91 8 Wheatstonesche Brücke 8.1 Einführung In der Messtechnik erfolgt die Messung physikalischer Größen oft durch einen Vergleich mit geeigneten Normalen. Eine Möglichkeit zur Realisierung solcher Messverfahren ist die Verwendung sogenannter Messbrücken. Dieser Versuch soll in einfache, mit Gleich- und Wechselspannung betriebene Brückenschaltungen einführen. Hierbei wird als Widerstandsmessbrücke eine Schleifdrahtbrücke nach Wheatstone betrachtet. Weitere Aufgaben befassen sich mit der Bestimmung von Kapazitäten und Induktivitäten mit Hilfe von einfachen Messbrücken. 8.1.1 Die Brückenschaltung Eine Messbrücke besteht im einfachsten Fall aus einer Parallelschaltung zweier Spannungsteiler, die an einer Brückenspeisespannung U0 betrieben werden. Dieser Aufbau wird nach dem Physiker Sir Charles Wheatstone als Wheatstonesche Brücke bezeichnet. R1 U0 R3 RM A A B UD R2 R4 Abbildung 8.1: Brückenschaltung Prinzipiell unterscheidet man zwei Arten von Messbrücken: • Abgleichmessbrücken und • Ausschlagmessbrücken Von einem Abgleich spricht man, wenn durch den Brückenzweig mit dem Messinstrument kein Strom fließt, das heißt, wenn zwischen den Punkten A und B keine Spannung abfällt. Hieraus leitet sich auch die Abgleichbedingung ab. 92 8.1 Einführung Fällt zwischen A und B keine Spannung ab, müssen beide Punkte auf gleichem Potential liegen. Das heißt: UA = R2 R4 U0 = UB = U0 R1 + R2 R3 + R4 (8.1) R2 (R3 + R4 )U0 = R4 (R1 + R2 )U0 (8.2) R2 R3 + R2 R4 = R1 R4 + R2 R4 (8.3) R1 R3 = R2 R4 (8.4) Ein Abgleich wird also erzielt, wenn das Widerstandsverhältnis der beiden Spannungsteiler gleich ist. Bei der Ausschlagmessbrücke wird ausgenutzt, dass die Brückendiagonalspannung UD sehr empfindlich auf eine Verstimmung der Brücke reagiert. Verstimmung heißt hierbei, das sich der Wert eines Widerstandes aus der Brücke leicht ändert, so das kein Abgleich mehr vorhanden ist. Auf den genauen Abgleich kann verzichtet werden, wenn Widerstandsänderungen in der Nähe des Arbeitspunktes der Brücke gemessen werden sollen. Hierzu wird die Brücke auf einen bestimmten Wert des interessierenden Widerstandes abgeglichen. Bei kleinen Änderungen des Widerstandswertes wird auf einen erneuten Abgleich verzichtet und die sich einstellende Diagonalspannung UD als Maß für die Widerstandsänderung genommen. Hierdurch wird eine zeitlich kontinuierliche Widerstandsmessung möglich. Für UD ergibt sich hierbei folgender Zusammenhang: UD = UA − UB = U0 R2 R4 − R1 + R2 R3 + R4 UD R2 R4 = − U0 R1 + R2 R3 + R4 (8.5) (8.6) Mit der Vereinfachung R1 = R2 = R3 = R und R4 = Rx = aR mit a ≥ 0 folgt: UD 1 a = − U0 2 1+a Die Diagonalspannung UD ist nichtlinear abhängig von Rx bzw. a. 8.1.2 Widerstandsmessung mit der Wheatstonebrücke Wir beschränken uns in diesem Praktikumsversuch auf die Abgleichmessbrücken. (8.7) 93 8.1 Einführung l1 RN R1 RM A U0 l2 UD R2 Rx Abbildung 8.2: Schleifdrahtbrücke Eine Sonderform der Abgleichbrücke ist die Schleifdrahtmessbrücke (Abbildung 8.2). Hierbei wird der Spannungsteiler R1 + R2 durch einen Widerstandsdraht mit variablem Mittelabgriff ersetzt; R3 entspricht einem bekannten Widerstand RN . Mit dieser Anordnung lässt sich ein unbekannter Widerstand R4 = Rx wie folgt leicht bestimmen. Der Widerstand eines Widerstandsdrahtes ergibt sich nach R=ρ l A (8.8) Hierbei ist ρ der spezifische Widerstand des Drahtes, l die Drahtlänge und A die Querschnittsfläche des Drahtes. Mit dieser Beziehung folgt für die Abgleichbedingung: R1 l1 R3 RN = = = R2 l2 R4 Rx (8.9) l1 RN = l2 Rx (8.10) und somit Rx = RN 8.1.3 l2 l1 (8.11) Impedanzmessbrücken In ähnlicher Weise verfährt man auch bei Impedanzmessbrücken. Diese werden eingesetzt, um Impedanzen zu messen. Impedanzen sind komplexe Wechselstromwiderstände Z linearer passiver Zweipole, also Widerstände R, Kapazitäten C und Induktivitäten L. Der Aufbau einer Impedanzmessbrücke entspricht dem bereits bekannten Prinzip der gekoppelten Spannungsteiler. Im Unterschied zur Widerstandsmessbrücke werden nun aber komplexe 94 8.1 Einführung Impedanzen Z 1 bis Z 4 eingesetzt. Weiterhin wird die Brücke an einer Wechselspannungsquelle u0 (t) betrieben. Für den Abgleich ergeben sich hieraus folgende Konsequenzen: Z = R + jX = Z ejϕ (8.12) mit Z= √ R2 + X 2 (8.13) Aus der Abgleichbedingung R3 R1 = bzw. R1 R4 = R2 R3 R2 R4 (8.14) Z 1Z 4 = Z 2Z 3 (8.15) wird Je nachdem, welche Einsetzung aus 8.12 vorgenommen wird, ergeben sich folgende Abgleichbedingungen: 1. Mit Z = R + jX folgt (R1 + jX1 )(R4 + jX4 ) = (R2 + jX2 )(R3 + jX3 ) und hieraus die beiden Abgleichbedingungen R1 R4 − X1 X4 = R2 R3 − X2 X3 (Realteil) R1 X4 + R4 X1 = R2 X3 + R3 X2 (Imaginärteil) 2. Mit Z = Z ejϕ folgt Z1 ejϕ1 Z4 ejϕ4 = Z2 ejϕ2 Z3 ejϕ3 und hieraus die beiden Abgleichbedingungen Z1 Z4 = Z2 Z3 (Betrag) ϕ1 + ϕ4 = ϕ2 + ϕ3 (Phase) 8.1.3.1 Kapazitätsmessbrücken Mit der Schleifdrahtbrücke nach Abbildung 8.3 lassen sich nach diesem Prinzip die Werte von Kondensatoren (Kapazitäten) bestimmen. Wie oben beschrieben benötigt eine Impedanzmessbrücke zwei unabhängig voneinander einstellbare Parameter, um beide Abgleichbedingungen zu erfüllen. In unserer Schaltung wurde auf einen Phasenabgleich verzichtet, da bei den hier verwendeten Frequenzen (f = 1 kHz) und Kapazitäten (C ≈ 1 µF) die Phasenverschiebung unbedeutend ist. 95 8.1 Einführung l1 CN R1 V u0 l2 R2 UD Cx Abbildung 8.3: Kapazitätsmessbrücke LN l1 R1 V u0 l2 R2 R3 R4 UD Lx Abbildung 8.4: Induktivitätsmessbrücke 8.1.3.2 Induktivitätsmessbrücken Mit der Schleifdrahtbrücke nach Abbildung 8.4 lassen sich die Werte von Spulen (Induktivitäten) bestimmen. Wie oben beschrieben benötigt eine Impedanzmessbrücke zwei unabhängig voneinander einstellbare Parameter, um beide Abgleichbedingungen zu erfüllen. Dies wird in unserer Schaltung durch die Einführung eines weiteren Schleifdrahtes realisiert. Hierdurch entsteht je ein einstellbarer Widerstand in Reihe zu den vorhandenen Induktivitäten. Unter der ideal real Abbildung 8.5: Vereinfachtes Ersatzschaltbild einer Induktivität Annahme des in Abbildung 8.5 dargestellten vereinfachten Ersatzschaltbildes einer realen Induktivität, ergibt sich eine Abgleichmöglichkeit durch Anpassen der Phasenlage beider Induktivitäten. 8.2 Vorbereitungen 8.2 8.2.1 96 Vorbereitungen Allgemein Bereiten Sie sich mit Hilfe der Einleitung, den Vorlesungsunterlagen und mit weiteren Quellen (Bibliothek, Internet) ausführlich vor. Sollten Fragen offen bleiben, wenden Sie sich bitte rechtzeitig an einen Betreuer oder Herrn Schneider, R. -1325, WA 73. 8.2.2 Fragen zur Vorbereitung Beantworten Sie bitte zur Vorbereitung dieses Versuches schriftlich folgende Fragen: Gegeben sei eine Schleifdrahtbrücke nach Abbildung 8.2 mit folgenden Werten: R = R1 + R2 = 5 Ω, l1 + l2 = 1 m, RN = Rx = 1 kΩ, RM = 10 Ω und U0 = 2 V. 1. Widerstandsmessbrücke (a) Wie groß wird das Verhältnis UD /U0 bei einer Abweichung von 1 mm vom Abgleichpunkt bei einer Schleifdrahtlänge von 1 m? Hinweis: Es gilt die Annahme, dass die Spannungsteiler der Brücke unbelastet sind. (b) Wie groß wird der Fehlerstrom ID im obigen Fall für U0 = 2 V und RM = 10 Ω? (c) Wie groß ist die Änderung ∆Rx von Rx , wenn sich der Abgleichpunkt um 1 mm verändert? 2. Kapazitätsmessbrücke (a) Warum kommt es überhaupt zur Stromlosigkeit in der Brücke, obwohl die Ströme im kapazitiven und ohmschen Zweig um 90◦ gegeneinander verschoben sind? (b) Wodurch wird ein Phasenabgleich in der Brückenschaltung nach Abb. 8.3 hervorgerufen? (c) Leiten Sie die Abgleichbedingung für die Kapazitätsmessbrücke her. Hinweis: Rechnen Sie mit idealen Kapazitäten. (d) Welchen Fehler ruft ein Leckwiderstand von Cx hervor, und wie kann er kompensiert werden? 3. Induktivitätsmessbrücke (a) Leiten Sie die Abgleichbedingung für die Induktivitätsmessbrücke her. Hinweis: Rechnen Sie mit idealen Induktivitäten. (b) Zeigen Sie, wie mit Hilfe des zweiten Schleifdrahtes der Phasenabgleich zustande kommt. 97 8.3 Versuchsdurchführung 8.3 8.3.1 Versuchsdurchführung Widerstandsmessbrücke Aufzubauen ist eine Widerstandsmessbrücke nach Abbildung 8.2. Hierbei ist RN der Referenzwiderstand 1kΩ, sowie Rx und RM jeweils eine Widerstandsdekade in der Einstellung 1kΩ. Versorgt wird die Schaltung über eine Gleichspannungsquelle mit U0 = 2 V. RN = 1 kΩ Formel: Rx = RN · a b a/ cm Messung 1 2 3 RN mit Rx 4 vertauschen 5 6 Mittelwert der Messung: Rx = Fehler des Mittelwertes: qP (Rx −Rx )2 ∆Rx = = 6(6−1) Fehler der Messung: Rx = Rx ± ∆Rx = 1 6 6 P 1 Rx = b/ cm Rx / Ω 98 8.3 Versuchsdurchführung 8.3.2 Kondensatormessbrücke Aufzubauen ist eine Kondensatormessbrücke nach Abbildung 8.3. Hierbei ist CN die Referenzkapazität 1 µF, welche über eine Kapazitätsdekade einzustellen ist. An Stelle von Cx werden je nach Messung zwei Kondensatoren Cx1 , Cx2 oder eine Kombination (Reihen-/Parallelschaltung) von ihnen eingesetzt. Auch sie werden wieder aus Dekaden gebildet. Versorgt wird die Schaltung über eine Wechselspannungsquelle mit U0 = 2 VSS . CN = Formel: Cx = Kapazität Cx1 : Messung 1 2 CN mit Cx1 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: C x1 = 1 4 4 P Cx1 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Cx1 −C x1 )2 ∆Cx1 = = 4(4−1) Fehler der Messung: Cx1 = C x1 ± ∆Cx1 = a/ cm b/ cm Cx1 / µF 99 8.3 Versuchsdurchführung Kapazität Cx2 : Messung 1 2 CN mit Cx2 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: C x2 = 1 4 4 P Cx2 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Cx2 −C x2 )2 ∆Cx2 = = 4(4−1) Fehler der Messung: Cx2 = C x2 ± ∆Cx2 = a/ cm b/ cm Cx2 / µF 100 8.3 Versuchsdurchführung Parallelschaltung von Cx1 und Cx2 : Messung 1 2 CN mit Cx1,2 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: C x1,2 = 1 4 4 P Cx1,2 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Cx1,2 −C x1,2 )2 ∆Cx1,2 = = 4(4−1) Fehler der Messung: Cx1,2 = C x1,2 ± ∆Cx1,2 = a/ cm b/ cm Cx1,2 / µF 101 8.3 Versuchsdurchführung Reihenschaltung von Cx1 und Cx2 : Messung 1 2 CN mit Cx1,2 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: C x1,2 = 1 4 4 P Cx1,2 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Cx1,2 −C x1,2 )2 ∆Cx1,2 = = 4(4−1) Fehler der Messung: Cx1,2 = C x1,2 ± ∆Cx1,2 = a/ cm b/ cm Cx1,2 / µF 102 8.3 Versuchsdurchführung 8.3.3 Induktivitätsmessbrücke Aufzubauen ist eine Induktivitätsmessbrücke nach Abbildung 8.4. Hierbei ist LN die Referenzinduktivität. An Stelle von Lx werden je nach Messung zwei Spulen Lx1 , Lx2 oder eine Kombination (Reihen-/Parallelschaltung) von ihnen eingesetzt. Versorgt wird die Schaltung über eine Wechselspannungsquelle mit U0 = 2 VSS . LN = Formel: Lx = Induktivität Lx1 : Messung 1 2 LN mit Lx1 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: Lx1 = 1 4 4 P Lx1 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Lx1 −Lx1 )2 = ∆Lx1 = 4(4−1) Fehler der Messung: Lx1 = Lx1 ± ∆Lx1 = a/ cm b/ cm c/ cm d/ cm Lx1 / mH 103 8.3 Versuchsdurchführung Induktivität Lx2 : Messung 1 2 LN mit Lx2 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: Lx2 = 1 4 4 P Lx2 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Lx2 −Lx2 )2 = ∆Lx2 = 4(4−1) Fehler der Messung: Lx2 = Lx2 ± ∆Lx2 = a/ cm b/ cm c/ cm d/ cm Lx2 / mH 104 8.3 Versuchsdurchführung Parallelschaltung von Lx1 und Lx2 : Messung 1 2 LN mit Lx1,2 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: Lx1,2 = 1 4 4 P Lx1,2 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Lx1,2 −Lx1,2 )2 ∆Lx1,2 = = 4(4−1) Fehler der Messung: Lx1,2 = Lx1,2 ± ∆Lx1,2 = a/ cm b/ cm c/ cm d/ cm Lx1,2 / mH 105 8.4 Literatur Reihenschaltung von Lx1 und Lx2 : Messung a/ cm b/ cm c/ cm d/ cm Lx1,2 / mH 1 2 LN mit Lx1,2 3 vertauschen 4 Mittelwert der Messung: Lx1,2 = 1 4 4 P Lx1,2 = 1 Fehler des Mittelwertes: qP (Lx1,2 −Lx1,2 )2 ∆Lx1,2 = = 4(4−1) Fehler der Messung: Lx1,2 = Lx1,2 ± ∆Lx1,2 = 8.4 Literatur [1] C LAUSERT, H. ; W IESEMANN, G. : Grundgebiete der Elektrotechnik 1. 8. Auflage. München, Wien : Oldenbourg, 2003 [2] T IETZE, U. ; S CHENK, C. : Halbleiter-Schaltungstechnik. 12. Auflage. Berlin : Springer, 2002