10 Elektrostatik Warum dieser Frau und ihrem Kinde die Haare zu Berge stehen und warum sie bei Gewitter auch Buchen und nicht nur Eichen meiden sollten, erfahren Sie in diesem Kapitel. Quelle: www.technorama.ch 10.1 Elektrische Ladung Fährt man bei trockenem Wetter mit dem Auto und trägt dazu noch einen Baumwollpullover, so hat man gute Chancen, dass man beim Verlassen des Fahrzeugs einen elektrischen Schlag bekommt, wenn man den Türgriff anfasst. Zieht man im Winter den Pullover aus, unter dem man noch ein T-Shirt getragen hat, beobachtet man im abgedunkelten Raum während des Vorgangs kleine Blitze zwischen den beiden Kleidungsstücken. Solche Phänomene machen uns immer wieder darauf aufmerksam, dass jeder Körper enorme Mengen an elektrischer Ladung beherbergt. Elektrische Ladung ist untrennbar mit jeder Materie verbunden. Und nicht nur das: jeder Körper besitzt nicht nur eine unmenge an Ladung, normalerweise sind Körper auch noch elektrisch neutral. Das heisst, im Körper sind gleich viele negative wie positive Ladungen vorhanden. Von einem elektrisch geladenen Körper sprechen wir, wenn auf dem Körper ein Ungleichgewicht der beiden Ladungssorten herrscht. Zwei elektrisch geladene Körper treten miteinander in Wechselwirkung. Dies wollen wir anhand eines Experiments zeigen. Dazu hängen wir ein Holundermark Kügelchen an einem Nylonfaden auf. Anschliessend reiben wir einen Plexiglasstab an einem Fell und bringen ihn in die Nähe des Kügelchens. Es passiert zunächst nichts, bis eine Berührung stattfindet. Nach dieser wird das Kügelchen vom Plexiglasstab abgestossen. Was ist passiert? Durch das Reiben des Plexiglasstabes am Fell haben sich die Ladungen auf diesen beiden Objekten anders angeordnet. Nachdem die beiden Körper wieder getrennt wurden, blieb auf Plexiglasstab ein Überschuss der einen Ladung und auf dem Fell ein Überschuss der anderen Ladung zurück. Berührt man das Holundermark Kügelchen mit dem geladenen Plexiglasstab, so wandern offensichtlich Ladungen vom Plexiglasstab zum Kügelchen. Damit erhält das Holundermarkkügelchen die gleiche Ladung wie der Plexiglasstab. Da nun zwischen dem Kügelchen und dem Plexiglasstab eine abstossende Wirkung sichtbar ist, können wir feststellen, dass sich gleichnamige Ladungen offensichtlich abstossen. Nun reiben wir einen Kunsstoffstab am Fell und bringen diesen in die Nähe des noch geladenen Holundermark Kügelchens. Nun wird eine anziehende Kraft zwischen Kügelchen und Kunststoffstab sichtbar. Offensichtlich trägt der Kunsstoffstab nach dem Reiben am Fell nicht die gleiche Ladung wie der Plexiglasstab. Und offensichtlich wirkt zwischen diesen verschienenen Ladungstypen eine anziehende Wechselwirkung. Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 2 Für die beiden Ladungstypen haben sich die Namen Plus und Minus eingebürgert. Die Benennung geht auf Benjamin Franklin zurück und ist absolut willkürlich. Zuammenfassend kann man also sagen: gleichnamige Ladungen stossen sich ab ungleichnamige Ladungen ziehen sich an. 10.2 Geladene Körper Neutrale Körper Von einem neutralen Körper spricht man, wenn dieser gleich viele positive wie negative Ladungen auf sich vereinigt. Anders ausgedrückt: wenn in der betrachteten Anordnung die Summe von positiver Ladung gleich der Summe der negativen Ladungen ist. Positiv geladene Körper Ein positiv geladener Körper leidet unter einem Mangel an negativer Ladung. Die effektive Ladung ist positiv. Negativ geladene Körper Ein negativ geladener Körper besitzt einen Überschuss an negativer Ladung. Diese ist entstanden, indem man irgendwie negative Ladung auf den Körper aufbringt. Die effektive Ladung ist dann negativ. Isolatoren In Isolatoren sind die negativen Ladungen fest an die Atomrümpfe gebunden und nicht frei beweglich. Metalle Bei Metallen verhält es sich genau umgekehrt zu den Isolatoren. Die negativen Ladungen des Materials sind frei beweglich und können zur gerichteten Bewegung gebracht werden (elektrischer Strom). Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 3 10.3 Nachweis elektrischer Ladung mit dem Elektroskop 10.3.1 Wo sitzen elektrische Ladungen? Gleichnamige Ladungen stossen einander ab. Das bedeutet, dass gleichnamige Ladungen versuchen, den grössten möglichen Abstand voneinander einzunehmen. Dies hat Auswirkungen auf den Aufenthaltsort der Ladungen eines geladenen Körpers. 10.4 Ladung durch Influenz Die elektrische Ladungstrennung durch den Raum auf einem Gegenstand ohne dessen Berührung nennt man Influenz. Die Erde kann in den meisten Fällen als unendlich grosser Leiter angesehen werden. Berührt ein Leiter die Erde, so bezeichnet man ihn als geerdet. Man kann einen Leiter mit Hilfe der Erde durch elektrostatische Influenz aufladen, wie auf folgendem Bild gezeigt ist. Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 4 10.5 Das Gesetz von Charles Coulomb Charles Coulomb verwendete eine Torsions – Drehwaage, um die Kraft zwischen ruhenden elektrischen Ladungen zu untersuchen. Seine experimentellen Resultate führten zum Coulombschen Gesetz: F= 1 q1 q 2 . 4πε 0 r 2 Dabei sind q1 und q2 zwei punktförmige Ladungen, r der Abstand der beiden Ladungen und ε0 die sogenannte elektrische Feldkonstante: ε 0 = 8.854 ⋅ 10 −12 Charles Augustin de Coulomb (1736-1806) Quelle: www.wikipedia.org C2 . m2 N Ein Coulomb ist diejenige Ladung, die auf eine gleich grosse Ladung in einem Meter Abstand die Kraft vom Betrag 1 C2 = 8.998 ⋅ 10 9 N 2 4πε 0 m ausübt. Damit haben wir auch bereits die Einheit der elektrischen Ladung kennen gelernt: das Coulomb (C). Wir werden zur Bezeichnung von Ladungen den Buchstaben q oder Q verwenden. Torsionsdrehwaage Quelle: unbekannt 10.5.1 Das Unabhängigkeitsgesetz Sind mehr als zwei Ladungen beteiligt, gilt dieses Gesetz natürlich auch. Kräfte, welche zwei Ladungen auf eine dritte ausüben überlagern sich ungestört und können daher vektoriell zusammengesetzt werden, genauso wie beim Gravitationsgesetz. Dieser Sachverhalt ist auch unter der Bezeichnung Unabhängigkeitsgesetz bekannt. 10.6 Die Elementarladung e Versuche haben gezeigt, dass es eine kleinste Ladung gibt. Dieser Ladung sagt man Elementarladung. Ihr Wert beträgt e = 1.6·10-19 C. Jeder geladene Körper trägt ein ganzzahliges Vielfaches dieser Ladung, wobei auch negative Vorzeichen vorkommen können (Elektron). Die elektrische Ladung ist eine Erhaltungsgrösse. Innerhalb eines Systems bleibt die Gesamtsumme der Ladung konstant! Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 5 10.7 Das elektrische Feld einer Punktladung Die Kraft zwischen elektrischen Ladungen hängt, wie die zwischen Massen, explizit vom Abstand ab. Wie bei der Gravitation steht man vor dem Problem, wie denn die elektrostatische Kraft über grosse Entfernungen hin vermittelt wird. Dazu führt man das Konzept des Feldes ein (ganz analog zum Gravitationsfeld). Eine Ladung erzeugt ein elektrisches Feld E im ganzen Raum, und dieses Feld übt die elektrostatische Kraft auf eine zweite Ladung an deren Ort aus. Diese zweite Ladung q soll in der folgenden Betrachtung punktförmig und sehr klein sein (Probeladung), damit sie das Feld der ersten Ladung Q nicht beeinflusst. Damit wir die Wirkung der Ladung Q auf eine Weise beschreiben können, welche von der punktförmigen positiven Probeladung q unabhängig ist, definieren wir die elektrische Feldstärke E: F E= . q Dabei ist F die Kraft, welche von Q erzeugt auf die Ladung q im Punkt P wirkt. Berechnen wir einmal das elektrische Feld einer Ladung Q: 1 Q·q · F 4πε 0 r 2 1 Q E= = · = q q 4πε 0 r 2 Natürlich hat die Kraft auf die Probeladung q auch eine Richtung und dadurch hat auch das elektrostatische Feld eine Richtung: an jedem Punkt des Raumes kann man die Stärke und die Richtung des elektrischen Feldes angeben. Verbindet man alle diese Richtungen, so kommt man zum Konzept der Feldlinie: Das Bild links zeigt die Feldlinien einer positiven Ladung (Coulombfeld). Die Pfeile geben die Richtung an, in die eine positive Punktladung sich bewegen würde. elektrische Feldlinien entspringen also an positiven Ladungen. Bei negativen Ladungen zeigt das elektrostatische Feld stets auf die Ladung zu! Das elektrische Feld ist aber nicht nur ein theoretisches Konstrukt. Es kann sichtbar gemacht werden. Dazu taucht man Elektroden in Öl und gibt einige Grieskörner dazu. Unter dem Einfluss des elektrischen Feldes werden die Grieskörner polarisiert. Dadurch richten sie sich im elektrischen Feld aus und machen so die Feldlinien sichtbar. Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 6 10.8 Elektrische Felder spezieller Ladungsanordnungen (schematisch) 10.8.1 Das Dipolfeld (= Feld zweier entgegengesetzt gleicher Punktladungen) Dieses Feld entsteht durch ur die Überlagerung zweier Coulombfelder. Die Dipolfeldstärke E ergibt sich durch Vektoraddition der beiuur uur den Coulombfelstärken E+ und E− . 10.8.2 Das Feld einer geladenen Hohlkugel Wenn sich im Innern keine Ladung befindet, ist der Innenraum feldfrei. Ein solcher Raum heisst Faraday - Käfig Im Aussenraum ist das Feld radial, also ein Coulombfeld. Infolge der Abstossung verteilt sich die Ladung gleichmässig auf der Kugeloberfläche. 10.8.3 Das Feld einer geladenen Platte Abgesehen vonurden Rändern gilt in der Nähe einer ausgedehnten Platte E = konst, d.h. das Feld ist homogen. Das bedeutet, dass in der Nähe der Platte alle Feldlinien parallel zueinander stehen und dass die Feldliniendichte überall gleich ist. Die nebenstehende Skizze zeigt keine weit ausgedehnte Platte – deswegen sind die Randeffekte ebenfalls erkennbar. Man kann zeigen, dass die Feldstärke an der Oberfläche einer geladenen Platte EPlatte = Q 2ε 0 A ist. 10.8.4 Das Plattenkondensatorfeld (= Feld zweier entgegengesetzt gleich geladener paralleler Platten) Das Feld zwischen den Platten ist homogen! Es entsteht durch die Überlagerung zweier Plattenfelder, die sich im Aussenraum aufheben, im Innenraum aber verdoppeln. Der Betrag des elektrischen Feldes berechnet sich zu EPlattenkondensator = Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer Q . ε0 A 7 Merken Sie sich folgenden Sachverhalt Die Feldstärke E ist immer proportional zur felderzeugenden Ladung Q. 10.9 Die elektrische Spannung In einem elektrischen Feld erfährt eine elektrische Ladung (Probeladung q) eine Kraft Fel. Legt die Probeladung nun unter Wirkung der elektrischen Kraft einen Weg zurück, so wir an ihr eine Arbeit verrichtet; sie nimmt Energie auf. Beispiel: Eine an einem Isolierfaden aufgehängte, geladene Kugel wir im Feld des Plattenkondensators angetrieben. An ihr wird eine Arbeit verrichtet, sie gewinnt an kinetischer Energie. Beim Zusammenstoss mit der Platte wird sie umgeladen und in die andere Richtung beschleunigt. Definition Die elektrische Spannung UAB zwischen zwei Punkten A und B eines elektrischen Feldes ist der Quotient aus der Arbeit W AB, die an der Testladung q verrichtet wird, W wenn sich diese von A nach B verschiebt und der Ladung q selber: U AB = AB . Die q [W ] = J = W = V . Einheit der elektrischen Spannung ist das Volt: [U ] = [ q ] As A Anschaulich kann die Spannung U als Antrieb für Ladungen aufgefasst werden. Die Spannung ist also so etwas wie ein elektrischer Druck. Die Spannung UAB zwischen A und B ist von der Wahl des Weges unabhängig. 10.10 Die Energieeinheit Elektronenvolt eV Ein Teilchen der Elementarladung e = 1.6·10-19 As wird von A nach B verschoben. Dabei soll zwischen A und B eine Spannung von 1V anliegen. Also nimmt das Teilchen die Energie E = WAB = q·U AB = e·1V = 1eV = 1.6·10−19 AsV = 1.6·10−19 J Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 8 10.11 Das Potential Unter dem Potential ϕ eines Punktes versteht man dessen Spannung gegenüber einem willkürlich festgelegten Nullpunkt 0. In der Elektrotechnik wird als Nullpunkt meistens die Erde ( ) gewählt. Zusammenhang zwischen Spannung und Potential: Die Spannung zwischen zwei Punkten ist gleich der Differenz ihrer Potentiale. Spannung = Potentialdifferenz Zur Messung der Spannung wird das Voltmeter verwendet. Das Schaltzeichen sieht so aus: Aufgabe In den folgenden Schaltungen sind mehrere Spannungsquellen ( ) kombiniert. Bestimmen Sie die Potentiale der bezeichneten Punkte und die angezeigten Spannungen am Voltmeter: Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 9 10.12 Zusammenhang zwischen Feldstärke E und Spannung U im homogenen elektrischen Feld uur F elektrische Feldstärke E = el q W elektrische Spannung U = el q Im homogenen Feld eines Plattenkondensators (Plattenabstand s) wird die Testladung q längs einer Feldlinie von einer Platte auf die andere verschoben. Zwischen den Platten herrsche die Spannung U. Die Arbeit, welche dabei verrichtet wird, lässt sich auf zwei Arten berechnen: WAB = q·U oder WAB = F ·s = q·E ·s Gleichsetzen liefert U = E ·s . Diese Gleichung gilt für das homogene Feld! 10.13 Kondensator und Kapazität C Die Kondensatoren gehören zu den wichtigsten Bauelementen von Elektrogeräten. Sie dienen zur Ladungsspeicherung. Sie bestehen aus zwei voneinander isolierten Leitern, z.B zwei parallelen Platten = Plattenkondensator, zwei koaxialen Zylindern = Zylinderkondensator oder zwei konzentrischen Kugeln = Kugelkondensator. Versuche zeigen, dass für alle Kondensatoren die gespeicherte Ladung Q proportional zur angelegten Spannung U ist. Das heisst, es gilt C= Q . U C ist dabei der Proportionalitätsfaktor. Er hängt von der Geometrie und der Art des Isoliermaterials ab und heisst Kapazität des Kondensators. Die Kapazität stellt das Fassungsvermögen eines Kondensators für Ladungen dar. Die Einheit der Kapazität ist [Q ] As [C ] = = = F , [U ] V wobei F für Farad steht. Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 10 10.13.1 Der Plattenkondensator Zwischen den beiden Platten existiert ein homogenes elektrisches Feld, das sich auf zwei Arten berechnen lässt: E= U Q und E = s ε0 ·A Gleichsetzen der beiden Beziehungen liefert CPlattenkondensator = C PlKo = ε0 ·A . s Die Kapazität des Plattenkondensators ist der Plattenfläche A direkt und dem Plattenabstand s umgekehrt proportional. Der Proportionalitätsfaktor ist die elektrische Feldkonstante ε 0 , falls der Raum zwischen den Platten ein Vakuum oder mit Luft gefüllt ist. Werden andere Isoliermaterialien verwendet, so erhöht sich dadurch die Kapazität – der Proportionalitätsfaktor wird grösser als ε 0 . 10.13.2 Dielektrika Das elektrische Feld im Innern eines Plattenkondensators kann geschwächt werden, wenn man einen Isolator zwischen die Platten bringt. Dadurch steigt die Kapaziät des Kondensators an, weil der Quotient Q/U grösser wird (die Ladung bleibt unverändert). Weil man einen Isolator auch Dielektrikum nennt, nennt man den konstanten Faktor, um den sich die Kapazität erhöht auch Dielektrizitätszahl. Wie entsteht aber die Schwächung des elektrischen Feldes im Kondensator? Bringt man ein apolares Dielektrikum zwischen die Platten eines Kondensators, so wird es durch das herrschende Elektrische Feld polarisiert. Dabei verschieben sich die Ladungsschwerpunkte der Atome oder Moleküle im Dielektrikum gegeneinander. Im Innern des Dielektrikums heben sich die unterschiedlichen Ladungen gegeneinander auf. Auf der Oberfläche hingegen bildet sich eine Oberflächenladung, die ein elektrisches Feld erzeugt, das dem äusseren angelegten Feld entgegengerichtet ist und dieses somit schwächt. Dies ist in den nächsten Abbildungen gezeigt. Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 11 Wir bezeichnen das elektrische Feld im Kondensator ohne Dielektrikum mit E0. Es entsteht im Dielektrikum damit ein Feld der Stärke E= E0 . εr Dabei ist ε r die Dielektrizitätszahl des entsprechenden Materials. Für einen Plattenkondensator mit dem Plattenabstand d ergibt sich die Potentialdifferenz U somit zu U = E ·s = E0 ·s U 0 = . εr εr Die Kapazität des Plattenkondensators mit Dielektrikum ist damit C= Q Q Q oder einfach C = ε r ·C0 = =εr · U U0 U0 εr Die Grösse ε = ε r ·ε 0 nennt man Dielektrizitätskonstante oder Permitivität von Materie. Kantonsschule Soloturn, Reto Basler Stotzer 12