Möglichkeiten und Grenzen petrophysikalischer NMR

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Möglichkeiten und Grenzen petrophysikalischer NMR Anwendungen
Frank Stallmach, Universität Leipzig, Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Tel: (0341) 9732 518,
Linnéstraße 5, 04103 Leipzig, E-Mail: [email protected]
1. Einleitung
Die magnetische Kernspinresonanz (nuclear magnetic resonance: NMR) hat sich in den letzten zehn
Jahren zu einem anerkannten Verfahren zur petrophysikalischen Charakterisierung von
Fluidlagerstätten entwickelt. Entscheidenden Anteil daran haben die mittlerweile kommerziell
angebotenen NMR-Bohrlochmessungen zur Untersuchungen von Erdöl- und Erdgaslagerstätten [1,
2] und erfolgreiche Erkundungen von Grundwasserleitern mittels NMR-Oberflächensondierungen
[3]. Gleichzeitig und in Ergänzung zu diesen neuen in-situ Meßverfahren haben sich NMRUntersuchungen an Bohrkernen im Labor [4-8] etabliert. Aktuelle Forschungen konzentrieren sich
dazu insbesondere auf ortsaufgelöste NMR-Messungen unter Einsatz des MRI (magnetic resonance
imaging) und der PFG NMR (pulsed field gradient NMR), mit denen zerstörungsfrei Informationen
über die räumliche Verteilung [6-8] bzw. den Stofftransport [8, 9] der Porenraumfluide im Bohrkern
gewonnen werden können.
In diesem Beitrag werden die Informationen, die aus NMR-Messungen an Gesteinsproben bestimmt
werden, sowie einige wichtige NMR-Meßverfahren vorgestellt. Die petro-physikalische
Interpretation von Relaxationszeitmessungen wird am Beispiel eines fluidgesättigten Sandsteins
umrissen. Der Literaturteil bietet eine Zusammenstellung neuerer Übersichtsartikel, welche die Vielfalt
aber auch die gegenwärtigen Grenzen der NMR-Anwendungen in der Gesteinsphysik
dokumentieren und als Grundlage für die Einarbeitung in diese Thematik dienen können.
2. Grundlagen der petrophysikalischen Interpretation von NMR-Messungen
NMR-Untersuchungen an porösen Gesteinen erfolgen bisher meist unter Nutzung der Kernspins des
Wasserstoffs (1H) der Porenraumfluide. In einem äußeren Magnetfeld B(r,t) unterliegen die
magnetischen Momente dieser Kernspins der Larmorpräzession ω (r,t)
ω (r,t) = -γ B(r,t)
(1)
wobei γ das gyromagnetische Verhältnis der beobachteten Kernspins ist (1H: γ = 2.67×108 (Ts)-1).
Die Beziehung (1) nutzt man u.a. im Kernspin-Magnetometer aus, um das Magnetfeld der Erde
auszumessen. Bei in-situ und Laboruntersuchungen an Gesteinen beobachtet man dagegen die
Zeitabhängigkeit der makroskopischen Magnetisierung M(t), die sich aus der Überlagerung aller
magnetischen Momente der 1H-Kerne der Porenraumfluide bildet.
Im NMR-Spektrometer wird ein Meßsignal nachgewiesen, das proportional zu M(t) ist. Daraus
lassen sich die Gleichgewichtsmagnetisierung M 0 , die ein Maß für die Anzahl der Kernspins in der
Probe ist, die Resonanzfrequenz ω , die vom lokalen Magnetfeld und der Zusammensetzung des
Porenraumfluids bestimmt wird, sowie die longitudinale (T1) und die transversale (T2) Relaxationszeit,
die beide u.a. von den Wechselwirkungen der Kernspins mit der Gesteinswand abhängen,
bestimmen. Aus welchen dieser NMR-Meßgrößen sich spezifische Eigenschaften der
Porenraumfluide bzw. der Gesteine ableiten lassen, ist in der Abbildung 1 dargestellt.
Abb. 1: Zusammenhang zwischen den Parametern des 1H-NMR-Meßsignals und den Porenraumeigenschaften
1 H-NMR-Signal:
poröses Gestein
Matrix
•Intensität (M 0):
Porosität, Sättigung
•Relaxationszeit (T 1 und T2 ):
Porengrößenverteilung
Fluidsorte, Viskosität
Benetzungseigenschaften
Porenraumfluide
Wasser
Erdöl
Erdgas
•Frequenz (chem. Verschiebung):
Fluidsorte
Schadstoffe
•Intensität, Phase in der PFG-NMR:
Diffusion und Strömung
der Gesteine bzw. den Eigenschaften der Fluide.
3. Wichtige NMR-Experimente für die Petrophysik
Ein NMR-Experiment zur Messung der oben aufgeführten Parameter besteht immer aus einem
Hochfrequenz- (HF-) Impuls zur Anregung des Kernspinsystems, Zeitdelays, weiteren HF-Impulsen
und eventuell Feldgradientenimpulsen (erforderlich für MRI und PFG NMR) zur Manipulation des
Kernspinsystems 90°
und schließlich aus der Detektion der makroskopischen
Magnetisierung der
M(ω): NMRa)
FT
Porenraumfluide. Man kann
Elemente ein für die jeweilige
M(t) sich aus der Kombination dieser einzelnenSpektrum
petrophysikalische Fragestellung
optimales NMR-Experiment, eine sog. Impulsfolge, konstruieren. In
t
Abb. 2 sind beispielhaft
NMR-Impulsfolgen
dargestellt. Die Impulsfolge a) dient zur Messung
90° 180° vier
180°
180°
M (t )
t
=
p (T2Magnetisierung.
)
b)
∑
i ) ⋅ exp( −
der freien Induktion
(free induction decay: FID)
der
Sie wird zur Bestimmung der
M0
T2 i
i
T2-RelaxationsFrequenzverteilung (des Spektrums) des NMR-Signals verwendet. zeitverteilung
Die Impulsfolge b) ist die sog.
p(T ):
t
τ
CPMG-Impulsfolge, mit der die T2-Relaxationszeit gemessen wird. Sie2i wird standardmäßig bei
90°
180°
Relaxationszeituntersuchungen
anM(g,τ,
Bohrkernen
t)
und beim NMR-Logging verwendet und dient der
c) g
y
M(r,τ):
g
g
2d-FT der
x
x
Bestimmung der Porenradienverteilung bzw.
qualitativen
Einschätzung von
NMR-Bild
Benetzungsphänomenen (siehe
Punkt 4). Die
Spin-Echo-Impulsfolge c) ist ein einfaches MRIt
τ
Experiment, mit dem man 2-dimensionale Porositäts- und Sättigungsverteilungen bestimmen kann.
M ( gδ , ∆, t)
r
r r
= exp[
−( γδg ) 2 D∆Transporterscheinungen
] exp[− i(γδ g ) v ∆]
Mit der PFG-NMR-Impulsfolge
d)M werden
dagegen
der Porenraumfluide,
d) 90°
180°
(t )
δ
die in der Zeit zwischeng den Feldgradientenimpulsen ablaufen, quantitativ
erfaßt.
Stofftransport:
Diffusionszeit ∆
t
Diffusion D
Strömung v
17
Abb. 2: Zeitlicher Ablauf von NMR-Experimenten bestehend aus HF-Impulsen (grau), Feldgradientenimpulsen
(gestreift) und dem Meßsignal M (t ) : a) FID für NMR-Spektroskopie,
b) CPMG-NMR für T2Relaxationszeitmessungen, c) 2d Spin-Echo-MRI für ortsaufgelöste Messungen und d) PFG NMR für Diffusionsund Strömungsmessungen.
4. Ein Beispiel: Messung von Porenradienverteilung und Benetzungen
Die Relaxation der makroskopischen Magnetisierung von Fluiden im Gestein wird durch
Wechselwirkungen der Kernspins mit der Porenwand beschleunigt. Für nicht zu große Poren findet
man, daß die Relaxationszeiten proportional zum Volumen-zu-Oberflächen-Verhältnis Vj/Sj der
betrachteten j-ten Pore sind. Die transversale Relaxation für ein Fluid im Gestein, das eine
Porenradienverteilung p(rj) und damit auch eine Verteilung des Volumen-zu-OberflächenVerhältnisses der Poren aufweist, lautet:
 t 
M (t ) = M 0 ∑ p (T2 j ) ⋅ exp  −

j
 T2 j 
mit
T2 j =
1 Vj
1
∝
r .
ρ2 S j
ρ2 j
(2)
p(T2j) ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Fluidmolekül die Relaxationszeit T2j hat und sich somit in
einer Pore vom Radius rj befindet. Sie ist die Relaxationszeitverteilung und entspricht bei
vollständiger Sättigung mit einer Fluidsorte bis auf die Oberflächenrelaxivität
ρ2 der
Porenradienverteilung des Gesteins.
Abb. 3 zeigt die Relaxationszeitverteilungen für einen Sandstein, die mit der CPMG-NMRImpulsfolge in drei verschiedenen Sättigungszuständen gemessen wurden. Die Kurve bei 100%
Wassersättigung ist ein Maß für die Porenradienverteilung. Nach dem Zentrifugieren in Luft bzw. in
Dekan erscheinen das Haftwasser bzw. das Restwasser bei deutlich kürzeren Relaxationszeiten als
das freie Wasser. Das entspricht der Vorstellung, daß sich diese Fluidanteile in engen Kapillaren
oder direkt an der Porenwand befinden. Das Dekan im Gestein wird dagegen nicht in seiner
Relaxationszeit verkürzt. Offensichtlich unterliegt es nicht der Wechselwirkung mit der Wand. Dekan
kann folglich dieses Gestein nicht benetzen.
18
20
100% Wasser
Haftwasser
Dekan/Restwasser
α x p(T2)
15
10
5
0
0.001
0.01
0.1
T2 / s
1
Dekan
10
Wasser
Abb. 3: T2-Relaxationszeitverteilungen eines Sandsteins aus einer Erdöllagerstätte bei vollständiger
Wassersättigung, nach Zentrifugieren in Luft (Haftwasser) und in Dekan. Die T2-Relaxationszeiten des freien
Wassers (2,7 s) und des freien Dekans (1,3 s) sind als Pfeile an der Abszisse zum Vergleich mit angegeben [6].
Die Ordinate ist so skaliert, daß die Fläche unter der Kurve des wassergesättigten Gesteins der Porosität in %
entspricht.
5. Literaturübersicht
1. R.L. Kleinberg, „Well Logging“, Encyclopedia of Nuclear Magnetic Resonance, Band 5, Edt.
D.M. Grant and R.K. Harris, 4960 (1996)
2. Artikelserien in The Log Analyst: Band 37 (6), 1996 und Band 38 (2), 1997
3. A.V. Legchenko und O.A. Shushakov, Geophysics 63, 75 (1998)
4. W.E. Kenyon, Nucl. Geophys. 6, 153 (1992)
5. C. Staley, D. Rossini, H. Vinegar, P. Tutunjian und C. Morriss, „Core Analysis by Low field
NMR“, paper SCA-9406, Society of Core Analysts (1994)
6. F. Stallmach, „Möglichkeiten und Grenzen der NMR zur petrophysikalischen
Charakterisierung
von
Lagerstättengesteinen“,
DGMK-Tagungsbericht
9901,
Frühjahrstagung des Fachbereichs Aufsuchung und Gewinnung, Celle 1999, S. 373 (1999)
7. P. Packer, „Oil Reservoir Rocks Examined by MRI“, Encyclopedia of Nuclear Magnetic
Resonance, Band 5, Edt. D.M. Grant and R.K. Harris, 3376 (1996)
8. Siehe „Proceedings of the International Meetings on Recent Advances in MR Applications
to Porous Media", Journal of Magnetic Resonance Imaging: Band 9 (2),1991; Band 12
(2),1994 und Band 15 (4), 1997
9. F. Stallmach und J. Kärger, Adsorption, 5, 117 (1999)
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