Stress Stress (engl.: Druck, Anspannung) bezeichnet durch spezifische äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physiologische Reaktionen bei Tieren und Menschen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen. 1936 hatte der Mediziner Hans Selye den Begriff aus der Physik entlehnt, um die „unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung“ zu benennen. Stress heißt in der Werkstoffkunde der Zug oder Druck auf ein Material (siehe Spannung, Materialermüdung). Ist ein Organismus längere Zeit Stressoren (Hitze, Kälte, Hunger, Durst, psychische Belastung...) ausgesetzt, zeigt er eine Antwort, die eine kurzzeitige Erhöhung der Widerstandskraft bewirkt, langfristig aber zu körperlichem Fehlverhalten (z. B. Kreislaufschwäche) führt, das „allgemeine Anpassungssyndrom“. Man unterscheidet drei Stadien. Alarmreaktion: die Hypophyse schüttet vermehrt ACTH (adrenocorticotropes Hormon) aus, das auf die Nebennierenrinde einwirkt. Diese erhöht ihre Aktivität und gibt vermehrt bestimmte Hormone, wie z. B. Adrenalin und Cortisol, ab. Cortisol bewirkt eine Hemmung der Proteinbiosynthese und fördert den Proteinabbau in Knochen, Muskeln und im lymphatischen Gewebe. Diese Prozesse haben eine erhöhte Aminosäureabgabe ins Blut zur Folge. Diese freien Aminosäuren werden in der Leber zur Glucoseneubildung eingesetzt, der Blutzuckerspiegel steigt. Ausserdem wird, durch die Hemmung der Proteinbiosynthese in den lymphatischen Organen, die Tätigkeit des Immunsystems unterdrückt (Entzündungshemmung). Widerstandsstadium: Ausschüttung von Somatotropin (Hormon, das u. a. Wachstum regelt) und Mineralkortikoiden (Hormone, die den Wasser- und Salzhaushalt regeln), Zunahme von entzündlichen Reaktionen Erschöpfungsstadium: Erfolgt keine Heilung, wird die Nebennierenrinde teilweise abgebaut. Auch können Anpassungskrankheiten auftreten. Abbildung: Hormongesteuerte Vorgänge bei Stress Stress Hypothalamus CRF Hemmung der Gonadotropinsekretion Hypophyse ACTH Nebennierenrinde Hemmung d. Fortpflanzung Cortisol Glucoseneubildung und damit Verbesserung der momentanen Leistungsfähigkeit Proteinabbau und damit Verringerung der Abwehrkräfte Weitere körperliche Vorgänge bei Stress Bei Stress erfolgt auch eine Aktivierung des Sympathikus, was „Herzjagen”, beschleunigte Atmung, erhöhten Blutzuckerspiegel, starkes Schwitzen, erweiterte Pupillen und eine Verlangsamung der Verdauung zur Folge haben kann. Auch die Abläufe im Gehirn werden bei Stress geändert. Kreativität und das Abrufen von Gedächtnisinhalten und sexuelle Aktivitäten werden gebremst, schnelle Reaktionen eher gefördert. Auch die Leistungsfähigkeit der Muskeln nimmt zu. Neuere Forschungen lassen auch vermuten, dass bei Stress in den Zellen Teile der Erbsubstanz abgebaut werden, was eventuell eine Beschleunigung des Alterungsvorgangs zur Folge hat. Eustress und Distress Man kann unterscheiden zwischen Eustress und Distress (nach Seyle), je nachdem, wie der Stress auf uns wirkt. Mit Eustress ist positiver Stress gemeint. Als Auslöser kommen z.B. Vorfreude, sportliche Aktivität, Verliebtsein oder Herausforderung in Frage. Eustress beflügelt uns und spornt uns zu Leistung an. Der Erfolg verschafft uns grosse Zufriedenheit. Anders ist es mit Distress, dieser wirkt negativ auf uns. Die Anforderungen, die an uns gestellt werden, werden als belastend empfunden und können dadurch umso schlechter bewältigt werden. Durch Gedanken an diese Belastung und den dadurch entstehenden Stress wird dieser noch verstärkt. Auch Eustress belastet den menschlichen Körper, insbesondere, wenn er über längere Zeit wirkt. Möglicher evolutionärer Hintergrund von Stress Wissenschaftler führen Stress zum Teil auf evolutionäre Gründe zurück. Menschen der Vorzeit waren ständiger körperlicher Bedrohung durch wilde Tiere, Naturgewalten und feindliche Artgenossen ausgesetzt. Derartige Situationen zwingen den Körper zu Anpassungen, um Gefahrensituationen gewachsen zu sein: Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, und auch andere Systeme des Körpers bereiten sich auf die Bedrohung vor. Heilsamer Stress Nicht jeder Stress macht krank. Wir brauchen positiven Stress. Er macht das Leben lebenswert. "Stress ist Leben", sagt Seyle. Spannungen erzeugen Kraft, eben Spannkraft. Ohne ein gewisses Mass an Stress können wir nicht gesund sein. Allerdings sollte sich der Stress in Grenzen halten, und diese Grenzen sind bei jedem Menschen verschieden. Wir alle brauchen Spannung und Entspannung, das ist ein biologisches und psychologisches Grundprinzip. Stressbedingte Krankheiten Wenn ein Mensch auf eine Gefahr angemessen reagiert, werden die normalen Funktionen des Körpers anschließend wiederhergestellt. Flucht oder Kampf können erfolgversprechende Verhaltensweisen sein, um mit körperlicher Bedrohung fertig zu werden. Physiologische Probleme treten jedoch auf, wenn der Körper zwar bereit ist, auf eine Bedrohung zu reagieren, aber nicht handeln kann. Gerät man z. B. in einen Verkehrsstau, wird sich der Körper möglicherweise auf eine Stressreaktion vorbereiten. Wenn diese Reaktion aber nicht ausgeführt werden kann, bleiben die Körpersysteme hochgradig aktiv. Wiederholen sich derartige Situationen permanent, können Störungen die Folge sein. Hoher Blutdruck zählt zu den häufigsten Gesundheitsstörungen, die sich durch Stress verschlimmern. Obwohl mit hohem Blutdruck keine auffallenden Symptome verbunden sind, kann er zu Nierenschädigungen und Schlaganfall führen. Weitere stressbedingte Störungen, die sogar noch häufiger auftreten, sind Störungen des Magen-Darm-Traktes. Zu den schwerwiegenderen dieser Krankheiten zählen Magengeschwüre und Anorexia nervosa. Auch Erkrankungen der Atemwege können durch Stress beeinflusst werden. Von diesen Störungen tritt Asthma am häufigsten auf, das durch emotionale Spannungen ausgelöst werden kann. Darüber hinaus kann emotionaler Stress viele Hauterkrankungen, deren Symptome von Juckreiz und Schmerz bis zu Ausschlag und Pusteln reichen, verursachen oder verschlimmern. Depressionen können durch Stress, wie er etwa infolge des Verlusts eines Arbeitsplatzes entsteht, ausgelöst werden. Zwischen Depressionen und Stress besteht zudem eine Wechselwirkung, denn die Nebennieren depressiver Menschen produzieren erheblich größere Mengen des Stresshormons Cortisol. Stresstheorien Verschiedene Stresstheorien haben versucht, den Zusammenhang zwischen Stressoren und Stressreaktion darzustellen. Die Modelle sind mit wachsendem Erkenntnisstand zunehmend komplexer geworden. In mancher Hinsicht stellen sie einfach verschiedene Definitionsversuche des weitläufigen Begriffskomplexes „Stress“ dar. Beispielhaft können benannt werden: Notfallreaktion nach Walter Cannon (1914, 1932) Nach diesem Modell reagiert der Körper blitzartig durch die Herstellung einer „Flucht oder Angriffsbereitschaft“. Allgemeines Anpassungssyndrom nach Hans Selye (1936): Dieses Modell ist das ursprüngliche Stresskonzept. Es stellt die Folgen punktuellen und chronischen Stresses dar. Mit Wahrnehmung eines Stressors folgt eine Anpassungsreaktion. Nachgewiesen wurde, dass auf jede Anspannung- eine Entspannungsphase folgen muss, da nur bei ausreichender Erholung ein gleichbleibendes Niveau zwischen Ruhe und Erregung gehalten werden kann. Folgen in kurzen Abständen weitere Stressoren, wächst das Erregungsniveau weiter an. Stressmodell von Henry: Dieses Modell unterscheidet verschiedene Reaktionen je nach Stresssituation: Furcht (Flucht) führt zu Adrenalinanstieg; Ärger (Kampf) zu Noradrenalin- und Testosteronanstieg; Depression (Kontrollverlust, Unterordnung) zu Cortisolanstieg und Testosteronabfall. Transaktionales Stressmodell nach Lazarus (1974): Zusätzlich zu den oben genannten Modellen werden persönliche Bewertungsebenen eingefügt. Demnach wird Stress wesentlich von kognitiven Bewertungsprozessen mit bestimmt. Stress ist damit eine Interaktion zwischen der (individuellen) Person und der Umwelt. Es wurde nachgewiesen, dass Stress durch Einstellung und Erfahrung beeinflussbar ist. Theorie der Ressourcenerhaltung nach Stevan Hobfoll (1988, 1998): Stress wird als eine Reaktion auf die Umwelt definiert, in der ein Mensch Resourcen verliert oder verlieren könnte. Fragen zum Thema „ Stress“ (Partnerarbeit) 1) Können Sie sich an Zeiten erinnern, in denen Sie Stress empfanden? Welche Stresssymptome wiesen Sie damals auf? 2) Was kann man gegen Stress tun bzw. dagegen, in eine Stresssituation zu kommen? 3) Haben Sie schon einmal selbst versucht mit einer der genannten Methoden Stress zu bekämpfen? War Ihr Bemühen von Erfolg gekrönt?