Westfälische Wilhelms-Universität Münster Mathematisches Institut Übungen zur Vorlesung Elementare Geometrie Sommersemester 2010 Musterlösung zu Blatt 4 vom 3. Mai 2010 apl. Prof. Dr. Lutz Hille Dr. Karin Halupczok erstellt von M. Holl, M. Möller, F. Springer Zu Aufgabe 1: Zeigen Sie die folgenden Behauptungen: (a) In einem Parallelogramm drittelt die Verbindungsgerade einer Ecke mit der Mitte einer gegenüberliegenden Seite eine Diagonale. (b) Ein Parallelogramm hat genau dann gleichlange Seiten, wenn seine Diagonalen orthogonal sind. (Rhombensatz ) (c) Ein Parallelogramm ist genau dann ein Rechteck, wenn beide Diagonalen gleich lang sind. (Rechtecksatz ) (d) Ein Viereck, das reihum die Winkel α, 2α, 3α, 4α hat, ist ein Trapez. Lösung: Zu (a): MC D S1 S2 A C B MA Die Dreiecke ADMA und BCMC sind kongruent aufgrund von SW S. ⇒ MA D und MC B sind gleichlang, DMC und MA B sind nach Definition gleichlang. ⇒ DMC BMA ist Parallelogramm ⇒ insbesondere sind MC B und DMA parallel. 1 |Mc C| |S1 C| 1 |MA A| |AS2 | = = und = = 2 2 |DC| |S2 C| |AB| |AS1 | ⇒ |S2 C| = 2|S1 C| und 2|AS2 | = |AS1 |. Strahlensatz ⇒ Außerdem folgt aus der oben erwähnten Kongruenz der Dreiecke, dass |S1 C| = |S2 A| ⇒ |AS1 | = 2|S1 C| ⇒ Behauptung. 1 Zu (b): C c D γ α ε b 2 d a 2 δ A a 2 b 2 d β In einem Parallelogramm halbieren sich die Diagonalen gegenseitig. (Leicht einzusehen, falls nicht bekannt, durch Kongruenz der Dreiecke ∆ABC und ∆ACD). B c „⇒“: Die Diagonalen sind orthogonal ⇒ c2 = d2 , c, d > 0 ⇒ c = d. Pythagoras ⇒ c2 = a 2 2 + b 2 2 und d2 = a 2 2 + b 2 . 2 „⇐“: c = d ⇒ α = β (gleiche Basiswinkel im gleichschenkligen Dreieck ∆BCD) und γ = δ (s. o. im Dreieck ∆ACD) (⇒ 2α + 2γ = 180◦ ⇔ α + γ = 90◦ ) ⇒ ε = 180◦ − α − γ = 90◦ Zu (c): a D d Pythagoras b β c A C γ „⇒“: ABCD ist ein Rechteck ⇒ b2 und c2 = a2 + b2 ⇒ c2 = d2 ⇒ c = d. d 2 = a2 + B „⇐“: c = d ⇒ ∆ACB zu ∆BCD kongruent (SSS) ⇒ β = γ (∗), außerdem 2β + 2γ = (∗) 360◦ ⇒ β + γ = 180◦ ⇒ β = γ = 90◦ . Zu (d): b 4α 3α 2α α a Da α, 2α, 3α, 4α Innenwinkel eines Vierecks sind, gilt (α + 2α + 3α + 4α = 360◦ ⇔ 10α = 360◦ ⇔ 5α = 180◦ ) ⇒ Die benachbarten Winkel α und 4α bzw. 2α und 3α sind zusammen 180◦ ⇒ Die gegenüberliegenden Seiten a und b sind parallel ⇒ ABCD ist ein Trapez. Zu Aufgabe 2: Gegeben seien zwei Halbgeraden, die von S ausgehen, und seien Punkte P1 , Q1 und P2 , Q2 darauf gegeben. (a) Zeigen Sie die folgende Umkehrung des ersten Strahlensatzes: Gilt |SP1 | : |SQ1 | = |SP2 | : |SQ2 |, so ist P1 P2 k Q1 Q2 . 2 (b) Der zweite Strahlensatz besagt, dass |SP1 | : |SQ1 | = |P1 P2 | : |Q1 Q2 | gilt, wenn P1 P2 k Q1 Q2 ist. Zeigen Sie, dass die Umkehrung dieses Satzes im allgemeinen falsch ist. Lösung: Lösung zu (a): |SP2 | |SP1 | = |SQ1 | |SQ2 | −−→ −−→ −−→ −−→ ⇒ ∃ k ∈ R>0 mit SP1 = k SQ1 und SP2 = k SQ2 −−→ −−→ −−→ −−→ −−→ ⇒ P1 P2 = −SP1 + SP2 = −k SQ1 + k SQ2 −−→ −−→ = k −SQ1 + SQ2 −−−→ = k · Q1 Q2 ⇒ P1 P2 kQ1 Q2 Lösung zu (b): P2 = (1, 1) Q2 = S = (0, 0) P1 = (1, 0) Q1 = (2, 0) Es seien die Punkte S = (0, 0), P1 = (1, 0), P2 = (1, 1), Q1 = (2, 0), Q2 = (0, 0) gegeben. Dann gilt offensichtlich 1 |P1 P2 | |SP1 | = = , |SQ1 | 2 |Q1 Q2 | Andererseits ist aber P1 P2 ∩ Q1 Q2 = {P1 } und somit P1 P2 ∦ Q1 Q2 . 3 Zu Aufgabe 3: (a) Auf der Gerade durch A, B liegen C außerhalb (auf der Seite von A) und D innerhalb |CA| |DA| der Strecke AB. Sei |CB| = |DB| . Zeigen Sie, dass h := |CD| das harmonische Mittel von a := |CB| und b := |CA| ist, d. h. es gilt h1 = 12 a1 + 1b . Konstruieren Sie ein solches C zeichnerisch, wenn D gegeben ist, und umgekehrt. R (b) Gegeben seien a, b ∈ >0 und ein rechtwinkliges Dreieck ∆ABC mit rechtem Winkel √ bei C und mit |AB| = m und |BC| = g, wobei m := 21 (a + b) und g := ab sei. Sei F der Lotfußpunkt von C auf die Hypotenuse AB. Zeigen Sie: |BF | ist das harmonische Mittel von a und b. Folgern Sie, dass h ≤ g ≤ m gilt. Lösung: Zu (a): b a C A h D B Es gilt: |CA| |DA| b h−b = ⇔ = ⇔ (a − h)b = (h − b)a ⇔ ab − bh = ah − ba |CB| |DB| a a−h 1 11 1 ⇔ 2ab = h(a + b) ⇔ = + . h 2 a b Konstruktionen: (1) Sei C, A, B gegeben. Sei E 6= A ein Punkt auf einer zu CB Senkrechten durch A. Sei F := G(C, E)∩ Senkrechte zu CB durch B, G := Bild von F unter Spiegelung an B, D := G(A, B) ∩ G(E, G). (2) Sei A, D, B gegeben. Sei E wie in (1), sei G := G(E, D)∩ Senkrechte zu CB durch B, F := Bild von G unter Spiegelung an B, C := G(E, F ) ∩ G(A, B). 4 G D C A B E F Nachweis der Beziehung der Teilungsverhältnisse: AE k BF für die Anwendung des 2. Strahlensatzes, und es gilt |CA| |CB| 2. Strahlensatz = |AE| |BF | Spiegelung = |AE| |BG| 2. Strahlensatz = |AD| . |DB| Zu (b): Vorbereitung: Um das Dreieck ∆ABC konstruieren zu können, müssen wir zunächst einmal g ≤ m zeigen: XZ sei eine Strecke der Länge a + b. Y liege auf XZ so, dass |XY | = a und |Y Z| = b sei. M sei der Mittelpunkt von XZ. K sei die Kreislinie um M mit Radius a+b . S sei einer der Schnittpunk2 te der Senktrechten zu XZ durch Y . Nach √ dem des Euklid gilt |SY | = ab √ Höhensatz ⇒ ab ≤ a+b und wir können beginnen. 2 S K X M a Y b Z Es gilt: ∆ABC ∼ ∆CBF B (]CBA = β = ]CBF, ]ACB = 90◦ = ]BF C) Also folgt: β √ 2ab h g g2 2g 2 2( ab)2 = ⇔h= = = = g m m 2m a+b 2 a+b 2 1 a+b 1 1 1 ⇔ = = + . h 2ab 2 b a 5 g h m F C A Ferner klar: h ≤ g. Bem.: Alle Strecken haben unabhängig von ihrer Bezeichnung in diesem Kontext positive Länge. Zu Aufgabe 4: Zeigen Sie die sogenannte projektive Form des Satzes von Desargues: Gegeben seien zwei Dreiecke ∆ABC und ∆A0 B 0 C 0 . Haben die drei Geraden AA0 , BB 0 und CC 0 einen gemeinsamen Schnittpunkt, so liegen die drei Schnittpunkte der Verlängerungen entsprechender Dreiecksseiten (AB mit A0 B 0 , AC mit A0 C 0 und BC mit B 0 C 0 ) auf einer Geraden. Lösung: O A A0 B B0 C C0 P Q R Vorbemerkung: Es kann immer angenommen werden, dass die gegebene Situation innerhalb einer Ebene die Projektion einer räumlichen Konstellation auf diese Ebene ist. (∆ABC und ∆A0 B 0 C 0 sollen dabei nichtparallele Ebenen definieren.) Es genügt also zu zeigen, dass der Satz richtig ist, wenn ∆ABC und ∆A0 B 0 C 0 nichtparallele Ebenen im Raum definieren. 6 Es ist also möglich, Folgendes anzunehmen: ∆A0 B 0 C 0 ∦ ∆ABC und alle sechs Dreiecksseiten sind paarweise nichtparallel. Bem.: (XY ) bezeichnet im Folgenden die Gerade durch X und Y . Beweis: Nach Voraussetzung schneiden sich (AA0 ) und (BB 0 ), nämlich in O. ⇒ A, A0 , B, B 0 liegen in einer Ebene E. ⇒∅= 6 (A0 B 0 ) ∩ (AB) =: P ∈ E. Beachte: P liegt in der durch ∆ABC definierten Ebene und in der durch AA0 B 0 C 0 definierten Ebene. ⇒ P liegt auf der Schnittgeraden dieser Ebenen. Analog zeigt man, dass auch Q und R auf dieser Schnittgeraden liegen. ⇒ P, Q, R kollinear. Alternative Lösung: Vorbereitung: Auf jeder hier betrachteten Geraden sei eine beliebige, aber im Folgenden feste Richtung als die positive Richtung ausgezeichnet. Auf diese Weise erbt auch jede Strecke auf einer dieser Geraden ein Vorzeichen und es gilt |XY | = −|Y X| für beliebige zwei Punkte X, Y auf einer solchen Geraden. Für drei kollineare Punkte X, Y , Z gilt: |XZ| > 0, Z ist innerer Punkte der Strecke XY Z liegt außerhalb der Strecke XY |ZY | < 0, Im Folgenden werde bezeichne auch XY die Länge |XY | der Strecke XY . Mit (XY ) sei die Gerade durch die Punkte X und Y bezeichnet. Lösung mit Hilfe von Menelaos: (Beachte, dass im Folgenden alle Strecken ein Vorzeichen besitzen, welches sich aber erst aus einer konkreten Situation ablesen lässt. Beispielsweise ist a priori nichts über die relative Lagen der kollinearen Punkte O, A, A0 bekannt. Auch können die Schnittpunkte der Dreieckseiten durchaus im Inneren einer oder beider beteiligter Seiten liegen. All dies beeinflusst die Formulierung des Beweises nicht und es ist keine Fallunterscheidung nötig.) Wir wollen: AR BP CQ · · = −1 RB P C QA Wir wissen: • ∆OAB ∩ A0 B 0 : AR BB 0 OA0 · · = −1 RB B 0 O A0 A AR B 0 O A0 A ⇔ =− · RB BB 0 OA0 7 • ∆OAC ∩ A0 C 0 : AQ CC 0 OA0 · · = −1 QC C 0 O A0 A ⇔ CQ CC 0 OA0 =− 0 · 0 QA C O AA (Beachte, dass der linke Bruch mit -1 erweitert wurde.) • ∆OBC ∩ B 0 C 0 : BP CC 0 OB 0 · · = −1 P C C 0O B0B BP C 0O B0B ⇔ =− · PC CC 0 OB 0 Damit folgt BP · CQ P C QA 0O B0B −C · 0 0 CC OB B0B A0 A − 0 0 OA OB B0O B0B · − BB 0 OB 0 AR RB = = = = 0 A0 A OA0 B0O − BB 0 BO − BB 0 · · · −1 8 0 O −C · CC 0 A0 A − OA0 A0 A OA0