Unser Kind hat AGS Eine Patientenbroschüre für betroffene Eltern, Verwandte und Freunde AGS-Eltern- und Patienteninitiative Schweiz 1. Herausgegeben von Brigitte Wyniger Präsidentin der AGS- Eltern- und Patienteninitiative Schweiz Auflage Inhalt Seite 1 Vorwort Seite 2 Grundlagen Geschichtlicher Hintergrund Was ist ein Adrenogenitales Syndrom (AGS) In welchen verschiedenen Formen tritt AGS auf? Was läuft im Körper bei „AGS“ anders ab? Welchen Einfluss hat AGS auf die vorgeburtliche Entwicklung des Kindes? Wann tritt „AGS“ auf? Seite 11 Das Neugeborenenscreening Seite 12 Therapie Welche Folgen wären für das unbehandelte Kind zu erwarten? Warum muss mein AGSKind mit Cortisol behandelt werden? Wie lange müssen die Tabletten genommen werden? Wie wird die Einstellung der Hormonbehandlung überwacht? Seite 17 Wichtige Hinweise Welche Impfungen sind möglich und notwendig? Darf man mit einem AGSKind ins Ausland reisen? Seite 18 AGSMädchen Welche Operationen sind bei AGSMädchen zur Behebung der Genitalveränderungen notwendig? Wann erfolgen die notwendigen Operationen? Seite 19 Vorgeburtlichen Diagnostik und Therapie Seite 23 AGSKnaben TART (testikuläre adrenale Resttumore) Seite 24 Lebensqualität / Psychologische Betreuung Wie wird sich mein Kind unter der Therapie körperlich entwickeln? Welche Folgen hat AGS für die psychische Entwicklung meines Kindes? Was soll man dem Kind über seine Krankheit erzählen Seite 30 Empfohlene Link Seite 32 Lexikon der medizinischen Ausdrücke -1- -2- Vorwort Grundlagen Liebe Eltern, Verwandte und Freunde von Betroffenen Geschichtlicher Hintergrund Es ist mir ein Anliegen, dass die Krankheit „Adrenogenitales Syndrom“ für Sie gut verständlich wird, dass ein offener Umgang mit der Krankheit „AGS“ möglich ist und die Angst um die Zukunft für das Kind genommen werden kann. Deshalb habe ich dieses kleine Nachschlagewerk für Sie erstellt. Die Grundlage dafür gab mir das Informationsheft „Unser Kind hat AGS“, erstellt ca. 1970, von der endokrinologischen Abteilung der Universitäts-Kinderklinik München, damals unter der Leitung von Professor Dr. med. D. Knorr. Er hat mir die Broschüre vor einigen Jahren persönlich überreicht und ich fand die Idee und die inhaltliche Gestaltung so gut, dass ich es nun in einer überarbeiteten Form für die Betroffenen in der Schweiz neu auflege. Auszugsweise verwendete ich auch den Inhalt aus der neu überarbeiten AGS-Informationsbroschüre der Eltern-und Patienteninitiative Deutschland sowie Bilder und Inhalt aus der Homepage www.ags-initiative.ch . Eine Herzensangelegenheit ist mir, dass eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Eltern, Patienten und dem Arzt stattfindet. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Kindes und einer guten Lebensqualität bis ins hohe Alter. Ich hoffe, dass diese Broschüre Ihnen und Ihrem Umfeld eine Hilfe sein kann, um die Herausforderung dieser Krankheit annehmen zu können. Dies wünscht Ihnen Brigitte Wyniger Präsidentin der AGS- Eltern- und Patienteninitiative Schweiz Die ersten klinisch pathologischen Fallbeschreibungen, welche man dem adrenogenitalen Syndrom (AGS) zuordnen kann, stammen von Rudolf Virchow (1852) und vom Giuseppe De Crecchio (1865). 1852 wurde der Physikalischen - Medizinischen Gesellschaft in Würzburg ein Fall vorgetragen, bei dem ein weiblicher Pseudohermaphroditismus beschrieben wurde. Giuseppe de Crecchio, Anatom an der königlichen Universität in Neapel beschrieb 13 Jahre später dasselbe Syndrom. Der Nachweis erhöhter 17-Ketosteroid-Werte im Urin gelang Wilhelm Zimmermann 1935. Lawson Wilkins (amerikanischer Pionier der pädiatrischen Endokrinologie) und seine Mitarbeiter beobachteten 1950, dass die beim Adrenogenitalen Syndrom stark erhöhten 17- Ketosteroide unter einer Behandlung mit dem eben erst entdeckten Cortison erstaunlicherweise zur Norm abfallen. Das war die Geburtstunde der aetiologischen (auf die Ursache gerichtet) AGS-Therapie. In den folgenden Jahren klärten Walter Eberlein und Alfred Bongiovanni die verschiedenen Enzymdefekte des Adrenogenitalen Syndrom auf. Andrea Prader führte 1954 sein fünfstufiges Schema der vorgeburtlichen Virilisierung des äusseren Genitale ein, welches bis heute weltweit Gültigkeit hat. -3- -4- Jürgen Bierich gab 1958 und 1960 eine umfassende Darstellung aller damals bekannten Daten des Adrenogenitalen Syndroms. Der zweithäufigste Defekt mit ähnlichem AGS Profil, aber ohne Mineralcorticoid Mangel wird durch 11-Hydroxylase-Mangel (CYP11B1) verursacht. Im Gegensatz dazu können sich andere Enzymdefekte auch klinisch verschieden manifestieren, z.B. fehlende Virilisierung eines „eigentlichen Knaben“ mit Cortisol- und Sexualhormonmangel bei CYP17A1 Gendefekt. B. Dupont konnte dann 1977 den Genort des defekten 21-Hydroxylase-Enzyms auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 lokalisieren und Y. Higashi gelang 1986 die Sequenzierung des C21A2-Gens. 1984 wurde der erste Fall einer erfolgreichen pränatalen Therapie bei AGS publiziert (M.Forest). Was ist ein Adrenogenitales Syndrom (AGS)? Zur Vereinfachung bezieht sich aber diese Broschüre im weiteren ausschliesslich auf AGS bei 21-Hydroxylase-Mangel CYP21A2 Gendefekt. Dieser Name setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen: „ad reno“ - bei der Niere, bezeichnet den Sitz der Störung, die Hormondrüse „Nebenniere“. Nebenniere auf lateinisch „glandula adrenalis“ ist eine kleine Drüse, die oberhalb, neben der Niere liegt und lebenswichtige Hormone produziert. „genital “- weist auf die Auswirkungen der Krankheit auf das äussere Genital hin. „Syndrom“ bedeutet ungefähr „Summe von Krankheitszeichen“. Das Adrenogenitale Syndrom ist eine angeborene Stoffwechselstörung der Nebennierenrinde. Im engeren Sinne wird sie durch einen Gendefekt im CYP21A2 Gen verursacht, der eine Verminderung der 21-Hydroxylase Aktivität nach sich zieht für die Mineralocorticoid)- und Glucocorticoid-Biosynthese. Entsprechend betrifft die Störung die Herstellung von Cortisol und von Aldosteron (vgl. Abb. Seite 4) Allerdings sei zu bemerken, dass in seltenen Fällen (meist seltener als 1:100‘000) auch andere Gene/Enzyme einen angeborenen Schaden aufweisen und zu einem AGS führen können. Wikipedia In welchen verschiedenen Formen tritt AGS auf? Das klassische AGS besteht aus dem einfachen AGS, bei welchem die Cortisolproduktion gestört ist und dem AGS mit Salzverlust, bei welchem neben der Cortisolproduktion auch die Aldosteronproduktion gestört ist. -5- Beim klassischen AGS ist die Enzymrestaktivität kleiner als 5%. Das nicht klassische AGS, das auch als „late-onset-AGS“ benannt wird, ist in der Symptomatik wesentlich geringer ausgeprägt, da noch ein Teil der Enzymaktivität vorhanden ist. Enzymrestaktivität 5%-30%. Symptome treten deshalb erst nach ein paar Jahren oder erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter auf. Körpereigenes Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das für die Stressbewältigung gebraucht wird. So setzt es zum Beispiel Zucker frei, der eine wichtige Energiequelle für den Körper ist. Dadurch wird der Blutzuckerspiegel auch im Hunger konstant gehalten. Dies ist besonders in Belastungssituationen von Bedeutung. Cortisol muss im Blut vorhanden sein, damit Adrenalin wirken kann. Cortisol ist darüber hinaus an den Abwehrreaktionen des Körpers beteiligt. Es beeinflusst die Abwehrreaktion und verhindert dadurch eine vielleicht überschiessende Immunabwehr. Deshalb wird es bei bestimmten entzündlichen Erkrankungen oder autoimmunen Erkrankungen auch als Medikament eingesetzt, dann allerdings in sehr hohen Dosen verglichen mit der körpereigenen Produktion. Körpereigene Mineralocorticoide sind für den Salz-/Wasserhaushalt des Körpers von grosser Bedeutung. Sie sorgen dafür, dass im Körper genügend Salz (Natrium) zurückgehalten und nicht über die Niere ausgeschieden wird. Gleichzeitig führt es zur Ausscheidung eines zweiten wichtigen Blutsalzes, dem Kalium. Mit dem Salz wird auch Wasser im Körper gehalten und dadurch bleibt der Blutdruck stabil. Wenn der Körper zu wenig Mineralocorticoide bildet, dann verliert er Salz und Wasser, der Blutdruck fällt und der Betroffene bekommt eine „Salzverlustkrise “. Die Konzentration des Kaliums steigt so stark an, dass ein Herzstillstand die Folge sein kann. Körpereigene Androgene sind Hormone mit „männlicher Wirkung“. Sie verursachen bei Menschen beider Geschlechter (weiblich und -6- männlich) Haarwuchs, Akne, Muskelzuwachs, tiefe Stimme und steuert die Libido. Bei erwachsenen Frauen kommt es bei der Vermehrung dieser Hormone zu einer meist recht unangenehmen verstärkten Behaarung (=Hirsutismus). Zu Regelstörungen und einer allgemeinen „Vermännlichung“. Was läuft im Körper bei „AGS“ anders ab? Im menschlichen Körper gibt es mehrere Drüsen, die Hormone herstellen. Eine davon ist die Nebennierenrinde, deren Hauptaufgabe es ist, Cortisol herzustellen. Das endokrine System: 1 Zirbeldrüse 2 Hypophyse 3 Schilddrüse 4 Thymus 5 Nebennierenrinde 6 Bauchspeicheldrüse 7 Eierstöcke 8 Hoden (aus Pflegewiki.de) Der Bedarf an Cortisol ist nicht zu jeder Zeit gleich. Die Hormonproduktion muss also gesteuert werden. Diese Aufgabe übernimmt die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) im Gehirn. Ist genügend Cortisol im Blut, sendet sie keine anregenden Stoffe mehr zur Nebennierenrinde aus. Befindet sich zu wenig Cortisol im Blut, so wird die Nebennierenrinde zu vermehrter Aktivität angeregt. Soweit der Ablauf beim gesunden Menschen. Bei den Patienten mit „AGS“ wird auf Grund eines angeborenen Defektes der zweitletzte Schritt zur Cortisol Produktion nicht voll- -7- -8- zogen. Seine Nebennierenrinde kann nur Cortisolvorstufen produzieren. Aufgrund von negativem Feedback über die Hirnanhangsdrüse wird jedoch die intakte adrenale Sex-Steroid-Synthese übermässig stimuliert, was zu Androgen-Überschuss-Produktion führt. Es herrscht also ein ständiger Zustand von Mangel an Cortisol. Die Hypophyse im Gehirn registriert das und fordert von der Nebennierenrinde mehr Cortisol. Beim AGS ohne Salzverlust kann die Nebennierenrinde durch Überaktivität den Bedarf an Cortisol noch decken. Beim AGS mit Salzverlust führt der Cortisolmangel und der Mangel des salzregulierenden Hormons Aldosteron zu einer lebensbedrohlichen Krise, an der die Kinder ohne Behandlung in den ersten Lebenswochen sterben können. Stoffwechselkreislauf bei AGS-Patienten ohne Cortisol / Florinef Therapie Sowohl beim unkomplizierten AGS, wie ganz besonders beim AGS mit Salzverlustsyndrom, bildet die überaktive Nebennierenrinde grosse Mengen vermännlichender Hormone. Die Nebennierenrinde kann trotz massiver Stimulation durch die Hypophyse, beim gestörten Regelkreis der AGS-Patienten, die benötigte Menge an Cortisol nicht herstellen. Stattdessen werden Cortisolvorstufen und männliche Hormone in grosser Menge ausgeschüttet. Hypophyse ACTH AdrenoCorticoTropicHormon Welchen Einfluss hat AGS auf die vorgeburtliche Entwicklung des Kindes? Cholesterin Pregnenolon Für viele Eltern von Mädchen mit adrenogenitalem Syndrom ist das vermännlichte Aussehen des Genitales ihrer Tochter besorgniserregend. Trotz des erheblichen Ausmasses, das die Vermännlichung manchmal annehmen kann, sind immer nur die äusseren Geschlechtsorgane betroffen. Über den Einfluss der erhöhten Androgene auf die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsidentität wissen wir heute noch wenig. AGSFrauen fühlen sich jedoch grundsätzlich wohl in der Frauenrolle. Exzess Progesteron Überschuss an Androgene + Estrogene 21-Hydroxylase Enzym-Defekt Aldosteron Östrogene / Gestagene Regulierung des weiblichen Zyklus Schwangerschaft Reiftum + Wachstum Reifung der inneren, weiblichen Geschlechtsorgane, sowie den sekundären Geschlechtsmerkmale Bei Mädchen mit AGS sind die inneren weiblichen Genitalien (Gebärmutter, Eierstöcke und Eileiter) immer normal entwickelt. Knaben mit AGS zeigen keine Fehlbildungen in der Geschlechtsentwicklung. Cortisol Wie ist das zu erklären? B. Wyniger, 14. Mai 2013 Mangel Schon bei der Befruchtung fällt die Entscheidung über das -9- -10- Geschlecht des entstehenden Kindes. Von den 46 Chromosomen, die beim Menschen Träger des Erbgutes sind, bestimmen zwei sein Geschlecht. In der Regel sind es für eine Frau zwei sogenannte X-Chromosomen und beim Mann ein X- und ein Y- Chromosom. Diese beiden Geschlechtschromosomen steuern die Entwicklung der Keimdrüsen, der Hoden bzw. der Eierstöcke (Ovarien), und damit die weitere Bildung der Geschlechtsorgane. Unter präziser Beachtung der ärztlichen Verordnung verläuft die körperliche Entwicklung (Pubertät) der AGSKinder alters- und geschlechtstypisch. Der Weg zum Jungen oder Mädchen ist weit, eine Vielzahl von Störfaktoren kann sich bemerkbar machen. Beim AGSKind verläuft die Entwicklung zunächst normal. Es werden die weiblichen bzw. männlichen Keimdrüsen angelegt und dann die inneren Geschlechtsorgane (Eierstöcke, Eileiter und Gebärmutter bei Mädchen, bzw. Hoden und Samenleiter bei Jungen) wie bei einem gesunden Kind ausgebildet. Diese Entwicklungsphase kann so störungsfrei ablaufen, weil die Nebennierenrinde in dieser Zeit noch nicht entwickelt ist. Sie kann daher noch keinen schädlichen Einfluss ausüben. Mit fortschreitendem Wachstum des Embryos nimmt aber auch die Nebennierenrinde ihre Arbeit auf und schickt beim AGSKind zu viel männliche Hormone in den Organismus. Dieser Überschuss männlicher Geschlechtshormone beeinflusst nun die weitere Entwicklung der äusseren Genitalien (Labien Scheide und Klitoris) beim Mädchen. Als Folge kommt es beim Mädchen zu einem verstärkten Klitoriswachstum. Harnröhre und Scheide können verlagert sein bzw. ineinander münden. Beim AGSJungen fallen Veränderungen nicht auf (z.B. eher grosser Penis), sie scheinen eben „gut entwickelt“ zu sein. Trotz ihres „männlichen“ Aussehens sind die AGSMädchen also genetisch weiblich, das heisst sie haben zwei X-Chromosomen und sie besitzen normal entwickelte innere Geschlechtsorgane. An dem eindeutig weiblichen Geschlecht dieser Kinder besteht also kein Zweifel. Ein Wachstum von Hoden oder gar die Änderung der beiden weiblichen X – Chromosomen in ein X – und Y – Chromosom sind bei der Krankheit „AGS“ unmöglich. Wann tritt „AGS“ auf? Das Adrenogenitale Syndrom ist eine Erbkrankheit. AGS kann meist nur dann zustande kommen, wenn beide Eltern ihrem Kind eine entsprechende Erbanlage vererbt haben. Nur selten gibt es Spontanmutationen als Spielerei der Natur. Das Auftreten der Krankheit steht in keinem Zusammenhang mit höherem Alter der Eltern, Bluttransfusionen, Frühgeburt oder anderen Geburtsschwierigkeiten. Viele Eltern werden sich fragen: „Wieso hat ausgerechnet mein Kind diese Krankheit? Weder in der väterlichen noch in der mütterlichen Familie ist je ein Fall von AGS bekannt!“ Für den Befruchtungsvorgang müssen sich der Chromosomensatz der Eizelle und der Samenzelle halbieren, damit der Keimling wieder 46 Chromosomen erhält und nicht das Doppelte. Welche Hälften bei der Zeugung zusammentreffen, welche Erbanlagen dem Kind also mitgegeben werden, ist zufällig. Auf jedem der 46 Chromosomen sitzt eine Vielzahl von Genen, den kleinsten Einheiten der Erbinformation. Das menschliche Baby hat für jede seiner Funktionen und Anlagen zwei Gene mitbekommen, eines stammt von den mütterlichen und das andere von den väterlichen Chromosomen ab. AGS ist eine rezessiv vererbte Krankheit. Das bedeutet, bei der Befruchtung müssen zwei kranke Gene zusammentreffen, damit die Krankheit zustande kommt. Besitz ein Mensch nur ein AGS-Gen, so ist er zwar Träger der Störung, aber selber völlig gesund. Mutter und Vater eines AGS-Kindes müssen beide Träger eines AGS-Gens sein. Bei der Zeugung des Kindes sind zufällig die beiden kranken Gene der Eltern zusammengekommen. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zufall bei diesem Elternpaar eintritt, beträgt 25% (eine von vier Möglichkeiten). Das Risiko, ein weiteres AGSKind zu bekommen, ist bei jeder Zeugung gleich gross, es liegt bei 25%. -11- -12- Genau so wahrscheinlich ist es, dass das Kind eines Trägerelternpaares nur die beiden gesunden Gene geerbt hat (eine von vier Möglichkeiten), das Kind also gesund ist, obwohl beide Eltern AGS-Träger sind. dem „Schuldigen“ zu suchen, Vater und Mutter sind zu gleichen Teilen beteiligt, keiner ist „schuld“. Das Neugeborenenscreening Ein AGS mit Salzverlust kann bereits kurz nach der Geburt bei beiden Geschlechtern zu einer lebensbedrohlichen Krise führen. Daher wurde in der Schweiz 1993 das AGS/21-Hydroxylase Neugeborenenscreening am 4. Lebenstag eingeführt. Als Markersteroid wird aus einem Blutstropfen, welcher auf einem Löschblatt aufbewahrt wird, das 17-Hydroxy-Progesteron bestimmt; dieses ist bei Kindern mit AGS massiv erhöht. Ohne Screening haben Kinder mit klassischem AGS nach den ersten 10 Tagen bis 3 Wochen eine Krise mit: Wikipedia In 50% der Fälle wird das Kind nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung ein AGS-Gen mitbekommen. Es wird also, wie seine Eltern AGS-Träger sein, aber keinerlei Krankheitszeichen aufweisen (zwei von vier Möglichkeiten). Das AGS-Gen, welches jeder Elternteil besitzt, haben diese mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits von ihren Eltern geerbt. Folgerung: „AGS“ tritt grundsätzlich nur auf, wenn beide Eltern dem Kind ein krankes Gen vererbt haben. Es ist daher überflüssig, nach Trinkschwäche Erbrechen Austrocknung Kreislaufschock Beim Neugeborenenscreening wird das Hormon bestimmt, das vor dem defekten Enzym, der 21-Hydroxylase liegt. Ist das 17-Hydroxyprogesteron im Screening erhöht, wird eine genauere Analyse der Konzentration dieses Hormons durchgeführt. Zusätzlich werden die Natriumkonzentration und die Konzentrationen weiterer männlicher Hormone (z.B. Testosteron) gemessen. Auch andere Hormone sind vor dem Enzymdefekt um ein Vielfaches erhöht. Die Verdachtsdiagnose wird dann mittels dieser laborchemischen Analysen bestätigt. Im Blut liegen beim AGS mit Salzverlust ein Mangel an Natrium und ein Überfluss an Kalium vor. So kann bereits gegen Ende der ersten Lebenswoche das AGS sicher diagnostiziert werden. -13- -14- Heute wird praktisch immer auch eine molekulargenetische (Untersuchung der DNA) Untersuchung durchgeführt, da sie erst wirklich den Gendefekt beweist und auch mithilft schwere und mildere Formen zu unterscheiden und damit den Verlauf voraussagen kann. Therapie Durchschnittsgrösse. Die Kinder würden ihr Wachstum wesentlich früher als normal beenden, nämlich schon im Alter von acht bis zehn Jahren, und so nur eine Körpergrösse von etwa 140cm erreichen. Durch die regelmässige Einnahme eines Cortisolpräparates können diese sehr nachteiligen Folgen weitgehend vermieden werden, wenn die Behandlung früh genug einsetzt. Welche Folgen wären für das unbehandelte Kind zu erwarten? Warum muss mein AGSKind mit Cortisol behandelt werden? Die Nebennierenrinde des ungeborenen Kindes fängt ungefähr zu der Zeit zu arbeiten an, zu der die äusseren Geschlechtsorgane gebildet werden. Entsprechend wird beim AGS die Entwicklung der äusseren Geschlechtsorgane durch den Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen aus der Nebennierenrinde beeinflusst. AGSMädchen ähneln daher meist schon bei der Geburt in erheblichem Ausmass männlichen Altersgenossen. Ohne medizinische Behandlung würden sich, auch abgesehen vom lebensbedrohlichen Aldosteron- und Cortisolmangel, andere Folgeerscheinungen der Nebennierenrindenstörung immer stärker bemerkbar machen. Jungen wie Mädchen würden schon im Alter von vier bis fünf Jahren in eine verfrühte Pubertät kommen. Das bedeutet, Penis bzw. Klitoris würden verstärkt wachsen, es träten bei beiden Geschlechtern verfrüht Schambehaarung und männliche Körperbehaarung auf. Die Kinder bekämen eine tiefere Stimme. Die echte Geschlechtsreife mit Reifung der Keimdrüse bliebe jedoch aus. Die Kinder würden als Erwachsene unfruchtbar sein, Monatsblutungen setzten beim Mädchen nicht ein. Wichtigster Bestandteil der Behandlung eines AGSPatienten ist die Verabreichung von Cortisol und Aldosteron in Tablettenform. Es handelt sich eigentlich um eine Ersatztherapie, welche möglichst in niedriger Dosierung geführt werden soll. Keimdrüsen = Eine Gonade –von griech. gone (Geschlecht, Erzeugung, Same) und aden (Drüse)– deshalb auch Keim- oder Geschlechtsdrüse genannt, ist jenes Geschlechtsorgan, in dem Sexualhormone und die Keimzellen gebildet werden. Beim männlichen Geschlecht wird die Gonade als Hoden beim weiblichen Geschlecht als Eierstock bezeichnet. (Aus Wikipedia) Unbehandelte AGSPatienten würden als Kleinkinder sehr schnell wachsen. Die Knochenentwicklung würde sehr schnell voranschreiten. Als Erwachsene blieben sie jedoch erheblich unter der Stoffwechselkreislauf bei AGS-Patienten mit Cortisol / Florinef Therapie ACTH Keine Exzesse Normalisierte Produktion von männlichen Hormonen Cholesterin 21-Hydroxylase Defekt Hydrocortison Fludrocortison Aldosteron Cortisol Kein Mangel -15- Dem Organismus des Kindes wird dabei nur so viel Cortisol zugeführt, wie sein Körper im Normalfall produzieren würde. Durch diese Hormonzufuhr von aussen wird der gefährliche Kreislauf unterbrochen. Die Hypophyse registriert nämlich den jetzt ausreichenden Cortisolstand im Blut und hört nun auf, die Nebennierenrinde zur Produktion anzuregen, so dass diese ihre Überaktivität bezüglich Androgenproduktion einstellt. Es werden also keine übermässigen Mengen von männlichen Hormonen ausgeschüttet. Einer fortschreitenden Vermännlichung der AGSMädchen beziehungsweise einer scheinbaren Frühreife kann somit Einhalt geboten werden. Wie lange müssen die Tabletten genommen werden? Die angeborene Störung der Nebennierenrinde lässt sich nicht beheben. Die Cortisoltabletten müssen daher das ganze Leben lang genommen werden. Das ist eine geringe Mühe für fast völlige Beschwerdefreiheit. Lediglich Männer jenseits des Zeugungsalters können unter Umständen die Behandlung beenden. Wird bei Kindern und Frauen die Cortisolbehandlung abgebrochen, so setzt die Vermännlichung erneut ein. Bei Frauen bleibt in solchen Fällen meistens die Periode aus. Neben dem wieder Einsetzenden Klitoriswachstum kommt es zu fortschreitender männlicher Körperbehaarung. Cortisol wird auch bei anderen Krankheiten eingesetzt, dabei wird das Cortisol zusätzlich zu der körpereigenen Produktion und in grossen Mengen verabreicht. Unter diesen hohen Dosierungen können dann unter Umständen schädliche Nebenwirkungen auftreten. So etwas braucht man bei der Behandlung des AGS mit Cortisol nicht zu befürchten. Negative Begleiterscheinungen treten bei richtig dosierten AGSBehandlung selten auf, da nur die dem Kind fehlenden Hormonmenge gegeben wird und keine zusätzliche! Bei einer kurzfristigen Über- oder Unterdosierung, etwa zum Zeitpunkt einer notwendigen Therapieumstellung, sind keine bleibenden Nebenwirkungen zu erwarten. -16- Wie wird die Einstellung der Hormonbehandlung überwacht? Die richtige Dosierung der Cortisolgabe ist von entscheidender Bedeutung für Wachstum und Entwicklung des AGSKindes. Die tägliche Tabletten Dosen, die das Kind benötigt, muss dem Wachstum des Kindes angepasst werden. Mit steigendem Gewicht wächst natürlich auch der Cortisolbedarf. Die für Ihr Kind richtige Hormonmenge wird in den 3-6 monatlichen klinischen und laborchemischen Kontrollen vom Spezialisten ermittelt. In die Beurteilung mit einbezogen werden: Wachstum, Knochenalter, Leistungsfähigkeit, körperlicher Entwicklungszustand, Medikamentendosierungen (Florinef, Hydrocortone) und Blutwerte (17Hydroxy-Progesteron, ACTH, DHEA-S, Androstendion, Testosteron, Renin). Knochenalter: In 1/2 bis 1-jährlichen Abständen wird jeweils ein Röntgenbild der Hand gemacht. Anhand dieser Aufnahme kann festgestellt werden, ob die Knochenentwicklung normal verläuft. Beim unbehandelten AGS ist die Knochenentwicklung stark beschleunigt und führt zu vorzeitigem Wachstumsabschluss. Langjährige Erfahrungen haben gezeigt, dass Patienten mit AGS in den ersten 2 Lebensjahren alle 3 Monate, später alle 6 Monate und im Erwachsenenalter mindestens einmal jährlich ärztlich untersucht werden sollten. Sie fragen sich „Wie ändert sich die Cortisolbehandlung bei schweren Belastungen“? Cortisol ist ein Notfallhormon des Körpers. Unter schweren Belastungen braucht der Organismus grössere Mengen. Die gesunde Nebennierenrinde kann den erhöhten Anforderungen nachkommen, dem AGSKind muss in solchen Situationen eine grössere Dosis Cortisoltabletten gegeben werden. Bei allen zusätzlichen Erkrankungen, wie Infektionen, Operationen (z.B. Blinddarm) oder Unfällen muss die Cortisoldosis kurzfristig um das 2-3 fache gesteigert werden. Bei Fieber über 39° muss die Cortisoldosis prinzipiell kurzfristig bis zum Abklingen auf das Doppelte erhöht werden. Unter keinen Umständen darf die Behandlung auch nur einen Tag ausgesetzt werden. Lebensbedrohliche Zustände könnten die Folge sein! -17- Besteht der Verdacht, dass eine Tablettendosis erbrochen wurde, muss die Gabe wiederholt werden. Das Cortisol ist nach einer Stunde vollständig im Blutkreislauf. Eltern von AGSKindern müssen Ärzte, die mit dem Kind nicht voll vertraut sind, auf diese zwingende Notwendigkeit hinweisen. In Zweifelsfällen soll der Kontakt mit dem behandelnden Arzt aufgenommen werden. Folgende Symptome können auf eine nicht ausreichende Dosierung hinweisen: Ungewöhnliche Müdigkeit und Schwäche Kopfschmerzen und Schwindelgefühl Übelkeit, Erbrechen Appetitlosigkeit Magenschmerzen Gewichtsverlust Langanhaltende Infekte Dunkle Pigmentierung der Haut Folgende Symptome können auf eine zu hohe Dosis hinweisen: Gewichtszunahme Rundes Gesicht Verlangsamtes Wachstum Hoher Blutdruck Wichtige Hinweise Welche Impfungen sind möglich und notwendig? Alle Impfungen können und sollen ohne weiteres vorgenommen werden. Es ist sogar wichtig die AGS Kinder vor Kinderkrankheiten zu schützen, da solche Krankheiten, die auch mit hohem Fieber begleitet werden eine besondere Belastung für ihren Körper darstellen. AGSKinder sind nicht anfälliger für Infektionskrankheiten als andere Kinder. Übermässige Schutzvorkehrungen vor Ansteckungen sind daher nicht notwendig. Allerdings kann es bei Kindern mit AGS durch die Störung des Hormonhaushalts leichter zu Komplikationen kommen, insbesondere wenn die Cortisoldosis nicht erhöht worden ist. Vor den Impfungen muss die Cortisoldosis nicht erhöht werden. -18- Darf man mit einem AGS-Kind ins Ausland reisen? Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken, mit AGS-Kindern ins Ausland zu fahren. Informieren Sie sich aber bitte vor Antritt Ihrer Reise, welcher Arzt des betreffenden Landes über die Krankheit Ihres Kindes Bescheid weiss. Der behandelnde Arzt an der Kinderklinik wird Ihnen sicher bei dieser Frage behilflich sein. Weiter besteht die Möglichkeit für eine Reise ins Ausland vom behandelnden Endokrinologen ein Rezept für das Injektionspräparat Solu-Cortef 100mg anzufordern. Jeder Patient mit einem AGS sollte eine entsprechende SOSKapsel oder einen Notfallausweis, der Diagnose und laufende Therapie ausweist, immer mit sich führen und die wichtigsten Kontaktpersonen müssen wissen, dass es diesen Ausweis gibt. AGSMädchen Welche Operationen sind bei AGSMädchen zur Behebung der Genitalveränderungen notwendig? Mädchen mit AGS zeigen, in unterschiedlichem Ausmass, eine Vergrösserung der Klitoris, welche in schweren Fällen wie ein Penis aussehen kann. Ausserdem sind oft Veränderungen am Scheideneingang zu beobachten. Unter Umständen können Scheide und Harnröhre ineinander übergehen und in einem gemeinsamen Gang nach aussen münden. Einteilung nach Prader 1-5 -19- Einteilung Erscheinungsform PRADER I Leichte Vergrösserung der Klitoris Ausgeprägte Vergrösserung der Klitoris in Penisgrösse Nicht getrennter Scheiden- und Blasengang Zusammenwachsen der grossen Schamlippen (ähnlich einem Hodensack), Ausmündung des Blasenausgangs unterhalb der Klitoris, Klitoris nach unten gebogen Ausbildung einer Harnröhre die in die Klitoris mündet, die zusammengewachsenen grossen Schamlippen bilden einen Hodensack PRADER II PRADER III PRADER IV PRADER V Die Praderstadien können auch fliessend auftreten und Operationen auch bereits bei Praderstufe 2 erforderlich machen. Wann erfolgen die notwendigen Operationen? Bisher wurde eine erste Operation im ersten Lebensjahr empfohlen, da die Operation zu diesem Zeitpunkt technisch einfacher durchzuführen ist und die psychologischen Auswirkungen wahrscheinlich geringer sind als zu einem späteren Zeitpunkt. Diese Empfehlung, sowie alle unten genannten, werden kontrovers diskutiert (vergleiche Stellungnahme der Ethikkommission in www.ags-initiative.ch / aktuell) Vorteile einer frühen Operation sind: Verwandte und Babysitter, die das Kind nackt sehen, werden nicht verunsichert und das Kind fällt unter Gleichaltrigen, z.B. beim Baden, nicht auf. Eine Durchführung operativer Maßnahmen zwischen dem zwölften Lebensmonat und der Pubertät ist nicht ratsam. Eine vergrösserte Klitoris (Prader I+II) wird heute meist nicht mehr operiert. Die in der Tiefe liegende Mündung der Scheide kann durch eine sogenannte Vaginaleingangsplastik freigelegt werden, damit später Geschlechtsverkehrt möglich ist. Bei einigen Mädchen wurde in der Vergangenheit von Zeit zu Zeit in Kurznarkose untersucht, ob der geschaffene Scheideneingang angemessen mitwächst. Eine gut verstandene und gewünschte Dehnungsbehandlung kann nach Pubertätsbeginn erfolgen. Oder -20- gegebenenfalls wird eine operative Korrektur auf Wunsch der AGSPatientin im Pubertätsalter durchgeführt. Bei AGSJungen sind keine Operationen notwendig, da ja die Genitalentwicklung geschlechtstypisch verläuft, trotz Gendefekt. Vorgeburtlichen Diagnostik und Therapie Vorgeburtlichen Diagnostik und Therapie beim Adrenogenitalen Syndrom Wird eine Pränataldiagnostik und Therapie gewünscht, sollte grundsätzlich schon vor einer Schwangerschaft von Eltern, die bereits ein AGSKind haben die Überträgerschaft genetisch abgeklärt sein. Eine genetische Abklärung kann sinnvoll sein bei: Eltern, die bereits ein Kind mit AGS haben Frauen/Männern, die selbst AGS haben und ihren Partnern (Träger-Suche) Geschwistern von AGS-Patienten und ihren Partnern Geschwistern von betroffenen Eltern (Trägern) Die Überträgerschaft muss vorab genetisch gesichert sein. Hat die betroffene Frau z. B. ein nicht-klassisches AGS und der Partner ist gesund, dann kommt überhaupt keine pränatale Diagnostik oder Therapie in Frage. Jede genetische Untersuchung braucht eine gute Aufklärung! Man sollte bei Kinderwunsch, die genetische Untersuchung in Ruhe und ohne Zeitdruck lange vor einer geplanten Schwangerschaft durchführen lassen. Eine rechtzeitige Beratung durch einen Humangenetiker ist wichtig, um den Zeitablauf und die Vorgehensweise der pränatalen Diagnostik und Therapie zu koordinieren. Beim Genetiker, Hausarzt oder Kinderendokrinologen, der das erste AGSKind betreut, oder beim Frauenarzt, der die Schwangerschaft begleiten wird, sollte man Blut abnehmen lassen zur DNA-Analyse. Die Blutprobe sollte an ein erfahrenes Molekulargenetisches Labor mit Spezialisierung auf AGS geschickt werden, da die Genanalyse nicht banal ist und auch in erfahrenen Händen mit ca. 5% falsch-negativen Resultaten gerechnet werden -21- -22- muss. Glücklicherweise sind positive Resultate, d.h. der Nachweis eines Defektes immer zu 100% verlässlich Sind beide Elternteile „Überträger“ (z.B. Eltern, die schon ein Kind mit AGS haben oder Geschwister von AGS-Patienten, die Träger sind und einen Partner haben, der auch Träger ist), so ist die Wahrscheinlichkeit bei jeder Schwangerschaft 25%, dass das Kind AGS hat (autosomal rezessiver Erbgang). Hat die werdende Mutter selbst AGS und ihr Mann ist Träger (oder umgekehrt), so ist die Wahrscheinlichkeit ein Kind mit AGS zu bekommen bei jeder Schwangerschaft 50%. Das Medikament Dexamethason ist ein Cortisonpräparat, das über die Plazenta in den Körper des Kindes gelangt. AGSPatientinnen, die bis zur Schwangerschaft auf Hydrocortison eingestellt waren, müssen in der Schwangerschaft auf Dexamethason umgestellt werden, wenn Sie ein erhöhtes Risiko für ein eigenes AGSKind haben und eine Pränataltherapie anstrebt. Beginnt die Therapie zu spät, also nach der embryonalen Differenzierung des äusseren Genitals, bzw. nach der 6. Schwangerschaftswoche oder erst wenn die vorgeburtliche Diagnostik des Kindes abgeschlossen ist, ist eine Therapie nicht mehr angezeigt, weil dann die eventuelle Virilisierung des Mädchens bereits ihren Höhepunkt überschritten hat ist. Therapiegrund Die pränatale Therapie beim Adrenogenitalem Syndrom hat das Ziel, beim ungeborenen Mädchen mit AGS, die Vermännlichung des äusserlichen Genitale während der Schwangerschaft zu verhindern und den Mädchen spätere aufwendige GenitalkorrekturOperation zu ersparen. Somit ist die vorgeburtliche Therapie für Eltern eine mögliche Option. Wird dem Kind in diesem Zeitraum Dexamethason via die Mutter zugeführt (über die Plazenta), kann die kindliche Nebenniere ruhig gestellt und eine Vermännlichung bei einem Mädchen verringert und manchmal vollständig verhindert werden. Wird dies versäumt, ist häufig eine chirurgische Genitalkorrektur bei diesen Mädchen nach der Geburt notwendig. Man kann also mit einer vorgeburtlichen Therapie AGSMädchen behandeln. Vorgeburtliche Therapie Aber: Die vorgeburtliche Therapie mit Dexamethason gilt betreffend der Nebenwirkungen heute noch als „nicht wissenschaftlich“ vollständig gesichert, da noch nicht alle möglichen Nebenwirkungen für Mutter und Kind auf Langzeit studiert sind. Entsprechende Studien laufen immer noch. Entscheidet man sich zur Therapie, so muss so früh wie möglich begonnen werden. Das heisst, sofort nach Bekanntwerden der Schwangerschaft in der 5. – 6. Schwangerschaftswoche. Wichtig! Der Informationsaustausch und eine enge Zusammenarbeit zwischen den Eltern und allen beteiligten Ärzten (Gynäkologe, Hausarzt, Pädiatrischer Endokrinologie, Humangenetiker) sind wichtig, um den Erfolg der Therapie zu sichern. Die Vorgehensweise Weiss eine Frau mit dem Risiko ein AGSKind zu bekommen, dass sie schwanger ist und hat den Wunsch, nach eingehenden Überlegungen und Gesprächen mit Fachärzten, nach der Pränataltherapie, könnte sie auf Dexamethason eingestellt werden. Ab der 7. Schwangerschaftswoche kann dann mittel spezieller Blutuntersuchung bei der Mutter das Geschlecht des Kindes ermittelt werden („fetal Sexing“). Innerhalb von Tagen kann dann bei Nachweis eines männlichen Feten die Dexamethason Therapie wieder abgesetzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dieser Bluttest noch kein routinemässiger Untersuch und soll unbedingt unter Aufsicht von Spezialisten ausgeführt werden! -23- Ab der 10. Schwangerschaftswoche (Gewebeentnahme aus der Plazenta), sollten dann kindliche Zellen via Chorionzottenbiopsie oder ab der 14. Schwangerschaftswoche via Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) entnommen und genetisch untersucht werden. Aufgrund der früheren Diagnosestellung wird die Chorionzottenbiopsie eher empfohlen. Ist das Kind ein Mädchen mit klassischem AGS, wird die Dexamethasontherapie bis zum Ende der Schwangerschaft fortgesetzt. Nach der Geburt muss das Mädchen natürlich weiterbehandelt werden mit Florinef und Hydrocortison. Ist das Kind ein Mädchen ohne AGS oder mit einer nichtklassischen AGS-Form kann die Dexamethason Therapie beendet werden. Vorsicht: Ausschleichen der Medikamentengabe! Ist das Kind ein Junge, (egal ob mit oder ohne AGS) kann die Therapie abgebrochen werden. Sollte der Junge eine klassische AGS-Form haben, muss das Kind nach der Geburt und nach der Diagnosesicherung sofort mit Florinef und Hydrocortone behandelt werden um eine lebensbedrohliche Salzverlustkrise zu verhindern. Therapiekontrolle während der Schwangerschaft Beim Therapiebeginn und dann im Abstand von 4 Wochen sollte bis zum Termin die Bestimmung von Cortisol (zum Nachweis der Unterdrückung der mütterlichen Nebennierenrinde) sowie Östradiol (zum Nachweis der Unterdrückung der fötalen Nebennierenrinde) im Serum der Mutter durchgeführt werden. Die Schwangerschaft gilt als Risikoschwangerschaft und sollte entsprechend überwacht werden. Die Schwangere sollte vorteilhaft in einer grossen Frauenklinik durch eine Fachperson mit Kenntnissen in Pränatalmedizin / gynäkologischer Endokrinologie betreut werden. -24- Medizinische Unterstützung Abschliessend ist zu erwähnen, dass die Erfahrungen jeder neuen AGS-Risikoschwangerschaft und die Dokumentation des klinischen Verlaufs der pränatalen Therapie unabdingbare Voraussetzungen für den Erfolg der Behandlung sind. Es ist also für alle Beteiligten, sowohl für die Mütter, als auch für die betreuenden Frauenärzte wichtig, sich über die Zeiträume und Vorgehensweisen zur vorgeburtlichen Therapie beim AGS intensiv zu informieren. Inselspitals; Prof. Dr. med. P. Mullis „ Pränatale Diagnostik und Therapie der klassischen Form des Adrenogenitalen Syndroms (AGS) bei CYP21A2 Gendefekt (21-Hydroxylasemangel“) erschien in PAEDIATRICA Vol. 21, No. 1, 2010 AGSKnaben TART (testikuläre adrenale Resttumore) Männliche AGS-Patienten entziehen sich öfter im Erwachsenenalter den Nachsorge-Untersuchungen. Das fiel früher auch nicht weiter auf, da die Steroide-Substitution meist nach Abschluss des Längenwachstums und der Pubertät beendet wurde. Da TART, wenn auch selten, bereits im Kleinkindalter auch bei guter Behandlung nachgewiesen werden konnte, scheint bereits eine geringe und nur zeitweise schlechte Einstellung ein Wachstum der nebennierenartigen Zellen im Hoden zu fördern. Unter Umständen spielen erhöhte ACTH-Konzentrationen bereits im Mutterleib eine ganz entscheidende Rolle bei der Entwicklung von TART. Aufgrund der zentralen Lage der Tumoren im Hoden kann man sie in der Regel nicht tasten. Die meisten TART werden daher in der klinischen Routineuntersuchung ohne zusätzliche Hodenultraschalluntersuchung übersehen. Im Ultraschall, hingegen, lassen sich die Tumore zuverlässig nachweisen. Man geht davon aus, dass TART aus entwicklungsgeschichtlich versprengtem Nebennierengewebe entstehen, das mit den Hoden mit gewandert ist. TART sind immer gutartig. Problematisch ist jedoch, dass sie mittels Bildgebung nicht von Leydigzell-Tumoren der Hoden zu unterscheiden sind, die in etwa 10% bösartig sind und klare Massnahmen (Operation) erfordern. -25- Leydig-Zellen sind ein Zelltyp im Hoden. Sie sind nach ihrem Entdecker Franz von Leydig benannt. Die Leydig - Zellen produzieren Testosteron, das die Spermienproduktion stimuliert. Sie besitzen einen runden Zellkern, einen Zellleib, umschließen Blutkapillaren und enthalten als Abfallprodukte die sogenannten Reinke-Kristalle. Die Ähnlichkeit mit Nebennierengewebe wird auch dadurch deutlich, dass TART sich durch eine Therapie mit dem Cortisonpräparat „Dexamethason“ verkleinern lassen und zum Teil sogar ganz verschwinden können. Man geht davon aus, dass vor allem erhöhte ACTH-Konzentrationen aus der Hirnanhangdrüse die Tumore zum Wachstum anregen. Bei TART sollte keine operative Entfernung der Hoden stattfinden. Selbst eine hodenerhaltende Tumorentfernung führt weder zu einer Normalisierung der Hormonwerte noch einer Verbesserung des Spermienanzahl und -qualität. Eine Operation ist daher aktuell nur bei sehr grossen Tumoren, die Beschwerden verursachen, empfohlen. TART können ein Problem bei Männern mit AGS sein TART sind ein klinisch wichtiges Problem, da sie unfruchtbar machen können TART sind immer gutartig und sollten daher primär nicht operiert werden Teilauszug aus Frau Dr. Nicole Reisch, adaptiert nach medreport „The adult man with CAH – an unrecognized problem oder Männer mit AGS – das vernachlässigte Geschlecht“ zum 53. Symposion der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Jahrestagung der Slowakischen Gesellschaft für Endokrinologie (SES) 2010 in Leipzig Lebensqualität / Psychologische Betreuung Wie wird sich mein Kind unter der Therapie körperlich entwickeln? Grösse Durch frühzeitige Cortisolbehandlung kann die beschleunigte Knochenreifung wirksam aufgehalten werden. Das ohne Therapie sehr -26- starke Wachstum kehrt zum normalen Tempo zurück. AGSKinder werden daher als Erwachsene eine Körpergrösse erreichen, die im Allgemeinen im unteren Bereich der Normalgrösse liegt. Pubertät Die Geschlechtsreifung kann unter Umständen etwas früher als bei gesunden Kindern einsetzen. Die Pubertät verläuft normal und führt zu einer echten Reifung der Keimdrüsen. Mädchen werden regelmässige Monatsblutungen bekommen, solange die Cortisolbehandlung fortgeführt wird. Aussehen Abgesehen von Veränderungen am Genitale wird kein Aussenstehender bei einem frühzeitig behandelten AGS-Patienten die hormonelle Störung erkennen. Gut eingestellte AGSMädchen unterscheiden sich in Figur, Brustentwicklung und Körperbehaarung nicht wesentlich von gesunden Gleichaltrigen. Fruchtbarkeit AGS-Patienten können als Erwachsene Kinder bekommen. Behandelte AGSJungs werden zeugungsfähig sein, sofern sie keinen TART haben Bei erwachsenen AGS-Patientinnen sind zahlreiche gut verlaufene Schwangerschaften bekannt. Allerdings ist mit einer grösseren Neigung zu Fehlgeburten und einer geringeren Empfängniswahrscheinlichkeit zu rechnen, vor allem bei ungenügender Medikamenten Einstellung. Eine bestmögliche Einstellung der Hormonbehandlung ist für eine normale Schwangerschaft Voraussetzung. Empfängnisverhütung Zur Empfängnisverhütung kommen bei AGS-Frauen alle üblichen Methoden in Betracht. Die Minipille führt manchmal zu verstärkten Blutungsunregelmässigkeiten. Zwei-Phasen-Pillen (Sequenzpillen) regulieren dagegen die Monatsblutungen. Ehe Es bestehen absolut keine Einwände gegen eine Eheschliessung eines AGS-Patienten. Wünscht sich das Paar Kinder, kann sich der Partner untersuchen lassen, ob er nicht Träger eines AGS-Gens ist. In diesem Fall würden Kinder dieses Paares mit 50% Wahrscheinlichkeit an AGS leiden, mit 50% Wahrscheinlichkeit wären sie AGS-Gen-Träger, jedoch gesund. Eine vorgeburtliche -27- -28- Diagnose des AGS wäre möglich. Ist der Partner des AGS-Patienten jedoch kein AGS-Gen-Träger, so werden die Kinder des Paares mit Sicherheit gesund sein, aber alle ein AGS-Gen besitzen. Sie können also die Anlage zu dieser Krankheit mit ihren Chromosomen auf spätere Generationen übertragen. Aber nicht nur bewusste Erziehungseinflüsse fördern die Ausprägung bestimmter Verhaltenszüge und Talente, sondern auch unbewusste. Wie Sie sicher schon bemerkt haben, ahmen Kinder häufig Eltern, Geschwister, Spielkameraden oder andere Personen nach. Da sagt man dann beispielsweise „ganz der Vater“! Umwelteinflüsse sind auch ganz wesentlich bei der Ausformung der Verhaltungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen beteiligt. Welche Folgen hat AGS für die psychische Entwicklung meines Kindes? AGS hat keinen negativen Einfluss auf die geistigen Fähigkeiten Ihres Kindes. Bei später oder ungenügender Behandlung können AGS-Kinder körperlich ihren Altersgenossen etwas voraus sein und werden erst im Laufe der Pubertät von Ihnen eingeholt. Die Intelligenzentwicklung ist davon nicht betroffen. Im Bereich der geistigen Fähigkeiten kommt es zu keiner beschleunigten Entwicklung und auch nicht zu einem frühen Stillstand. Die Intelligenzentwicklung verläuft nicht parallel zum körperlichen Wachstum, sondern entspricht dem Lebensalter. Die Schulleistungen entsprechen denen in der Familie üblichen. Die Eltern sollten sich von Anfang an intensiv mit der Diagnose ihres Kindes auseinandersetzen. Um Ihnen dies zu erleichtern, ist häufig eine ärztliche und / oder psychologische Unterstützung notwendig oder sinnvoll. Nur so können die Eltern altersgemäss und offen mit ihrem Kind über die Besonderheit der Erkrankung sprechen und die gesunde psychische Entwicklung ihres Kindes unterstützen. Welchen Einfluss haben menschliche Verhalten? Geschlechtshormone auf das Diese schwierige Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Zur Erklärung nur folgendes: Menschen wie Tiere werden Anlagen und auch komplexe Verhaltensmuster vererbt. Während jedoch selbst höhere Säugetiere nur in sehr geringem Ausmass von Umweltreizen beeinflussbar sind, spielen beim Menschen die nachgeburtlichen Erziehungseinflüsse die entscheidende Rolle bei der Ausbildung der Persönlichkeit. Anlagen, die das Kind geerbt hat, bedürfen der Ausformung und Lenkung durch die Umwelt, damit sie sich entfalten können. Das bedeutet natürlich nicht, dass keine angeborenen psychischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern vorhanden wären. Einige gibt es schon. Aber selbst diese angeborenen geschlechtsspezifischen Unterschiede sind nicht absolut zu sehen. Nicht jeder Junge ist z.B. aggressiver als jedes Mädchen. Es gibt einen weiten Bogen des „normalen“ Verhaltens für Mädchen, der sich in einem grossen Teil mit dem Verhaltensbereich für Jungen überschneidet. Was bedeutet das für Sie als Eltern eines AGSKindes? Es ist ungeklärt, inwieweit sich das überschüssige männliche Geschlechtshormon auf die Psyche des ungeborenen Kindes auswirkt, ob sich einige Verhaltenszüge auf die hormonelle Beeinflussung zurückführen lassen können. An dieser Stelle möchten wir Ihnen kurz die Ergebnisse einer amerikanischen und deutschen Studie von Erhardt, A.A.; Baker, S.W. Males and females with congenital adrenal hyperplasia: A family study of intelligence and gender related behaviour In: Lee, P.A.; Plotwick, L.P.; Korworski, A.A.; Migeon, C.J. (Eds.): Congenital Adrenal Hyperplasia Iniversity Park Press, Baltimore: 447-461 (1977) Dittmann R. W. Pränatal wirksame Hormone und Verhaltensmerkmale von Patientinnen mit den beiden klassischen Varianten des 21-Hydroxylase-Defektes (1988) zu diesem Thema berichten. In der Studie wurde das Verhalten der betroffenen Mädchen mit dem der gesunden Mütter und Schwestern verglichen. AGSMädchen unterschieden sich in dieser psychologischen Untersuchung nur in wenigen Punkten von ihren Familienangehörigen: Sie wurden öfter und länger als Wildfang bezeichnet, sie spielten lieber mit Jungen, hatten weniger Interesse am Puppenspiel und am Babysittung, Äusseres, Kleidung, Haartracht und Schmuck, wurden weniger beachtet. -29- Jedoch waren die Patientinnen klar mit ihrem weiblichen Geschlecht identifiziert, ihr Verhalten wurde von der Umwelt nicht als abnormal bezeichnet, sie zeigten vielmehr ein Wildfangverhalten, das dem gesunden Mädchen nicht unähnlich ist, nur bei AGS bedeutend häufiger auftritt. Die unter Umständen (nicht bei allen Kindern) zu beobachtenden Verhaltensunterschiede zu gesunden Gleichaltrigen sind also auf keinen Fall so stark, dass die Kinder in einer Gruppe auffallen würden. Manche Eltern werden an dieser Stelle einwerfen: „Aber ich sehe doch, dass meine Tochter aggressiver als ihre Freundinnen ist!“ Wir möchten dazu sagen: es ist verständlich, dass Eltern eines AGSMädchens ihr Kind genau auf etwaige „männliche“ Eigenschaften hin beobachten und sehr betroffen sind, wenn sie glauben, wieder eine solche entdeckt zu haben. Man sollte sich aber vielleicht bemühen, nicht nur die „jungenhaften“ Züge des Kindes zu registrieren, sondern auch die „mädchenhaften“. Umgekehrt sollte man bei den gesunden Spielkameradinnen der Töchter nicht nur deren grössere „Weiblichkeit“ beachten, sondern auch deren Wildheit. Falls Ihre Tochter ein lebhaftes und vitales Temperament hat, möchten wir Ihnen davon abraten, sie auf Zurückhaltung und Sanftheit zu trimmen. Respektieren Sie das Temperament Ihres Kindes. Bedenken Sie, dass es schwierig ist, Energien und einen starken Willen zu unterdrücken. Solche Versuche können dazu führen, dass das Kind seine Eigenschaften erst recht verstärkt oder sie ganz verleugnet. Nichts davon nützt ihm. Helfen Sie Ihrer Tochter, ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten zu entwickeln. Freuen Sie sich, wenn sie lebhaft und voller Energien ist. Halten Sie ihr nicht das Beispiel eines ruhigen und passiven Mädchens vor, das sie nie sein wird. Dann gewinnt Ihre Tochter an Sicherheit und entwickelt Stolz darauf, ein Mädchen zu sein. Sie sollten sich die Freude an Ihrem Kind nicht durch übermässige Sorgen um eine „männliche“ Entwicklung beeinträchtigen lassen. Auch wenn Ihre Tochter in ihrem Verhalten etwas anders sein sollte als viele Gleichaltrige, so gibt es doch genügend andere Mädchen, die ähnliches Verhalten zeigen. -30- Was soll man dem Kind über seine Krankheit erzählen? Ein grosses Problem ist für viele Eltern die Frage, wann und wie viel soll ich meinem Kind von seiner Krankheit erzählen. Für Eltern von AGSMädchen ist natürlich die Schwierigkeit wesentlich grösser als für Eltern von AGSJungen. Eine Aufklärung zu diesem Thema kann nur Stück für Stück erfolgen. Mit einem einmaligen Gespräch über dieses Gebiet ist die Sache nicht abgehandelt. Um vor unvorgesehenen Ereignissen geschützt zu sein, sollte das Kind immer so viel Information erhalten, wie es gerade verstehen kann. Grundsätzlich ist es wichtig, alle Fragen immer offen zu beantworten. Was genau man dem einzelnen Kind erzählen soll, was es schon verstehen kann, ist natürlich individuell verschieden. Sollte bei Mädchen mit AGS doch einmal Unsicherheit über ihre Geschlechtszugehörigkeit aufkommen braucht man im Grunde nur die Hintergründe mit Hilfe des behandelnden ärztlichen Teams zu besprechen. Im Vordergrund eines Gesprächs sollte immer die Störung der Nebennierenfunktion stehen, nicht die daraus resultierende Genitalfehlbildung. So empfehlenswert es ist, der nahen Umgebung nur beschränkt über die Erkrankung des Mädchens zu erzählen (Nebenniereninsuffizienz!), so wichtig ist es, dass das Kind selbst genau darüber Bescheid weiss. Vielleicht finden Sie in diesem Büchlein Hinweise, wie Sie Ihrer Tochter ihre Krankheit erklären können. Im Übrigen ist das DSDTeam in den Kinderspitäler gerne bereit, Sie persönlich zu beraten und eventuell auftretende Fragen Ihnen und Ihrem Kind / Jugendlichen zu beantworten. -31- Empfohlene Link -32- www.glandula-online.de Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen www.netzwerk-dsd.de Forum für Ärzte und Patienten mit Informationen über angeborene Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung (Disorders of Sex Development - DSD) www.neoscreening.ch Informationsseite über das Neugeborenenscreening vom Kinderspital Zürich www.ags-initiative.ch Homepage der AGS-Eltern- und Patienteninitiative in der Schweiz www.ags-initiative.de Homepage der AGS-Eltern- und Patienteninitiative in Deutschland www.krankheiten.ch Informationsseiten über die wichtigsten Krankheiten www.sprechzimmer.ch Internetportal für Gesundheit und Medizin -33- -34- Lexikon der medizinischen Ausdrücke AGS Adrenogenitales Syndrom ACTH Adreno Adipositas Aldosteron Amenorrhö Androgene Aromatase Autosomal rezessiv Bougie / bougieren Cortisol Dexamethason DHEAS Dehydroepiandrosteronsulfat Endokrinologie ist ein Enzymdefekt bewirkt, dass nicht ausreichend Cortisol produziert werden kann. Dadurch fallen vermehrt Vorstufen des Cortisols an, diese sind meist androgen wirksam Abk. für adrenocorticotropic Hormone = Kortikotropin. Hormon, das im Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse gebildet wird. Und die Funktion der Nebennierenrinde reguliert bei der Niere Übergewicht Den Mineralstoffwechsel regelndes Hormon der Nebenniere Ausbleiben der Blutung Überbegriffe für männliche Hormone(z.B. Testosteron) Enzym, dass die Umwandlung von Androgenen in Östrogen vermittelt Autosom: Bezeichnung eines Chromosoms, das nicht an der Geschlechtsbestimmung beteiligt ist. Rezessiv: nicht in Erscheinung tretend, verdeckt eine Dehnsonde zur Erweiterung enger Körperkanäle / bougieren mit einer Bougie behandeln ist ein Glukokortikoid der Nebennierenrinde ist ein Cortison-Präparat. Es wird in sehr niedrigen Dosierungen zur Behandlung von erhöhten männlichen Hormonen eingesetzt ist ein Androgen, welches hauptsächlich in der Nebennierenrinde gebildet wird ist die Lehre von den Drüsen mit innerer Sekretion, ihrer Funktion und ihren Hormonen Enzyme In der lebenden Zelle gebildete organische Verbindung, die als Katalysator die Stoffwechselvorgänge im Organismus entscheidend beeinflussen Fruchtbarkeit (von fero = ich trage; gebäre); also ursprünglich die Fähigkeit, eine Schwangerschaft Fertilität auszutragen. Heute allgemein: Fähigkeit zur Reproduktion (= Fortpflanzung) Follikelstimulierendes Hormon. Ein Hormon der Hypophyse, welches die Eizellreifung am FSH Eierstock bewirkt. (gebildet in der Hirnanhangsdrüse) Zu den Geschlechtsorganen gehörende. Zur Genital Erzeugung, zur Hervorbringung oder zur Geburt gehörend Wirkstoff der Nebennierenrinde, der regelnd in Glukokortikoid den Zuckerhaushalt des Körper eingreift Hormone der Hirnanhangsdrüse, welche die Funktion der Eierstöcke regulieren (Eizellreifung Gonadotropine und Eisprung). Es gibt zwei Gonadotropine: LH und FSH Hormone der Hirnanhangsdrüse, welche die Funktion der Eierstöcke regulieren (Eizellreifung Gonadotropine und Eisprung). Es gibt zwei Gonadotropine: LH und FSH Hirsutismus Hormon Vermehrte Behaarung, an für Frauen unüblichen Stellen (Bauch, Brust, Kinn). Meist bedingt durch erhöhte männliche Hormone Ein Botenstoff, welcher von einem hormonproduzierenden Organ gebildet wird und meist über die Blutbahn das Zielorgan erreicht (z. B. Hirnanhangsdrüse -Ovar). Östrogen ist bekanntes Beispiel -35- Hyperandrogenämie Hypertonie Hypertrophie Hypophyse Hypothalamus Infertilität Intrauterine Virilisierung Müllersche Gänge Mutation Nebennierenrinde Östrogen erhöhte Blutspiegel männlicher Hormone Bluthochdruck Übermässige Grössenzunahme von Geweben oder Organen infolge Vergrösserung der einzelnen Zellen Hirnanhangsdrüse Sitz mehrerer vegetativer Regulationszentren bedeutet Unfruchtbarkeit. Meint medizinisch gesehen aber die Unfähigkeit, ein lebendes Kind zu bekommen trotz der Fähigkeit, schwanger zu werden (habituelle Aborte) Intrauterin: Innerhalb der Gebärmutter erfolgend Virilisierung: Vermännlichung der Frau Paarig angelegte Organe, aus denen sich in der embryonalen Entwicklung des Mädchens die Eileiter und die Gebärmutter entwickelt Veränderung in der Erbinformation der Produktionsort wichtiger Hormone für den Stoffwechsel (Glucocorticoide wie Cortisol) und Mineralhaushalt (Mineralcorticoide wie Aldosteron) des Körpers. Bildet außerdem Androgenvorstufen (Östrogen) vereinfacht: weibliche Hormone. es gibt zwar keine "weiblichen" und "männlichen" Hormone, aber Östrogene sind bei der Frau in sehr viel höheren Blutspiegeln vorhanden. Das bekannteste Östrogen ist das Östradiol, welches ausschließlich von den Granulosazellen im reifenden Eibläschen gebildet wird -36 PCOSyndrom primäre Amenorrhö Progesteron Pränatal Screening sinus urogenitalis Syndrom Testosteron Virilisierung Polycystische Ovarien. Polyzystische heißt "viele Zysten". Das Bild ist geprägt durch viele kleine Follikel, welche jedoch nicht heranreifen. Meist im Zusammenhang mit einer Hyperandrogenämie ergibt sich dadurch ein Ausbleiben des Eisprungs. Oft auch verbunden mit Übergewicht und/oder Zuckerstoffwechselstörungen Frauen, die noch nie eine Blutung hatten, haben eine primäre Amenorrhö Hormon, das die Schwangerschaftsvorgänge reguliert. vor der Geburt, der Geburt vorausgehend Reihenuntersuchung einer Bevölkerungsgruppe zur Entdeckung von Erbkrankheiten mittels einfacher, nicht belastender Diagnosemethode gemeinsame Ausführung beider Strukturen (Harnröhre / Scheide) Gruppe von gleichzeitig auftretenden Krankheitszeichen bekanntestes "männliches" Hormon. Wird im Hoden gebildet. Es wird aber auch im Eierstock, der Haut und der Nebenniere gebildet Vermännlichung (abnorm bei Frauen; normal bei Knaben in der Pubertät Dank der Verfasserin Die Entstehung dieses Büchleins und seine Fertigstellung wären ohne die Hilfe der folgenden Personen nicht möglich gewesen: Prof. Dr. med. D. Knorr, † Januar 2012 in München und seine damaligen Mitarbeiter der Kinderklinik der Universität München, alle Ärzte die bei der Entstehung meiner Homepage www.ags-initiative.ch und mit Beratungen bei der Patientenbroschüre mitgeholfen haben, wie Dr. med. Christa Flück, Bern, Dr. med. D. L’Allemand, St. Gallen, Frau C. Friedrich, St. Gallen, DSD-Team des KISPI Zürich, Dr. med. E. Christ, Bern, sowie viele Freunde und Bekannte, die mit Ihren zahlreichen Anregung zur Gestaltung dieser Patientenbroschüre beigetragen haben. Ihnen Allen danke ich herzlich. Dieses Büchlein ist meiner einstigen Ärztin aus dem Kinderspital Zürich, Frau Dr. med. Gertrud Knorr- Mürset gewidmet. Bülach im April 2014