4. Septisches Symposium Ingolstadt, 28.1. -29.1.2011 Von der Humeruskopffraktur zur Resektionsarthroplastik M.E. Wenzl Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs-, Hand- und Plastische Chirurgie Klinikum Ingolstadt (Direktor: PD Dr. M. Wenzl) Patient L.H., 52 Jahre: 24 Stunden alte dorsale Humeruskopfluxationsfraktur Typ Neer VI Patient L.H., 52 Jahre: Reposition über dorsalen und ventralen Zugang, multidirektional winkelstabile Platte und Zugschrauben Patient L.H., 52 Jahre: radiologisches Ergebnis ohne Humeruskopfnekrose nach 1,5 Jahren Patient L.H., 52 Jahre: klinisches Ergebnis mit nahezu freier Beweglichkeit nach 1,5 Jahren Patient N.K., 68 Jahre: capitale und ausgedehnt subcapitale proximale Humerustrümmerfraktur Patient N.K., 68 Jahre: capitale und ausgedehnt subcapitale proximale Humerustrümmerfraktur Patient N.K., 68 Jahre: capitale und ausgedehnt subcapitale proximale Humerustrümmerfraktur, Erstversorgung mit zementierter Hemiprothese Patient N.K., 68 Jahre: capitale und ausgedehnt subcapitale proximale Humerustrümmerfraktur, 4 Wochen postoperativ Auftreten einer Fistel Patient N.K., 68 Jahre: capitale und ausgedehnt subcapitale proximale Humerustrümmerfraktur Zunächst „Fehler“-analyse 1. 2. 3. 4. 5. 6. Analyse der Komorbiditäten! Falsche OP-Indikation? Falscher OP-Zeitpunkt? Intraoperativ besondere Vorkommnisse? OP-Dauer? Postoperativer Verlauf? Keinesfalls persönliche Schuldzuweisungen! Fehler gehören zum Leben (und Komplikationen zum Operieren), und lassen sich nicht immer vermeiden. Man sollte allerdings darauf achten, dass die Fehler nicht zu teuer werden! (Lee Iacocca) Eigene Konsequenzen aus der „Fehler“-Analyse 1. Je größer die Vorbelastung des Patienten mit Komorbiditäten ist und je geringer die zu erwartende Compliance, desto intensiver muss die konservative Behandlung in Erwägung gezogen werden! 2. Wenn bei diesen Patienten die OP nicht zu vermeiden ist, OP-Dauer und iatrogenen Gewebeschaden möglichst klein halten, ggf. unter Inkaufnahme eines nicht idealen postoperativen Röntgenbildes. Ergebnisse der stadienadaptierten Behandlung akuter und chronischer Schultergelenkempyeme Inaugurationsdissertation von Frau Rita Schoop aus Hamburg 2009 Klassifikation der Gelenkempyeme nach HGK Schmidt Infektvorbehandlung keine arthroskopisch offen chirurgisch V1 V2 V3 Infektausdehnung (Weichteile und) Gelenk Gelenknaher Knochen Gelenk und Knochen A/B C D Synovialisveränderung Synovialishyperämie Synovialishypertrophie Synovialisschwamm Synovialis”malignität” I° II° III° IV° Therapie akuter Infektionen Arthroskopie (V1/2, A/B; I°/II°) Entfernen von Fibrinbelägen, Synovialektomie Spülung Einlage Antibiotikumvliess Drainage ggf. Second-Look frühfunktionelle Übungsbehandlung Immer: Systemische Antibiose Therapie chronischer Infektionen I Zweizeitig geschlossen gelenkerhaltend: Arthrotomie Synovialektomie ggfs. Sequestrektomie ggfs. Materialentfernung Einlage Antibiotikumketten Drainage V1/2/3, A/B/C/D, I°-IV° Gelenkverschluss über Septopalketten Immer: Systemische Antibiose Therapie chronischer Infektionen II Ein-/zweizeitig offen gelenkresezierend: Arthrotomie Synovialektomie ggfs. Sequestrektomie/ME Einlage Antibiotikumketten Gelenkverschluß nach ca. 3 Monaten : Kettenreduktion Immer: Systemische Antibiose V1/2/3, A/B/C/D, I°-IV° Patientenkollektiv • 50 Patienten (35 w; 15 m); Alter Ø 58,1 Jahre (30-83) mit Infektionen des Schultergelenkes im Zeitraum von 12/99 bis 07/2005 • Bei 84% mindestens 1 wesentliche Komorbidität (C2-Abusus, Nikotinabusus, Diabetes, systemische Cortisontherapie,Adipositas) • In allen Fällen iatrogene Ursache, bei 31 Patienten traumatische Ursache Grund für OP (26 Frakturen, 5 RM-Läsionen) in 19 Fällen degenerative Ursachen (6 RM-Läsionen, 13 Injektionen). Bei 6 Patienten bleibende Nervenschäden (4x Plexus- 2x Axillarisschaden). Dauer der Infektion bis zur Behandlung in einer septischen Spezialabteilung 12 11 10 8 6 7 7 4 11 8 n 4 2 2 W oc he < n 8 W oc he < 12 n W oc he < n 6 M on at > e 6 M on at e ge Ta < 4 14 < bi s 7 Ta ge 0 In 75% der Fälle bestand die Infektion länger als 4 Wochen, nur bei 7 Patienten handelte es sich um eine akute Infektion <7 Tage. Voroperationen (ohne Primäreingriff) Bei 38 Patienten war vor Übernahme der Behandlung eine operative Infektbehandlung erfolgt mit 3,2 Voroperationen (1- 16). In 3 Fällen war gar nicht, in 9 Fällen lediglich antibiotisch vorbehandelt worden. Materialentfernung 12 Sequestrektomie 1 Oberarmkopf(teil)resection 3 Weichteil-/Gelenkrevision offen Markraumaufbohrung Arthroskopie Spül-Saug-Drainagen 135 (1-16) 1 8 (2-6) 16 (1-10) Infektstadium bei Aufnahme STADIUM GELENKINFEKT N N V1B2 V1B3 V1D3 V1D4 1 2 1 3 V2A1-> V3B4 1 V3A1 V3B2 V3B3 V3B4 V3D3 1 2 3 1 2 V3D4 8 33 42 50 50 Therapie • Nur bei 2 Patienten allein arthroskopisches Vorgehen erfolgreich! • Bei 20 Patienten Gelenkerhalt, in 1 Fall mit Erhalt der Prothese. • In 30 Fällen (27 primär, 3 mal sekundär nach versuchtem Gelenkerhalt) Gelenkresektion unumgänglich mit Einlage von Antibiotikaketten, die nach Ø 74 Tagen (9-133) gegen Anmtibiotikum-vlies ausgetauscht wurden. In 1 Fall Schulterexartikulation mit Scapularesektion ! Bewertungsschema für ROM Schulter • Aktive freie Beweglichkeit: • • E/F (Rückwärts/Vorwärtsanheben) mind. 30/0/150° A/AB (Adduktion/Abduktion) mind.30/0/140° ARO/IRO (Außen-/Innenrotation) mind.20/0/90° • ¼ Bewegungseinschränkung: • • E/F mind. 20/0/120° A/AB mind. 20/0/100° ARO/IRO mind. 20/0/80° • ½ Bewegungseinschränkung: • • E/F mind. 10/0/90° A/AB mind. 10/0/70° ARO/IRO mind. 10/0/70° • ¾ Bewegungseinschränkung: • • E/F mind. 0/0/50° A/AB mind. 0/0/30° • steif: • alle schlechteren Werte ARO/IRO mind. 0/0/60° Ergebnisse I • Nach 21 Monaten (6 – 61) konnten 48 Patienten klinisch nachuntersucht werden (Nachuntersuchungsrate 96%). • Bei allen nachuntersuchten Patienten war das Schultergelenkempyem beruhigt. Spätkomplikationen waren nicht aufgetreten. Ergebnisse II Aktiver ROM der Schulter nach Gelenkerhalt Nachuntersuchungsquote 19 von 20; Nachuntersuchungszeitraum 30 Monate (6-54). BWE / GELENKERHALT ENTLASSUNG NACHUNTERSUCHUNG frei 0 2 ¼ 3 3 ½ 3 10 3/4 11 4 steif 3 0 20 19 Ergebnisse III Aktiver ROM der Schulter nach Gelenkresektion Nachuntersuchungsquote 29 von 30; Nachuntersuchungszeitraum 18 Monate (6-60). BWE / GELENKERHALT ENTLASSUNG NACHUNTERSUCHUNG frei 0 0 ¼ 0 2 ½ 8 13 3/4 13 11 (6x Nervenschaden) steif 9 3 (3xPlexusschaden) 30 29 Zwischenfazit • Patienten mit Infektionen des Schultergelenkes sollten frühzeitig in eine auf septische Knochenund Gelenkchirurgie spezialisierte Abteilung verlegt werden. • Die radikale Beseitigung allen infizierten Gewebes ist die Conditio sine qua non für die Infektberuhigung. • Auch nach Humeruskopfresektion ist bei 50% der Patienten noch ein befriedigender aktiver Bewegungsumfang des Schultergelenkes erreichbar. Zum Abschluss 2 Fälle, die Hoffnung machen und zur Schlussbemerkung (Take-Home-Message) überleiten! Patientin G.R., 48 Jahre: 3-Teile Fraktur Typ Neer IV nach Sturz auf die Schulter Patientin G.R., 48 Jahre: 3-Teile Fraktur Typ Neer IV nach Sturz auf die Schulter, Versorgung mit multidirektional winkelstabiler Platte Patientin G.R., 48 Jahre: frühzeitige Metallentfernung nach 6 Wochen wegen Fistel bei low Grade Infekt Patientin G.R., 48 Jahre: 3-Teile Fraktur Typ Neer IV nach Sturz auf die Schulter Patientin G.K., 50 Jahre: stark dislozierte proximale Humerusfraktur, 12 Stunden post Trauma stationäre Aufnahme Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Unfallchirurgie Patientin G.K., 50 Jahre: nach stark dislozierte proximale Humerusfraktur Versuch der humeruskopferhaltenden Therapie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Unfallchirurgie Patientin G.K., 50 Jahre: nach Materialentfernung Frühinfekt ohne Keimnachweis; letztendlich Humeruskopfresektion unumgänglich Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Unfallchirurgie Patientin G.K., 50 Jahre: 6 Wochen nach Infektberuhigung Prothesenimplantation (Titanprothese) Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Unfallchirurgie Fazit 1. Postoperativer Infekt nach Humeruskopffraktur heißt nicht zwingend kompletter Funktionsverlust! 2. Wie immer bei Infektionen ist das frühzeitige Erkennen und dann konsequente Behandeln der entscheidende Beitrag zum Therapieerfolg. 3. In Anbetracht der Ergebnisse aus Hamburg keine Angst vor der Humeruskopfresektion, da nur die sichere Infektberuhigung wieder eine ausreichende Funktion garantieren kann. 4. Bei weitem nicht jeder Patient braucht nach Humeruskopfresektion sekundär eine Prothese.