Physik im Strassenverkehr

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Strassenverk._dt_ 7.2.2000 9:09 Uhr Seite 1
Ib 9913
6. KURVEN
4. ABSTAND
Der Reaktionsweg wird von der Geschwindigkeit bestimmt (doppelte Geschwindigkeit =
doppelter Reaktionsweg). Ein Auffahrunfall ist
nur zu vermeiden, wenn der Abstand zum vorderen Fahrzeug grösser ist als die Strecke, die
das eigene Fahrzeug in der Reaktionszeit bei
gleich bleibender Geschwindigkeit zurücklegt.
Berücksichtigt man noch, dass das Aufleuchten der Bremslichter nicht in jedem Fall sofort
wahrgenommen wird und die Bremsen eine
kurze Zeit benötigen, bis sie voll ansprechen,
so ist von einer Strecke auszugehen, die grösser ist als der Reaktionsweg.
Beispiel:
Zwei mit 120 km/h hintereinander fahrende
Fahrzeuge sind mit einem Abstand von 1 Sekunde
unterwegs.
1 Sekunde
120 km/h
Leitet der Vorausfahrende eine Vollbremsung
ein und der an zweiter Stelle fahrende Lenker
reagiert nach 2 Sekunden, so kommt es zur
Kollision. Die Aufprallgeschwindigkeit beträgt
bei nasser Fahrbahn (µR = 0.6) 71 km/h und bei
trockener Fahrbahn (µR = 0.75) sogar 80 km/h.
Beim Befahren einer Kurve wirkt auf das Fahrzeug eine Fliehkraft (Zentrifugalkraft).
Sie ist umso grösser, je höher die Geschwindigkeit und je enger der Kurvenradius sind.
Ist die Zentrifugalkraft grösser als die zur Verfügung stehende Seitenführungskraft,
kommt das Fahrzeug an der Vorder- und Hinterachse ins Rutschen.
5. ÜBERHOLEN
Das Überholen anderer Fahrzeuge gehört zu den gefährlichsten Fahrmanövern.
Ursache für Unfälle ist die Fehleinschätzung der Geschwindigkeiten und Entfernungen
anderer Fahrzeuge und die Unterschätzung der Wegstrecke, die nötig ist, um an einem
langsameren Fahrzeug vorbeizukommen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Überholzeit (Beginn Ausbiegen bis Ende Einbiegen)
praktisch unabhängig von der Geschwindigkeit
ist. Berücksichtigt man einen gewissen Sicherheitsabstand (ca. 2 Sekunden), so ist in der
Regel von einer Überholzeit von 12 Sekunden
auszugehen. Da der Gegenverkehr ebenfalls
mit einer bestimmten Geschwindigkeit herannaht, muss die Sichtweite das Doppelte der
notwendigen Überholstrecke betragen.
Beim Befahren einer Kurve erfährt das
Fahrzeug eine Kraft nach aussen, die so genannte Zentrifugalkraft. Die Seitenführungskraft wirkt dieser entgegen und verhindert –
solange sie grösser ist als die Zentrifugalkraft
– ein Ausbrechen des Fahrzeugs. Die einzige
beeinflussbare Grösse zur Veränderung der auf
das Fahrzeug wirkenden Kraft ist die
Geschwindigkeit – bei doppelter Geschwindigkeit vervierfacht sich die Fliehkraft. Schon eine
geringfügig überhöhte Geschwindigkeit kann
deshalb zum Abkommen von der Fahrbahn
genügen.
Beispiel:
Zum Überholen eines mit 60 km/h fahrenden
Fahrzeugs werden rund 270 m benötigt.
Um sicher überholen zu können, müssen also
mindestens 540 m (= 2 x 270 m) frei einsehbar
sein.
Beispiel: Querbeschleunigung in Kurven
Der Durchschnittsfahrer hat Erfahrungen mit
Querbeschleunigungen von etwa 4 m/s2. Ab
Beschleunigungen von ca. 6.5 m/s2 kann das
Fahrzeug nicht mehr sicher durch eine Kurve
gelenkt werden, das heisst, eine Kurve mit
einem Radius von 50 m lässt eine Geschwindigkeit von 64 km/h zu. Bereits Tempo 65
km/h führt zum Abkommen von der Fahrbahn.
Physik im
Strassenverkehr
Merke:
Rechtzeitig vor der Kurve abbremsen!
Die Geschwindigkeit vor der Kurve
den Verhältnissen anpassen (Radius,
Strassenzustand)!
Merke:
Der Geschwindigkeitsunterschied soll beim
Überholen 20–40 km/h betragen!
Die Sichtweite muss mindestens das Doppelte
der benötigten Überholstrecke betragen!
Im Zweifelsfall: nicht überholen!
Merke:
Sicherheitsabstand = halbe Geschwindigkeit:
Dies entspricht etwa einem Abstand von 2 Sekunden
zum vorderen Fahrzeug.
Bei ungünstigen Bedingungen (schlechte Sicht,
Nebel etc.) ist der Abstand zu vergrössern:
Sicherheitsabstand = Geschwindigkeit.
Zentrifugalkraft
bzw. Fliehkraft
Fz =
m . v2
r
v2
Zentrifugalbeschleunigung
a =
bzw. Querbeschleunigung z
r
FZ Zentrifugalkraft bzw. Fliehkraft [N =
m
v
r
az
Masse des Fahrzeuges
Geschwindigkeit
Kurvenradius
Zentrifugalbeschleunigung
bzw. Querbeschleunigung
kg . m
]
s2
[kg]
[m/s]
[m]
[m/s2]
Die Physik überlisten? Das hat nicht mal Einstein geschafft!
©
Überholsichtweite sw =
Überholstrecke
sü =
2 . tü . v ü
tü . v ü
sü
sw
tü
vü
Überholstrecke
Überholsichtweite
Überholzeit
Überholgeschwindigkeit
[m]
[m]
[s] (≈ 12 s)
[km/h]
Abdruck unter Quellenangabe erwünscht
bfu
Laupenstrasse 11 ● Postfach ● CH-3001 Bern
Tel. 031 390 22 22 ● Fax 031 390 22 30
www.bfu.ch
10.1999/1
Ein wichtiger Aspekt beim Thema Geschwindigkeit ist der Abstand zwischen den
Fahrzeugen. Dieser Abstand muss so gross sein, dass das Fahrzeug auch dann noch rechtzeitig zum Stehen gebracht werden kann, wenn der Voranfahrende plötzlich stark bremst.
Da der Anhalteweg von der Geschwindigkeit abhängt, muss auch der Sicherheitsabstand
entsprechend der Geschwindigkeit gewählt werden.
Strassenverk._dt_ 7.2.2000 9:12 Uhr Seite 2
3. ANHALTEWEG
Geschwindigkeit [km/h]
30
TRÄGHEIT
Das Trägheitsgesetz besagt, dass sich ein
Körper solange geradeaus fortbewegt, bis
zusätzliche Kräfte auf ihn einwirken. Ein nicht
angegurteter Autofahrer wird deshalb bei
einem Aufprall ungebremst gegen Armaturenbrett und Windschutzscheibe geschleudert. Ist
er angegurtet, wird die Bewegungsenergie des
menschlichen Körpers über den Sicherheitsgurt und die Knautschzone abgebaut.
8.3
50
13.9
80
22.2
100
27.8
33.3
120
0
5
10 15
20 25
30 35
Zurückgelegter Weg pro Sekunde [m]
So entspricht z. B. die Wucht des Aufpralls bei
nur 30 km/h ungefähr dem 20fachen des
Körpergewichts des Automobilisten (ca. 1500
kg). Solche Kräfte können mit den Armen
nicht aufgefangen werden. Die weltbesten
Gewichtheber stemmen höchstens 260 kg.
Das Tragen eines Sicherheitsgurts erhöht bei
einer Kollision die Überlebenschancen der
Autoinsassen beträchtlich. Ca. 50 % der nicht
angegurteten und tödlich verletzten Personen
könnten noch leben, wenn sie den Sicherheitsgurt getragen hätten.
ZUSAMMENHANG ZWISCHEN
GESCHWINDIGKEIT UND FALLHÖHE
(POTENZIELLE ENERGIE):
Geschwindigkeit
und Fallhöhe
Entspricht einem
Sturz aus dem
80 km/h = 25.2 m
9. Stock
8. Stock
7. Stock
6. Stock
5. Stock
4. Stock
3. Stock
2. Stock
1. Stock
Parterre
50 km/h = 9.8 m
30 km/h = 3.5 m
100
2. KONTAKT REIFEN/FAHRBAHN
Voraussetzung für das Beschleunigen, das Bremsen und auch das Lenken ist die
Übertragung der erzeugten Kräfte von den Reifen auf die Fahrbahn. Möglich ist dies aufgrund der Reibung, die zwischen Reifen und Fahrbahnoberfläche auftritt. Das Ausmass der
Reibungskraft ist primär abhängig von der Oberflächenbeschaffenheit der Reifen und
der Fahrbahn, der Radlast sowie der Geschwindigkeit.
80
60
40
20
0
20
30
40
50
60
70
80
Aufprallgeschwindigkeit des Fahrzeugs [km/h]
Das physikalische Mass für die Qualität der
Kraftübertragung zwischen der Fahrbahn- und
Reifenoberfläche ist eine Verhältniszahl, die so
genannte Gleitreibungszahl µR (oder Reibbeiwert). Je glatter die Fahrbahn und je schlechter der Reifenzustand (Profil, Luftdruck) bzw.
je niedriger die auf den Reifen wirkende
Radlast, desto kleiner ist die übertragene
Kraft. Zudem wirkt sich die Geschwindigkeit
des Fahrzeugs aus. Das heisst, dass auch unter
idealen Fahrbahnbedingungen und bei optimalem
Reifenzustand die Fahrbefehle (beschleunigen,
bremsen, lenken) mit steigender Geschwindigkeit schlechter auf die Fahrbahn übertragen
werden.
Beispiel:
Die Fahrgeschwindigkeit hat bei Nässe einen
grossen Einfluss auf die Bremsverzögerung.
Mit zunehmender Geschwindigkeit verschlechtert sich der Kontakt zwischen Reifen und
Fahrbahn. Versuche haben ergeben, dass bei
5 mm Profiltiefe – halb abgefahrenes Profil –
und 2 mm Wasserfilmhöhe (geschlossener
Wasserfilm) die Bremsverzögerung von 6.5
m/s2 bei 60 km/h auf 4.2 m/s2 bei 80 km/h bzw.
auf 0.5 m/s2 bei 120 km/h (Aquaplaning) absinken kann. Das heisst, bei gleichartigen Strassenverhältnissen kann sich die Bremsverzögerung
bei Verdoppelung der Geschwindigkeit bis zum
15fachen verkleinern und der Bremsweg entsprechend verlängern.
Merke:
Geschwindigkeit den Verhältnissen
anpassen!
Genügend Zeit für die Fahrt einplanen!
«Klick» vor jedem Start!
s
–
t
Geschwindigkeit
v=
Geschwindigkeit in [m/s] =
Geschwindigkeit in [km/h]
3.6
Kinetische Energie
v Geschwindigkeit [m/s]
s Weg
[m]
t Zeit
[s]
Ekin =
m
– . v2
2
Potenzielle Energie Epot = m . g . h
Ekin
Epot
m
v
h
g
Kinetische Energie
Potenzielle Energie
Masse
Geschwindigkeit
Höhe über Boden
Erdbeschleunigung
[Joule]
[Joule]
[kg]
[m/s]
[m]
[9.81m/s2]
Merke:
Der Weg, den ein Fahrzeug zurücklegt um zum Halten zu kommen, lässt sich unterteilen in den Reaktionsweg und den Bremsweg. Der Reaktionsweg ist die Strecke, die
das Fahrzeug vom Erkennen der Gefahr bis zur Betätigung der Bremse zurücklegt. Die Länge
dieses Weges ist abhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeuges und der Reaktionszeit
des Lenkers. In der Regel beträgt die Reaktionszeit ca. 1 bis 2 Sekunden. Um zum Stehen zu
kommen, muss man das Fahrzeug verzögern. Unter Bremsweg versteht man die Strecke,
die ein Fahrzeug vom Beginn der Verzögerung bis zum Stillstand zurücklegt.
Beispiel: Dort, wo ein mit 50
km/h auf trockener Fahrbahn
fahrendes Auto nach einer
Vollbremsung stillsteht, hat ein
Fahrzeug, dessen Lenker am
gleichen Ort gleich schnell reagiert, aber mit 60 km/h fährt,
noch immer eine Geschwindigkeit von mehr als 40 km/h.
30
40
50
60
70
80
Regelmässig Luftdruck kontrollieren und
Reifen nach Herstellerangaben aufpumpen!
Keine abgefahrenen Reifen verwenden
(Profiltiefe über 1.6 mm)!
Tempo den Witterungsverhältnissen
anpassen!
ANHALTEWEG BEI VERSCHIEDENEN GESCHWINDIGKEITEN:
Geschwindigkeit Reaktionsweg
(Reaktionszeit = 1s)
30 km/h
50 km/h
80 km/h
100 km/h
120 km/h
8m
14 m
22 m
28 m
33 m
Bremsweg
trocken nass
8
trocken nass
eisig
5 m
13 m
34 m
52 m
76 m
6 m
16 m
42 m
66 m
94 m
13 m
27 m
56 m
80 m
109 m
43 m
112 m
274 m
421 m
599 m
35 m
98 m
252 m
399 m
566 m
14 m
30 m
64 m
94 m
127 m
Der Anhalteweg wird vor allem
von zwei Faktoren bestimmt:
●
von der Geschwindigkeit –
doppelte Geschwindigkeit
bedeutet vierfacher Bremsweg.
●
vom Strassenzustand –
bei Nässe ist der Bremsweg
etwa 25 % länger als auf
trockener Strasse, bei Schnee
und Eis kann er sich um das
Achtfache verlängern.
8
14
(= Reaktionsweg + Bremsweg)
(µR = 0.6) (µR = 0.1)
5
11
Anhalteweg
eisig
(µR = 0.75)
ANHALTEWEG BEI VERSCHIEDENEN GESCHWINDIGKEITEN AUF
TROCKENER FAHRBAHN:
Geschwindigkeit [km/h]
GESCHWINDIGKEIT
Physikalisch ist die Geschwindigkeit als Weg
pro Zeit definiert. Im Strassenverkehr wird sie
meist in Kilometern pro Stunde angegeben.
Welcher Weg in einer Sekunde bei der jeweiligen Geschwindigkeit in km/h zurückgelegt
wird, zeigt folgende Darstellung.
WAHRSCHEINLICHKEIT ALS FUSSGÄNGER BEI
EINER KOLLISION MIT EINEM PERSONENWAGEN
GETÖTET ZU WERDEN:
Wahrscheinlichkeit [%]
1. DIE GRUNDGRÖSSEN
ENERGIE
Jedem bewegten Körper wohnt kinetische
Energie inne. Sie steigt mit zunehmender
Geschwindigkeit quadratisch an: Doppelte
Geschwindigkeit bedeutet vierfache Energie –
bildhaft dargestellt vierfache Fallhöhe.
Die Grösse der Energie ist bei einem Aufprall
entscheidend für die Unfallfolgen.
13
19
17
19
26
22
0
10
Anhalteweg [m]
34
20
30
40
Reaktionsweg
Reaktionsweg
sr =
v . tr
Bremsweg
sb =
v2
2 . g . µR
sr
sb
v
tr
g
µR
50
60
Bremsweg
Reaktionsweg
[m]
Bremsweg
[m]
Geschwindigkeit
[m/s]
Reaktionszeit
[s] i.d.R. 1 bis 2 Sek.
Erdbeschleunigung [9.81 m/s2]
Gleitreibungszahl [–] i.d.R.
trocken = 0.7–0.8 / nass = 0.55–0.65 /
eisig = 0.05–0.15
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