Gliederung Vortrag Berlin Diskurs Grüne Gentechnik

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Diskurs Grüne Gentechnik
Auftaktveranstaltung 12.Dezember 2001, Berlin
Grüne Gentechnik – Stand der Anwendung,
Interessenskonflikte, Probleme und Risiken
Dr. Beatrix Tappeser, Öko-Institut e.V.
Diskurs Grüne Gentechnik
Originaldokument ohne redaktionelle oder gestalterische Bearbeitung
Vollständige Dokumentation und weitere Informationen zum Diskurs Grüne
Gentechnik unter: www.transgen.de | Portal Diskurs
Grüne Gentechnik – Stand der Anwendung, Interessenskonflikte, Probleme
und Risiken
Dr. Beatrix Tappeser, Öko-Institut e.V., Januar 2002
Einleitung
Die sogenannte grüne Gentechnik ist in der Diskussion – in Deutschland und
weltweit. Während die Bürgerinnen und Bürger in vielen Ländern im Süden und im
Norden mehrheitlich die Nutzung dieser Technologie im Bereich Landwirtschaft und
Lebensmittel ablehnen oder mindestens eine Wahlfreiheit einfordern, sind Industrie,
Wissenschaft und häufig auch die Politik entschlossen, diese Technik am Markt zu
etablieren.
Der folgende Beitrag möchte den derzeitigen Stand der Anwendung verdeutlichen
und die Hauptlinien der aktuellen Risikodiskussion nachzeichnen. Den Abschluß
bildet eine kurze Skizzierung der Interessenskonflikte und Probleme, die sich aus
einer Sicherstellung der Wahlfreiheit für die VerbraucherInnen ergeben.
Globale Anbauflächen
Im Jahr 2001 sind nach Erhebungen von ISAAA (International Service for the
Acquisition of Agri-biotech Applications) ca. 52,6 Millionen Hektar weltweit mit
transgenen Pflanzen bebaut worden. Trotz der internationalen Diskussionen
bedeutet dies nochmals einen Zuwachs von ungefähr 10% im Vergleich zum Jahr
2000. Auch 2001 beschränkte sich dieses Wachstum auf vier Pflanzen und im
wesentlichen vier Länder. Mit Abstand die grösste Anbaufläche wies im Jahr 2001
herbizidresistentes transgenes Soja auf (Roundup-Ready Soja, 63% oder 33,3 Mio.
ha Anbaufläche weltweit, Zunahme 7,5 Mio ha ) gefolgt von Mais ( 9,8 Mio. ha im
Jahr 2001, was einer Nettoabnahme von 500 000 ha im Vergleich zum Jahr 2000
und 1,3 Mio. ha im Vergleich zum Jahr 1999 entspricht), Baumwolle (6,8 Mio. ha, +
1,5 Mio ha) und Raps (4,7 Mio. ha, Nettoabnahme 200 000 ha im Vergleich zum Jahr
2000 und 800 000 ha im Vergleich zum Jahr 1999). Andere Pflanzen oder
Feldfrüchte spielten im Jahr 2000 und auch 2001 keine Rolle.
Nutzung in der Lebensmittelverarbeitung
An vielen Stellen hat damit in der Lebensmittelverarbeitung die Gentechnik bereits
Einzug gehalten, denn Komponenten von Soja, Mais und Raps aber auch Baumwolle
werden an vielen Stellen in der Lebensmittelindustrie genutzt. Darüber hinaus
werden eine Reihe von Enzymen, Vitaminen oder auch Aminosäuren, die als
Zusatzstoffe, Aromen oder Verarbeitungshilfsstoffe dienen, aus gentechnisch
veränderten Mikroorganismen gewonnen. So wird das Chymosin, das wichtigste
Enzym zur Käseherstellung aus dem Kälberlab mittlerweile sowohl bakteriell als auch
mithilfe von gentechnisch veränderten Hefezellen hergestellt. Aber auch Amylasen (
= stärkeabbauende Enzyme), Proteasen (= eiweißabbauende Enzyme) oder Lipasen
(= fettspaltende Enzyme) werden von gentechnisch veränderten Mikroorganismen
produziert und in vielen unterschiedlichen Produktgruppen eingesetzt. Vitamine sind
eine
weitere
Substanzgruppe,
die
wegen
ihrer
bekanntermaßen
gesundheitsfördernden Wirkungen in Obst und Gemüse gerne in isolierter Form bei
der Lebensmittelverarbeitung eingesetzt werden. Die Vitamine A (Beta-Carotin als
Vorstufe), C (Ascorbinsäure) und E (Alpha-Tocopherol) werden ebenfalls
gentechnisch hergestellt und finden sich dann möglicherweise in ACE- oder
Multivitaminsäften, als Farbstoff in der Butter (Beta-Carotin) oder als
Konservierungsstoff (Vitamin C) in verarbeiteten Nahungsmitteln wieder.
Aminosäuren als Bausteine der Eiweiße werden in unterschiedlichen Produkten und
vor allem bei Futtermitteln in isolierter Form genutzt. Für eine Reihe von
Aminosäuren ist bekannt, dass sie mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen
hergestellt werden. Allerdings gibt es nur wenige Informationen darüber, wo die
gentechnisch hergestellten Varianten genau eingesetzt werden (www.transgen.de)
Eine eher ungewollte „Anreicherung“ mit gentechnisch veränderten Pflanzenteilen
liegt teilweise in Honig vor. Importierter Rapshonig aus Kanada wird in sehr vielen
Fällen transgenen Rapspollen enthalten, da Kanada eines der Hauptanbaugebiete
für herbizidresistenten Raps darstellt.
Wirtschaftlichkeit
Bei den grossen Anbauerfolgen in den USA sollte davon auszugehen sein, daß sich
der Anbau wirtschaftlich nicht nur für die Agroindustrie sondern auch für die
Landwirte lohnt. Doch gerade da sind Zweifel angebracht. Die Generaldirektion
Landwirtschaft der EU kommt nach einer Analyse der amerikanischen Daten (Ertrag,
Pestizidverbrauch etc.) insgesamt zu dem Ergebnis, dass die analysierten Studien
kein endgültiges Urteil darüber zulassen, ob sich der Anbau für den Landwirt
ökonomisch lohnt (“The studies reviewed do not provide conclusive evidence on the
farm-level
profitability
of
GM-crops.”
DIRECTORATE-GENERAL
FOR
AGRICULTURE 2000, Executive Summary, page 4).
Die Daten, die sich in der Literatur finden lassen, sind insgesamt sehr
widersprüchlich und häufig nicht miteinander vergleichbar. Die EU-Studie berichtet
über 3 bis 13% geringeren Ertrag bei Roundup Ready-Soja im Vergleich zu
konventionellen Sorten. Nach geringfügigen Pestizideinsparungen in den ersten
beiden Jahren der Anpflanzung sei seit 1998 wieder ein Anstieg des
Herbizidverbrauchs zu registrieren. Unterstützt wird dieser Aussage durch eine
kürzlich vorgenommene Auswertung der Pestizidverbrauchsdaten nach einer
Statistik des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (BENBROOK 2001).
Danach werden
•
geringfügig mehr Kilogramm
Pestizide pro Hektar Roundup-Ready
Sojabohnen ausgebracht als auf konventionell bepflanzten Feldern
und
•
ist insgesamt ein langsamer Anstieg des Verbrauchs festzustellen.
Dieser Anstieg beruht – so die zusammengefasste Bewertung verschiedener
Experten - auf einer Veränderung in der Zusammensetzung der Unkrautflora (weed
shift), spät in der Saison auftretenden Unkräutern, die Bekämpfungsmaßnahmen
entgehen, und damit zum Aufbau einer Unkrautsamenbank im Boden führen sowie
einer wachsenden Unempfindlichkeit einiger Unkrautarten gegenüber Glyphosat.
(BENBROOK 2001)
Der in gewissem Widerspruch stehende grosse Erfolg der RR-Sojabohnen in den
USA und Argentinien wird gleichlautend von der EU-Studie und der zitierten
amerikanischen Veröffentlichung darauf zurückgeführt, das durch die HRTechnologie eine deutliche Vereinfachung des Unkrautmanagements ermöglicht
wird.
Auch der Anbau von HR-Mais führte nicht zu einer Reduktion im Herbizidverbrauch,
sondern verursachte im Vergleich in den USA einen ca. 30%igen Anstieg im
Herbizidverbrauch pro Hektar. (BENBROOK 2001)
BT-Mais hat ebenfalls nicht zu einer Reduktion des Pestizidverbrauchs geführt. In
einigen Fällen wurden sogar höhere Mengen Pestizide ausgebracht. Die Angaben zu
den Erträgen schwanken zwischen gleich hoch und geringfügig erhöhten Erträgen.
(DIRECTORATE-GENERAL FOR AGRICULTURE 2000)
Für herbizidresistenten Raps werden Ertragsschwankungen zwischen 15% mehr bis
zu 15 % weniger angegeben. Die Angaben zum Herbizidverbrauch sind nicht
eindeutig. Nach der EU-Studie kann keine klare Aussage zur Profitabilität des
Anbaus von HR-Raps gemacht werden.
Allein mit Bt-Baumwolle konnten teilweise deutliche Einsparungen beim
Insektizidverbrauch festgestellt werden. Doch auch das Gegenteil wird berichtet. So
hat sich in Alabama – einer wichtigen Baumwollanbauregion mit 62% transgener
Baumwolle auf den Anbauflächen - der Insektizidverbrauch zwischen 1997 und 2000
fast verdoppelt. (BENBROOK 2001)
Daraus folgt, daß der propagierte ökonomische1 und ökologische Nutzen – höhere
Erträge und geringerer Pestzidverbrauch - sich bisher so nicht realisiert hat.
Probleme und Risiken
Gesundheitliche Risiken
Allergiefragen
Echte Allergien werden durch Eiweisse ausgelöst. Da gentechnische Eingriffe in
Pflanzen in der Regel dazu führen, dass neue, bisher in dieser Pflanze nicht
anzutreffende Proteine gebildet werden, ist sehr schnell in Zusammenhang mit der
gesundheitlichen Unbedenklichkeit die Frage nach einem verändertem allergenen
Potential dieser pflanzlichen Nahrungsmittel aufgekommen. Bei Eiweißen, die aus
bekannten, allergieauslösenden Organismen stammen, gibt es gewisse
Testmöglichkeiten. Ganz anders sieht es aus, wenn die Eiweiße bisher nicht zu
unserem Nahrungsmittelrepertoire gehörten. Hierzu führte die FDA 1992 aus: "Ein
weiterer Punkt ist, inwieweit jedes neue Protein in Nahrungsmitteln das Potential
besitzt, allergen auf einen bestimmten Anteil der Bevölkerung zu wirken. Im Moment
ist der FDA keine Methode bekannt, die es ermöglicht, vorherzusagen oder
festzustellen, inwieweit neue Proteine in Nahrungsmitteln das Potential besitzen,
Allergien auszulösen". Zu dem gleichen Ergebnis kam eine Studie des
Umweltbundesamtes, die 1995 erschienen ist (BERGSCHMIDT 1995). Auch
NESTLE (1996) stellte in einem Kommentar für das New England Journal of
Medicine fest, daß es keine zuverlässigen Methoden gibt, das Allergiepotential eines
neuen nahrungsmittelfremden Proteins im Vorhinein abzuschätzen. Bei einem 1999
in den Niederlande veranstalteten Workshop kamen die Teilnehmer wiederum zu
einem ähnlichen Ergebnis und forderten die Entwicklung neuer, angepasster
Testmethoden, vor allem die Entwicklung von entsprechenden Tiermodellen, die es
bisher noch nicht gibt (CONSUMENT & BIOTECHNOLOGIE 1999). Einig waren sich
die Teilnehmer dieses Workshops auch, dass derzeit eine Reihe von Genen für
Proteine in transgene Pflanzen kloniert werden, die als potentielle Allergene
betrachtet werden müssen. Dazu gehören
• Enzyminihibitoren, besonders Trypsininhibitoren
• Lektine (spezielle Eiweisse mit insektentoxischem
säugetiertoxischem Potential)
1
und
teilweise
auch
Diese Aussage bezieht sich auf die Landwirte und die VerbraucherInnen, nicht auf die das Saatgut und die
dazugehörigen Betriebsmittel produzierende Industrie
• Albumine
Zu diesem Ergebnis war bereits eine Schweizer Studie aus dem Jahr 1996
gekommen. Die AutorInnen stellten in ihrer Untersuchung fest, dass die für die
Schädlingsabwehr in Nutzpflanzen so spannenden Proteaseinhibitoren in ihren
Wirtspflanzen häufig mit deren allergenem Potential verknüpft sind. So wie in der
Sojapflanze ein Trypsininhibitor als Hauptallergen für Sojaallergiker fungiert, gilt dies
auch für Proteaseinhibitoren und weitere insektenabwehrende Inhaltsstoffe aus
anderen Nutzpflanzen. Offensichtlich gibt es hier eine Verknüpfung von Funktion und
allergenem Potential. (FRANCK-OBERASPACH & KELLER 1996).
Die für Allergiker bereits jetzt schwierige Situation kann sich speziell durch die
gentechnischen Strategien dadurch weiter verschärfen, daß dieselben Eiweiße
gleichzeitig in eine Reihe von wichtigen Nutzpflanzen einkloniert werden. So finden
sich Varianten des insektentoxischem Delta-Endotoxin aus Bacillus thuringiensis in
Mais, Tomaten, Kartoffeln, einer Reihe von Gemüsepflanzen und transgenen
Apfelsorten und werden Enzyminhibitoren in eine ähnliche Vielzahl von
unterschiedlichen Nutzpflanzen einkloniert. Sollten empfindliche Menschen auf diese
Eiweiße allergisch reagieren, sind Vermeidungsstrategien nur noch schwer zu
verwirklichen bzw. ist eine große Palette von pflanzlichen Lebensmitteln für diese
Menschen nicht mehr genießbar.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass - trotz sich verdichtender Risikohinweise und
einer weitgehend einheitlichen wissenschaftlichen Einschätzung des allergenen
Potentials einer Reihe von Eiweissen und einer fehlenden verlässlichen Methodik der
Überprüfung - die Bewertung bzw. die Schlussfolgerungen die daraus gezogen
werden, sehr unterschiedlich ausfallen. Ein Verzicht auf die bereits jetzt als
problematisch erkannten Eiweisse wird nur von einigen Ärztegruppierungen und
kritischen Verbraucherschützern gefordert. Die aktiv an der Entwicklung beteiligten
WissenschaftlerInnen möchten in der Regel allenfalls eine Kennzeichnung für diese
Pflanzen und deren Produkte einführen.
Antibiotikaresistenzmarker
Seit den Anfängen der Entwicklung transgener Pflanzen gibt es hitzige Debatten
über das Risikopotential von Antibiotikaresistenzgenen. Auch hier gilt, daß einige
alte Annahmen und Dogmen aufgeben werden mußten. Ging man am Anfang der
Debatte davon aus, daß DNA sowohl im Boden als auch im Magen-Darmtrakt rasch
abgebaut wird, ist heute klar, daß im Boden eine überraschend hohe Persistenz zu
finden ist und auch im Magen-Darm-Trakt nur ein unvollständiger Abbau stattfindet
(für eine umfassende Aufarbeitung der Literatur siehe ECKELKAMP et al. 1998).
Auch der lange bezweifelte Transfer von pflanzlicher DNA auf Mikroorganismen
konnte mittlerweile im Labor nachgewiesen werden (SMALLA et al. 1997,
WACKERNAGEL et al. 1998). Unter Freiland- oder In-Vivo-Bedingungen konnte
allerdings bisher noch kein Transfer beobachtet werden. Die Industrie hat ihre
Bereitschaft signalisiert, in Zukunft auf therapeutisch relevante Markergene zu
verzichten. Die revidierte EU-Freisetzungsrichtlinie (18/2001) fordert einen
endgültigen Verzicht auf Antibiotiakaresistenzgene ab dem Jahr 2008, wenn diese
„schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben
können“ (EU-Richtlinie 18/2001, Art.4 Abs.2.) Doch hier fängt der Streit und die
Bewertungsfrage wieder an. Was heißt genau schädlich und wer legt dies fest.
Empirisch beobachten läßt sich bisher Folgendes: Es gibt nur bei einem einzigen
Resistenzgen eine relative Einigkeit zur therapeutischen Bedeutung. Dies betrifft das
nptIII-Gen, das neben Kanamycin und Neomycin auch eine Resistenz gegen
Amikacin verleiht und eine Kreuzresistenz zu Vancomycin aufweist. Vancomycin gilt
als sogenanntes Rückhalteantibiotikum gegen multiresistente Keime, die durch kein
anderes Antibiotikum mehr bekämpft werden können.
Eine genauere Analyse des therapeutischen Einsatzes der verschiedenen
Antibiotika, die über Resistenzgene in transgenen Pflanzen betroffen sind,
verdeutlicht aber, daß in der Praxis den meisten eine wichtige therapeutische
Funktion zugesprochen werden muß. Auch das meistgenutzte nptII-Gen, das in
vielen bereits zugelassenen transgenen Pflanzen vertreten ist und eine Resistenz
gegen Kanamycin, Gentamycin und Neomycin sowie eine Reihe anderer
Aminoglykosid-Antibiotika vermittelt, ist für einige klinische Anwendungen von
grosser Bedeutung. Trotz verschiedener Berichte über steigende Resistenzen
gegenüber Aminoglykosid-Antibiotika in Europa spielen diese Medikamente,
hauptsächlich in Kombination mit anderen Antibiotika, eine bedeutende Rolle bei der
Behandlung schwerer Infektionen mit gramnegativen Bakterien, Staphylokokken und
Enterokokken (SCHMITZ et al. 1999).
Positions- und Pleiotropieeffekte
Die Integration der Fremdgenkonstrukte in die Pflanze erfolgt zufällig. In
Abhängigkeit von Ort und Anzahl der integrierten Genkonstrukte können eine Reihe
von unerwarteten Wirkungen auftreten. „Gene silencing“ wurde als ein
möglicherweise wichtiger Mechanismus der Abwehr u.a. bei viralen Infektionen der
Pflanzen erst durch die Herstellung transgener Pflanzen entdeckt. Doch die
Abschaltung pflanzeneigener Gene aufgrund von Ähnlichkeiten mit den eingeführten
Genkonstrukten ist nur eine mögliche Zusatzwirkung. Die Neueinführung von
Eigenschaften kann auch Einfluss auf andere Stoffwechselwege und ihre Metaboliten
nehmen. So weisen sowohl die transgene herbizidresistente Sojabohne als auch der
BT-Mais eine stärkere Lignifizierung ihrer Zellwände auf (STOTZKY 2001). Das wirft
Fragen nach dem Einfluss einer transgenen Veränderung auf die
Lebensmittelverträglichkeit
und
gesundheitliche
Unbedenklichkeit
auf.
Testmethoden, die Unterschiede erfassen und bewertbar machen könnten, stehen
erst in den Anfängen ihrer Entwicklung.
Ökologische Risiken
Unkontrollierte Verbreitung durch Auskreuzung
Schon früh wurde in der Risikodiskussion vor allem von Ökologen die Befürchtung
geäußert, daß die eigenständige Etablierung und Auskreuzung von transgenen
Nutzpflanzen hin zu verwandten (unkrautartigen) Pflanzen ein ökologisches und
ackerbauliches Problem darstellen könne. (COLWELL et al. 1985, TIEDJE et al.
1989, ELLSTRAND & HOFFMANN 1990, KAREIVA & PARKER 1994, REGAL 1994)
Eine unkontrollierte Verbreitung bestimmter Transgene sollte aus diesem Grunde
vermieden werden und z.B. ein Anbau in Regionen, wo verwandte Wildkräuter
wachsen, nicht stattfinden. Von befürwortender Seite wurden die Chancen einer
Etablierung aber auch einer Auskreuzung und anschließenden Introgression der
Transgene in die Wildflora als vernachlässigbar klein dargestellt (siehe u.a. BRILL
1985,
BERICHT
DER
ENQUETEKOMMISSION
DES
DEUTSCHEN
BUNDESTAGES, 1987).
Mittlerweile gibt es vielfache Belege, daß Auskreuzung und Etablierung von
Transgenen in eine verwandte Wildflora stattfinden wird und die
Auskreuzungsdistanzen genauso wie die Auskreuzungsraten deutlich über den
Erwartungen liegen. (CHÈVRE et al. 1999, EMBERLIN et al. 1999, INGRAM 2000)
Von einer Beschränkung des Anbaus auf Regionen, wo keine nichtkultivierten
Verwandten wachsen, ist spätestens seit der ersten kommerziellen Genehmigung
allerdings nicht mehr die Rede. Während ursprünglich die vergleichsweise einfach
feststellbare Verbreitung des Transgens als Risikoindikator galt, hat sich mittlerweile
die Auffassung durchgesetzt, daß die Etablierung an sich kein Risikofaktor sei,
sondern erst nachprüfbare, möglichst linear verursachte, (primäre) negative Effekte
festgestellt werden müßten, um von einem Risiko reden zu können
Da damit sehr komplexe Interaktionen angesprochen sind, die weit davon entfernt
sind, ausreichend erforscht zu sein, hat die Verschiebung der Debatte auf die nächst
höhere Ebene der Komplexität auch dazu geführt, daß das Vorsorgeprinzip
ausgesetzt und der zweifelsfreie wissenschaftliche Nachweis wieder als Maßstab zur
Bewertung eines Risikos reetabliert wurde. Solange aber diese Nachweise nicht
erbracht werden können (und es darf als sicher angesehen werden, daß dafür große
Forschungsprogramme über viele Jahre notwendig wären, die derzeit nicht einmal in
Ansätzen finanziert werden), solange können mit dem Hinweis auf fehlende Daten
Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen werden.
Kanadische Erfahrungen und Bewertung
In Kanada werden seit einigen Jahren jährlich wachsende Flächen mit
herbizidresistentem Raps bebaut. Insofern sind die kanadischen Erfahrungen
besonders geeignet, Genfluß von transgenen Rapspflanzen zu überprüfen.
DOWNEY (1999) von Agriculture and Agri-Food Kanada faßt die Erfahrungen so
zusammen:
Genfluß von transgenen Nutzpflanzen auf
• nicht transgene Nutzpflanzenvarietäten findet statt
• ein Sammeln von verschiedenen Resistenzgenen kann beim gleichzeitigem
Anbau unterschiedlicher Sorten mit unterschiedlichen Transgenen in nicht
transgenen Varietäten festgestellt werden
und
• eine Auskreuzung zu den in Kanada vorkommenden Verwandten des Rapses ist
nachweisbar.
Trotz dieser sehr eindeutigen Ergebnisse sieht Downey darin keine Probleme. Aus
seiner Sicht geben die mehrfach resistenten Ausfallrapspflanzen und auch die
unkrautartigen Verwandten, die ein oder mehrere Herbizidresistenzgene erworben
haben, keinen Grund zur Besorgnis, da all diese Pflanzen weiterhin mit anderen
Breitbandherbiziden kontrolliert werden könnten. Besonders erwähnt wird 2,4-D, ein
altes Breitbandherbizid, daß unter humantoxikologischen und ökotoxikologischen
Gesichtspunkten als sehr viel problematischer eingeschätzt wird als Round Up mit
dem Wirkstoff Glyphosat oder Liberty mit dem Wirkstoff Glufosinat. Diese
Herbizidresistenzen weisen die transgenen Rapspflanzen auf. Ihre Einführung wurde
unter anderem damit begründet, daß diese Herbizide sehr viel umweltfreundlicher
seien als die sogenannten alten Herbizide. Nun führt also die Nutzung der
transgenen Pflanzen dazu, daß auf längere Sicht wieder verstärkt problematischere
Herbizide eingesetzt werden müssen. Damit wird gleichzeitig die ursprüngliche
Argumentationslinie,
HR-Pflanzen
ermöglichten
ein
vereinfachtes
Unkrautmanagement und den Einsatz umweltfreundlicherer Breitbandherbizide ad
absurdum geführt. Das weitere Argument, HR-Pflanzen würden helfen, weniger
Herbizide einzusetzen, ist bereits durch Zahlen unterschiedlicher Institutionen
weitgehend widerlegt. (s.o.).
Die dänische Perspektive
Auf dem gleichen Symposium hat Rijke B. JORGENSEN vorgetragen, Leiterin einer
dänischen Arbeitsgruppe, die wichtige Arbeiten zu Auskreuzung und Genfluß bei
Raps durchgeführt haben. Jorgensen kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie Downey,
doch die Bewertung fällt deutlich anders aus. Für sie sind die vorliegenden
Ergebnisse durchaus besorgniserregend und sie sieht die Möglichkeit, daß durch
Auskreuzung problematischere Unkräuter geschaffen werden, die die ackerbaulichen
Möglichkeiten einschränken oder gefährden. Besonders diskutiert wird dies in
Zusammenhang mit einem spezifischen Verwandten von Raps, Brassica rapa oder
wilder Kohl. Diese Pflanze ist bereits ein ernstzunehmendes Unkraut beim Anbau
von 20 Nutzpflanzenarten in mehr als 50 Ländern (SNOW & JORGENSEN 1999).
Transgene insektenresistente Pflanzen
Zur Herstellung transgener insektenresistenter Pflanzen werden bisher hauptsächlich
einzelne, isolierte Toxingene aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis verwandt. In
dem Bakterium, das auch als biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel genutzt
wird, werden die Toxine in einer Vorläuferform gebildet, die erst im Insektendarm in
eine aktive Form überführt werden. Es ist nun nicht möglich, in Pflanzen vollständige
Protoxingene zu benutzen, da deren mangelnde Löslichkeit in Pflanzenzellen dem
entgegensteht (Die Protoxine sind nur bei einem pH von mehr als 9,5 löslich, eine
Pflanzenzelle hat einen pH von ca. 7,6). Aus diesem Grund verwendet man verkürzte
Gene, die zu einem bereits weitgehend aktivierten Toxinmolekül führen und in
gelöster Form in der Pflanzenzelle vorliegen. Dieses gelöste Toxinmolekül kann
aufgrund seiner Größe wahrscheinlich auch ohne weitere Spaltungsschritte direkt
durch die sogenannte peritrophische Membran im Insektendarm diffundieren.
Resistenzentwicklung ausgelöst durch transgene Bt-Pflanzen
Aufgrund der oben skizzierten Unterschiede, die aber selten ausführlich in
Genehmigungsunterlagen oder anderen Publikationen diskutiert werden, und dem
Umstand, daß in transgenen Pflanzen das Toxin über die ganze Vegetationsperiode
gebildet und damit ein hoher Selektionsdruck aufgebaut wird, gehen auch die
Genehmigungsbehörden mittlerweile davon aus, daß eine Resistenzentwicklung
unvermeidlich ist. (Die Bakteriensporen resp. das kristalline Einweiß werden sehr
rasch durch UV-Bestrahlung inaktiviert). Streit gibt es allenfalls darum, wie lange es
bis zu einer gravierenden Resistenzentwicklung braucht und inwieweit durch eine
Refugienstrategie diese Resistenzentwicklung hinausgezögert werden kann (siehe
u.a. MELLON & RISSLER 1998).
Dieser auch Resistenzmanagement genannte Ansatz beruht auf der Annahme, daß
eine Resistenzentwicklung hinausgezögert werden kann, wenn widerstandsfähig
gewordene Schadinsekten sich weiterhin mit empfindlichen Individuen paaren.
Dadurch wird die reine Vermehrung und Durchsetzungsfähigkeit der resistenten
Insekten vermieden. Dafür muß die Vererbung der Resistenz verleihenden Gene
rezessiv erfolgen, was heißt, nur wenn sich zwei resistente Individuen miteinander
paaren und beide das Resistenzgen vererben, werden resistente Nachkommen
resultieren. Leider hat die praktische Erforschung diese Theorie längst überholt.
TABASHNIK und Mitarbeiter (1997) fanden heraus, daß die Resistenzgene teilweise
auch dominant vererbt werden. Damit wäre die Einrichtung von Refugien nicht nur
unwirksam sondern sogar kontraproduktiv. In diesem Fall wird nämlich die schnelle
Verbreitung der Resistenzgene eher gefördert, da die Paarung von unempflindlichen
mit empfindlichen Individuen in mindestens 50% der Fälle sofort zu unempfindlichen
Individuen führen würde.
Doch noch von einer ganz unerwarteten Seite wird die Refugienstrategie infrage
gestellt. Liu und Mitarbeiter stellten fest, daß widerstandsfähige Insekten bis zur
Entwicklung der Geschlechtsreife deutlich länger brauchen als empfindliche. Damit
würde allein durch die Ungleichzeitigkeit der Geschlechtsreife eine Paarung
zwischen diesen Gruppen nicht möglich sein (LIU et al. 1999).
Die großflächige kommerzielle Nutzung von Bt-Pflanzen wurde trotz allem in den
USA nie von offizieller Seite in frage gestellt, obwohl die biologisch wirtschaftenden
Landwirte in einer Umfrage Bt als ihr wichtigstes Schädlingsbekämpfungsmittel
angeben haben (GENE EXCHANGE 1999). Europa ist in dieser Frage ambivalenter.
Wirkungen auf Nichtzielorganismen
Ein weiterer vieldiskutierter Risikoaspekt ist die Frage, inwieweit durch
insektenresistente Pflanzen auch Nichtzielorganismen wie Nützlinge geschädigt
werden können. So wurde erst 1998 bei Laboruntersuchungen mit transgenem BtMais ein schädlicher Effekt auf eine nützliche Insektenart festgestellt, obwohl die
ersten Vermarktungsanträge bereits Anfang der neunziger Jahre eingereicht wurden.
Florfliegenlarven (Chrysoperla carnea) starben nach der Verfütterung von
Maiszünslern, die durch den Genuss von Bt-Mais abgetötet worden waren, mit
erhöhter Rate im Vergleich zu den Kontrollen ab. Besonders überraschend war, dass
die Florfliegenlarven auch nach Fütterung des afrikanischen Baumwollwurms
eingingen, wenn dieser zuvor Bt-Mais gefressen hatte, obwohl der Baumwollwurm
selbst durch das Bt-Toxin nicht vergiftet wurde (HILBECK et al., 1998a). In weiteren
Versuchen konnten HILBECK et al. (1998b) nachweisen, dass Florfliegenlarven auch
bei der direkten Verfütterung von synthetischer Nahrung, die Bt-Toxine enthält,
absterben. Bt-Toxine können also direkt toxisch auf Florfliegen wirken. Bei der
Ausbringung von klassischen Bt-Sporenpräparaten wurden jedoch bisher nur geringe
Auswirkungen von Bt-Toxinen auf Nützlinge gefunden. Ein Grund dafür dürfte darin
liegen, dass Bt-Toxine als Vorläuferproteine gebildet und unter UV-Einwirkung relativ
schnell inaktiviert werden (s.o.) Dies ändert sich aber, wenn das (aktivierte)Toxin
über die gesamte Vegetationsperiode in der schützenden Pflanzenhülle gebildet wird
und durch die schädigenden UV-Strahlen nicht mehr getroffen wird.
Das in Bt-Mais exprimierte Bt-Toxin (CryIAb) ist spezifisch für Lepidopteren
(Schmetterlinge). Es wirkt damit nicht nur spezifisch gegen den Maiszünsler, sondern
auch gegen weitere Schmetterlingsraupen. Da Maiskulturen nur durch den
Maiszünsler befallen werden, wurde lange Zeit angenommen, dass Bt-Mais in der
Praxis keine weiteren Schmetterlinge schädigen wird. In der Fachzeitschrift „Nature„
1999 publizierte Ergebnisse wiesen allerdings darauf hin, dass Bt-Mais auch für
Schmetterlinge in der Nähe von Bt-Maisfeldern gefährlich werden könnte. Werden
Bt-Toxin-haltige
Maispollen
durch
den
Wind
auf
benachbarte
Schwalbenwurzpflanzen („Milkweed“) geweht, könnten sie für dort lebende Larven
des Monarchfalters eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Bei den in den USA im
Labor durchgeführten Fütterungsexperimenten überlebten nur knapp die Hälfte der
Schmetterlingsraupen, wenn die Blätter ihrer Nahrungspflanze von Bt-Maispollen
bedeckt waren (LOSEY et al., 1999). Ähnliche Ergebnisse erzielten Forscher der
Iowa State University, die für ihre Fütterungsversuche pollenbestäubte
Schwalbenwurzblätter in Bt-Maisfeldern gesammelt hatten. In der Natur ist das
Schwalbenwurzgewächs die einzige Nahrungsquelle für Raupen des Monarchfalters.
Es ist in den USA häufig in der Umgebung von Maisfeldern zu finden. Bt-haltige
Maispollen, die durch den Wind verbreitet werden, könnten daher Monarch-Raupen
schädigen, die auf Schwalbenwurzgewächsen in der Nachbarschaft von BtMaisfeldern fressen. Dieser Befund war insofern überraschend, als bisher
angenommen worden war, dass nur Schmetterlingslarven geschädigt werden
können, die wie der Maiszünsler direkt an den transgenen Bt-Maispflanzen fressen
(HANSEN & OBRYCKI, 1999). Weitere Versuche, die in den letzten Jahren in den
USA durchgeführt wurden, bestätigen dieses Risikopotential für eine bestimmte
Maissorte (Bt 176), die das Insektentoxin in relativ hohen Konzentrationen im Pollen
bildet. (Zangerl et al. 2001). Andere Maissorten sind davon nicht in dem Maße
betroffen, da die Giftkonzentration im Pollen sehr viel niedriger ist (Sears et al. 2001).
Von Bt-176 abgeleitete Maissorten werden in den USA mittlerweile nicht mehr
angebaut. In Europa findet ein Anbau in Spanien und ein Versuchsabbau auch in
Deutschland weiterhin statt.
PHAM-DELEGUE (1997) fand, dass insektenresistente transgene Pflanzen
Nichtzielorganismen schädigen können. So war nach der Fütterung von Bienen mit
Zuckerlösungen mit gereinigten Proteinaseinhibitor (PI)- Proteinen die Lebensdauer
dieser Bienen verkürzt und deren Lernverhalten beeinträchtigt. Zu ähnlichen
Ergebnissen kommen Malone et al. (2001)
BIRCH et al. (1997) fanden eine Schädigung von Lektin-exprimierenden Kartoffeln
auf Marienkäfer (Adalia bipunctata). Lektine sind ebenfalls insektentoxische
Eiweisse. Die Lektin-Expression bewirkte eine 50 %ige Dezimierung der
Blattlauspopulation. Marienkäfer, die sich von den auf Lektin-Kartoffeln überlebenden
Blattläusen ernährt hatten, wiesen eine verringerte Fruchtbarkeit auf. Die
Lebensdauer von weiblichen Tieren war halb so lang wie die der Kontrolltiere, die
Blattläuse von nicht-transgenen Kartoffeln gefressen hatten.
Die Ergebnisse von BIRCH et al. (1997) und HILBECK et al. (1998 a, b) sind
Hinweise darauf, dass nicht nur mit direkten Auswirkungen von insektenresistenten
Pflanzen gerechnet werden muss, sondern auch mit Effekten, die einzelne Glieder
der Nahrungskette überspringen. RAPS et al. (1998) stellen fest, dass die Studien
von HILBECK et al. (1998 a,b) verdeutlichen, dass „durch eine veränderte
Ausbringung von Pestiziden Nebeneffekte auftreten können und dass bei transgenen
Pflanzen die Umweltsicherheit von Stoffen, auch von altbekannten, neu untersucht
werden muss„. Doch mit dem Hinweis auf die jahrzehntelange unproblematische
Nutzung von Bt-Präparaten werden in der Regel weitere Studien als unbegründet
abgewiesen.
Patente – Beispiel für weitreichende Interessenskonflikte
Die gentechnisch verfahrende Industrie besteht darauf, transgene Pflanzen zu
patentieren und macht geltend, dies sei nötig, um die hohen Investitionen und
Forschungskosten abzusichern.
Die Patentierung von Pflanzen und Tieren war bis vor kurzer Zeit nicht möglich. Art.
53b des EPUE (Europäisches Patent-Uebereinkommen) schreibt noch vor, dass
"Pflanzensorten oder Tierrassen sowie für im wesentlichen biologische Verfahren zur
Züchtung (...)" nicht patentierbar sind. Doch das europäische Patentamt entscheidet
häufig anders und beruft sich auf die Biopatentrichtlinie, die von der EU 2000
verabschiedet wurde. Auch das TRIPS-Abkommen (Trade Related Intellectual
Property Rights), das 1992 zusammen mit dem WTO-Abkommen verabschiedet
wurde, fordert von allen Staaten, die der WTO angehören, entsprechende
Patentregimes zu erlassen.
Doch auch ohne die Möglichkeit der Patentierung gibt es bei Pflanzen ein sehr
wirkungsvolles Schutzsystem: der Sortenschutz, bei dem der Züchter einer neuen
Pflanzensorte das ausschliessliche Vermarktungsrecht auf seine neue Sorte erhält.
Dieses Schutzsytsem hat bisher gut funktioniert. Das industrielle Patentrecht, das mit
der Entwicklung der Gentechnik eingeführt wurde, geht aber viel weiter. Während
zum Beispiel der Sortenschutz immer nur auf eine bestimmte Sorte (z.B. die
Kartoffelsorte Granola) beschränkt ist, sind Patente auf alles erhältlich. Durch
Patente können Monopolrechte auf ganze Pflanzenfamilien, auf alle Pflanzen
überhaupt, die ein bestimmtes Merkmal aufweisen, oder auf einzelne Pflanzenteile
gewährt werden. Der Sortenschutz erlaubte es den BäuerInnen, aus der Ernte
Saatgut für die nächste Aussaat zu nehmen (sog. Landwirte-Vorbehalt), und der
Züchter durfte Saatgut anderer Pflanzensorten für seine Züchtungen frei verwenden
(sog. Züchter-Vorbehalt). Beides ist unter dem Patentsystem nicht mehr zulässig.
BäuerIn und Züchter müssen dann jeweils Lizenzgebühren zahlen. Gerade für
Kleinbauern und Subsistenzlandwirte, die für 90% der Nahrungsmittelproduktion
weltweit sorgen, ist dies nicht leistbar und beraubt sie einer grundlegenden
Möglichkeit ihrer Existenzsicherung
Zum Beispiel: Das Patent auf Roundup-Ready Soja
Durch das Instrument der Patentierung werden Eigentumsrechte an bisher zum
Gemeineigentum gerechneten lebenden Organismen vergeben. Bemerkenswert an
Pflanzenpatenten ist die ausserordentliche Breite des Geltungsbereiches. So besitzt
die US-Firma Monsanto als Inhaberin des Patentes für die transgene Round-UpReady Sojabohne (mit der Nummer EP 546 090) nicht nur ausschliessliche
Nutzungsansprüche auf alle transgenen Roundup resistenten Sojapflanzen, sondern
überhaupt auf alle gentechnisch veränderten Pflanzen, die eine künstlich
herbeigeführte Round-Up-Ready Resistenz enthalten, wie zum Beispiel "Weizen,
Reis, Soja, Baumwolle, Zuckerrübe, Raps, Flachs, Sonnenblume, Kartoffel, Tabak,
Tomate, Alfalfa, Pappel, Ananas, Apfel und Traube" (claim 28, aus der Patentschrift
No EP 546 090). Das Patent, das 15 Jahre gültig ist, erstreckt sich auch auf alle
nachfolgenden Generationen.
Die durch ein Patent garantierten ausschliesslichen Monopolrechte können für die
betroffenen Landwirte direkte Folgen haben. US-Landwirte, die von Monsanto
transgenes Saatgut kaufen, müssen erst ein 'Technology Agreement' unterschreiben.
Sie verpflichten sich u.a., nur Monsanto-Herbizide anzuwenden und dürfen aus der
Ernte kein eigenes Saatgut für das nächste Jahr gewinnen. Monsanto engagierte
Privatdetektive der Firma Pinkerton, um die Bauern zu kontrollieren und
sicherzustellen, dass nur bei Monsanto gekauftes Saatgut verwendet wird. Landwirte,
die beim Gebrauch von eigenem Saatgut „erwischt“ wurden, mussten hohe Bussen
bezahlen oder wurden angezeigt. Eine jahrhundertealte Praxis - die Gewinnung von
eigenem Saatgut - wird auf diese Weise zu einem kriminellen Akt und einer
Subsistenzlandwirtschaft, die darauf angewiesen ist, ihr eigenes Saatgut erzeugen zu
können und frei zu tauschen, wird der Boden entzogen.
Schutz des ökologischen Anbaus und Wahlfreiheit für die VerbraucherInnen
Der ökologische Anbau ist aus eigener Überzeugung und rechtlich verpflichtet, auf
den Einsatz von gentechnisch veränderten Betriebsmittel zu verzichten. Ein
zunehmender Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft ist aber auch in Deutschland mittelfristig nicht auszuschließen. Im Moment wirkt die Skepsis und offene
Ablehnung der VerbraucherInnen im Lebensmittelbereich einem großflächigen
Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen noch entgegen. Doch bei dem
erklärten Ziel der EU, die Gentechnik in allen Bereichen zu fördern, ist
wahrscheinlich spätestens mit der Verabschiedung der zwei Verordnungsentwürfe
der EU zu neuartigen Lebens- und Futtermitteln sowie zur Kennzeichnung und
Rückverfolgbarkeit damit zu rechnen, daß das derzeitige De-facto-Moratorium zur
Vermarktung transgener Pflanzen aufgehoben wird. Dann steht einem
Saatgutvertrieb rechtlich nichts mehr im Wege und ein Anbau in der Fläche wird nicht
mehr auszuschließen sein.
Pollenflug und Einkreuzung von gentechnisch veränderten Pollen über weite
Entfernungen sind beim landwirtschaftlichen Anbau grundsätzlich zu erwarten.
Eine hundertprozentige Reinheit des ökologischen und konventionellen
Ernteguts von gentechnisch veränderter Erbinformation bei einem
gleichzeitigen Anbau dürfte daher in Zukunft nur schwer zu realisieren sein.
Bei dem gleichzeitigen Ziel der Bundesregierung, auf eine Agrarwende hinzuwirken,
bis zum Jahr 2010 20% ökologischen Anbau zu ermöglichen und den
Verbraucherschutz bzw. die Wahlfreiheit der VerbraucherInnen zu stärken, müssen
daher Schutzmaßnahmen entwickelt und verankert werden. In der Diskussion sind
hauptsächlich die Festlegung von Sicherheitsabständen beim Anbau und die
Einrichtung von gentechnikfreien Zonen2. Mit den zitierten Verordnungsentwürfen zu
Lebensmitteln und Futtermitteln sowie Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit sollen
Zulassungs- und Kennzeichnungsvorschriften erlassen werden, die eine
weitgehende Transparenz und damit Entscheidungsfreiheit auf dem Markt
ermöglichen.
Für die Forderungen nach Sicherheitsabständen und gentechnikfreien Zonen in
Schutzgebieten gibt es in Deutschland bzw. in Europa im Augenblick keine Rechtsgrundlage. Nach der derzeitigen Rechtslage ist nicht geklärt, ob zur Vermeidung von
Vermögensschäden aufgrund der Einkreuzung transgener Erbinformation in
ökologische Kulturen Schutzmaßnahmen zulässig sind. Weder nach der alten bzw.
der neuen Freisetzungsrichtlinie noch nach dem deutschen Gentechnikgesetz ist der
Staat verpflichtet oder berechtigt, Schutzzonen auszuweisen oder sind die
Inverkehrbringer und Verwender von GVP (gentechnisch veränderte Pflanzen)
verpflichtet, Einkreuzung von GVO (gentechnisch veränderte Organismen) in andere
Anbaukulturen zu verhindern oder zu minimieren. Ohne diesen Schutz wird aber der
ökologische Anbau akut gefährdet und auch die Wahlfreiheit der VerbraucherIn
stünde nur auf dem Papier.
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2
Diese Aussage ist das Ergebnis eines Workshops, den das Öko-Institut im Dezember 2000 im Auftrag des
Umweltbundesamtes organisiert hatte. Die Vorarbeiten zu diesem Workshop und die Workshop-Ergebnisse sind
in den UBA-Texten 23/01 dokumentiert (Baier, Vogel, Tappeser: Grüne Gentechnik und ökologische
Landwirtschaft). Die weitere Bearbeitung der Fragestellung, wie auch rechtlich ein Nebeneinander ermöglicht
werden kann, geschieht derzeit in einem Folgeprojekt, das gemeinsam vom Forschungsinstitut für ökologischen
Landbau (FIBL) und dem Öko-Institut bearbeitet wird.
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