Westfalen im Untergrund: Tektonische Baueinheiten

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Westfalen im Untergrund: Tektonische Baueinheiten
Der Dreiteilung Westfalens nach der
Höhenlage und den Oberflächenformen
in Mittelgebirge (Südwestfalen), Bergland (Ostwestfalen) und Tiefland (Nordwest-Westfalen) entspricht auch eine
Dreigliederung im Bau des Untergrundes, d. h. der oberen Erdkruste. In der
Tektonik, die sich mit dem Aufbau der
Erdkruste und den strukturbildenden
Kräften sowie Bewegungen beschäftigt,
unterscheidet man zwischen drei verschiedenen Baueinheiten bzw. Krustenteilen in Westfalen: einem Faltengebirge
im Süden (Sauer-, Siegerland), einem
Bruchschollenbergland im Osten (Weserbergland) und einer weit gespannten
Einmuldung im Nordwesten, der Westfälischen Oberkreidemulde (Münsterland, Hellweggebiet).
1. Faltengebirge (Sauer-, Siegerland)
Das Mittelgebirge des Sauer- und des
Siegerlandes (im Süden bis über 800 m
hoch) ist die älteste tektonische Einheit in
Westfalen. Es gehört zum Rheinischen
Schiefergebirge (Abb. 1), zu dem in
Nordrhein-Westfalen auch das Bergische
Land und die Eifel zählen. Nördlich der
Ruhr erstreckt sich das Schiefergebirge
noch weit unter das Münsterland.
Entstanden ist dieses Schiefergebirge als ein Faltengebirge im Zuge der
sog. variskischen Gebirgsbildung gegen
Ende des Erdaltertums. Damals (zur
Devon-Zeit, s. Tab. 1) trennte im heutigen Mitteleuropa ein breiter Meeresarm
den Urkontinent Laurentia, einschl. Baltica (Ur-Europa), im Norden von dem
von Süden herandriftenden AvaloniaKontinent. In dem sich langsam eintiefenden Meeresarm kam es zur Ablagerung insgesamt mehrere 1 000 Meter
mächtiger Schichten von Tonen, Schluffen (Grobtonen), Sanden und Kalken
sowie zur Ausbildung großer Korallenriffe, die sich als sog. Massenkalk im
heutigen Sauerland wiederfinden.
Ära
Erdaltertum
In der jüngeren Karbon-Zeit, vor
etwa 330 – 300 Mio. Jahren, erfolgten
im Verlauf der Annäherung von Laurentia und Avalonia eine Verengung des
Meeresarmes und eine Zusammenschiebung (z. T. auch Überschiebung) der
inzwischen zu Gesteinen verfestigten
Meeresablagerungen zu Faltensätteln
(Aufwölbungen) und Faltenmulden (s.
Abb. 1) sowie deren Heraushebung weit
über den Meeresspiegel („Alpen des
Karbons“). Die Faltenformen sowie die
Schieferung der tonigen/schluffigen
Gesteine unter hohem Druck zu Tonschiefern aus dünnen Platten wurden
kennzeichnend und namengebend für
das Rheinische Schiefergebirge, das
wiederum ein Teilgebiet des ehemaligen
Variskischen Gebirges von der iberischen Halbinsel über Zentralfrankreich,
Südwestengland und Mitteldeutschland
bis nach Ostböhmen ist.
Bereits in der unmittelbar nachkarbonischen Perm-Zeit wurde das Rheinische
Schiefergebirge durch Abtragung zu
einem Rumpfgebirge eingeebnet. Ab der
Wende Kreide/Tertiär setzte jedoch in
mehreren Phasen eine neuerliche, treppenförmige Hebung des Gebirgsblockes
ein mit einer Abstufung von Süden (Rothaargebirge) nach Norden. Seither
modellierte die ausfurchende Tätigkeit
des fließenden Wassers aus dem Gebirgsblock die reizvollen Mittelgebirgslandschaften mit tief eingeschnittenen Tälern
heraus, für die Südwestfalen heute
bekannt ist („Land der 1 000 Berge“).
2. Bruchschollengebirge (Weserbergland)
Im Osten Westfalens erstreckt sich zwischen Ems und Weser das Weserbergland (bis 496 m), dessen Grenzen im
Westen der Teutoburger Wald und das
Eggegebirge, im Norden das Wiehengebirge sowie im Osten und Süden die Talzüge der Weser bzw. Diemel bilden.
Erdmittelalter
System Devon Karbon Perm Trias
Alter
(Mio. J.)
417
358
296
251
Jura Kreide Tertiär Quartär
200
Tab. 1: Geologische Zeittafel (ab Devon)
(Quelle: Deutsche Stratigraphische Kommission 2002)
26
Erdneuzeit
Geographische Kommission für Westfalen
142
65
2,6
Aufgebaut wird das Weserbergland
hauptsächlich von Gesteinen der Triasund der Jura-Zeit, die im Unterschied
zum Grundgebirge des Erdaltertums (s.
Sauer- und Siegerland) zum jüngeren
Deckgebirge zählen.
Die Baugeschichte des Berglandes
begann vor etwa 170 – 160 Mio. Jahren in
der Jura-Zeit mit der tieferen Absenkung
des sog. Niedersächsischen Beckens im
Gebiet des heutigen Weserberglandes
infolge horizontaler Zerrungsvorgänge in
der Erdkruste. Zur Oberkreide-Zeit
vor/ab ca. 90 Mio. Jahren setzte dann eine
Inversion (Bewegungsumkehr) ein, durch
die die Gesteine des Beckeninhalts
emporgepresst und über den Meeresspiegel zu einer Landschwelle („Nordwestfälisch-Lippische Schwelle“, s. Abb. 1) herausgehoben wurden. Dabei kam es in den
Randzonen zu besonders intensiven Vertikalbewegungen, von denen heute die
lang gestreckten, markanten Höhenrücken des Teutoburger Waldes, Egge- und
Wiehengebirges zeugen.
Die Inversion stand im Zusammenhang mit der Kollision zwischen der Afrikanischen Platte (Ausschnitt aus der Erdkruste) und der Eurasischen Platte, mit
der die Alpen-Auffaltung begann und ein
erheblicher horizontaler Druck auf die
Erdkruste Mitteleuropas bis weit nach
Norden einsetzte. Durch die Pressungsund Dehnungsbelastungen als Folge dieser tektonischen Fernwirkung unterlagen
die Gesteinsschichten im Bereich der
Landschwelle im Osten Westfalens nicht
nur Aufwölbungen und Einmuldungen (s.
Abb. 1), sondern auch einem Zerbrechen
zu einem Mosaik aus zahlreichen hochgedrückten oder abgesunkenen Gesteinsschollen. Das daraus resultierende und
später durch Verwitterung und Abtragung
sowie Überfahrung durch Gletscher (Saale-Eiszeit vor ca. 250 000 – 200 000 Jahren) weiter ausgestaltete Relief des sog.
Bruchschollengebirges (auch als Bruchfaltengebirge bezeichnet) prägt heute das
ansprechende, abwechslungsreiche Bild
des Weserberglandes.
Gleichzeitig mit der Entwicklung
der Landschwelle stiegen an mehreren
Stellen vermutlich glutflüssige Gesteinsschmelzen bis auf etwa acht Kilometer unter die Erdoberfläche auf, was
zu einer Aufheizung des Deckgebirges
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Westfälische Oberkreidemulde
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Faltengebirge
(Devon- u- Karbon-Zeit)
Bruchschollengebirge
(Nordwestf.-Lippische Schwelle)
(Jura- u. Kreide-Zeit)
Mulde bzw. Becken
(Ende Oberkreide-Zeit)
Faltensättel u. -mulden (Auswahl)
(ohne Westf. Oberkreidemulde)
Hebungsachsen (Auswahl)
Tiefenlinien der KreideBasis (m u. NN)
Jüngere Sedimentbedeckung (ohne Quartär)
Basaltkuppen und
-decken
Grenze Westfalen
Entwurf: K. TEMLITZ,
Quelle: Geographisch-landeskundlicher Atlas von Westfalen
Abb. 1: Tektonische Baueinheiten Westfalens
(Entwurf: K. TEMLITZ, Quelle: Geographisch-landeskundlicher Atlas von Westfalen)
führte. Dafür sprechen u. a. die Kohlesäure- und Thermalquellen im Weserbergland und der sehr hohe Kohlenstoffgehalt der karbonzeitlichen Steinkohle bei Ibbenbüren. Die Steinkohle,
die im Ruhrgebiet zutage tritt und nach
Norden tief abtaucht, wurde im nordwestlichen Weserbergland herausgehoben (um ca. 2 000 m) und kommt im
sog. Ibbenbürener Karbon-Horst noch
einmal an die Erdoberfläche (s. Abb. 1:
dunkelgrün).
3. Westfälische Oberkreidemulde
(Münsterland, Hellweggebiet)
Mit der Westfälischen Bucht ragt das
Norddeutsche Tiefland (unter 200 m)
keilförmig von Nordwest nach Südost
weit in den Mittelgebirgs- und Berglandbereich hinein. Betrachtet man die
Westfälische Bucht, in der das Münsterland, das Hellweggebiet sowie die
Paderborner Hochfläche liegen, in
einem Schnittbild, so lässt ihr Untergrund zwei Stockwerke erkennen:
erstens einen in sich gefalteten Sockel
aus Gesteinen des Erdaltertums (Karbon-Zeit) als nördliche Fortsetzung des
Grundgebirges im Sauerland (Rheinisches Schiefergebirge) und zweitens ein
darüber liegendes, fast ausschließlich
oberkreidezeitliches Deckgebirge. Der
gefaltete Sockel, der im Osten und Norden an das Weserbergland grenzt und im
Westen bis etwa zu einer Linie Rheine –
Borken – Dorsten reicht, wies bis zur
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Münster
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Bocholt
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KLAUS TEMLITZ
WESTFALEN REGIONAL
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Gebiet und
Identität
Naturraum
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Wirtschaft
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Bentheimer Sattel
Ibbenbürener Sattel
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ir Nordwestfälisch-
Unterkreide-Zeit die gleiche tektonische
Entwicklung auf wie das Grundgebirge
insgesamt. Erst in der Oberkreide-Zeit
vor rd. 90 Mio. Jahren setzte die Entwicklung der Westfälischen Bucht zu
einer eigenen tektonischen Baueinheit
ein, der sog. Westfälischen Oberkreidemulde (auch als Münsterländer Kreidebecken bezeichnet).
Infolge der Fernwirkung der AlpenAuffaltung (vgl. Weserbergland) sank
der karbonische Sockel ein und wurde
von einem Meer überflutet, das bis zu
2000 m mächtige, vor allem kalkige
Ablagerungen hinterließ. Gegen Ende
der Oberkreide-Zeit folgten rund um
den Sockel Hebungsbewegungen, die
zu einer allseitigen, unterschiedlich
stark ausgeprägten Aufbiegung des
Kreide-Deckgebirges an den Rändern
führte. Das bedingte eine muldenförmige Lagerung der OberkreideGesteinsschichten mit einer ringförmigen Abfolge von den jüngeren Schichten in der Muldenmitte zu den ältesten
an den Außenrändern. Auch die Tiefenlinien der Auflagerungsmächtigkeit des
Deckgebirges auf dem Sockel bilden
deutlich eine Mulde ab, wobei – an der
Oberfläche nicht erkennbar – das Muldentiefste im äußersten Nordosten liegt
(s. Abb. 1).
Im Rahmen der Hebungsabläufe in
den benachbarten Krustenteilen wurde
auch die Oberkreidemulde schließlich
wieder aus dem Meer emporgehoben
und seit der frühen Tertiär-Zeit den
Prozessen der Verwitterung und Abtragung zu einem Flachland ausgesetzt, in
dem – tektonisch bedingt – die Baumberge (186 m) und Beckumer Berge
(173 m) kleine Kalkgestein-Hügelländer bilden.
Die letzte nivellierende Ausprägung
der Oberflächenformen erfuhr die
Kreidemulde während der Eis- bzw.
Kaltzeiten und der Warmzeiten im
Quartär durch bis zu 60 m mächtige
Sedimentmassen aus Eis- (Grundmoränen-) und Schmelzwasserablagerungen
sowie Fluss- und Windablagerungen
(Lösse und Flugsande).
Bildung
und Kultur
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Tektonische Baueinheiten
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Westfalens
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Gesellschaft
und Politik
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