rest, die "dunkle Materie" werden zur Zeit verschiedene
Vermutungen angestellt. Vielleicht besteht sie aus Teilchen, von denen wir in den Labors bis
jetzt noch keines beobachtet haben.
Antimaterie
Sagredo: Es folgt noch ein Widerspruch zu dem mittleren Teil Ihrer obigen Meinung.
Keines der Elementarteilchen ist unzerstörbar. Zu jedem Teilchen gibt es ein Antiteilchen. Bei
den von uns bis jetzt genannten sind das: Zum Proton das Antiproton, zum Neutron das
81
Antineutron, zum Elektron das Positron. Wenn die beiden Teile eines solchen
Gegensatzpaares aufeinander treffen, vernichten sie einander; die Energie bleibt bestehen.
Aus ihr entstehen andere Teilchen.
Simplicio: Ich bin tief erschüttert. Wenn morgen ein Komet aus Antiteilchen die Erde
trifft, dann ist das wohl der Weltuntergang.
Sagredo: Zu ihrer Beruhigung kann ich versichern, daß das Universum, soweit wir es
kennen, nicht aus Antimaterie besteht, sondern aus Materie, wie unser Sonnensystem. Nur in
der Nähe von schwarzen Löchern können größere Mengen Antimaterie entstehen. Die sind
aber wohl alle weit entfernt.
Zerfall des Neutrons, Beta-Zerfall
Simplicio: Dann sind die genannten Substanzen also solange stabil, als die Antimaterie
fern ist!
Sagredo: Nicht ganz. Die Neutronen, wenn sie allein sind, nicht in stabilen Kernen
gebunden, die zerfallen ganz von selber. Dabei entstehen: Ein Proton, ein Elektron und ein
Antineutrino. Letzteres hat keine elektrische Ladung und keine Ruhemasse, es entweicht,
und macht sich nur mit ganz geringer Wahrscheinlichkeit noch weiter bemerkbar.
Simplicio: Die Neutronen vertragen die Einsamkeit nicht. Ein direkt menschlicher
Charakterzug! In der Gemeinschaft mit anderen Nukleonen sind sie also stabil.
Sagredo: Nicht in wahlloser Gesellschaft. Es dürfen nicht zu viele sein (der schwerste
fast stabile Atomkern ist 238U ), und rund die Hälfte davon sollen Protonen sein. Bevor Sie
wieder Vergleiche mit menschlichen Eigenschaften anstellen, möchte ich Ihnen auch die
Ursachen mitteilen: Der Massenunterschied zwischen Neutron und Proton reicht ganz knapp,
um ein Elektron und ein masseloses Antineutrino mit ein bißchen Energie zu erzeugen. In
einem leichten stabilen Atomkern teilt sich das Neutron seinen Zustand mit einem Proton.
Nach Paulis Prinzip darf dort kein anderes Proton mehr sein. Das beim Neutronenzerfall
entstehende Proton müßte also mit zusätzlicher Energie ausgestattet werden, um in einen
höher liegenden Zustand zu klettern. Aber dafür reicht die zur Verfügung stehende
Massendifferenz nicht aus, und das Neutron bleibt stabil in seinem Zustand im Kern. In einem
schweren Atomkern gibt es dann zwar weniger Protonen als Neutronen, aber das zusätzliche
Proton müßte gegen die elektrische Abstoßung der schon vorhandenen ankämpfen, und
wieder reicht die Massendifferenz nicht aus.
Simplicio: Mir erscheint nun wirklich das Licht einer bisher unbekannten
Weltordnung. Bisher hielt ich die Masse-Energie-Äquivalenz für ein gedankliches
Kunststück, aber hier sehe ich erstmals ein wunderbares Wechselspiel zwischen Massen und
Bindungsenergien.
Sagredo: Ja, in der Chemie sind diese beiden Größen noch in ganz verschiedenen
Bereichen der Skala, um neun Größenordnungen getrennt. Im Aufbau der Atomkerne sind sie
schon recht nahe beisammen. Und wenn wir tiefer in die Struktur der Materie eindringen,
dann werden sie überhaupt nicht mehr zu trennen sein.
Grenzen des Teilens?
Simplicio: Noch tiefer in die Struktur der Materie! Aristoteles hat also recht. Jedes
Teilchen hat seine Größe, und wir können, wenn wir es anschauen, den linken Teil vom
rechten unterscheiden, und diese Teile dann wieder unterteilen, ohne Ende.
Sagredo: Nein, die Quantenphysik mit ihren Unschärfen verändert diese einfache
Vorstellung des Teilens. Um genauer hinzuschauen, brauchen wir engere Einschränkungen
der Längen in unseren Beobachtungsstrahlen, kürzere Wellenlängen, größere Impulse und
größere Energien. Diese hohen Energien, die zum Messen der Struktur von Elektronen und
82
Nukleonen benötigt werden, die genügen, um viele neue Paare von Teilchen und Antiteilchen
zu erzeugen. Somit ist die Größe eines Teilchens nicht scharf begrenzt. Es ist mit einer Wolke
von solchen virtuellen Teilchen und Antiteilchen umgeben. Dennoch können wir, indirekt,
aus unseren Beobachtungen manche Schlüsse ziehen: In seiner Wolke virtueller Teilchen
sitzt ein "nacktes" Elektron, das, nach unserer Kenntnis, punktförmig ist. Jedenfalls hat es
keinen größeren Durchmesser als 10-18 Meter.
Bausteine der Nukleonen: Up-Quarks und Down-Quarks
Sagredo: Ein jedes Nukleon hingegen hat einen Durchmesser von einem fm - das ist
ein Femtometer, oder "Fermi" - und wird von drei Quarks gebildet. Das Proton aus zwei upund einem down-Quark, Das Neutron aus einem u- und zwei d-Quarks. Das u hat eine
positive elektrische Ladung von 2/3 e und eine Masse von etwa 4 MeV/c2, das d eine negative
Ladung von -1/3 e und eine Masse von etwa 7 MeV/c2.
Simplicio: Jetzt bin ich wieder äußerst überrascht, und viele Fragen drängen sich auf:
Wie kommt es, daß man so lange geglaubt hat, nur ganzzahlige Vielfache der
Elementarladung e wären in der Natur zu beobachten? Kann denn Ihre Angabe der Massen
stimmen, die doch in der Summe jeweils nur einen kleinen Teil der Masse des Nukleons
ausmachen? Wo sind die Teilchen, die aus nur zwei Quarks bestehen? Was macht ein
einzelnes Quark, wenn man es herauszieht?
Sagredo: Für jede dieser Fragen gibt es eine Antwort und es gibt eine einheitliche
Begründung. So wie die Coulomb-Kraft immer positive und negative Ladungen aneinander
zieht und bindet, so daß das zusammengesetzte System elektrisch neutral ist, so bindet die
starke Wechselwirkung der Quarks immer drei "Farbladungen" aneinander - man hat sie "rot",
"grün" und "blau" genannt, wegen der Analogie zu unserem Farbensehen, obwohl sie damit
weiter nichts zu tun haben - sodaß das zusammengesetzte System farbneutral - quasi "weiß"
- ist. Jedes Quark, ob u oder d, kann jeweils eine dieser drei Farben annehmen.
Nun werden diese Bindungskräfte mit größerem Abstand nicht schwächer.
Versucht man, ein Quark herauszuziehen, zum Beispiel ein rotes, muß man daher andauernd
Arbeit leisten, soviel Energie hineinstecken, bis daraus neue Teilchen entstehen, zum Beispiel
ein Quark-Antiquark-Paar mit den Farben rot und antirot. Es sitzt dann wieder ein rotes Quark
bei den zurückgebliebenen mit grün und blau. Und ein neues "Elementarteilchen" - eine
Bindung von Quark und Antiquark - hat sich geformt. Die Antiquarks haben die Farben
antirot, antigrün und antiblau zur Auswahl. Farbneutral können nur folgende Kombinationen
sein: "Baryonen" aus drei Quarks, "Antibaryonen" aus drei Antiquarks, "Mesonen" aus
einem Quark und einem Antiquark. Wie immer beim Vergleich von Teilchen mit Antiteilchen
sind die Massen der Antiquarks gleich den Massen der Quarks und die elektrischen Ladungen
sind umgekehrt: u hat -2/3 e, d hat +1/3 e. Nun ist es eine Denksportaufgabe,
herauszufinden, daß man mit farb-neutralen Kombinationen immer nur ganzzahlige Vielfache
der Ladung e bilden kann.
Das Kraftfeld, welches die farbigen Quarks "verleimt", das "Gluon-Feld",
enthält soviel Energie, daß es den Hauptbeitrag zu den Massen der Mesonen und Baryonen,
zu denen auch die Nukleonen gehören, liefert.
Simplicio: Und woraus bestehen nun die Quarks?
Sagredo: Die sind wohl so punktförmig wie die Elektronen.
Die erste Generation von Quarks und Leptonen
Simplicio: Jetzt sind wir also am unteren Ende der Teilbarkeit angelangt.
Sagredo: Zumindest soweit, wie es die Technik des zweiten Jahrtausends nach Christi
Geburt ermöglicht hat.
83
Simplicio: Und wir kennen alle Bausteine der Materie.
Sagredo: Nicht alle, aber die, mit denen wir die Welt unseres Alltags beschreiben
können. Das ist die erste Generation: Zwei Quarks und zwei Leptonen - man hat sie so
genannt, weil sie viel leichter als die Baryonen und Mesonen sind - Elektron und ElektronNeutrino. Dann gibt es noch die vier entsprechenden Antiteilchen, aber die sind nicht
Bausteine unserer Welt.
Die Wechselwirkungen
Sagredo: Was wir aber nicht vergessen dürfen, bei der Massenbilanz wären wir sonst
im Irrtum, sind die Kraftfelder der Wechselwirkungen und die Teilchen, die wir als
quantisierte Wellen dieser Felder beschreiben können: Die elektromagnetische
Wechselwirkung mit den Photonen, die starke Wechselwirkung mit den Gluonen, und die
schwache Wechselwirkung mit den W- und Z-Bosonen.
Simplicio: Was ist mit der Gravitation, mit deren trefflicher Erforschung ein gewisser
Galileo Galilei den Beginn der neuzeitlichen Physik gesetzt hat?
Sagredo: Sie ist zwischen einzelnen Elementarteilchen so schwach, daß wir sie in
diesem Stadium der Forschung außer acht lassen. Erst wenn wir in der Zeit zurückschauen,
bis zum Urknall mit dem Anfang des Universums, was soviel bedeutet wie, daß wir die
Theorie von allem haben wollen, dann werden wir sie mit einbeziehen müssen.
Simplicio: Von elektromagnetischen Erscheinungen habe ich schon früher erfahren,
ebenso von den Photonen. Über die starke Kraft habe ich vorhin von Ihnen gehört, daß sie die
Quarks zu Nukleonen bindet. Übrigens denke ich mir, daß die in Protonen und Neutronen
eingeschlossenen Quarks mit der starken Kraft auch ein bißchen über die Grenzen ihres
Einschlusses hinwegsehen können, und zärtliche Bande mit den Insassen benachbarter
Nukleonen knüpfen, sodaß sich die Atomkerne bilden.
Die Eigenheiten der schwachen Wechselwirkung
Simplicio: Aber von den schwachen Wechselwirkungen war bis jetzt nicht die Rede.
Auch ist mir in der Rekapitulation all Ihrer lichtvollen Darlegungen aufgefallen, daß alle
Teilchen in der Ausübung ihrer starken und elektromagnetischen Beziehungsarbeit ihren
persönlichen Charakter, ich könnte sagen ihren "flavor", bewahren. Ein u bleibt ein u, ein eein e-. Beim Beta-Zerfall des Neutrons jedoch herrscht ein ungeheures Tohuwabohu von
Umwandlung und Entstehung von Teilchen. Gehe ich recht in der Schlußfolgerung, das dies
die -Wirkung einer -Wirkung, nämlich die Aus-... der schwachen Wechsel-... ist?
Sagredo: Mein lieber Simplicio, ich freue mich, daß ihre Stimmung besser geworden
ist. Sie haben einen noch nie dagewesenen Höhenflug ihrer Gedanken. So witzig, und mit so
vielen Fremdwörtern habe ich Sie nur selten reden gehört. Mit Ihren wissenschaftlichen
Vermutungen haben sie ins Schwarze getroffen, auch dort, wo es sich um die
Wechselwirkung von Farbladungen handelt.
Die schwache Wechselwirkung kann tatsächlich d- in u- Quarks verwandeln
oder umgekehrt, sie kann Elektronen in Elektron-Neutrinos verwandeln oder umgekehrt. Bei
den Quarks kann sie sogar Umwandlungen zwischen den Generationen bewirken. - Es gibt
nämlich noch zwei Generationen, die wie Kopien der ersten Generation von Teilchen sind,
nur mit größeren Massen. - Aber die Bilanz der elektrischen Ladungen muß stimmen.
Auch sonst verletzt sie Gesetze, die für alle anderen Prozesse gelten. Zum
Beispiel ist die Parität nicht erhalten, schwache Prozesse sind nicht spiegelsymmetrisch.
84
Erhaltungssätze
Simplicio: Meine gute Laune schwindet wieder. Ich erhoffte mir doch, etwas über
unwandelbare Substanz zu hören. Ist alles flüchtig, bleibt nichts bestehen?
Sagredo: Was immer in der Bilanz von vorher und nachher erhalten bleibt, das ist:
Die Energie, der Impuls und der Drehimpuls,
Die elektrische Ladung,
Die Leptonenzahl, das ist die Anzahl aller Leptonen, vermindert um die Zahl
aller Antileptonen,
Die Baryonenzahl, das ist die Anzahl aller Quarks, vermindert um die Zahl der
Antiquarks und dann durch drei dividiert.
Simplicio: Nun bin ich zufrieden, soweit es meinen Wissensdurst nach stabiler
Substanz der Welt betrifft. Und ich bin erstaunt, mit wie wenigen Arten von Bausteinen, mit
wie wenigen Arten von Wechselwirkungen sich die Welt erklären läßt. Sie werden mir doch
nicht vielleicht sagen, daß sich auch dieses wenige noch vereinheitlichen läßt?
Das Ende der Aufzeichnungen
Ganz schwach konnte ich in meinen Traumerinnerungen noch einige Wörter Sagredos
über elektroschwach, Symmetriebrechung, Higgsbosonen und Eichtheorie wahrnehmen. Zu
"Eichtheorie" assoziierte ich dann "Eiche", weiter "Trüffel". (Ich habe einmal gehört, die
Trüffeln würden von abgerichteten Schweinen unter Eichen gefunden.) Ich ging zur Küche,
um nach Eßbarem zu suchen. Dann waren meine Traumbilder verschwunden.
85
8.1. Bausteine der Materie,
die erste Generation von Elementarteilchen
Atome
Siehe Kapitel 7
Die Form eines Atoms wird durch die Wellenfunktion seiner Bausteine bestimmt.
Elektronen und Atomkerne
Nach der Kenntnis von Elektronen (1897 von J.J.Thomson untersucht) wurde 1911
von Rutherford der Atomkern entdeckt.
Das Elektron gilt heute als „elementar“, als punktförmig, soweit die Unschärferelation
es erlaubt, und als nicht mehr teilbar.
Es hat:
Spin ½,
Ladung –1,
Baryonenzahl B = 0,
Leptonenzahl L = 1,
2
-30
Ruhemasse ~½ MeV/c ,
das sind ~10 kg.
Die Atomkerne haben Ausmaße von fm = Fermi = Femtometer = 10-15 m.
Das Element, für das ein Atomkern zuständig ist, entspricht seiner elektrischen Ladung ,
die ist +Ze. Die „Kernladungszahl“ Z wird auch „Ordnungszahl“ genannt.
Es gibt noch die Massenzahl A: Die Masse eines jeden Atomkerns ist ungefähr A mal der
atomaren Masseneinheit u ~ 930 MeV/c2. Auch sein Volumen ist proportional zu A.
Isotope sind Kerne mit gleicher Kernladungszahl, aber verschiedenen Massenzahlen.
Das Zusammenhalten von Elektronen mit dem Atomkern wird durch die
elektromagnetische Wechselwirkung bestimmt.
Nukleonen: Protonen und Neutronen – Und dann noch das Neutrino
Das Proton ist auch der Atomkern des leichteren Wasserstoff-Isotops. Es hat
Spin ½, Ladung +1, Baryonenzahl B = 1, L = 0, Ruhemasse ~938,3 MeV/c2
Das Neutron wurde 1932 entdeckt. . Es hat Spin ½, Ladung Null (aber ein starkes
magnetisches Moment), B = 1, L = 0, Ruhemasse ~939,6 MeV/c2
Aus dem Atomkern herausgeholt, ist es nicht stabil, es hat eine Halbwertszeit von einer
Viertelstunde. Das heißt, aus einer großen Menge von Neutronen ist nach 15 Minuten circa
die Hälfte zerfallen. Sein Zerfall ist ein Beta-Zerfall, wie er auch bei instabilen Kernen
auftritt. Es zerfällt in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Anti-Neutrino.
Das Neutrino wurde von Pauli ~1932 vorausgesagt, um die Erhaltungssätze von
Energie und Drehimpuls beim Beta-Zerfall zu retten. Mitte der Fünfzigerjahre wurde es dann
nachgewiesen.
Es hat Spin ½, Ladung Null, B = 0, L = 1, Ruhemasse ~?
Das Zusammenhalten der Nukleonen im Atomkern wird durch die kurzreichweitigen
Kernkräfte bewirkt. Sie sind Effekte der starken Wechselwirkung. Die Wirkungen dieser
Kräfte sind für Protonen und Neutronen nur wenig verschieden.
86
Analog zum Aufbau der Atome kann man für den Aufbau der Atomkerne ein Modell mit
einem effektiven Potential bilden, das vom „Nukleonen-Tröpfchen“ erzeugt wird. Wegen der
kurzen Reichweite der Kernkräfte ist dieses effektive Potential ein Potentialtopf. In diesen
Topf werden dann, unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips, die Nukleonen eingefüllt.
Der tiefste Zustand kann von zwei Protonen und zwei Neutronen besetzt werden, jeweils
eines mit Spin hinauf, eines mit Spin hinunter. Ist dieser tiefste Zustand besetzt, ist eine
„Schale“ aufgefüllt und das System besonders stabil: Ein Alpha-Teilchen = 4He-Kern. (Die
Situation ist analog zur Auffüllung von Elektronenschalen, die chemisch inerte Edelgase
erzeugt.)
Sind schon viele (mehr als 25)
Protonen im Kern, ist die
elektrostatische Abstoßung zwischen
ihnen so stark, dass es energetisch
günstiger ist, mehr Neutronen als
Protonen im Kern zu haben. Der
Potentialtopf wird für die Protonen
durch ihre Abstoßung angehoben.
Ein anderer Effekt der Coulomb-Abstoßung ist der Aufbau einer Coulomb-Barriere für
Protonen rund um den Kern. Es kann daher geschehen, dass die Protonen eine Zeitlang in
Zuständen verbringen, deren Energie schon zu hoch ist, als dass sie stabil gebunden wären.
Aber zum Entweichen aus dem Kern müssen sie erst die Barriere durchtunneln. Das tun sie
gleich in Gemeinschaft, sodass ein -Teilchen heraustunnelt: So geschieht der Alpha-Zerfall
mancher instabiler Kerne.
Schließlich ist es auch der Coulomb-Abstoßung der Protonen zuzuschreiben, dass Kerne
mit Ordnungszahl Z > 92 nicht mehr stabil sind.
Up-Quark und Down-Quark
1964 vermutet, seit ~1974 unbestritten.
Das u-Quark hat Spin ½, Ladung +2/3, B = 1/3, L = 0, Ruhemasse ~ 4 MeV/c2
Das d-Quark hat Spin ½, Ladung -1/3, B = 1/3, L = 0, Ruhemasse ~ 7,5 MeV/c2
Die Quarks sind durch die starke Wechselwirkung aneinander gebunden. Diese wirkt
über „Farb-Ladungen“ der Quarks, blau, grün und rot. Sie können aus diesen Bindungen nicht
herausgeholt werden. Größere Abstände zwischen ihnen können nur durch das Hineinstecken
von viel Energie erreicht werden. Diese Energie wird dann aber umgewandelt zu Massen von
neu entstehenden Teilchen, unter anderem von neuen Quarks. So entstehen dann neue QuarkVerbindungen. Erst „farbneutrale“, Anordnungen können sich vom Rest trennen.
Zusammensetzungen der Nukleonen:
Proton p = u u d
Neutron n = u d d
Antimaterie:
Zu jedem Teilchen gibt es ein Antiteilchen mit gleichem Spin und gleicher Masse. Alle
anderen Quantenzahlen haben die umgekehrten Werte.
87
8.2. Nachweise und Produktion von Teilchen
Produktion
Die Bausteine der Atome werden durch Ionisierung (mittels Erhitzen oder Bestrahlen)
separiert, dann in elektromagnetischen Feldern gebündelt und beschleunigt.
In Kernreaktoren werden unter anderem Neutronen und Neutrinos erzeugt, sowie AlphaBeta- und Gammastrahlung (4He-Kerne, Elektronen, hochenergetische Photonen).
Um instabile kurzlebige Teilchen oder auch Antiteilchen zu erzeugen, beschleunigt
man die stabilen Teilchen und läßt diese auf andere Teilchen treffen. Zur Produktion noch
schwererer Teilchen läßt man es nicht bei obigem Vorgang, sondern beschleunigt in einem
Folgeverfahren auch die Antiteilchen und läßt Proton gegen Antiproton oder Elektron gegen
Positron frontal aufeinander stoßen. Die kinetische Energie kann dann (teilweise) in Masse
von neu produzierten Teilchen umgewandelt werden.
Übungsaufgaben: Wie groß ist die Geschwindigkeit eines Elektrons, welches eine
Energie von 1 GeV hat?
Warum ist es ausgiebiger, ein Antiproton gegen ein entgegenkommendes Proton
zu schießen, als gegen ein ruhendes?
Viele Teilchen werden auch mit der kosmischen Strahlung geliefert.
Nachweise
Geladene Teilchen, die genügend lange leben hinterlassen direkte Spuren in
Nebel-, Blasen-, oder Drahtkammern. Aus der Krümmung der Bahn in einem Magnetfeld
kann man auf seinen Impuls schließen, wenn die Masse bekannt ist.
Elektrisch neutrale oder kurzlebige Teilchen sind indirekt über ihren Zerfall
oder über Resonanz-Effekte bei Streuungen zu beobachten.
Eingeschlossene Teilchen machen sich über Jets bei hochenergetischen
Streuprozessen bemerkbar. Ein Jet ist ein Bündel von Teilchen, die ungefähr in gleicher
Richtung mit ungefähr gleicher Geschwindigkeit fliegen. Im primären Effekt der Streuung
entsteht ein Quark oder Gluon mit hoher Bewegungs-Energie relativ zu den Farb-Partnern. In
seinem Ausbruchsversuch aus dem Einschluss entstehen alle möglichen anderen Teilchen, die
es begleiten und letzten Endes seine Farbe neutralisieren. Ein mögliches Beispiel: Wenn bei
Elektron-Positron-Streuung primär ein Quark, ein Antiquark und ein Gluon entstehen, sind im
Ende drei Jets zu beobachten.
Man könnte sagen, dass man die zusammengesetzten Strukturen „abtastet“. Um in die
Strukturen einzudringen, und zum Zwecke einer guten „Auflösung“, müssen die dazu
verwendeten Teilchen hohe Energien haben. Rutherfords Entdeckung des Atomkerns durch
Beschuss von Goldfolien mit Alphateilchen ist quasi das Paradigma dieser Methoden.
88
8.3. Der Teilchenzoo und das Standardmodell
Geschichte der Entdeckungen und Modellbildungen
1927 stellt Dirac ein relativistisches Analogon zur Schrödingergleichung auf. Das führt
zur Vorhersage von Antiteilchen.
 1931 entdeckt Anderson das Positron, das ist das Anti-Elektron.
1932 entdeckt Chadwick das Neutron
In der kosmischen Strahlung werden  („Myon“) und  („Pion“) gesehen. (Heutige
Einordnung:  ist aus der zweiten Generation, das Analogon zum Elektron. Die Pi-Mesonen
sind Verbindungen von je einem Quark mit einem Antiquark.)
Bei den vielen Dutzenden von Teilchen, die mit den Beschleunigern erzeugt werden
konnten (inzwischen sind es ca. 300), hat man gewisse Ähnlichkeiten und mögliche
symmetrische Anordnungen gefunden, vergleichbar dem Aufspüren des Periodensystems.
 "Der achtfache Weg", 1961 von Gell-Mann und Ne'eman, mit Anordnung der Teilchen
in "Supermultipletts"
 Auffinden einer Lücke in so einem "Supermultiplett"
 Vorhersage des - -Teilchens für den noch leeren Platz
 Nachweis des - -Teilchens 1964
1964 Quarkmodell von Gell-Mann und Zweig. Damals mit den drei Quarks u, d und s.
(Dabei ist das s ("strange")-Quark aus der heute bekannten zweiten Generation das Analogon
zum d, und - = sss)
1974 Entdeckung des -Mesons. Es ist sehr schwer und für sein großes Gewicht
extrem langlebig (10-20 s in seiner Eigenzeit, statt 10-23 s wie andere Teilchen dieses
Gewichts)
 Erklärung als Bindungszustand von c mit c , das bedeutet Entdeckung des bis dahin
noch unbekannten c- ("charmed") Quarks (heute als Analogon zum u in der zweiten
Generation einzuordnen. Mit dem aus der Höhenstrahlung schon lange bekannten Myon und
dem -Neutrino als Leptonen, sowie mit passenden Antiteilchen, ist damit die zweite
Generation vollständig.)
 Allgemeine Anerkennung des Quark-Modells
 1980 Identifizierung des b- ("bottom") Quarks bei DORIS in Hamburg. Zusammen mit
dem  (Tauon) und -Neutrino ist die dritte Generation fast vollständig
 Vorhersage des t- ("top") Quarks
 1995 Nachweis des t mit einer Masse ~174 GeV/c2 beim TEVATRON in Brookhaven
Dazwischen lange Suche nach "Zwischenbosonen", die zum Photon analogen AustauschTeilchen für die schwache Wechselwirkung
 1983 Nachweis von W+, W- und Zo beim CERN bei Genf.
 1984 Nobelpreis für Carlo Rubbia
89
8.4. Wechselwirkungen
Dynamik
Die spezielle Relativitätstheorie ist zwar für die Physik in großen Maßstäben
entwickelt und zuerst auch dort durch Beobachtungen bestätigt worden, aber, wie meistens
bei erfolgreichen Theorien, ist bald angenommen worden, dass ihre Gültigkeit universal ist,
was sich in allem bestätigt hat. Nur wenn die kinetische Energie jedes Teilchens viel kleiner
ist, als seine Ruhe-Energie mc2, dann ist die nichtrelativistische Energieformel brauchbar, mit
Ekin = mv2/2 = p2/2m.
Schon beim Wasserstoffatom sind relativistische Korrekturen zum einfacheren
nichtrelativistischen Modell beobachtbar und auch berechenbar  Die Feinstruktur des
Spektrums. Bei schweren Atomen sind die relativistischen Effekte noch stärker. (Spin-BahnKopplung, Wechselwirkungen der magnetischen Momente.)
Probleme der relativistischen Dynamik: Es gibt keine absolute Gleichzeitigkeit, daher
ist die Beschreibung der Kräfte über ein Potential nicht möglich; das würde ja einer
momentanen Fernwirkung entsprechen. (Die Newtonsche Physik ist deswegen oft mit
philosophischen Argumenten kritisiert worden.) Nur für das Wasserstoffatom läßt sich noch
ein halb-relativistisches Modell mit unbeweglichem Kern und Potential bilden.
Wegen der großen Energien der Teilchen braucht man zur Beschreibung die
relativistische Dynamik, wegen der kleinen Größenordnungen von Abständen die
Quantenphysik der Kraftfelder  relativistische Quantenfeldtheorie.
QED, Quantenelektrodynamik
Die quantisierten Wellen des elektromagnetischen Feldes sind die Photonen. Die
Wechselwirkungen elektrisch geladener Teilchen geschieht über Ausstrahlung und Einfang
von Photonen. Wenn sie nur kurz leben, erlaubt die Unschärferelation ein Abweichen von der
üblichen Energie-Impuls-Relation E2 = p2c2 , so als hätten die kurzlebigen Photonen eine
Ruhemasse ungleich Null. Verblüffenderweise bewirkt so ein Hin- und Her-laufen von
Photonen eine Anziehung entgegengesetzter Ladungen.
Auch für die geladenen Teilchen erlaubt die Unschärferelation ein Abweichen von der
Gleichung E2 = m2c4 + p2c2 zwischen Einfang und Aussendung eines Photons, so als hätten
die Elektronen oder sonstige geladene Teilchen in der Zwischenzeit eine andere Ruhemasse.
Durch diese kurzzeitig erlaubten Massenänderungen sind Drei-Teilchen-Kopplungen
möglich, wie eben beispielsweise Aussenden oder Einfangen eines Photons durch ein
Elektron. Denn Energie und Impuls sind bei jedem solchen Ereignis strikt erhalten. Graphisch
stellt man so eine Kopplung durch einen Vertex (das ist ein Knotenpunkt) in einem FeynmanGraphen dar. Zum Beispiel für die Compton-Streuung:
Die durchgezogene Linie stellt symbolisch
die Raum-Zeit-Bahn des Elektrons dar (Zeit
verläuft von links nach rechts), die gewellten
Linien sind die Photonen.
Im ersten Vertex wird das Photon vom
Elektron „verschluckt“, im zweiten wird eines
ausgesandt.
90
Es gibt Rechenregeln für die Wahrscheinlichkeitsamplituden solcher Prozesse. So wie
ein Teilchen im Interferometer verschiedene Wege nehmen kann, und wie das Endergebnis
aus der Überlagerung der entsprechenden Wahrscheinlichkeitswellen bestimmt wird, so wird
hier das Endergebnis mit der Überlagerung, der Aufsummierung der Wahrscheinlichkeitsamplituden aller möglichen Feynman-Graphen berechnet.
Eine überraschende Folge der relativistischen Theorie ist die Möglichkeit, einen
Vertex beliebig in der Raum-Zeit zu drehen, um andere mögliche Vertices zu erhalten.
Feynman hat das so interpretiert, dass ein in der Zeit rückwärts laufendes Teilchen gleich dem
Antiteilchen ist. Tatsächlich ist die Existenz von Antiteilchen zuerst von Dirac als notwendige
Konsequenz einer relativistischen Wellengleichung erkannt und vorausgesagt worden.
Starke Wechselwirkung
In Analogie zum Photon findet man als Teilchen des quantisierten Gluonfeldes die
Gluonen. So wie die Photonen an den "elektromagnetischen Strom" (so nennt man die RaumZeit-Trajektorien elektrisch geladener Teilchen) koppeln, so koppeln die Gluonen an den
Farb-Strom der Quarks. Sie sind selbst farbig und daher auch eingeschlossen. Die Leptonen
haben keine Farbladungen und daher keine starken Wechselwirkungen.
Schwache Wechselwirkung
Das quantisierte Feld der schwachen Wechselwirkung gibt drei massive kurzlebige
Bosonen: W+, W- und Zo . Die W-Bosonen sind elektrisch geladen, das Z-Boson ist
elektrisch neutral. Da die W-Bosonen geladen sind, transportieren sie an jedem Vertex eine
elektrische Ladung zu dem anderen Teilchen oder von ihm weg und verändern es
entsprechend: Elektronen werden in Elektron-Neutrinos umgewandelt oder umgekehrt, downQuarks werden in up-Quarks umgewandelt oder umgekehrt. Bei den Quarks kann auch eine
Umwandlung in eine andere Generation erfolgen.
In den Feynman-Graphen, die den Beta-Zerfall darstellen, ist das Anti-ElektronNeutrino gleich dem in der Zeit rückwärts laufenden Elektron-Neutrino:
Weitere Literatur:
Berkeley Physik Kurs 4
Pedro Waloschek: Besuch im Teilchenzoo
David Griffiths: (Einführung in die) Elementarteilchenphysik. Kapitel 1 und 2
91
92
9. Schwerkraft und Universum
Literatur:
P.Tipler,
Ältere Auflagen: Kapitel 34.11 / 42.2 / 42.6 – 42.8
9.1. Gravitation
9.1.1. Einsteins Ziel und Ausgangslage
Kurzfassung der Allgemeinen Relativitätstheorie
 Die Raum-Zeit ist gekrümmt. Die Ausmaße der Krümmungen werden lokal von der
Materie bestimmt.
 So wie im Kleinen die Raum-Zeit fast flach ist, so gelten lokal alle Gesetze der Physik
wie in einer flachen Raum-Zeit. („Lokale Inertial-Systeme“) Kräftefreie Teilchen bewegen
sich lokal geradlinig gleichförmig.
Die Gravitation zählt dabei nicht mehr als Kraft. Sie wirkt über die Raum-ZeitKrümmung. „Frei fallende“ Körper sind kräftefrei. Die träge Masse ist identisch mit der
schweren Masse.
Einsteins Ausgangsposition
 In der Relativitätstheorie gibt es keine absolute Gleichzeitigkeit. Daher sind
Fernwirkungen nicht möglich. Jede physikalische Einwirkung muss von einem Punkt der
Raum-Zeit zu einem anderen hin erst transportiert werden. Ein „Potential“ kann es nur noch
näherungsweise in fast stationären Systemen geben, wo sich alle Körper relativ langsam
bewegen.
Bei der elektromagnetischen Wechselwirkung geschieht der Transport über Wellen
des elektromagnetischen Feldes. Bei einer ruhenden Ladung gibt es ein elektrisches Feld, wie
man es mit dem Coulomb-Potential berechnen kann. Wird diese Ladung dann plötzlich
bewegt, so ändert sich das Feld in größerer Entfernung zuerst nicht, sondern erst dann, wenn
die von der beschleunigten Ladung ausgehende Welle eintrifft.
Was ist nun bei der Gravitation die Übertragungsweise?
 Die Äquivalenz von träger und schwerer Masse ist zwar jedem von Kindheit an so
vertraut, dass sie selbstverständlich scheint, aber bei genauerem Nachdenken ist sie es nicht
mehr. (Newton hat experimentelle Messungen durchgeführt, um diese Äquivalenz zu
überprüfen.) Die träge Masse definiert den Widerstand gegen Kräfte. Die schwere Masse
definiert die Wechselwirkung mit anderen schweren Körpern, so wie die elektrische Ladung
die Wechselwirkung mit anderen geladenen Körpern definiert. Die elektrische Ladung ist
natürlich etwas ganz anderes als die träge Masse. Die schwere Masse ist aber von der trägen
Masse nicht zu unterscheiden, obwohl in der klassischen Physik kein Grund für die
Äquivalenz vorliegt. Die Newtonsche Gravitationstheorie könnte sehr gut mit verschiedenen
Massenbegriffen auskommen.
Für diese Äquivalenz muss es doch einen tieferen Grund geben!
93
9.1.2. Beobachtete Spezial-Effekte der ART
Periheldrehung des Merkur
Die Keplerschen Ellipsenbahnen haben dauernd feststehende Achsen. Beim Merkur
sind aber Abweichungen zu beobachten. Das „Perihel“, das ist der sonnennächste Punkt der
Bahn, ist bei jedem Umlauf um einen kleinen Betrag verschoben. Einen Teil dieser
Verschiebungen kann man mit der klassischen Mechanik erklären: Merkur und Sonne sind
nicht punktförmig, auch nicht genau kugelförmig und die anderen Planeten haben einen
gewissen Einfluss auf die Bahn. Diese „Störungen“ kann man sehr genau berechnen. Es bleibt
dann immer noch eine Differenz zur beobachteten Bahn. Die volle Erklärung dieser Periheldrehung konnte Einstein mit seiner Theorie geben.
Gekrümmte Lichtstrahlen im Schwerefeld
In der allgemeinen Relativitätstheorie werden auch Lichtstrahlen durch die Gravitation
beeinflusst. So wie an der Sonne vorbeifliegende Körper gekrümmte Bahnen haben, auch
wenn die Körper sehr schnell sind, so sind auch Lichtstrahlen gekrümmt; je näher zur Sonne,
desto stärker. Dieser vorausgesagte Effekt wurde bei einer Sonnenfinsternis 1922 beobachtet.
Abbremsung der Zeit im Schwerefeld
In der Nähe von schweren Körpern gehen die Uhren „langsamer“. Das ist natürlich
nicht aus der Nähe zu beobachten, sondern nur im Vergleich mit weiter entfernten
Zeitmessern. Das Hafele-Keating-Experiment hat 1971 diese Voraussage bestätigt: Zu den
Effekten der SRT (=spezielle Relativitätstheorie), die den Unterschied zwischen Ost- und
Westflug betreffen, kommt noch ein Gravitationseffekt: In der Höhe von einigen tausend
Metern zeigen Uhren nach der entsprechenden Anzahl von Stunden um 160 Nanosekunden
mehr an abgelaufener Eigenzeit an, als Uhren auf der Erdoberfläche.
Gravitations-Rotverschiebung
Wenn die Bahn eines Körpers kräftefrei von einem schweren Gravitationszentrum
(z.B. Erde) fortführt (z.B. auf der Erde in die Höhe steigt), dann verliert dieser Körper, von
weiter weg aus beobachtet, Energie, und zwar proportional zu seiner Masse. Nach dem
Äquivalenzprinzip der SRT hat auch ein Photon eine Masse (u.zw. /c2 ). Daher muss auch
ein Photon beim Wegbewegen von einem Gravitationszentrum Energie verlieren. Die
Frequenz der Oszillation wird kleiner, sichtbares Licht wird im Spektrum in die Richtung zum
roten Ende hin verschoben. Genau gemessen wurde dieser Effekt erstmals 1965 (Pound +
Snider) auf der Erde, mit Hilfe des Mössbauer-Effekts. Der Höhenunterschied war dabei 20m.
Die Frequenzunterschiede sind identisch mit den Gangunterschieden von Uhren in
verschiedenen Höhen. Einem Beobachter, der von oben aus die Vorgänge tiefer unten ganz
genau betrachtet, erscheint alles langsamer; die Uhren genauso wie alle Schwingungen, und
es bleiben alle Phasenrelationen unverändert.
Expansion des Universums
Wird in 9.2. noch gebracht werden.
94
9.1.3. Raum-Zeit-Krümmung (einfache Beispiele)
Hier ist immer von „intrinsischer“ Krümmung die Rede, wie sie zum Beispiel ein
zweidimensionales Wesen auf einer Kugeloberfläche beobachten könnte. Jede mögliche
mathematische „Einbettung“ in höherdimensionale Räume ist dabei ohne Bedeutung für die
Physik.
Krümmung einer Kugeloberfläche
Bewegt man sich zum Beispiel auf dem Äquator vom Punkt A am Greenwich-Meridian
um 4000 km nach Norden, so erreicht man Punkt C. Bewegt man sich um 10 000 km vom
Punkt A nach Westen, erreicht man Punkt B. Vom Punkt B aus dann wieder 4000 km genau
nach Norden geht es zum Punkt D. Alle diese Strecken sind so gerade, wie sie auf einer
Kugeloberfläche sein können, und die Winkel sind rechte Winkel. Auf einer flachen Ebene
hätte man drei Seiten eines Quadrats, die Entfernung von C nach D müsste wieder genau
dieselbe sein, wie von A nach B. Auf der Erdoberfläche ist sie aber kürzer als 10 000 km
(wieviel?). Dieser Effekt gibt ein Maß der inneren Krümmung einer Fläche. (Bei der
Kugeloberfläche ist die Krümmung positiv. Negativ gekrümmte Flächen sind z.B. die
Sattelflächen.)
Raum-Zeit-Krümmung
Wir stellen uns ein Raum-Zeit-Diagramm vor, in dem die Punkte auf einer senkrechten
Geraden (von der Erdoberfläche aus in die Höhe) und zu verschiedenen Zeiten aufgetragen
sind. Bei Höhe h = 0 zur Zeit t=0 ist Raum-Zeit-Punkt (ein Ereignis) A. In einer anderen
Höhe, z. B. h = 1m, ebenfalls zur Zeit t = 0 (gemessen im „ruhenden“ Labor, die Uhr in Höhe
0), ist Ereignis C. Nach einer Sekunde ist in der Höhe 0 das Ereignis B. Gleichzeitig mit B ist
in der Höhe von 1m das Ereignis D. Die (fiktive) Uhr in Höhe von 1m hat aber von A bis D
mehr Eigenzeit gemessen, als eine Sekunde! (Das Labor könnte auch am Nordpol stehen,
sodass es keine Effekte der Erddrehung gibt.)
Es ist nun so, dass die Weltlinien, die in konstanter Höhe von A nach B bzw. von C zu D
führen, keine „geodätischen“ Linien der ART sind. Aber dieses Beispiel zeigt eben, dass die
klassische Vorstellung der flachen Raum-Zeit nicht haltbar ist. Und auch für die
„geodätischen“ Verbindungen der Punkte ist zwischen C und D mehr Eigenzeit als zwischen
A und B.
9.1.4. Erklärung der klassischen Gravitation
Gerade Linien und Geodäten
Die kürzeste Verbindung zweier Punkte im flachen Raum ist die Gerade. Als Analogon
dazu gibt es in gekrümmten Räumen die geodätischen Linien. In einer Kugeloberfläche sind
es die Großkreise, die geodätische Linien sind. Auf der Erdoberfläche zum Beispiel der
Äquator und die Meridiane. (Die Geodäten können auch lokal definiert werden, als diejenigen
Linien, die in lokalen Projektionen auf tangentiale Flächen, „Karten“, am wenigsten von
Geraden abweichen. Das ergibt dann Differentialgleichungen für den Verlauf.)
Die Bahn eines kräftefreien Körpers in der SRT ist dadurch zu charakterisieren, dass sie
Ereignisse in der Raum-Zeit so verbindet, dass über sie die Eigenzeit am längsten ist! Das
Zwillingsparadoxon zeigt diese Tatsache für den Fall von zwei Ereignissen, die in einem
ausgewählten Bezugssystem am selben Ort sind. (Abflug und Wiederkehr des reisenden
Zwillings) Die Eigenzeiten sind nun unabhängig vom Bezugssystem. Die Transformation des
Standardbeispiels auf ein anderes Inertialsystem ändert nichts an den Eigenzeiten. Also auch
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der Zwilling, der sich geradlinig gleichförmig bewegt (z.B. in einem Raumschiff), hat bei der
Wiederkehr des unsteteren Zwillings, der das Raumschiff verlässt und seine
Geschwindigkeiten ändert, in jedem Falle mehr Eigenzeit erlebt.
Diese Charakterisierung gilt nun für die „geodätischen“ Bahnen in der gekrümmten
Raum-Zeit. Die Bahn eines kräftefreien Körpers ist die Verbindung von Ereignissen mit
der längsten Eigenzeit. Wenn ein Körper senkrecht in die Höhe geworfen wird und wieder
herabfällt, dann ist bei seiner Rückkehr zum Ausgangspunkt für ihn mehr Eigenzeit
vergangen, als für einen Körper, der dort in gleicher Höhe geblieben ist. Das ist ein Effekt des
„schnelleren“ Verlaufs der Eigenzeit in größeren Höhen.
Ein Cartoon-Modell
Statt unter allen Weltlinien von A nach B nach denen mit der längsten Eigenzeit zu
suchen, suchen wir nur in einer einparametrigen Schar von Weltlinien, die aus zwei Stücken
zusammengesetzt sind. Jedes dieser Stücke ist (in klassischer Sichtweise) gerade und wird mit
konstanter Geschwindigkeit v durchlaufen. Der Knick-Punkt K ist bei Erdzeit T, wobei A bei
Erdzeit Null, B bei Erdzeit 2T ist. Variabel ist, mit Variation von v, nur seine Höhe z = vT.
In jeder Höhe h über den Endpunkten läuft die Zeit „schneller“ als unten. Mit der
Gravitations-Beschleunigung der Erde, g
dth = ( 1 + gh/c2 ) dt
Für den Körper auf der Weltlinie kommt noch ein Faktor der SRT zur „Verzögerung“ der
Eigenzeit  dazu:
d = -1(v)(1 + gh/c2 ) dt ~ (1  v2/2c2)(1 + gh/c2 ) dt ~ (1 + gh/c2  v2/2c2) dt
Auf der Linie von A nach K ist h(t) = vt und die integrierte Eigenzeit wird
A,K = (1 + gvT/2c2  v2/2c2)T
Für die Summe über beide Wegstrecken:
 = (v) = (2 + gvT/c2  v2/c2)T
Das Maximum, die längste Eigenzeit, wird bei v = gT/2 angenommen. Das entspricht
einem Aufstieg bis zur Höhe z = gT2/2. Ein Cartoon-Modell des freien (Aufstiegs und) Falls!
9.1.5. Rotverschiebung und schwarze Löcher
Wenn ein Teilchen zu einem sehr massiven Gravitationszentrum mit Masse M „hinunter“
fällt, dann scheint seine Bewegung, von außen betrachtet, zunächst beschleunigt. Dann tritt
aber im „Schwerefeld“ die relative Verzögerung der Eigenzeit auf. Sie wird schließlich
überwiegend, sodass das Teilchen von außen gebremst scheint, bis zum Beinahe-Stillstand
vor dem Schwarzschild-Radius R = 2GM/c2 . Dementsprechend wird die Rotverschiebung
senkrecht ausgesandter Photonen extrem, und nicht senkrecht ausgesandte fallen im Bogen
wieder zurück: Es gibt praktisch nichts mehr zum Beobachten.
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9.2. Globale Raum-Zeit-Struktur
9.2.1. Größenordnungen, Expansion
Unsere Sonne ist 30 000 Lichtjahre vom Zentrum unserer Milchstraße entfernt. Unsere
Galaxie umfasst 1011 Sterne. Die Sonne bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 250 km/s
auf einer Kreisbahn um das Zentrum, die Umlaufzeit ist 2,3108 Jahre. Berechnet man die
Masse, die notwendig ist, um eine solche Kreisbahn zu verursachen, und vergleicht sie mit
der Masse der beobachteten Objekte, findet man eine Diskrepanz: 90% der benötigten Masse
fehlt! Dieses Problem der fehlenden Masse besteht auch bei den anderen Galaxien.
Das beobachtbare Universum beheimatet 1011 Galaxien. Das Licht von den weit
entfernten zeigt eine Rotverschiebung, die – über den Dopplereffekt berechnet  einer
Fluchtgeschwindigkeit v entspricht. Sie ist proportional zur Entfernung r:
v = Hr
H ist die Hubble-Konstante,
H = (23km/s)/106 Lichtjahre
Das entspricht einer Zeitdauer
H–1 ~ 1010 Jahre,
und einem Beobachtungsradius von ~ 1010 Lichtjahren. Beobachtbare Objekte in
annähernder Entfernung bewegen sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit von uns fort und die
von ihnen ausgesandte Strahlung ist extrem rotverschoben.
Das bedeutet, dass vor ~ 1010 Jahren alle beobachtbaren Objekte gemeinsam eine sehr
dichte Menge von Materie geformt haben, die im Urknall mit der Expansion begonnen hat.
Über den genauen Wert der Hubble-Konstante gibt es noch Diskussionen. Die
Unstimmigkeiten beziehen sich dabei auf die Bestimmung der Entfernungen von Galaxien,
die unter anderem auf dem Umweg der Helligkeitsmessung von bestimmten Typen von
Sternen verläuft, von denen man, aus astrophysikalischen Gründen, eine konstante absolute
Helligkeit erwartet.
Aus allen Richtungen kommend ist die kosmische Hintergrundstrahlung zu beobachten.
Das ist elektromagnetische Strahlung, wie sie ein Körper mit der Temperatur von 2,7 K
ausstrahlt. Die Hintergrundstrahlung ist „zufällig“ beim Test von Funk-Empfangs-Geräten
gefunden worden; sie war aber schon von G. Gamow vorausgesagt gewesen. Sie stammt aus
einem früheren Alter des Universums ( 300 000 Jahre), also aus einer Gegend hinter allen
beobachteten Sternen, und ist extrem rotverschoben. Das bedeutet, dass sie sehr abgekühlt ist.
Zur Zeit ihrer Entstehung hatte sie eine Temperatur von ca. 4 000 Kelvin.
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9.2.2. Der Urknall
Schon mit der klassischen Theorie der Gravitation erscheint das Problem der Stabilität des
Universums: Alle Sterne ziehen einander an. Ist ihre Zahl endlich, dann fallen sie entweder
alle zusammen, oder sie laufen auseinander, und zwar seit dem Urknall. Ist ihre Zahl
unendlich, dann erscheinen Probleme mit den Unendlichkeiten. Mit der allgemeinen
Relativitätstheorie als Theorie der Gravitation ändert sich dabei vor allem das Prinzip: Der
Urknall erfolgte nicht in Raum und Zeit, sondern formte die Materie gemeinsam mit der
Raum-Zeit. Das Universum, welches heute einen Durchmesser von 1010 Lichtjahren (oder
mehr) hat, hatte dabei wohl keinen größeren Durchmesser als die „Planck-Länge“ .
 = (Gh / c3)1/2 = 10–35 m
In diesen Größenordnungen müsste eine - heute noch weitgehend unbekannte – „Quantengravitation“, ja sogar noch mehr, die „Theory of everything“ gelten. Dabei wirken vielleicht
alle Wechselwirkungen in vereinheitlichter Form.
Die Entwicklungsgeschichte des Universums wird dann, nach der „Abkopplung“ der
Gravitation von den anderen Wechselwirkungen, durch die Einstein-Gleichungen geregelt.
Energiedichte und Druck der Materie bestimmen die Krümmung der Raum-Zeit, die
Expansion. Eine neuere Erkenntnis ist die Auswirkung einer wahrscheinlich erfolgten
Abkopplung der elektromagnetischen von der schwachen Wechselwirkung, eine Art von
Phasenübergang bei den Quantenfeldern. Die Änderung von Druck und Energiedichte führte
dabei zu einer exponentiellen „Inflation“ des Universums. Damit ist die beobachtete Isotropie
zu erklären.
Die Frage, was vor dem Urknall war, ist im Rahmen der Physik vermutlich so
bedeutungslos, wie die Frage, was südlich vom Südpol ist.
Weiterführende Literatur zu Schwerkraft und Universum (geordnet nach Anspruch bez. Mathematik):
Kip S. Thorne: Gekrümmter Raum und verbogene Zeit
J.A. Wheeler: Gravitation und Raumzeit
C.J. Hogan: The Little Book of the Big Bang
R. und H. Sexl: Weiße Zwerge – schwarze Löcher
Wolfgang Rindler: Essential Relativity
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INHALT von TEIL 1
1. EINLEITUNG
1
Die Prinzipien dieser Vorlesung / W as ist die Physik? / Entwicklung der Begriffe
Messungen  Theorien / Teile  Ganzheit / Modelle  Wirklichkeit
ORIGINAL – TEXTE von Max Planck und Wolfgang Pauli
Entstehung der modernen Physik
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2. DAS RELATIVITÄTSPRINZIP (KLASSISCH);
2.1. Koordinaten
2.1.1 Die Menge der Ereignisse; Raum-Zeit-Diagramme
2.1.2. Die Zeit
2.1.3. Der Raum
2.1.4 Die Raum-Zeit
2.2. Wechsel des Bezugssystems
2.3. Ein Modell des expandierenden Universums (klassisch)
ORIGINAL – TEXTE von Sir Isaak Newton
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3. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
3.1. Die Raum-Zeit; Kinematik
3.1.1. Das Relativitätsprinzip und die Elektrodynamik
3.1.2. Neue Axiome für lokale Inertialsysteme
3.1.3. Die Relativität der Gleichzeitigkeit
3.1.4. Die Eigenzeit
3.1.5. Geschwindigkeitstransformation
3.2 Dynamik
3.2.1. Wechselwirkungen
3.2.2. Energie und Impuls
3.2.3. Die Äquivalenz von Masse und Energie
Anhang: Das Hafele-Keating Experiment
ORIGINAL – TEXT von Albert Einstein
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4. QUANTEN UND WELLEN-NATUR DER MATERIE
4.1. Quanten des Lichts, Photonen
Eine Science-Fiction-Geschichte
4.1.1. Der Lichtelektrische Effekt
4.1.2. Die Lichtquanten-Hypothese
4.1.3. Lichtquanten als Teilchen: Photonen
4.1.4. Elastische Streuung am Elektron: Compton-Streuung
4.2. Wellen-Natur massiver Teilchen
De Broglie-Wellen
4.3. Interferometrie mit Neutronen
Noch eine Science-Fiction-Geschichte
4.3.1. Prinzip des experimentellen Aufbaus
4.3.2. Die Theorie zur Erklärung der Messergebnisse
4.4. Die Interpretation
4.4.1. Wahrscheinlichkeiten
4.4.2. Erwartungswerte und Unschärfen
4.4.3. Einige Bemerkungen
4.A.1. Begriffe aus der Theorie der Wellen
4.A.2. Neutroneninterferometer mit Phasenschieber
4.A.3. Messungen
ORIGINAL – TEXT von Albert Einstein
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INHALT von TEIL 2
5. DIE ZEITENTWICKLUNG
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5.1 Das Superpositionsprinzip
49
5.2 Wellengleichung für freie Teilchen
49
5.3. Schrödingergleichung für die Zeitentwicklung
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5.4. Quantenphänomen Tunneleffekt
54
6. QUANTISIERTE ENERGIE
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6.1. Ein Teilchen im Potentialtopf
59
6.2. Allgemeine Schrödingergleichung
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6.3. Der harmonische Oszillator
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7. ATOME
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7.1. Atomistik
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7.2. Modelle zur Berechnung
7.2.1. Das Wasserstoff-Atom
7.2.2. Mehr-Elektron-Atome
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7.3. Drehimpuls eines Elektrons
7.3.1. Bahn-Drehimpuls
7.3.2. Zustände mit  =0 und  =1
7.3.3. Spin
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7.4. Quantenzahlen und Energie-Spektrum
7.4.1. Das Wasserstoff-Atom
7.4.2. Grundzustand des H-Atoms
7.4.3. Das Schalenmodell für Mehr-Elektron-Atome
7.4.4. Das Pauli-Prinzip für Fermionen
7.4.5. Strahlungsspektren
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7.5. Periodensystem der Elemente
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7.A. Stabile und stationäre Zustände
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8. ELEMENTARTEILCHEN
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8.0. Eine Erzählung
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8.1. Bausteine der Materie,
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8.2. Nachweise und Produktion von Teilchen
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8.3. Der Teilchenzoo und das Standardmodell
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8.4. Wechselwirkungen
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9. SCHWERKRAFT UND UNIVERSUM
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9.1. Gravitation
9.1.1. Einsteins Ziel und Ausgangslage
9.1.2. Beobachtete Spezial-Effekte der ART
9.1.3. Raum-Zeit-Krümmung (einfache Beispiele)
9.1.4. Erklärung der klassischen Gravitation
9.1.5. Rotverschiebung und schwarze Löcher
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9.2. Globale Raum-Zeit-Struktur
9.2.1. Größenordnungen, Expansion
9.2.2. Der Urknall
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