Alternative Lösungsmittel für mögliches extraterrestrisches Leben

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Alternative Lösungsmittel für mögliches extraterrestrisches Leben
Vertiefungsmodul Astrobiologie: Spezielle Aspekte der Astrobiologie WS 11/12
Matthias Kühtreiber
Überblick
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Physikalische/chemische Eigenschaften von Lösungsmittel
Wasser
Anorganische polare Lösungsmittel:
‐ Ammoniak (NH3)
‐ Cyanwasserstoff (HCN)
‐ Fluorwasserstoff (HF)
‐ Schwefelwasserstoff (H2S)
‐ Schwefelsäure (H2SO4)
‐ Wasserstoffperoxid (H2O2)
‐ Überkritisches Kohlenstoffdioxid (scCO2)
Organische polare Lösungsmittel
‐ Methanol (CH3OH)
Organische unpolare Lösungsmittel
‐ Methan(CH4), Ethan (C2H6)
Anorganische unpolare Lösungsmittel
‐Stickstoff (N2)
Fazit
Physikalische/chemische Eigenschaften von Lösungsmittel
Vorteile für die Entwicklung biochemischer Prozesse in einem flüssigen Medium:
• Austausch/Transport gelöster Stoffe
• Erhöhung von Reaktionswahrscheinlichkeiten durch räumliche Einschränkung
• Schutz vor äußeren Veränderungen
Physikalische/chemische Eigenschaften von Lösungsmittel
Für ein Lösungsmittel relevante Parameter:
• Schmelz‐/Siedepunkt
• kritische Temperatur/
kritischer Druck
• Verdampfungs‐/
Schmelzwärme
Physikalische/chemische Eigenschaften von Lösungsmittel
Polarität
Polare Lösungsmittel: Ladungstrennung ⇒
Dipolmoment ≠ 0
lösen polare Stoffe
H
δ‐
δ+
O
H
δ+
H
Unpolare Lösungsmittel: Symmetrie ⇒
Dipolmoment = 0
lösen unpolare Stoffe
H
C
H
H
Wasser (H2O)
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Polarität ⇒ Wasserstoffbrücken
großer Temperaturbereich des flüssigen Zustands
hohe Verdampfungswärme ⇒
guter Wärmemoderator
Anomalie: größte Dichte bei 4°C
Schutz vor UV‐Strahlung
Polare anorganische Lösungsmittel:
Ammoniak (NH3)
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etwas weniger polar, aber sehr gutes Lösungsmittel
relevanter Temperaturbereich ist schmäler
gefrorenes Ammoniak ist dichter als flüssiges
Oberflächenspannung geringer
bietet keinen UV‐Schutz
kann Alkalimetalle lösen ohne Reaktionen hervorzurufen ⇒ gute Katalysatoren
kann Wassereis lösen
lässt sich in großen Mengen im Universum nachweisen
Eigenschaft
H2O
NH3
Molare Masse [g/mol]
18,02
17,03
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
‐77,73
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
‐33,3
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
5,7
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
23,3
Dipolmoment [D]
1,85
1,47
relat. Häufigkeit
1
0,25
Polare anorganische Lösungsmittel:
Ammoniak (NH3)
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Benner et al. (2004): theoretisch denkbarer Metabolismus durch Ersetzung der CO‐Gruppe vieler organischer Verbindungen durch eine CN‐Gruppe
Firsoff (1963): Möglichkeit zur Synthetisierung von Proteinen in Ammoniak:
H
N
H
O
C
C
H
O
H +
N
H
H
H
H
O
H
H
H
O
C
C
O
H
O
O
N
H
H
C
H
C
N
C
H
C
O
H +
H
H
H
Polare anorganische Lösungsmittel:
Ammoniak (NH3)
•
•
Benner et al. (2004): theoretisch denkbarer Metabolismus durch Ersetzung der CO‐Gruppe vieler organischer Verbindungen durch eine CN‐Gruppe
Firsoff (1963): Möglichkeit zur Synthetisierung von Proteinen in Ammoniak:
H
N
O
C
C
H
H
N
+
N
H
H
H
N
C
O
C
H
N
H
C
O
C
H
O
C
C
H
N
H
H
N
N
+
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
Cyanwasserstoff (HCN)
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•
exzellentes polares Lösungsmittel
guter thermischer Moderator
relevanter Temperaturbereich relat. schmal
OH‐Gruppen in organischen Verbindungen könnten durch CN‐Gruppen ersetzt werden ⇒ HCN‐analoger Stoffwechsel denkbar
kann mit UV‐Strahlung und Wasser Glycin
und Cyanamid produzieren:
3 HCN + 2 H2O + UV‐Licht  C2H5O2N + CN2H2
•
Adenin (C5H5N5) ist das Pentamer von Cyanwasserstoff
Eigenschaft
H2O
HCN
Molare Masse [g/mol]
18,02
27,02
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
‐13,3
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
26,0
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
8,4
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
25,5
Dipolmoment [D]
1,85
2,99
relat. Häufigkeit
1
0,14
Fluorwasserstoff (HF)
•
•
•
•
Physikalische Eigenschaften sehr ähnlich mit H2O
relevanter Temperaturbereich größer als bei Wasser und bei niedrigeren Werten angesiedelt
F22‐ könnte O2‐ in Oxiden ersetzen ⇒ „Fluorination“ als Analogon zur Oxidation als Energielieferant
Häufigkeit im Universum wird sehr gering eingeschätzt
H
Eigenschaft
F
H2O
HF
Molare Masse [g/mol]
18,02
20,01
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
‐83,4
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
20,0
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
4,6
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
30,3
Dipolmoment [D]
1,85
1,83
relat. Häufigkeit
1
?
Schwefelwasserstoff (H2S)
•
•
•
•
•
Flüssig bei sehr geringen Temperaturen
relevantes Temperaturfenster
beträgt jedoch nur 26°C
schlechter Wärmemoderator
aber viele organ. Verbindungen gut löslich
sehr Häufiges Molekül
Eigenschaft
H2O
H2S
Molare Masse [g/mol]
18,02
34,08
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
‐85,5
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
‐59,6
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
2,4
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
18,7
Dipolmoment [D]
1,85
0,98
relat. Häufigkeit
1
1,31
Schwefelsäure (H2SO4)
O
H
•
•
•
•
extrem großer, relevanter Temperaturbereich
sehr hohes Dipolmoment
C=C Bindung reagiert als Base in starken Säuren; könnte C=O Einheit in organ. Substanzen ersetzen
gute Mischbarkeit mit Wasser
O
S
O
H
O
Eigenschaft
H2O
H2SO4
Molare Masse [g/mol]
18,02
98,08
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
10
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
337
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
10,7
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
?
Dipolmoment [D]
1,85
2,7
relat. Häufigkeit
1
0,42
Wasserstoffperoxid (H2O2)
•
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•
•
•
wasserähnliche Eigenschaften
in reiner Form schlecht für organ. Moleküle: würde C‐Verbindungen zu CO2
oxidieren
wässrige H2O2 Mischung würde den Schmelzpunkt von Wasser deutlich senken:
‐56,5°C für 61,2 % H2O2 (Foley et al. 1951)
Tanenbaum (1956): Acetobacter
peroxidans  verwendung von H2O2 im Stoffwechsel
Möglichkeit für Leben auf dem Mars
Eigenschaft
H2O
H2O2
Molare Masse [g/mol]
18,02
34,01
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
‐0,4
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
150,2
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
12,50
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
51,6
Dipolmoment [D]
1,85
2,01
relat. Häufigkeit
1
?
Überkritisches Kohlenstoffdioxid (scCO2)
Vorteile überkritischer Fluide:
• Löslichkeit/Mischbarkeit von Gasen
• hohe Diffusionsraten
• variable Dichten
Inagaki et al. 2006
Inagaki et al. (2006): Entdeckung von Organismen in flüssigem CO2 unterhalb des Meeresbodens
Organische polare Lösungsmittel:
Methanol (CH3OH)
H
H
C
O
H
H2O
CH3OH
Molare Masse [g/mol]
18,02
32,04
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
‐94
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
65
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
2,2
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
40,5
Dipolmoment [D]
1,85
1,6
relat. Häufigkeit
1
?
H •
•
•
sehr gutes polares Lösungsmittel
besserer Wärmemoderator als Wasser
Nachweis im ISM, Kometen und protoplanetare Scheiben lässt hohe Häufigkeit im Universum Vermuten
Eigenschaft
•
•
•
Zellwände: aufgebaut aus amphiphilen
organischen Molekülen
in unpolaren Lösungsmitteln müssten Zellwände umgekehrt ausgerichtet werden
Methan (CH4), Ethan(C2H6): Mögliche Kandidaten für unpolare Lösungsmittel
Methanogenese könnte Möglichkeit zur Energieproduktion darstellen:
C2H2 + 3H2  2CH4
http://de.wikipedia.org/wiki/Phospholipide
Organische unpolare Lösungsmittel
Nichtorganische unpolare Lösungsmittel:
Stickstoff (N2)
•
•
•
kommt für Eisplaneten/Monde
in Frage
Bains et al. (2004): Silanole (organ. Si‐
Verbindungen könnten in N2 bei sehr geringen Temperaturen löslich sein.
eines der häufigsten Elemente überhaupt
Eigenschaft
H2O
N2
Molare Masse [g/mol]
18,02
28,01
Schmelzpunkt
[°C bei 1 bar]
0,00
‐210
Siedepunkt [°C bei 1 bar]
100,0
‐196
Schmelzwärme [kJ/mol]
6,0
0,71
Verdampfungs‐
wärme [kJ/mol]
40,7
5,56
Dipolmoment [D]
1,85
0
relat. Häufigkeit
1
1,96
Fazit
•
auf wärmeren Planeten ist H2O eindeutig das beste Lösungsmittel
•
unter kälteren Bedingungen könnten NH3 bzw. Wasser‐ NH3 Mischungen („Frostschutzmittel“) ähnlich günstige Bedingungen schaffen
auch organische Lösungsmittel kommen in Frage wie z.B. Methanol, dass sogar unter manchen Umständen Vorteile gegenüber Wasser hätte.
•
Durch vergleiche physikalischer Eigenschaften kann man zwar diskutieren wie gut sich bestimmte Substanzen als Lösungsmittel eignen, aber die Überlegungen bezüglich möglicher Metabolismen sind äußerst spekulativ
Referenzen
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Bains W. 2004. Many chemistries could be used to build living systems. Astrobiology 4: 137‐167
Baross, J.A., S.A. Benner, et al. 2007. The Limits of Organic Life in Planetary systems, National Academics Press, Washington D.C.
Benner, S.A., A. Ricardo, et al. 2004. Is there a comon chemical model for life in the universe? Curr. Opin. Chem. Bol. 8: 672‐689
Cleaves, C., G. Cody, et al. 2008. Recent insights into the prebiotic chemistry of HCN. Astrobiology 8:3.
Inagaki et al. 2006. Microbial community in a sediment‐hosted CO2 lake
of the southern Okinawa Trough hydrothermal system PNAS vol. 103 no. 38
Raulin et al. 1995: The low temperature organic chemistry of Titan‘s geofluid. Adv. Space Res. 15: 321‐333
Schulze‐Makuch D. et al. 2007. Life in the Univrse: Expactations and Constrains. Springer
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