1 Stellungnahme der Deutschen PSP Gesellschaft

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Stellungnahme der Deutschen PSP Gesellschaft e.V.
zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Sechsten Verordnung
zur Änderung der Versorgungsmedizin- Verordnung
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten uns der Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit
Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG Selbsthilfe) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziale zur Sechsten Verordnung zur Änderung
der Versorgungsmedizin- Verordnung anschließen.
Außerdem möchten wir in unseren Ausführungen auf eine weitere Problematik hinweisen, welche
bislang in der Versorgungsmedizin-Verordnung keinerlei Berücksichtigung fand und hierzu einen
Ergänzungsvorschlag einreichen.
Problematik:
Benachteiligung von Menschen mit einer Progressiven supranukleären Blickparese (PSP) oder welche
von einer Corticobasalen Degeneration (CBD) betroffen sind bei der Festlegung des GdB/ GdS und
möglichen Merkzeichen.
Definition:
Progressive supranukleäre Blickparese
Die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) wurde erstmals 1963 von den Ärzten und Wissenschaftlern Steele, Richardson und Olszewski beschrieben und daher lange Zeit als „Steele-RichardsonOlszewski-Syndrom“ bezeichnet.
Die Krankheit zählt zu den sogenannten neurodegenerativen Erkrankungen, also Erkrankungen, bei
denen über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Nervenzellen in Gehirn und / oder Rückenmark
zugrunde gehen. Die Ursache für das Zugrundegehen der Nervenzellen bei der PSP ist nach wie vor
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unklar. Fest steht jedoch, dass nur bestimmte Hirnareale vom voranschreitenden Zelltod betroffen
sind, unter anderem auch jene Areale, die bei der Parkinson-Erkrankung betroffen sind. Der Entstehungsmechanismus der PSP unterscheidet sich jedoch deutlich von dem der Parkinson-Erkrankung.
Im speziellen sind bei der PSP die Basalganglien von der Degeneration betroffen, welche eine wichtige Rolle bei der willkürlichen Augenbewegung spielen. Die Schädigung der Basalganglien kann zu
Problemen bei Bewegungsabläufen, dem Gleichgewichtssinn, sowie bei der Augen-, Schluck- und
Sprechsteuerung führen.
Corticobasale Degeneration
Die corticobasale Degeneration (CBD) ist eine der PSP verwandte Erkrankung. Sie unterscheidet sich
allerdings dadurch, das die Betroffenen häufig eine einseitige Dystonie (Verkrampfung) der Extremitäten, also von Hand und Fuß, früh im Krankheitsverlauf erleben. Zudem tritt häufig das sogenannte
„alien limb Phänomen“ auf, welches dadurch charakterisiert ist, dass die betroffenen Patienten den
Arm oder das Bein als nicht zu ihrem Körper zugehörig erleben. Der Verlauf ist ebenso rasch progredient und die Symptome ähneln im Verlauf denjenigen der PSP.
Ätiologie, Prävalenz und Verlauf:
Die Ätiologie der Progressiven supranukleären Blickparese und der corticobasalen Degeneration ist
bislang ungeklärt.
Wahrscheinlich entsteht beide Erkrankungen durch ein Zusammenspiel aus genetischen Veränderungen und Umwelteinflüssen, wobei der genaue Entstehungsmechanismus, ebenso wie
bei der Parkinson’schen Erkrankung, nicht vollständig aufgeklärt ist.
Sicher ist: bei beiden Erkrankungen kommt es zu einem Untergang von Nervenzellen in einem kleinen, aber für die täglichen Funktionen wichtigen Bereich des Gehirns, der Substantia nigra. Bei der
PSP verändern sich neben der Substantia nigra noch weitere Hirnareale, und im Vergleich zur Parkinson’schen Erkrankung sind auch mehr chemische Botenstoffe betroffen. Warum es zum Untergang
gerade dieser Nervenzellen kommt, ist noch unbekannt. Die größere Menge betroffener Gehirnareale ist der Grund dafür, dass PSP-Patienten nur gering und für eine begrenzte Zeit auf die Medikamente ansprechen, die zur Behandlung bei der Parkinson’schen Erkrankung eingesetzt werden.
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Charakteristisch für die PSP und die CBD ist die Ablagerung von Tau-Protein (ein Eiweißstoff) in den
Nervenzellen. Aufgrund der Ablagerung von Tau-Protein wird die PSP auch zu den „Tauopathien“
gerechnet. Bei allen Tauopathien wird Tau-Protein in Nervenzellen abgelagert – z.B. auch bei der
Alzheimer-Erkrankung. Die Parkinson’sche Erkrankung ist hingegen keine Tauopathie. Wie es zur
Bildung und Ablagerung von Tau-Protein bei der PSP kommt, ist derzeit noch unklar.
Die Prävalenz (Häufigkeit) beträgt etwa 5-6 pro 100000 Einwohner. Die Verteilung zwischen Männern
und Frauen, welche von der PSP betroffen sind ist ungefähr gleich. Wahrscheinlich leidet in Wirklichkeit jeder fünfzehnte Parkinsonpatient an einer PSP. Angaben zur Prävalenz und Inzidenz der CBD
sind aktuell nicht möglich, da es eine sehr seltene Erkrankung ist.
Vor allem in der Frühphase der PSP oder der CBD ist aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes die
Unterscheidung zur Parkinson’schen Erkrankung schwierig – selbst für erfahrene Neurologen.
Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen 50 und 70 Jahren.
Der Verlauf beider Erkrankung ist progredient, dabei beträgt die mittlere Überlebensdauer 5-6 Jahre.
Bei der progressiven supranukleären Blickparese kann man meist schon im Frühstadium der Erkrankung eine Verlangsamung der Sakkaden feststellen, die auch diagnostisch gewertet werden kann. Im
Extremfall kann es zu einer kompletten Lähmung der willkürlichen Sakkaden kommen. Die zunehmenden Lähmungen dieser Sakkaden entstehen durch Veränderungen im Hirnstamm, man nennt sie
„supranukleär“. „Progressiv“ wird die Blickparese genannt, da sie im Verlauf der Erkrankung fortschreitet.
Nicht oder nur in späten Krankheitsstadien betroffen sind die reflexartigen (nukleären) Augenbewegungen, wie sie u.a. zu beobachten sind, wenn man den Kopf bewegt und dabei einen Gegenstand
„im Auge behält“.
Die Betroffenen bemerken die eingeschränkten Augenbewegungen und klagen häufig über eine Sehschwäche. Auch Doppelbilder können auftreten. Beim Lesen fällt ihnen das Bewegen der Augen über
die Zeile und das Finden der nächsten Zeile schwer. Aus diesem Grund wird häufig zu Beginn der
Erkrankung ein Augenarzt aufgesucht, um eine Brille anzupassen.
Die Sehstörungen der PSP kann man durch eine Brille manchmal verbessern, aber völlig
korrigieren kann man sie nicht.
Durch die erschwerte Kontrolle der Augenbewegungen wird das Sehvermögen immer schlechter,
obwohl der Sehnerv durch die PSP nicht geschädigt wird. Viele Patienten haben an
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sich sogar ein recht gutes Sehvermögen (Visus), sie können aber trotzdem weder Objekte in der Ferne noch in der Nähe deutlich erkennen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass jene Muskeln, die
für die Umstellung von Fern- auf Nahsicht zuständig sind, nicht oder nur verlangsamt funktionieren.
Aufgrund der Augenbewegungsstörung ist der Patient fahruntauglich, d.h. dass es ihm nicht
erlaubt ist, ein Kraftfahrzeug zu fahren. Viele Patienten verzichten daher bereits frühzeitig auf das
Autofahren.
Auch die Bewegung der Augenlider ist häufig verändert. Die Blinzelrate der Lider kann bei
PSP-Patienten auf 3-4 pro Minute reduziert sein (Norm: 15-25 pro Minute), so dass die Augen austrocknen können und durch die Reizung der Hornhaut ein vermehrter Tränenfluss entsteht. Bei manchen Patienten kommt es im Verlauf zu kurzem oder länger andauerndem ungewollten Schließen der
Augenlider (sogenannter Lidkrampf oder „Blepharospasmus“).
Das Öffnen der Augenlider kann erschwert sein, so dass manche Patienten die Stirnmuskulatur zu
Hilfe nehmen müssen, um die Augen zu öffnen („Apraxie der Lidöffnung“).
Diagnostik und Klinik:
Es existiert kein eindeutiger Marker für die PSP-Erkrankung oder die CBD, sodass eine 100%ig sichere
Diagnosestellung nur durch eine neuropathologische Untersuchung des Gehirns möglich ist. Einige
Verfahren wie die Untersuchung von Blut und Nervenwasser (Liquor) oder bildgebende Verfahren
liefern zusätzlich wertvolle Hinweise und helfen, andere Diagnosen auszuschließen.
Neben der klinischen Untersuchung gibt es noch eine Reihe von apparativen Untersuchungen, die bei
der Diagnosefindung hilfreich sein können. Die Magnetresonanz-Tomographie (Kernspintomographie, MRT) scheint geeigneter als die Computertomographie (CT), da bei dieser Untersuchung die
Bereiche des Hirnstamms und die Verbindungen zum Kleinhirn besser abgebildet werden können.
Bei einer PSP zeigt sich aufgrund der Abnahme von Nervenzellen die sogenannte „Mickey-MouseFigur“, da die veränderte Form des Hirnstamms bei PSP-Patienten dem Kopf der bekannten Comicfigur ähnelt.
Neben diesem “Mickey-Mouse-Zeichen” wurden noch andere auffällige Veränderungen
in den kernspintomographischen Untersuchungen von Patienten mit der PSP-Erkrankung beschrieben, die nach deren Erscheinung auch mit Tiernamen bezeichnet wurden. So gibt es das „humming
bird“-Zeichen (Kolibri), das „penguin“-Zeichen (Pinguin) und das „eye of the tiger“-Zeichen (Auge des
Tigers), die manchmal von den Röntgenärzten oder Neurologen verwendet werden. Neueste Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine Degeneration, also eine Abnahme des Volumens, des
oberen Kleinhirnstiels (Verbindung zwischen Kleinhirn und Hirnstamm und darüber zum Großhirn) als
frühes diagnostisches Zeichen gewertet werden kann.
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Nuklearmedizinische Verfahren untersuchen die Verteilung bestimmter Eiweißstoffe im Gehirn und
helfen insbesondere, die PSP von der Parkinson’schen Erkrankung zu unterscheiden.
Die Posturographie gibt Aufschluss über die Fähigkeit, den Körper zu balancieren. Diese
Fähigkeit ist bei PSP-Patienten vermindert, sie zeigen bei der Posturographie ein typisches Schwankungsmuster.
Klinisch können folgende Leitsymptome für die PSP angeführt werden:
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Zunehmende Blickparese (Blicklähmung)
-
Doppelbilder
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Verschwommen Sehen
-
Verlangsamung willkürlicher Sakkarden
-
Plötzliche Stürze
-
Störung der Stellreflexe
-
Gangunsicherheit
-
Symmetrisches, hypokinetisch-rigides Parkinson-Syndrom (Akinesie und Rigor der Nackenund Rumpfmuskulatur; axial betonter Rigor)
Zusätzlich können nachweisbar sein:
-
Kognitive- und Persönlichkeitsveränderungen
-
Dysarthrie (Sprechstörung)
-
Dysphagie (Schluckstörung)
Behandlung:
Wie bei allen neurodegenerativen Erkrankungen gibt es auch bei der PSP bislang keine Behandlung,
die das Fortschreiten der Erkrankung aufhält. Eine medikamentöse Therapie kann jedoch die Symptome der PSP lindern und möglicherweise deren Progress verlangsamen.
Da der Schädigungsmechanismus bei PSP dem der Parkinson’schen Erkrankung sehr ähnlich ist, können prinzipiell sämtliche Parkinsonmedikamente zur Behandlung der PSP eingesetzt werden. Allerdings ist deren Wirkung bei Patienten mit PSP häufig nicht so ausgeprägt und nur von begrenzter
Dauer.
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Weitere Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich durch Physio-, Logo-, Atem- und Ergotherapie zur
Stabilisierung der Fähigkeiten der betroffenen Personen zum Erhalt der Selbstständigkeit und Autonomie.
Im weiteren Verlauf der Erkrankung ist es außerdem angebracht auf Angebote im Rahmen des Palliative Care zur Symptomlinderung, der Verbesserung der Lebensqualität und Teilhabe im Rahmen der
gegebenen Möglichkeiten des erkrankten Menschen zuzugreifen.
Symptomlast und Funktionseinschränkungen:
Die Symptome der PSP sind vielgestaltig, und für viele Patienten stellen scheinbar nebensächliche
Symptome im Alltag eine wesentliche Belastung dar. Die ersten Krankheitszeichen sind oft wenig
spezifisch und weisen noch nicht auf die Diagnose hin. Aus Gründen der Einfachheit wird im folgenden Dokument hauptsächlich die PSP benannt.
Die Mobilität der betroffenen Personen ist mit Anbeginn der PSP stark eingeschränkt. Dies ergibt sich
aus dem Umstand der zunehmenden Blickparese, welche im Zusammenspiel mit der Wahrnehmung
von Doppelbildern, dem Verschwommen-Sehen und der Verlangsamung der willkürlichen Sakkaden zu einer stetig zunehmenden Hilfebedürftigkeit des Menschen beiträgt.
Im Weitern wird die Reduktion der Mobilität durch die ebenfalls auftretende Gleichgewichtsstörung,
welche eine Gang- und Standunsicherheit bedingt, sowie durch die Störung der Stellreflexe und
einer zunehmenden Sturzgefahr, welche von plötzlich auftretenden Stürzen begleitet wird, zusätzlich verstärkt. Es ergibt sich hieraus, dass Patienten mit einer PSP bereits in einem frühen Stadium
der Erkrankung auf Hilfsmittel (z.B. Rollator oder Rollstuhl), sowie praktisch Unterstützung durch eine
Hilfsperson bei der Bewältigung von Aufgaben des alltäglichen Lebens angewiesen bzw. abhängig
sind. Die Gehfunktion und Bewegungsfunktion der oberen Extremitäten nehmen im Krankheitsverlauf zunehmend ab, so dass es den betroffenen Menschen nicht mehr möglich ist sportlichen Aktivitäten oder auch anspruchsvollen Bewegungsabläufen (z.B. das Gehen um Hindernisse, Zurechtkommen mit wechselnden Oberflächen, Verminderung der Gehstrecke) auszuführen, was zu einer
zunehmenden Immobilität führt. Außerdem verändert sich die manuelle Geschicklichkeit, so dass es
zu einer Störung der Feinmotorik und im fortgeschrittenen Stadium der PSP ebenfalls zu Veränderungen der Grobmotorik kommt, ebenfalls tritt eine Apraxie auf. Somit werden die Betroffenen mit
dem Progress der Erkrankung abhängig von externer Hilfe und Verlieren an Selbstständigkeit. Durch
die in der Späthphase auftretende Bewegungssteife wird, selbst mit Unterstützung durch eine dritte
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Person, der Transfer vom Liegen zum Sitzen oder von einer sitzenden Position zum Stehen, zu einem
enormen Kraftakt für alle Beteiligten.
Die Fahrtauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeuges verlieren die Erkrankten bereits zu Beginn der
Erkrankung, allerdings ist es ihnen lediglich für einen kurzen begrenzten Zeitraum möglich, dieses
Defizit mittels Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auszugleichen. Es entsteht durch die zunehmende Einschränkung der Sehfähigkeit und wegen des Auftretens der Bradykinesie, sowie der
Störung der geilten Aufmerksamkeit zu einem erhöhten Unfallrisiko. Eine selbstständige Benutzung
von Verkehrsmitteln ist daher binnen kurzer Zeit für einen PSP- Erkrankten nicht mehr möglich, so
dass die ständige Anwesenheit einer Begleitperson unabdingbar wird.
Da die Erkrankten aufgrund der stetig zunehmenden Einschränkungen eine eigenständige Selbstversorgung nicht mehr leisten können, benötigen sie bei der Bewältigung der Verrichtungen des alltäglichen Lebens (z.B. Hygiene, An- und Auskleiden, Nahrungszubereitung und –aufnahme) Hilfestellungen. Des Weiteren kommt hinzu, dass die Nahrungsaufnahme oftmals durch eine Schluckstörung
erschwert ist, so dass die Aufnahme von Nahrung mit einem sehr hohen zeitlichen Aufwand verbunden ist und die Menschen oftmals den täglichen Kalorien- und Flüssigkeitsbedarf nur schwer decken
können. Durch die Schluckstörung kommt es außerdem zu vermehrter Aspiration. Neben der Aspiration kommt es außerdem im Verlauf der PSP zu Lungenfunktionseinschränkungen.
Die Teilnahme am sozialen und gesellschaftlichen Leben (z.B. Freizeitaktivitäten, Gemeindeleben)
reduziert sich für die Betroffenen drastisch, so dass diese mit anhaltender Krankheitsdauer zunehmend von sozialer Isolation betroffen sind.
Die Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen, beispielsweise am gemeinschaftlichen Diskurs innerhalb einer Gruppe, fällt Menschen mit einer PSP zunehmend schwer. Die verlangsamten Denkprozesse (Bradyphrenie) in Kombination mit der daraus resultierenden reduzierten Wissensanwendung erschweren es Gesprächen und Diskussionen folgen zu können bzw. an diesen aktiv teilzunehmen. Eine weitere Einschränkung im Bereich der Kommunikation ergibt sich aus der vorhandenen
und progredienten Sprechbehinderung/ Sprachstörung, sowie durch das Auftreten von einer Wortfindungsstörung (Aphasie). Die Stimme der Patienten ist oftmals leise und das Sprechtempo verlangsamt, wodurch sich die Betroffenen gehemmt sind an einer Gesprächssituation zu partizipieren.
Personen mit einer PSP sind nicht nur aufgrund der verminderten kommunikativen Fähigkeiten von
sozialer Isolation bedroht, sondern haben Schwierigkeiten mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und Beziehungen aufzubauen, da die Fähigkeit zur Interaktion stetig abnimmt (z.B. Sprechen,
Mimik und Gestik)und es durch das Auftreten der Erkrankung zu Persönlichkeitsveränderungen
kommen kann. Darunter leiden zudem die bereits bestehenden interpersonellen Beziehungen.
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Außerdem besteht eine hohe Belastung für die Erkrankten darin, dass die Symptomlast nicht nur tags
sondern, ähnlich wie bei der Parkinsonerkrankung, es auch zu Beeinträchtigungen im Verlauf der
Nacht kommt. Als besonders belastend werden die Funktionsstörungen der Blase oder Harn- und
Stuhlinkontinenz, starkes nächtliches Schwitzen und Schmerzen empfunden. Die Schmerzen resultieren aus Akinesie und Rigor der Nacken- und Rumpfmuskulatur, sowie Dystonien und der Bradykinese (Verminderte/ keine eigenständige Rotation im Bett). Des Weiteren leiden Menschen mit einer
PSP häufig unter einem Schlaf-Apnoe-Syndrom, durch welches es zu Tagesmüdigkeit, Kopfschmerzen und einer reduzierten Belastbarkeit untertags kommt.
Sämtliche der aufgeführten Einschränkungen führen zu einer Verminderung der Lebensqualität von
Menschen mit PSP. Das Auftreten von Depression und Angst in Folge der Erkrankung stellt keine
Seltenheit dar. Vor allem zu Beginn der Erkrankung besteht eine erhöhte Suizidgefahr bei den PSPErkrankten.
Bildung des GdB/ GdS und Vergabe von Merkzeichen:
Menschen, welche von einer PSP betroffen sind erfahren derzeit oftmals eine Ablehnung und Zurückweisung von Anträgen zur Feststellung des GdB/ GdS und bei der Festsetzung von Merkzeichen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass dieser Personenkreis keine einheitliche Beurteilung des GdB/ GdS
trotz gleicher Diagnose (ICD-10-GM: G23.1) erfolgt. PSP-Erkrankte erfahren zudem eine Benachteiligung bei der Einordnung ihrer gestörten Sehfähigkeit, da sie die Werte (z.B. verminderter Visus, von
wenigstens 0,1) oftmals nicht vorweisen können.
Da wie bereits angeführt, die Diagnose und Beurteilung einer Progressiven supranukleären Blickparese selbst erfahrenen Neurologen schwer fällt, ist es unser Anliegen, dass die PSP gesondert in der
Versorgungsmedizin-Verordnung anerkannt und aufgenommen wird.
Des Weiteren halten wir es für dringend erforderlich, dass Menschen mit einer PSP, aufgrund ihrer
vielfältigen Funktionseinschränkungen, welche durch Hilfsmitteleinsatz nur bedingt gemildert werden können, ebenfalls bei der Vergabe von folgenden Merkzeichen (incl. Parkerleichterung) Berücksichtigung finden:
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Merkzeichen B
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Merkzeichen H
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Merkzeichen G (bei Krankheitsbeginn)
-
Merkzeichen aG (im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung).
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Für die Aufnahme unserer Anregungen in die Versorgungsmedizin-Verordnung wären wir Ihnen sehr
dankbar.
Im Weiteren stehen wir Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung und verbleiben
Mit freundlichen Grüßen
Univ.-Prof. Dr. Stefan Lorenzl
Carmen Richinger
Dipl. Palliativmediziner
Soziale Arbeit (B.A.)
Chefarzt Neurologie
Arbeitsgruppe Neurodegeneration
Krankenhaus Agatharied
und Stiftungsprofessur Palliative Care, Salzburg
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