Ohne Schmerz kein Preis? - Schweizerische Gesellschaft für Musik

Werbung
44
B A S I S
No. 7/8/2015 — Juillet/Août 2015
Schweizerische
Gesellschaft
für Musik-Medizin SMM
Association Suisse
de Médecine
pour Musiciens SMM
Associazione Svizzera
di Medicina
per Musicisti SMM
Ohne Schmerz
kein Preis?
Dank spezifischen
Abklärungen in musikermedizinischen Spezialsprechstunden können Musikerinnen
und Musiker heute gezielt
behandelt werden.
Peter Schönenberger — Gesundheitliche Beschwerden können heute in
interdisziplinären musikermedizinischen Sprechstunden beziehungsweise in den Praxen der beteiligten Fachpersonen beurteilt werden. Ihre Störungen und Krankheiten lassen sich
so gezielt behandeln. Letztere lassen
sich dabei im Wesentlichen einteilen
in musikerspezifische Krankheitsbilder sowie allgemein häufige Krankheitsbilder mit besonderer Bedeutung
für Musizierende.
Krankheitsbilder sind musikerspezifisch, wenn die Symptome im direkten Zusammenhang mit dem Musizieren stehen. Nicht selten werden entsprechende Probleme auch bei Angehörigen anderer Berufe beobachtet,
wenn ähnliche ergonomische Herausforderungen und psychologische Umstände vorliegen.
Präsidentin / Présidente
Martina Berchtold-Neumann
Anlauf- und Beratungsstelle
für Musikermedizin / Service d’information de la
Médecine pour Musiciens
Pia Bucher
Sekretariat / S ecrétariat
Spiesackerstrasse 23
4524 Günsberg
T 032 636 17 71
[email protected]
www.musik-medizin.ch
Die Fachpersonen streben eine
möglichst präzise Diagnostik an. Sie
schlagen dazu die in ihrem Fachgebiet
üblichen diagnostischen und diagnostisch-technischen Abklärungen vor.
Ihre musikermedizinische Kompetenz
erlaubt ihnen die Analyse der prädisponierenden und der auslösenden
Faktoren sowie die Erarbeitung eines
therapeutischen Konzeptes. Leider
werden Symptome von Betroffenen –
zum Teil aus nachvollziehbaren Gründen - zu häufig verdrängt beziehungsweise verschwiegen, oder sie werden
ohne Diagnostik mit teilweise untauglichen Mitteln behandelt.
Häufig müssen Intensität und zeitliche Staffelung des Musizierens angepasst werden. Ergonomische Anpassungen am Instrument sind in einem
gewissen Umfang möglich. Arbeitsplatzanpassungen scheinen dabei
deutliche Grenzen gesetzt. An kaum
einem Arbeitsplatz eines Produktionsbetriebes arbeiten Menschen auf
so engem Raum wie in einem Orchester. In keiner Bibliothek teilen sich
zwei Leser ein Buch so wie sich zwei
Musikerinnen ein Notenpult in heikler
Distanz teilen. Zumindest im klassischen Musikbetrieb bestehen Kleider-
vorschriften, und kein Musiker erbringt seine Spitzenleistung so leicht
bekleidet wie ein Langstreckenläufer,
wie sehr er auch schwitzen mag.
Wie Abklärungen erfolgen – ein
Fallbeispiel
Ein Hausarzt überweist einen 19jährigen Flötisten wegen Schmerzen in den
Bereichen der Beugeseite des rechten
Handgelenkes und der Streckmuskulatur am rechten Unterarm. Pro Tag
spielt er 30 Minuten Klavier und 3 bis
4 Stunden Flöte ‒ mit einer Pause. Die
Schmerzen verspürt er schon seit drei
Jahren. Sie treten vorwiegend am
Zweitinstrument Klavier auf. Die Beschwerden, inzwischen auch im Nacken, haben zwei Jahre zuvor mit Hilfe einer Craniosakraltherapie gelindert
werden können. Nachdem die Vorgeschichte erhoben ist, wird der Flötist
körperlich untersucht, und sein Spiel
mit der Flöte wird mit einer Videokamera aufgenommen.
In einer zweiten Sitzung stellt sich
der Musiker in der interdisziplinären
musikermedizinischen Sprechstunde
vor. Festgestellt werden eine muskuläre Insuffizienz im Bereich der Brustwirbelsäule sowie ein Überlastungssyndrom der rechten Unterarmmuskulatur. Eine dynamische Ultraschalluntersuchung
schliesst
ein
dynamisches Karpaltunnelsyndrom
– eine positionsabhängige Kompression des Nervus medianus durch Muskulatur – aus. Der Flötist erhält Empfehlungen hinsichtlich der Spielhal-
Revue Musicale Suisse
Musikerspezifische
Krankheitsbilder
• Muskuläre Ueberlastung
(overuse)
• Sehnenprobleme
• Chronische myofasziale
Schmerzen
• Nervenkompressionen
• Hypersensibilität der
Fingerkuppen
• Fokale Dystonie
• Hautirritationen und –allergien
• Kiefergelenk- und Zahnprobleme
• Glaukom
• Innenohrfunktionsstörungen
• Stimmbanderkrankungen
tung an der Flöte und für ein spezielles
Coaching durch eine spezialisierte
Therapeutin oder Pädagogin sowie
Hinweise auf die Bedeutung von Pausenplanung und die präventive Wirkung körperzentrierter Techniken.
Zur Behandlung der muskulären Insuffizienz am Rücken und der Unterarmmuskulatur verordnet ein Musikerarzt eine aktive muskelaufbauende
Physiotherapie. .
Dr. med. Peter Schönenberger
FMH Arbeitsmedizin und Allgemeine
Innere Medizin
Musikerpraxis Bahnhof Belp
Vizepräsident SMM
Musikermedizinische Abklärungen umfassen auch die genaue Beobachtung
von Körperhaltungen und -bewegungen.
Foto: zvg
Die Schweizerische
Interpretenstiftung (SIS)
ist 1988 von der Schweizerischen Interpretengenossenschaft (SIG) gegründet
worden und wird seit 1993 regelmässig aus dem Abzug für kulturelle und soziale
Zwecke der Swissperform (Ausübende Phono und Audiovision) gespiesen.
Die SIS unterstützt Live-Darbietungen, gesundheitsfördernde und präventive Projekte, gewährt Rechtsschutz bei Berufsunfällen und -krankheiten und hilft bei
sozialen Härtefällen sowie Umschulungen auf Grund gesundheitlicher Probleme.
Kontakt und weitere Informationen: www.interpretenstiftung.ch
Interdisziplinäre
Musikersprechstunden
In Bern, Basel, Genf, Locarno, Luzern,
Zürich und Dornbirn (A) stehen interdisziplinäre Musikersprechstunden
zur Verfügung. Sie sind eingebettet
in ein Netzwerk von medizinischen
und therapeutischen Spezialisten
unterschiedlicher Fachrichtungen.
Informationen über die Anlauf- und
Beratungsstelle für Musikermedizin
erhältlich.
info@musik-­m edizin.ch
Herunterladen