11TG - KINEMATIK EINTEILUNG VON BEWEGUNGEN P. Rendulić 2014 1 KINEMATIK Die Kinematik (Bewegungslehre) behandelt die Gesetzmäßigkeiten, die den Bewegungsabläufen zugrunde liegen. Die bei der Bewegung auftretenden Kräfte bleiben unberücksichtigt. Die im Bereich der Kinematik auftretenden Größen sind der Weg s, die Geschwindigkeit v, die Beschleunigung a und die Zeit t. Es handelt sich dabei um vektorielle Größen, sie werden jedoch nur dann vektoriell geschrieben, wenn ihre Richtung zu beachten ist. In allen anderen Fällen sind stets nur ihre Beträge gemeint. 1 EINTEILUNG VON BEWEGUNGEN Die Bewegung eines Körpers erfolgt längs einer Bahn, die man in verschiedenen Fällen direkt sehen kann, z.B. bei einem Zug (Schienen), bei einem Flugzeug (Kondensstreifen), bei Spuren im Schnee oder Sand. 1.1 Bahnformen Bewegungen können nach ihrer Bahnform eingeteilt werden. Geradlinige Bewegung Krummlinige Bewegung Kreisbewegung Der Körper bewegt sich auf einer geraden Bahn. Beispiele: Der Körper bewegt sich auf einer krummlinigen Bahn. Die Bewegung kann in enzelne geradlinige Phasen unterteilt werden. Beispiele: Der Körper bewegt sich auf einer Kreisbahn. Beispiele: • Zug auf gerader Strecke • Person auf Rolltreppe • Gondel eines Riesenrads RC-Auto • • Sitz auf einem Karussell • Apfel im freien Fall • Fußballspieler • Reflektor auf Speichenrad • Flugzeug in großer Höhe • Billiardkugel • Zahn eines Zahnrads • Hase auf der Flucht 1.2 Bewegungsarten Bewegungen können auch nach Art der Bewegung längs der Bahn, der Bewegungsart, eingeteilt werden. Gleichförmige Bewegung Ungleichförmige Bewegung Der Körper bewegt sich mit einer konstanten Geschwindigkeit, das heißt, Betrag und Richtung der Geschwindigkeit sind konstant. Beispiele: Der Körper bewegt sich mit veränderlicher Geschwindigkeit, das heißt, Betrag oder Richtung der Geschwindigkeit (oder beide zusammen) sind nicht konstant. Beispiele: • Paket auf einem Förderband • Person auf Rolltreppe • Flugzeug in großer Höhe • Radfahrer auf kurviger Strecke • Auto im Berufsverkehr • Person auf der Achterbahn 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHFÖRM. BEWEGUNG 2 GERADL. GLEICHFÖRM. BEWEGUNG 2.1 Experimentelle Herleitung des Weg-Zeit-Gesetzes 2 2.1.1 Versuchsbeschreibung Auf einer Luftkissenbahn bewegt sich ein Schlitten reibungsfrei auf einer geraden Bahn. Wirken auf den einmal in Bewegung gesetzten Schlitten keine weiteren Kräfte in Bewegungsrichtung, so führt er eine geradlinig gleichförmige Bewegung aus. Zur Bestimmung des Weg-Zeit-Gesetzes s = f (t ) werden die Zeiten t gemessen, die der Schlitten für verschiedene Wege s benötigt. Um Schwankungen der Messwerte auszugleichen, wird für jede Wegstrecke s die zugehörige Zeit t mehrmals gemessen und ein Mittelwert gebildet tm. Versuchsaufbau Der Versuchsaufbau erfolgt nach dem nebenstehenden Foto. Um die Messwerte bequem und schnell aufnehmen zu können benutzen wir zeitgleich mehrere Lichtschranken und Timer. Sobald der Schlitten durch die erste Lichtschranke fährt starten alle Timer. Die einzelnen Timer werden zum Zeitpunkt t gestoppt, wenn der Schlitten die Strecke s zurückgelegt hat. 2.1.2 s (m) Messwertetabelle 0 - t (s) - tm (s) 0 11TG - KINEMATIK GERADL. GLEICHFÖRM. BEWEGUNG P. Rendulić 2014 3 2.1.3 Weg-Zeit-Diagramm im s-t Koordinatensystem Der sich im s-t-Koordinatensystem ergebende Kurvenzug ist eine Gerade s durch den Koordinatenursprung. Bewegt sich ein Körper geradlinig gleichförmig, so ist der von ihm zurückgelegte Weg s der Zeit t, die er für diesen Weg benötigt proportional: s ~t ; damit gilt für das Weg-Zeit-Gesetz t O s = v ⋅t , wobei v eine Konstante ist. 2.1.4 Interpretation Die Steigung v der Geraden s = f (t ) hat die Dimension einer Geschwindigkeit (m/s). Bewegt sich ein Körper geradlinig gleichförmig, so ist seine Geschwindigkeit v konstant, der Körper beharrt zu jedem Zeitpunkt in seinem Bewegungszustand 2.1.5 Schlussfolgerung Das Weg-Zeit-Gesetz für eine geradlinig gleichförmige Bewegung besagt, dass der vom Körper zurückgelegte Weg proportional zur dafür benötigten Zeit ist. 2.1.6 Definition der Geschwindigkeit Unter der konstanten Geschwindigkeit v versteht man das Verhältnis des zurückgelegten Weges zu der dafür benötigten Zeit. v= s t Die SI-Einheit der Geschwindigkeit ist das Meter pro Sekunde (m/s). Als SI-fremde Einheit wird oft die Einheit Kilometer pro Stunde benutzt (km/h). Dabei gilt: m km = 3,6 s h km m 1 = 0,2778 h s 1 11TG - KINEMATIK GERADL. GLEICHFÖRM. BEWEGUNG P. Rendulić 2014 4 2.1.7 Durchschnittsgeschwindigkeit (mittlere Geschwindigkeit) Die Durchschnittsgeschwindigkeit ergibt sich nach der Definition: Die Durchschnittsgeschwindigkeit wird bestimmt, indem der gesamte zurückgelegte Weg durch die dafür benötigte Zeit geteilt wird. v = s t oder für ein Intervall der Bewegung v = s2 − s1 ∆s = t 2 − t1 ∆t 2.1.8 Momentangeschwindigkeit (Augenblicksgeschwindigkeit) Die Momentangeschwindigkeit ergibt sich nach der Definition: Die Momentangeschwindigkeit ist die mittlere Geschwindigkeit, gerechnet in einem sehr kurzen Weg-Zeit-Intervall v= ds . dt Anmerkung: Im Fall der geradlinig gleichförmigen Bewegung Momentangeschwindigkeit und Durchschnittsgeschwindigkeit gleich groß. 2.2 sind Geschwindigkeit-Zeit-Gesetzes 2.2.1 Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm im v-t-Koordinatensystem v Wenn ein Körper sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, misst man zu jedem Zeitpunkt die gleiche Geschwindigkeit. Die sich im v-t-Koordinatensystem ergebende Kurvenzüge sind parallele Geraden zur Zeitachse. O t 2.2.2 Interpretation Aus der Tatsache, dass die Geschwindigkeit eines sich geradlinig gleichförmig bewegenden Körpers konstant ist, folgt, dass ein Körper nur dann seinen Bewegungszustand ändert, wenn sich seine Geschwindigkeit ändert. Damit jedoch eine Geschwindigkeitsänderung eintritt, muss eine äußere Kraft auf den Körper einwirken 11TG - KINEMATIK 2.2.3 P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHFÖRM. BEWEGUNG 5 Schlussfolgerung Das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz für eine geradlinig gleichförmige Bewegung besagt, dass die Geschwindigkeit des Körpers längs seiner Bahn konstant ist. 2.2.4 Graphische Methode zur Bestimmung der Strecke Im v-t-Schaubild ist die Strecke durch ein Rechteck der Höhe v und der Länge t dargestellt. Die zurückgelegte Strecke lässt sich geometrisch als die Fläche unterhalb der Geschwindigkeitslinie darstellen. v s=v•t t Dieser Zusammenhang bleibt für jede Art von Bewegungen gültig. v s t In diesem Beispiel beschleunigt und bremst der Körper ungleichmäßig. Die zurückgelegte Strecke kann jedoch geometrisch als Fläche zwischen Kurvenzug und Zeitachse bestimmt werden. 2.3 Aufgaben 2.3.1 Wagen auf der Autobahn Auf der Autobahn rast ein Fahrer: während einer Zeit von 0,5 min legt er eine Strecke von 1,5 km zurück. m km und in . s h b. Welche Strecke legt er bei dieser Geschwindigkeit in 10 min zurück? a. Berechne seine Geschwindigkeit in 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHFÖRM. BEWEGUNG 6 2.3.2 Mittlere Geschwindigkeit Ein Lastwagen fährt über einen Bergpass. Er fährt dabei zuerst während einer halben Stunde mit einer konstanten Geschwindigkeit von 50 km/h bergauf, dann fährt er mit 60 km/h auf einer Strecke von 45 km bergab. a. Welche Strecke legt der LKW beim bergauf fahren zurück? b. Wie lange braucht der LKW, um den Berg auf der anderen Seite wieder hinunter zu fahren? c. Berechne die mittlere Geschwindigkeit des LKW auf der gesamten Strecke. 2.3.3 Autorennen Bei einem Autorennen über einen Kurs von 8,5 km Länge erreicht ein Fahrer auf den ersten 8 Runden eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 192 km/h. Die restlichen 4 Runden muss er wegen eines Schadens langsamer fahren, mit 171 km/h im Durchschnitt. Hat er den Streckenrekord von 180 km/h für 12 Runden überboten? 2.3.4 s-t-Diagramm Ein Lieferwagen fährt in 1,5 h 100 km weit. Dann steht er still während 0,5 h. Anschließend fährt er während 60 min mit einer konstanten Geschwindigkeit von 50 km/h weiter. Er steht dann wieder während 30 min still. Schließlich fährt er während 1,5 h mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h. Ein Auto startet 90 Minuten nach der Abfahrt des Lieferwagens am gleichen Ort und verfolgt diesen auf der gleichen Strecke. Das Auto fährt während 2 Stunden mit einer mittleren Geschwindigkeit von 87,5 km/h; dann steht es still. a. Fertige beide s-t-Diagramme auf der gleichen Graphik an. b. Wo und wann treffen sich der Lieferwagen und das Auto? 2.3.5 Versäumter Start beim Ruderrennen Bei einem Ruderrennen treten zwei Mannschaften (rot und blau) gegeneinander an. Durch unglückliche Umstände kann die rote Mannschaft erst 20 Sekunden nach der blauen starten. Da die rote Mannschaft sich nicht blamieren will rudert sie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 km / h, wobei die blaue Mannschaft nur mit 12 km / h rudert. Wie weit liegt der Treffpunkt der beiden Boote vom Startpunkt aus entfernt? 2.3.6 Karussell Ein gleichförmig rotierendes Karussell hat einen Durchmesser von 8 Metern und braucht für eine Umdrehung ¼ Minute. a. Berechne die Bahngeschwindigkeit des Kindes, wenn as am Rande des Karussells sitzt! b. Wie ändert sich die Bahngeschwindigkeit des Kindes, wenn es 2 m vom Rand entfernt sitzt? 2.3.7 Revolution der Erde um die Sonne Die Bewegung der Erde um die Sonne kann in guter Näherung einer gleichförmigen Kreisbewegung gleichgesetzt werden. Der Radius der Kreisbahn beträgt 149,6 Millionen Kilometer. Bestimme die Geschwindigkeit der Erde! 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 3 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 3.1 Experimentelle Herleitung des Weg-Zeit-Gesetzes 7 3.1.1 Versuchsbeschreibung Wirkt längs der Bahn eine konstante Kraft in Bewegungsrichting auf den Schlitten (z.B. durch Schlitzgewichte, die über eine Schnur und Umlenkrolle am Schlitten ziehen, oder eine leicht geneigte Bahn), so führt er eine geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung aus. Zur Bestimmung des Weg-Zeit-Gesetzes s = f (t ) für eine geradlinig gleichförmig beschleunigte Bewegung werden die Zeiten gemessen, die der Schlitten aus dem Ruhezustand aus benötigt, um verschiede Wegstrecken s zurückzulegen. Die Zeit t wird mit einer Lichtschranke und einem Digitalzähler bestimmt. Um kleinere Schwankungen auszugleichen, wird für jede Wegstrecke s die zugehörige Zeit t mehrmals gemessen und ein Mittelwert tm gebildet.. 3.1.2 Messwertetabelle s (m) 0 - t (s) - tm (s) tm2 (s)2 11TG - KINEMATIK 3.1.3 P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 8 Weg-Zeit-Diagramm im s-t-Koordinatensystem s t O 3.1.4 Weg-Zeit-Diagramm im s-t2-Koordinatensystem s t O 2 3.1.5 Ergebnis Der sich im s-t2-Koordinatensystem ergebende Kurvenzug ist eine Gerade durch den Koordinatenursprung: Führt ein Körper eine geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung aus, so ist der von ihm in der Zeit t zurückgelegte Weg s dem Quadrat der Zeit t2 proportional: s ~ t2 ; somit gilt für das Weg-Zeit-Gesetz s = k ⋅t2 , wobei k eine Konstante ist. Der sich im s-t-Koordinatensystem ergebende Kurvenzug ist also eine Parabel. 11TG - KINEMATIK 3.1.6 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG P. Rendulić 2014 9 Interpretation Die Steigung k der Geraden s = f (t 2 ) hat die Dimension einer Beschleunigung (m/s2); sie ist jedoch nicht dem Betrag a der Beschleunigung gleichzusetzen, vielmehr gilt k= 1 a, 2 womit für das Weg-Zeit-Gesetz s= 1 ⋅a ⋅t2 2 folgt. Anmerkung: Der Faktor ½ lässt sich jedoch aus den vorliegenden Messungen nicht ermitteln; er wird später rechtfertigt werden. 3.1.7 Schlussfolgerung Das Weg-Zeit-Gesetz für eine geradlinige Bewegung mit konstanter Beschleunigung ist eine Parabel im Weg-ZeitKoordinatensystem. 3.2 Experimentelle Herleitung des Geschwindigkeit-Zeit-Gesetzes und des Beschleunigung-Zeit-Gesetzes 3.2.1 Versuchbeschreibung Ein auf einer Luftkissenbahn aufgesetzter Schlitten bewegt sich geradlinig gleichförmig beschleunigt. Um die Geschwindigkeit v eines Körpers zu ermitteln, misst man für ein kleines Wegintervall ∆s das zugehörige Zeitintervall ∆t und bildet den Quotienten. ∆s / ∆t. Die so gemessene Geschwindigkeit entspricht der Momentangeschwindigkeit am Bahnpunkt in der Mitte des Wegintervalls ∆s . 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 10 Die Änderung der Geschwindigkeit ∆v im Zeitintervall ∆t ist die Durchschnittsbeschleunigung a. Ist die Durchschnittsbeschleunigung von der Größe des Zeitintervalls ∆t und dem Zeitpunkt t, in dem sie bestimmt wird, unabhängig, ist die Durchschnittsbeschleunigung gleich der Momentanbeschleunigung a. Die Beschleunigung a bestimmt sich dann als Quotient v / t. Zur Bestimmung des Geschwindigkeit-Zeit-Gesetzes misst man außer dem Zeitintervall ∆t die Zeit t, die der Schlitten benötigt, um den Bahnpunkt s zu erreichen. 3.2.2 Messwertetabelle Blendenlänge ∆s = ............. m s (m) 0 - t (s) - tm (s) 0 - ∆t (s) - ∆tm (s) - v= ∆s m ∆t m s 0 a= v tm m 2 s - 11TG - KINEMATIK 3.2.3 P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 11 Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm im v-t-Koordinatensystem v t O 3.2.4 Beschleunigung-Zeit-Diagramm im a-t-Koordinatensystem a t O 3.2.5 Ergebnis • Der sich im v-t-Koordinatensystem ergebende Kurvenzug ist eine Gerade durch den Koordinatenursprung: Die Geschwindigkeit v zum Zeitpunkt t des gleichförmig beschleunigten Körpers ist der Zeit t proportional: v ~t. • Der sich im a-t-Koordinatensystem ergebende Kurvenzug ist eine Parallele zur Zeitachse. Die Beschleunigung a bleibt längs der Bahn konstant. Bewegt sich ein Körper geradlinig gleichförmig beschleunigt, so bewegt er sich mit konstanter Beschleunigung. 11TG - KINEMATIK GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG P. Rendulić 2014 12 3.2.6 Interpretation Aus der Proportionalität zwischen v und t folgt für das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v = a⋅t , wobei die Konstante a die Steigung der Geraden ist; sie hat die Dimension einer Beschleunigung und ist aufgrund der Definition der Beschleunigung dieser gleichzusetzen. 3.2.7 Schlussfolgerungen Das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz für eine geradlinige Bewegung mit konstanter Beschleunigung besagt, dass die Geschwindigkeit eines Körpers der Zeit proportional ist. Das Beschleunigung-Zeit-Gesetz für eine geradlinige Bewegung mit gleichförmiger Beschleunigung ist eine horizontale Gerade; die Beschleunigung ist konstant. 3.3 Definition der Beschleunigung Unter konstanter Beschleunigung a versteht Geschwindigkeitsänderung zu der dafür benötigten Zeit. a= man das Verhältnis der ∆v v 2 − v 1 = ∆t t 2 − t1 Die SI-Einheit der Beschleunigung ist das Meter pro Sekunde im Quadrat. In der Tat: [a] = [∆v ] = [∆t ] 3.4 v m s =m s s2 Rechtfertigung des Faktors ½ B a v= t Wir wissen, dass der zurückgelegte Weg s sich geometrisch als die Fläche unterhalb der Geschwindigkeitslinie im vt-Diagramm darstellen lässt. Die Fläche unterhalb der Geschwindigkeitslinie ist das Dreieck OAB. Der Flächeninhalt dieses Dreiecks ist: s = ½ a t2 t O t s= A 1 1 1 1 ⋅ OA ⋅ AB = ⋅ t ⋅ v = ⋅ t ⋅ a ⋅ t = ⋅ a ⋅ t 2 2 2 2 2 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 13 Diese Betrachtung rechtfertigt den Faktor ½ welcher im Weg-Zeit-Gesetz der geradlinig gleichmäßig beschleunigten Bewegung auftaucht. Anmerkung: das Weg-Zeit-Diagramm kann theoretisch aus dem Geschwindigkeit-ZeitDiagramm hergeleitet werden. 3.5 Geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung mit Anfangsgeschwindigkeit In den vorherigen Punkten wurde die geradlinig beschleunigte Bewegung ohne Anfangsgeschwindigkeit v0 beschrieben. Das heißt, dass der beobachtete Körper aus dem Stand beschleunigt. Besitzt der Körper bereits eine Anfangsgeschwindigkeit v0, wenn die gleichförmige Beschleunigung einsetzt, dann ändert sich das dazugehörige Geschwindigkeit-ZeitDiagramm folgendermaßen: v at ½at 2 v0 v0t t O Daraus ergibt sich das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz für die geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung: v = v 0 + at und das Weg-Zeit-Gesetz: s = v 0t + 1 2 at 2 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 14 3.6 Geradlinig gleichmäßig verzögerte Bewegung Ein gleichmäßiger Verzögerungsvorgang ist ein Sonderfall der gleichmäßig beschleunigten Bewegung. Bei einer Verzögerung haben Geschwindigkeit und Beschleunigung entgegengesetztes Vorzeichen (sie wirken in entgegengesetzte Richtungen), sodass sich der Betrag der Geschwindigkeit verringert, bis die Anfangsgeschwindigkeit v0 aufgezehrt ist. a= ∆v v 2 − v1 = < 0 weil v1 > v 2 ∆t t 2 − t1 Die Endgeschwindigkeit v2 des Körpers ist also kleiner als seine Anfangsgeschwindigkeit v1. Die Verzögerung unterscheidet sich von der Beschleunigung nur durch das negative Vorzeichen des Zahlenwertes. Beispiel: Beschleunigung: a>0 Verzögerung: a<0 a = -5 m/s2 heißt, dass die Geschwindigkeit in jeder Sekunde um 5 m/s abnimmt. 11TG - KINEMATIK 3.7 P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 15 Zusammenfassung Geradlinig gleichförmige Bewegung Weg-Zeit-Gesetz Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v s t t s = v ⋅t v = konstant Geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung ohne Anfangsgeschwindigkeit Weg-Zeit-Gesetz s Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz Beschleunigung-Zeit-Gesetz v a t t s= 1 ⋅a ⋅t2 2 t v = a⋅t a = konstant Geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung mit Anfangsgeschwindigkeit Weg-Zeit-Gesetz s Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz Beschleunigung-Zeit-Gesetz v a t t s= 1 ⋅ a ⋅ t 2 + v0 ⋅ t 2 v = a ⋅ t + v0 t a = konstant Geradlinig gleichmäßig verzögerte Bewegung mit Anfangsgeschwindigkeit Weg-Zeit-Gesetz Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz Beschleunigung-Zeit-Gesetz v s t t t s= 1 ⋅ a ⋅ t 2 + v 0 ⋅ t (a < 0) 2 v = a ⋅ t + v 0 (a < 0) a = konstant (a < 0) 11TG - KINEMATIK 3.8 P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 16 Aufgaben 3.8.1 Beschleunigender Körper Ein Körper hat aus der Ruhe nach der 1. Sekunde eine Geschwindigkeit von v1 = 0,5 m/s, nach der 2. Sekunde von v2 = 1,0 m/s, nach der 3. Sekunde von v3 = 1,5 m/s erreicht. a. b. c. d. Zeichne das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm. Trage die Geschwindigkeitsänderung je Sekunde in das Diagramm ein. Warum haben die Geschwindigkeit und die Beschleunigung verschiedene Einheiten? Berechne die Fläche unter der v-Linie. Was stellt sie dar? 3.8.2 Zwei Radfahrer Zwei Radfahrer A und B bewegen sich aus der Ruhe gleichmäßig beschleunigt. Fahrer A erreicht nach tA = 7 s eine Fahrgeschwindigkeit vA = 7,2 km/h, Fahrer B nach tB = 15 s eine Geschwindigkeit vB = 10,8 km/h. a. Welcher Fahrer hat die größere Anfahrbeschleunigung? b. Welche Wege haben die Radfahrer dabei zurückgelegt? 3.8.3 Beschleunigendes Auto Ein Auto erhält aus der Ruhe gleichmäßig beschleunigt eine solche Beschleunigung, dass es nach t = 16 s einen Weg s = 200 m zurücklegt. a. Wie groß ist die Beschleunigung? b. Welche Endgeschwindigkeit (in km/h) ist dabei erreicht? 3.8.4 Auf der Autobahn beschleunigendes Fahrzeug 1 Die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs wird bei einer Beschleunigung von a = 2,5 m/s2 von v1 = 180 km/h auf v2 = 216 km/h gleichmäßig beschleunigt gesteigert. a. Wie groß ist die dabei zurückgelegte Wegstrecke? b. Zeichne das zugehörige v-t-Diagramm. 3.8.5 Auf der Autobahn beschleunigendes Fahrzeug 2 Ein PKW wird in 15 s von der Geschwindigkeit 90 km/h auf 126 km/h gleichmäßig beschleunigt. a. Wie groß ist die Beschleunigung? (a = 0,667 m/s2) b. Welcher Gesamtweg wird während der Beschleunigung zurückgelegt? (s = 450 m) c. Wie ändern sich Beschleunigung und Gesamtweg, wenn die Geschwindigkeitsänderung in 10 s erreicht werden soll? (a’ = 1,00 m/s2; s = 300 m) 11TG - KINEMATIK 3.8.6 P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 17 Verzögerung Ein Autofahrer muss bei plötzlicher Gefahr sein Fahrzeug abbremsen. Bis zur Betätigung der Bremsen vergeht eine Reaktionszeit von 1 s. Ermittle mit den Werten aus dem v-t-Diagramm: a. b. c. d. e. die Fahrgeschwindigkeit, die Wegstrecke s1, die er in der Reaktionszeit durchfährt, die Bremsverzögerung a und den Bremsweg s2, den Anhalteweg, Wie groß wäre die Wegstrecke s1 + s2 bei gleicher Verzögerung, jedoch zweifacher Fahrgeschwindigkeit? 3.8.7 Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn Dargestellt ist ein Beispiel des Deutschen Verkehrssicherheitsrates zur Richtgeschwindigkeit 130 km/h. Auf der Autobahn wird in 150 m Entfernung ein Hindernis entdeckt. Begründe, dass bei einer Reaktionszeit von 1 s und einer Bremsverzögerung von -6 m/s2: a. bei Tempo 130 km/h der Anhalteweg ausreicht, b. es bei Tempo 150 km/h zu einem Aufprall kommt mit einer Auftreffgeschwindigkeit von circa 75 km/h. 3.8.8 Verzögerung Bei einer Geschwindigkeit von 108 km/h erblickt ein Autofahrer in 70 m Entfernung ein Hindernis. Nach einer Schrecksekunde führt er eine Vollbremsung aus und erreicht dabei eine Verzögerung von a = -4 m/s2. a. Mit welcher Geschwindigkeit prallt der Wagen noch auf das Hindernis? b. Welche Verzögerung wäre notwendig gewesen, um den Wagen dicht vor dem Hindernis zum Stillstand zu bekommen? 3.8.9 An der Ampel 1 Neben einer Ampel sitzt ein Polizist auf seinem Motorrad. In dem Moment, wo ein Auto mit der konstanten Geschwindigkeit von 72 km/h durch Rot fährt startet der Polizist und nimmt die Verfolgung des Wagens auf. Die Bewegung des Motorrads erfolgt bei konstanter Beschleunigung (4,5 m/s2). a. Wann holt der Polizist das Auto ein? b. Wie weit liegt der Einholpunkt von der Ampel entfernt? c. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Motorrads am Einholpunkt? 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 GERADL. GLEICHM. BESCHL. BEWEGUNG 18 3.8.10 An der Ampel 2 Neben einer Ampel sitzt ein Polizist auf seinem Motorrad. Zwei Sekunden, nachdem ein Auto mit der konstanten Geschwindigkeit von 72 km/h durch Rot gefahren ist, startet der Polizist und nimmt die Verfolgung des Wagens auf. Die Bewegung des Motorrads erfolgt bei konstanter Beschleunigung (4,5 m/s2). a. Wann holt der Polizist das Auto ein? b. Wie weit liegt der Einholpunkt von der Ampel entfernt? c. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Motorrads am Einholpunkt? 3.8.11 Im Nebel auf der Autobahn * Auf der Autobahn fährt ein Lastwagen mit einer konstanten Geschwindigkeit von 54 km/h. Ein Autofahrer fährt trotz der eingeschränkten Sicht viel zu schnell (126 km/h) hinter dem Lastwagen. Erst in dem Moment wo der Abstand zwischen dem Wagen und dem Lastwagen 30 m beträgt kann der Autofahrer eine Vollbremsung einleiten. Die Verzögerung des Wagens beträgt dabei –6 m/s2. a. Zeige, dass ein Auffahrunfall stattfindet! b. Wie groß dürfte die Geschwindigkeit des Autos maximal sein, damit kein Unfall stattfindet? 3.8.12 Auf der schmalen Landstraße * Auf einer einspurigen Landstraße fährt ein Wagen mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h. Ihm kommt ein 2. Wagen mit einer Geschwindigkeit von 110 km/h entgegen. Beide Fahrer können sich noch nicht sehen, weil einer der Wagen sich noch in einer Kurve befindet. In dem Moment, wo die Fahrer sich gegenseitig erblicken, leiten beide eine Vollbremsung ein. In diesem Augenblick beträgt die Entfernung zwischen den Fahrzeugen 120 m. Die Verzögerung des 1. Wagens beträgt –6 m/ s2, die des 2., wegen schlechterer Reifen –5 m/s2. Berechne, ob ein Unfall stattfinden wird! 11TG - KINEMATIK 4 Freier Fall P. Rendulić 2014 19 FREIER FALL Der freie Fall ist ein Sonderfall der geradlinig gleichmäßig beschleunigten Bewegung, bei dem sich ein Körper nur unter dem Einfluss der Schwerkraft (Gravitation) bewegt. Insbesondere die Luftreibung spielt beim freien Fall keine Rolle (daher die Bezeichnung „frei“), sie wird also vernachlässigt. Beim freien Fall beginnt diese Bewegung aus einer Ruhelage aus, also ohne Anfangsgeschwindigkeit; andernfalls handelt es sich um einen Wurf. Der freie Fall kann in vertikalen luftleeren Wegstrecken realisiert werden (z. B. in Fallröhren oder Falltürmen). Beim freien Fall ist die Beschleunigung a gleich der Fallbeschleunigung g (auch Schwerebeschleunigung oder Erdbeschleunigung genannt). Auf der Erde beträgt sie im Mittel g = 9,81 m/s2 (der Wert wird gleich verifiziert). 4.1 Experimentelle Bestimmung der Erdbeschleunigung Um die Fallbeschleunigung der Erde zu bestimmen wird die Falldauer einer Stahlkugel für verschiedene Fallhöhen bestimmt. Versuchsaufbau und Durchführung O 0 .0 0 0 START STOP h s Die Kugel hängt zunächst an einer Halterung. Zum Starten der Fallbewegung wird die Startvorrichtung der Halterung betätigt um die Kugel loszulassen; dabei wird gleichzeitig der Digitalzähler Z gestartet. Nach dem Durchfallen der Stecke s (entsprechend der Fallhöhe h) trifft die Kugel auf einen Fangbecher, der einen Kontakt betätigt und den Zähler Z stoppt. Der Zähler Z misst also die Falldauer t. Die Messung wird durch Verschieben der Startvorrichtung für verschiedene Fallhöhen durchgeführt. Für jede Fallhöhe h wird fünfmal die Zeit t gemessen und der Mittelwert tm errechnet. Der Graph für das Weg-Zeit-Gesetz des freien Falls, das Weg-Zeit-Diagramm, wird in einem st- und in einem s-t2-Koordinatensystem gezeichnet. 11TG - KINEMATIK 4.2 20 Freier Fall P. Rendulić 2014 Messwertetabelle (mit Beispielwerten) s (m) 0 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50 0,60 - 0,1427 0,2015 0,2470 0,2850 0,3191 0,3501 - 0,1428 0,2016 0,2469 0,2852 0,3191 0,3490 - 0,1430 0,2020 0,2471 0,2858 0,3195 0,3491 - 0,1426 0,2021 0,2465 0,2857 0,3196 0,3495 - 0,1428 0,2020 0,2475 0,2856 0,3192 0,3498 tm (s) 0 0,1428 0,2018 0,2470 0,2855 0,3193 0,3495 tm2 (s2) 0 0,0204 0,0407 0,0610 0,0815 0,1020 0,1222 t (s) 4.3 Graphiken s-t2-Diagramm s-t-Diagramm s (m) 0,6 s (m) 0,6 0,5 0,5 0,4 0,4 0,3 0,3 0,2 0,2 0,1 s = 4,9095 t2 0,1 t (s) 0 2 2 t (s ) 0 0 0,1 0,2 0,3 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 0,12 0,14 4.4 Ergebnis Der sich im s-t2-Koordinatensystem ergebende Kurvenzug ist eine Gerade durch den Koordinatenursprung: Es handelt sich also um eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung mit Beschleunigung a. Die Steigung der Regressionsgeraden entspricht also k= 1 a 2 und a = g = 2k . Die Bestimmung der Steigung ergibt k = 4,9095 m/s2, womit sich folgender Wert für die Erdbeschleunigung ergibt: 11TG - KINEMATIK Freier Fall P. Rendulić 2014 g = 9,81 21 m s2 Des weiteren entspricht der sich im s-t-Koordinatensystem ergebende Kurvenzug einer Parabel. Dies erlaubt uns, die bereits bekannten Gesetze der geradlinig gleichmäßig beschleunigten Bewegung im Fall des freien Falls anzuwenden. 4.5 Fallgesetze (nach Galileo Galilei) Die Fallgesetze werden gefunden, indem man die bekannten Gesetzte der geradlinig gleichmäßig beschleunigten Bewegung für die Fallbeschleunigung anwendet. • Die Fallgeschwindigkeit v wächst proportional mit der Fallzeit t: v = g ⋅t • Die durchfallene Strecke h, der Fallweg, wächst proportional zu t2: h= • 1 ⋅ g ⋅ t2 2 Durch Kombination beider vorherigen Gleichungen lässt sich die Fallgeschwindigkeit v bei der Fallhöhe h bestimmen: 2 v v 1 1 v2 v = g ⋅ t ⇔ t = ⇒ h = ⋅ g ⋅ ⇔ h = ⋅ ⇔ v = 2⋅g ⋅h g 2 2 g g v = 2⋅g ⋅h • Die zentrale Aussage der Fallgesetze lässt sich wie folgt zusammenfassen: Weder Fallweg noch Fallgeschwindigkeit hängen von der Masse oder der Form des fallenden Körpers ab. Ohne Luftwiderstand fallen alle Körper gleich. Diese Feststellung wird später anhand des 2. Gesetzes nach Newton hergeleitet werden. 4.6 Fallbeschleunigungen Fallbeschleunigung g in m/s2 bei Himmelskörpern (bezogen auf die Oberfläche) Merkur 3,82 Saturn 10,4 Venus 8,83 Uranus 9,42 Erde 9,81 Neptun 11,3 Mars 3,73 Sonne 274 Jupiter 24,6 Mond 1,63 Die angegebenen Werte gelten nur in Nähe der Oberfläche der angegebenen Himmelskörper. Die Fallbeschleunigung nimmt mit zunehmender Höhe ab. Ist die Fallhöhe zu groß, so ist die Fallbeschleunigung während des Falls nicht konstant. 11TG - KINEMATIK 4.7 P. Rendulić 2014 Freier Fall 22 Aufgaben 4.7.1 Freier Fall a. Ein Körper wird in einer gewissen Höhe losgelassen. Nach 5 Sekunden trifft er auf dem Boden auf. Wie groß ist die Fallhöhe? b. Mit welcher Geschwindigkeit trifft ein Springer vom 10-Meter-Turm auf der Wasseroberfläche auf? 4.7.2 Fallschirmsprung a. Angenommen ein Fallschirmspringer fällt ohne Luftwiderstand nach unten. Welche Geschwindigkeit hätte er dann nach 2 000 m Fall erreicht? b. Welche Geschwindigkeit erreicht er tatsächlich? c. Wie kann ein Fallschirmspringer vor dem Öffnen des Schirms seine Sinkgeschwindigkeit erhöhen bzw. verringern? d. Skizziere das v-t-Diagramm und das s-t-Diagramm für einen vollständigen Fallschirmsprung (unter Berücksichtigung des Luftwiderstandes). 4.7.3 Tiefe eines Schachtes Um die Tiefe eines Schachtes zu bestimmen, lässt man einen Stein fallen. Nach einer Zeit von 4,6 Sekunden nach dem Loslassen hört man seinen Aufschlag. a. Wie tief ist der Schacht unter Vernachlässigung der Laufzeit des Schalls? b. Wie groß ist die Schachttiefe unter Berücksichtigung einer Schallgeschwindigkeit von 340 m/s? 4.7.4 Fliegende Melone Eine Melone wird aus einem Hubschrauber aus einer Höhe von 150 m fallen gelassen. a. Nach welcher Zeit wird sie am Boden auftreffen? b. Wie groß ist dann die Aufschlaggeschwindigkeit? 11TG - KINEMATIK 5 Waagerechter Wurf P. Rendulić 2014 23 WAAGERECHTER WURF Beim waagerechten Wurf wird ein Körper in einem Schwerefeld horizontal mit der Anfangsgeschwindigkeit v 0 abgeworfen. Die Anfangsgeschwindigkeit steht also senkrecht r zur Fallbeschleunigung g . Die resultierende Bewegung des Körpers soll experimentell analysiert werden. 5.1 Versuch Da der Bewegungsablauf des waagerechten Wurfs zu schnell ist, um mit dem bloßen Auge analysiert zu werden, benutzen wir die Methode der stroboskopischen Mehrfachbelichtung. Eine Kugel wird von einer Abwurfvorrichtung horizontal abgeschossen. Sie wird von einem Stroboskop (schnelles Blitzgerät) beleuchtet, das Lichtblitze in regelmäßigen Zeitabständen ∆t aussendet. Während des Wurfs ist der Verschluss eines digitalen Photoapparats geöffnet. Es entsteht so ein Photo, das die verschiedenen Positionen der Kugel im Raum als Funktion der Zeit aufzeichnet. Ihre Wurfbahn wird somit sichtbar gespeichert und kann ausgewertet werden. 5.2 Auswertung Der Bewegungsablauf des waagerechten Wurfs kann als Zusammensetzung zwischen 2 unabhängigen Translationen aufgefasst werden, eine in horizontale Richtung und eine in vertikale Richtung. Die Wurfbahn wird deshalb in ein x-y-Koordinatensystem gelegt (xRichtung: horizontal in Abwurfrichtung, y-Richtung: senkrecht nach unten). O x y Stroboskopaufnahme Wir stellen fest: • In x-Richtung legt die Kugel in gleichen Zeitintervallen ∆t immer das gleiche Wegintervall ∆x zurück. → Die Translation in x-Richtung erfolgt mit konstanter Geschwindigkeit; es handelt sich um eine geradlinig gleichförmige Bewegung. • In y-Richtung wird das im Zeitintervall ∆t zurückgelegte Wegintervall ∆y fortschreitend größer. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass sich bei einer Verdopplung des Zeitintervalls ∆t das Wegintervall ∆y vervierfacht. Es gibt also 11TG - KINEMATIK Waagerechter Wurf P. Rendulić 2014 24 eine Proportionalität zwischen dem zurückgelegten Weg und dem Quadrat der dafür benötigten Zeit. → Die Translation in y-Richtung erfolgt bei konstanter Beschleunigung; es handelt sich um eine geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung. Eine Messung der Beschleunigung zeigt, dass es sich dabei um die Fallbeschleunigung g handelt. Bei der Translation in y-Richtung handelt es sich also um den freien Fall. 5.3 Gleichung der Wurfbahn Der in x- und y-Richtung zurückgelegter Weg des Körpers kann durch Anwendung der bekannten Weg-Zeit-Gesetze angeschrieben werden: (geradlinige Translation mit Anfangsgeschwindigkeit v0) x = v0 ⋅ t y= 1 ⋅ g ⋅t2 2 (freier Fall) x v0 Daraus folgt: t= und: x 1 1 g y = ⋅ g ⋅ t 2 = ⋅ g ⋅ = 2 ⋅ x 2 . 2 2 2v 0 v0 2 Die Wurfbahn hat als Gleichung: y= g ⋅ x2 2 2v 0 Da g und v0 konstant sind, ist die Wurfbahn wegen y ~ x 2 eine Parabel. Achtung: Die angegebenen Gesetze sind natürlich nur bei Vernachlässigung der Luftreibung gültig! 5.4 Geschwindigkeit des Körpers O x v0 Die resultierende Momentangeschwindig-keit r v des Körpers an einem beliebigen Bahnpunkt ergibt sich als Resultierende aus den Momentangeschwindigkeiten beider Teilbewegungen: r v = v0 + vF , vF wobei vF der Betrag der immer größer werdenden Fallgeschwindigkeit ist. Dabei gilt v F = g ⋅ t und v0 ist konstant. Dadurch ändert sich ständig die Richtung und der Betrag von r v v y Es gilt also: v= (gt )2 + v 02 11TG - KINEMATIK 5.5 P. Rendulić 2014 Waagerechter Wurf 25 Aufgaben 5.5.1 Rollende Kugel Eine Kugel rollt mit einer Geschwindigkeit von 3 m/s über das Ende einer 1 m hohen Tischplatte. a. Wann schlägt sie am Boden auf? b. In welcher Entfernung zur Tischkante schlägt sie auf? 5.5.2 Tennis Wie groß muss die Geschwindigkeit eines Tennisballs sein, der waagerecht über das Netz fliegt und die Grundlinie berühren soll. Die Netzhöhe beträgt 0,915 m, die Entfernung Netz-Grundlinie 11,9 m. 5.5.3 Waagerechter Schuss Ein Gewehrschütze schießt waagerecht auf ein 150 m entferntes Ziel. Die Mündungsgeschwindigkeit der Gewehrkugel beträgt 820 m/s. Um wie viel wird der Schütze das anvisierte Ziel verfehlen? 5.5.4 Kugel im Schlauch Trichter S c h l a u c h h 1,0 m 1,2 m Boden Wie groß muss die Fallhöhe h sein, damit die Kugel wie angegeben landet? Die Reibung im Schlauch sowie die Luftreibung werden vernachlässigt. 11TG - KINEMATIK P. Rendulić 2014 Schräger Wurf 26 11TG - KINEMATIK 6 Schräger Wurf P. Rendulić 2014 27 SCHRÄGER WURF Beim schrägen Wurf wird ein Körper in einem Schwerefeld schräg mit der Anfangsgeschwindigkeit v 0 abgeworfen. Die Anfangsgeschwindigkeit bildet also einen gewissen Winkel α mit der Horizontalen. Die resultierende Bewegung soll analysiert werden. Es liegt nahe, den schrägen Wurf ähnlich wie den waagerechten Wurf zu analysieren. Dabei wird die Luftreibung vernachlässigt. 6.1 Analyse y Der Bewegungsablauf des schrägen Wurfs kann als Zusammensetzung zwischen 2 unabhängigen Translationen aufgefasst werden, eine in horizontale Richtung und eine in vertikale Richtung. Die Wurfbahn wird deshalb in ein x-y-Koordinatensystem gelegt (x-Richtung: horizontal in Abwurfrichtung, yRichtung: senkrecht nach oben): vy O v0 vx x • In x-Richtung: es handelt sich um eine geradlinig gleichförmige Bewegung. Die Geschwindigkeit in x-Richtung beträgt dabei v x = v 0 x = v 0 ⋅ cos α • In y-Richtung: es handelt sich um den senkrechten Wurf mit der Abwurfgeschwindigkeit v 0 y = v 0 ⋅ sin α . In y-Richtung verändert sich die Geschwindigkeit des Körpers ständig. Sie beträgt: v y = v 0 y − g ⋅ t = v 0 ⋅ sin α − g ⋅ t Die Geschwindigkeit-Zeit-Formeln lauten: v x = v 0 ⋅ cos α v y = v 0 ⋅ sin α − g ⋅ t Die entsprechenden Weg-Zeit-Formeln sind: x = v 0 ⋅ cos α ⋅ t (1) 1 ⋅ g ⋅ t 2 + v 0 ⋅ sin α ⋅ t (2) 2 Die Gleichung der Wurfbahn wird hergeleitet, indem (1) nach t umgestellt wird und t aus (1) in (2) eingesetzt wird: x x = v 0 ⋅ cos α ⋅ t ⇔ t = v 0 ⋅ cos α y =− und 2 1 1 x x + v 0 ⋅ sin α ⋅ y = − ⋅ g ⋅ t 2 + v 0 ⋅ sin α ⋅ t = − ⋅ g ⋅ 2 2 v 0 ⋅ cos α v 0 ⋅ cos α y =− g ⋅ x 2 + tan α ⋅ x 2 2 ⋅ v ⋅ cos α 2 0 Da v0, α und g konstant sind, ist die Wurfbahn eine Parabel. (siehe Figur 3.5.2) 11TG - KINEMATIK Schräger Wurf P. Rendulić 2014 28 6.2 Bestimmung von Wurfweite und Steighöhe Unter Wurfweite xm versteht man die den maximalen in x-Richtung (parallel zum Boden) zurückgelegten Weg. Die Steighöhe ym ist die größte über Grund erreichte Höhe des Körpers. y ym v0 x O xm/2 xm Die Wurfweite xm wird erreicht für y = 0 . Durch Einsetzen in die Gleichung der Wurfbahn erhält man: g y =0⇔− ⋅ x 2 + tan α ⋅ x = 0 2 2 ⋅ v 0 ⋅ cos 2 α g tan α − ⋅ x ⋅ x = 0 2 2 2 ⋅ v 0 ⋅ cos α tan α − g ⋅x =0 2 ⋅ v ⋅ cos 2 α tan α = g ⋅x 2 ⋅ v ⋅ cos 2 α 2 0 oder x = 0 (Abwurfpunkt → zu verwerfen) 2 0 sin α 2 ⋅ v 02 ⋅ cos 2 α 2 ⋅ v 02 ⋅ sin α ⋅ cos α x= ⋅ = cos α g g Mit der Formel 2 ⋅ sin α ⋅ cos α = sin 2α ergibt sich für die Wurfweite xm: xm = v 02 ⋅ sin 2α g Die Wurfweite ist proportional zum Quadrat der Abwurfgeschwindigkeit v0. Bei Verdopplung der Abwurfgeschwindigkeit vervierfacht sich die Wurfweite. Bei gegebener Abwurfgeschwindigkeit v0 hängt die Wurfweite vom Abwurfwinkel α ab. Sie ist maximal, wenn sin 2α = 1 ⇔ 2α = 90° ⇔ α = 45° . Die maximale Wurfweite wird also erreicht für einen Abwurfwinkel von 45°. Die Abwurfwinkel α1 = 45° + β und α 2 = 45° − β (z.B α1 = 30° und α 2 = 60° ) ergeben die gleiche Wurfweite. (denn sin 2α = sin(90° + 2 β ) = sin(90° − 2 β ) ) 11TG - KINEMATIK Schräger Wurf P. Rendulić 2014 29 Die Steighöhe ym wird erreicht nach Ablauf der Steigzeit tym. Sie wird erreicht, wenn v y = 0 (siehe senkrechter Wurf). Dann: v y = 0 ⇔ v 0 ⋅ sin α − g ⋅ t ym = 0 t ym = v 0 ⋅ sin α g Durch Einsetzen in die Weg-Zeit-Formel für die y-Richtung ergibt sich: 1 2 y m = − ⋅ g ⋅ t ym + v 0 ⋅ sin α ⋅ t ym 2 2 v ⋅ sin α 1 v ⋅ sin α y m = − ⋅ g ⋅ 0 + v 0 ⋅ sin α ⋅ 0 2 g g ym = − 1 v 02 ⋅ sin 2 α v 02 ⋅ sin 2 α ⋅ + 2 g g ym = v 02 ⋅ sin 2 α 2⋅g Die Steighöhe ym ist maximal bei α = 90° . Es handelt sich dann um den senkrechten Wurf. x Der Körper erreicht die Steighöhe ym bei x ym = m . 2 Beweis: Die maximale Wurfweite wird zum Zeitpunkt txm erreicht. Dabei gilt, durch Einsetzen in die entsprechende Weg-Zeit-Formel (1): xm xm = v 0 ⋅ cos α ⋅ t xm ⇔ t xm = v 0 ⋅ cos α t xm 2 ⋅ v 02 ⋅ sin α ⋅ cos α 2 ⋅ v 0 ⋅ sin α g = = v 0 ⋅ cos α g v 0 ⋅ sin α (also die Hälfte von txm!), muss x ym auf halber Strecke zwischen O und g xm liegen. Denn die Bewegung in x-Richtung erfolgt ja bei konstanter Geschwindigkeit. Da t ym = 11TG - KINEMATIK 6.3 P. Rendulić 2014 Schräger Wurf 30 Aufgaben 6.3.1 Wurf eines Steins 1 Ein Stein wird unter einem Winkel von 45° mit einer Geschwindigkeit von 10 m/s abgeworfen. Wurfhöhe und Wurfweite sollen bestimmt werden. Berechne dazu der Reihe nach: a. b. c. d. die Geschwindigkeit v0x nach vorn und die Geschwindigkeit voy senkrecht nach oben, die Steighöhe ym, die Steigzeit tym und die Fallzeit tF, Schlussfolgerung, die Wurfweite xm. 6.3.2 Wurf eines Steins 2 Ein Stein wird mit einer Abwurfgeschwindigkeit von 20 m/s unter einem Winkel von 75°, 45° und 30° schräg nach oben geworfen. a. Wie groß ist die Wurfweite? b. Welche Steighöhe erreicht er? 6.3.3 Gewehrkugeln Die Kugeln eines Gewehrs verlassen die Mündung mit einer Geschwindigkeit von 450 m/s. Soll eine Kugel ein Ziel treffen, das sich in 100 m Entfernung auf der Höhe der Mündung befindet, so muss der Schütze auf einen Punkt zielen, der höher liegt als das Ziel. Wie viel höher als das Ziel ist dieser Punkt? 6.3.4 Projektil Ein Projektil wird von einem 200 m hohen Steilufer aus abgeschossen. Die Anfangsgeschwindigkeit beträgt 60 m/s, und die Abschussrichtung ist 60° zur Horizontalen. Wo wird das Projektil landen, wenn der Luftwiderstand unberücksichtigt bleibt? 6.3.5 Reale Wurfbahnen Die hier gesehene Theorie funktioniert nur, wenn der Luftwiderstand vernachlässigt wird. Beschreibe die tatsächlichen Wurfbahnen folgender schräg abgeschossener Körper: Tischtennisball, Kugel beim Kugelstoßen,Diskus beim Diskuswurf, Wasserstrahl (aus einem Schlauch) 6.3.6 Affe und Pfeil Ein Wildhüter möchte mit einem Betäubungsgewehr einen Affen schießen, der am Ast eines Baumes hängt. Er zielt genau auf den Affen, ohne zu beachten, dass der abgeschossene Pfeil eine Parabel durchläuft und deshalb unter dem Affen vorbeifliegen wird. Der Affe sieht jedoch, wie der Pfeil den Gewehrlauf verlässt und lässt sich fallen, in Erwartung, so dem Pfeil zu entgehen Zeige, dass der Affe unabhängig von der Anfangsgeschwindigkeit des Pfeils getroffen wird, solange folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Anfangsgeschwindigkeit des Pfeils ist so groß, dass er die Entfernung bis zum Baum zurücklegt, bevor er auf die Erde fällt; der Affe lässt sich in dem Augenblick fallen, in dem der Pfeil abgeschossen wird. 11TG - DYNAMIK P. Rendulić 2014 NEWTONSCHE AXIOME 31 DYNAMIK 7 NEWTONSCHE AXIOME1 Bislang haben wir die Bewegung eines Körpers durch Angabe von Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung beschrieben. Wir wissen also, wie ein Körper sich bewegt, wir können aber noch nicht die Frage beantworten, weshalb er sich bewegt. Im Gegensatz zur Kinematik beschäftigen wir uns jetzt mit den Ursachen für Bewegungen, der Dynamik. Grundlegende Begriffe sind hier Kraft und Masse. Die Newtonschen Axiome (auch als Gesetze oder Prinzipien bekannt) bringen die Beschleunigung eines Körpers mit seiner Masse und den auf ihn wirkenden Kräften in Verbindung. Alle Phänomene der klassischen Mechanik können mit Hilfe von drei einfachen Sätzen beschrieben werden. Sir Isaac Newton (1643-1727) 7.1 Erstes Newtonsches Gesetz (Trägheitsgesetz) * Es werden einige Versuche gezeigt, die die Wirkungen des Trägheitsgesetztes beschreiben sollen. 7.1.1 Gleiter auf der Luftkissenbahn 1 Eine Luftkissenbahn wird horizontal auf einem fahrbaren Tisch ausgerichtet. Ein mit Zusatzmassen beschwerter Gleiter wird in die Mitte der Bahn gesetzt; er bewegt sich nicht. Die Fahrbahn wird jetzt mitsamt dem Tisch vorsichtig nach links und rechts verschoben. Der Gleiter verändert seine Lage gegenüber dem Boden nicht. 1 Axiom (v. griech.: als wahr angenommener Grundsatz) nennt man eine Aussage, die grundlegend ist und deshalb nicht innerhalb ihres Systems begründet werden kann bzw. muss. Sie dient als Grundlage für eine deduktive Theorie (vgl. auch Prinzip) und kann deshalb nicht selber durch diese Theorie begründet werden. Wenn eine Theorie aus begründeten Sätzen bestehen soll, so muss es notwendigerweise solche Axiome geben, denn sonst würde die Argumentation nie enden. 11TG - DYNAMIK P. Rendulić 2014 NEWTONSCHE AXIOME 32 Ergebnis: Ein Körper bleibt in Ruhe, wenn keine äußere resultierende Kraft auf ihn einwirkt (Das Gewicht des Gleiters wird durch das Luftkissen aufgehoben). 7.1.2 Rollende Kugel Einer sich auf einem Tisch befindender Kugel wird ein leichter Stoß versetzt. Die Kugel setzt sich in Bewegung. Sie rollt geradlinig gleichmäßig. Ergebnis: Wirkt keine äußere Kraft auf einen Körper so bewegt er sich geradlinig (Gewicht der Kugel und Reaktion des Tisches heben sich gegenseitig auf). Um zu untersuchen, ob die Geschwindigkeit der Kugel wirklich konstant bleibt, wird der Versuch mit einem Gleiter auf der Luftkissenbahn wiederholt. 7.1.3 Gleiter auf der Luftkissenbahn 2 Mithilfe der Luftkissenbahn ist es möglich, die horizontal wirkende Reibungskraft, die bei jeder Bewegung auftritt, wo Körper in Kontakt sind, stark zu minimieren. Die Luftkissenbahn wird horizontal ausgerichtet. Der Gleiter und die Enden der Fahrbahn werden mit reflektierenden Teilen versehen (in unserem Fall Blattfedern aus dünnem Stahl). Der Gleiter wird mit Zusatzmassen belastet und durch Anstoßen in Bewegung gesetzt. Er bewegt sich dann mit nahezu konstantem Betrag der Geschwindigkeit hin und her. Ergebnis: Ein Körper bleibt in gleichförmiger Bewegung, solange keine äußere resultierende Kraft auf ihn einwirkt. (Gewicht der Kugel und Reaktion der Luftkissenbahn heben sich gegenseitig auf; die Gleitgreibung ist vernachlässigbar klein). Anmerkung: Das Experiment könnte wiederholt werden, indem mit Lichtschranken die Geschwindigkeit des Gleiters an verschiedenen Stellen der Luftkissenbahn gemessen wird. Es würde sich dann herausstellen, dass sie nahezu konstant ist. 7.1.4 Gleiter auf der Luftkissenbahn 3 Zusätzlich zur Luftkissenbahn wird ein Kunststofflineal vertikal in ein Stativ eingespannt. 11TG - DYNAMIK P. Rendulić 2014 NEWTONSCHE AXIOME 33 Der Gleiter wird entsprechend der Figur an das leicht gebogene Lineal angelehnt. Das Lineal wird losgelassen. Man kann beobachten, dass der Gleiter beschleunigt wird. Lässt man den Gleiter gegen das eingespannte Lineal stoßen, so wird das Lineal verbogen und bremst den Gleiter. Ergebnis: Um einen ruhenden Körper in Bewegung zu versetzen, oder einen bewegten Körper abzubremsen bedarf es einer Kraft. 7.1.5 Ergebnis Die oben vorgeführten Versuche zeigen, dass Körper träge sind. Um sie in Bewegung zu versetzen, oder aus der Bewegung abzubremsen bedarf es einer Kraft. Wirkt keine äußere Kraft auf sie, so bewegen Körper sich geradlinig gleichförmig. Das Ergebnis ist als erstes Newtonsches Axiom (Trägheitsgesetz) bekannt: Ein Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit weiter, wenn keine resultierende äußere Kraft auf ihn einwirkt. 7.1.6 Das Trägheitsgesetz im Alltag Es fordert eine gewisse Aufmerksamkeit gegenüber vielen von uns als „evident“ eingestuften Alltagsphänomenen um die Auswirkungen des Trägheitsgesetzes ausfindig zu machen. Als Belohnung für unser aufmerksames Beobachten werden wir das Verhalten der Natur etwas besser verstehen. Trägheit eines Klotzes Auf einer beweglichen Unterlage (z.B. kleiner Wagen) steht ein Holzklotz. Die Unterlage wird ruckartig in Bewegung versetzt (z.B. durch das Ziehen an einer Schnur), dabei kippt der Klotz nach hinten. Wird die sich in Bewegung befindende Unterlage plötzlich angehalten, dann kippt der Klotz nach vorne. Erklärung: Ein Körper, der auf seiner sich bewegenden Unterlage steht, bewegt sich infolge der Trägheit beim Beschleunigen nach hinten, beim Abbremsen nach vorne. Das 11TG - DYNAMIK NEWTONSCHE AXIOME P. Rendulić 2014 34 Kippen wird durch die Haftreibungskraft zwischen Klotz und Unterlage bedingt. Wäre sie gleich null, so würde der Körper nach hinten, bzw. nach vorne rutschen. Alltagsphänomen: Eine im Autobus oder Zug stehende Person kann beim Bechleunigen oder Abbremsen des Gefährts umkippen. Trägheit eines Turms aus Münzen Mit der Kante eines Lineals wird so gegen die unterste Münze eines Turmes aus Münzen geschalgen, dass diese zur Seite wegfliegt und sich das Lineal auf der anderen Seite des Turmes befindet. Von dieser Seite aus wird die zweite Münze in gleicher Weise entfernt. Durch schnelles Hin- und Herbewegen des Lineals wird der gesamte Turm von unten her abgebaut. Erklärung: Wegen seiner Trägheit wird nicht der ganze Turm bewegt, sondern jeweils nur sein unterster Teil. Trägheit eines Körpers beim Wegziehen der Unterlage Das auf einem Standzylinder bzw. unter ihm liegende Stück Pappe wird ruckartig weggezogen. Die Kugel fällt im ersten Fall in den Zylinder; im zweiten Fall bleibt der Zylinder gegenüber dem Tisch in Ruhe. Erklärung: Infolge ihrer Trägheit verharren Körper beim ruckartigen Wegziehen einer Unterlage im Zustand der Ruhe. (Die Haftreibungskraft zwischen Körper und Unterlage ist nicht groß genug um ihn in Bewegung zu versetzen) Trägheit einer Flüssigkeit (Wasser) Eine flache, zur Hälfte gefüllte Schale mit Wasser wird ruckartig in Bewegung versetzt. Das Wasser steigt nach hinten und läuft eventuell auch über. In einem zweiten Versuch wird sie allmählich beschleunigt und plötzlich angehalten. Das Wasser steigt nach vorne und schwappt eventuell über. Erklärung: Die Trägheit des Wassers bewirkt dessen Verharren im jeweiligen Bewegungszustand. Wegen der Bewegungsänderung des Gefäßes steigt der Wasserspeigel vorn oder hinten an. 11TG - DYNAMIK P. Rendulić 2014 NEWTONSCHE AXIOME 35 Bewegung beim Beschleunigen beim Abbremsen Alltagsphänomen: Gläser die beim Tragen bei Bewegungsänderungen überschwappen. Trägheit eines Gases (Luft) An einem auf dem Fußboden liegenden quadratischen Brettchen ist über einen Haken eine dünne Schnur befestigt. Darüber befindet sich ein Zeitungsblatt. Es wird ruckartig an der Schnur gezogen; diese reißt und das Brett mit Zeitung verharrt am Boden. Erklärung: Die Trägheit der über der Zeitung befindenden Luft verhindert die plötzliche Bewegung des Brettchens. Das Wirken einer begrenzten, durch das Reissen des Fadens limitierte Kraft, verhindert die plötzliche Bewegung eines Körpers. 11TG - DYNAMIK NEWTONSCHE AXIOME P. Rendulić 2014 36 7.2 Zweites Newtonsches Axiom (Aktionsprinzip, Grundgesetz der Mechanik) – Experimentelle Herleitung Dieses Gesetz beschreibt die Zusammenhänge zwischen Kraft, Masse und Beschleunigung eines Körpers. 7.2.1 Versuchsbeschreibung Auf einer waagerechten Luftkissenbahn befindet sich ein Gleiter, der sich reibungslos bewegen kann. Auf r den Gleiter der Masse M wirkt eine konstante horizontale Kraft, die Gewichtskraft F einer Masse m, die mit einem sehr dünnen Faden über eine Umlenkrolle mit dem Gleiter verbunden ist. Durch diese Kraft unterliegt das System bestehend aus Gleiter und Masse m einer horizontalen beschleunigten Bewegung. Es soll untersucht werden • ob die Beschleunigung konstant ist, • wie die Beschleunigung von der am Gleiter wirkenden Kraft abhängt, • wie die Beschleunigung von der Masse des Gleiters abhängt. Zum Messen der Beschleunigung des Gleiters wird folgende Methode verwendet: Die Beschleunigung ist definiert als Geschwindigkeitsänderung geteilt durch das dafür benötigte Zeitintervall: a= ∆v ∆t Es müssen daher sowohl die Geschwindigkeit des Gleiters an 2 verschiedenen Stellen der Luftkissenbahn (s1 und s2), als auch das Zeitintervall zwischen diesen Messpunkten bestimmt werden ( ∆t ). Dazu werden 2 Lichtschranken L1 und L2, und 3 Digitalzähler Z1, Z2 und Z verwendet. l L1 L2 m • Der Zähler Z1 misst das Zeitintervall ∆t1 , das der Gleiter braucht um am Punkt s1 eine Blendenlänge ∆l zurückzulegen (Zeitmessung). Er wird gestartet, wenn die Blende des Gleiters den Lichtweg der Lichtschranke L1 unterbricht; er wird gestoppt, wenn die Blende des Gleiters den Lichtweg der Lichtschranke L1 wieder freigibt. Aus dieser Messung kann die Geschwindigkeit v1 des Gleiters am Punkt s1 bestimmt werden. 11TG - DYNAMIK NEWTONSCHE AXIOME P. Rendulić 2014 37 Der Zähler Z misst das Zeitintervall ∆t , das der Gleiter braucht um sich von der Lichtschranke L1 zur Lichtschranke L2 fortzubewegen (Laufzeitmessung). Er wird gestartet, wenn die Blende des Gleiters den Lichtweg der Lichtschranke L1 unterbricht; er wird gestoppt, wenn die Blende des Gleiters den Lichtweg der Lichtschranke L2 unterbricht • Der Zähler Z2 misst das Zeitintervall, das der Gleiter braucht um am Punkt s2 eine Blendenlänge ∆l zurückzulegen (Zeitmessung). Er wird gestartet, wenn die Blende des Gleiters den Lichtweg der Lichtschranke L2 unterbricht; er wird gestoppt, wenn die Blende des Gleiters den Lichtweg der Lichtschranke L2 wieder freigibt. Aus dieser Messung kann die Geschwindigkeit v2 des Gleiters am Punkt s2 bestimmt werden. Die Beschleunigung des Gleiters kann folgendermaßen angeschrieben werden: • 1 1 ∆l ∆l ∆l ⋅ − − ∆ t ∆ t ∆v v 2 − v 1 ∆t 2 ∆t1 1 2 a= = = = ∆t ∆t ∆t ∆t 1 1 ∆l ⋅ − ∆t 2 ∆t1 a= ∆t Die so ermittelte Beschleunigung entspricht der Beschleunigung des Gleiters am Mittenpunkt zwischen den Lichtschranken. Die am Gleiter wirkende Kraft wird durch die Gewichtskraft der Masse m hervorgerufen: F = m⋅g 7.2.2 Beschleunigung bei konstanter Kraft Es soll untersucht werden, ob die Beschleunigung des Gleiters unter Einwirkung einer konstanten Kraft auch konstant ist. Dazu wird die Beschleunigung des Gleiters an verschiedenen Punkten der Bahn bestimmt. Messwertetabelle Position 1 2 3 4 ∆t1 (s) ∆t (s) ∆t2 (s) a (m/s2) Schlussfolgerung Die Beschleunigung des Gleiters entlang der Bahn ist konstant. Wirkt eine konstante Kraft auf den Gleiter, so unterliegt er einer konstanten Beschleunigung. 11TG - DYNAMIK NEWTONSCHE AXIOME P. Rendulić 2014 38 7.2.3 Zusammenhang Beschleunigung – Kraft Es soll untersucht werden, wie die Beschleunigung des Gleiters von der an ihm wirkenden Kraft abhängt. Dabei bleibt die Masse des beschleunigten Systems konstant. An einer Stelle der Bahn wird die Beschleunigung des Gleiters für unterschiedliche Massen des Gewichtstellers gemessen. Dabei werden zusätzlich sich am Gleiter befindende 1 g Massen zur Beschwerung des Schlitztellers benutzt. Messwertetabelle Konstante Masse des Systems: M + m = PPP....... m (g) 1g 2g 3g 4g F (N) ∆t1 (s) ∆t (s) ∆t2 (s) a (m/s2) F/a Schlussfolgerung Der Quotient F / a ist konstant. Das heißt, dass die Beschleunigung a des Gleiters direkt proportional zu der an ihm wirkenden Kraft F ist: a~F 7.2.4 Zusammenhang Beschleunigung – Masse Es soll untersucht werden, wie die Beschleunigung des Gleiters von dessen Masse abhängt. Dabei bleibt die an ihm wirkende Kraft konstant. An einer Stelle der Bahn wird die Beschleunigung des Gleiters für unterschiedliche Massen des Gleiters gemessen. Messwertetabelle Konstante Kraft: F = PPP....... Belastung M (g) ∆t1 (s) ∆t (s) ∆t2 (s) a / (m/s2) M·a 0g 40 g 80 g 120 g 160 g 11TG - DYNAMIK NEWTONSCHE AXIOME P. Rendulić 2014 39 Schlussfolgerung Das Produkt M ⋅ a ist konstant. Dies heißt, dass die Beschleunigung a des Gleiters umgekehrt proportional zu seiner Masse ist: a~ 1 m 7.2.5 Zusammenfassung Die vorherigen 2 Punkte können folgendermaßen zusammengefasst werden. a~F a~ 1 m ⇒ a~ F m oder F ~ m ⋅a Im SI-Einheitensystem wird der Proportionalitätskoeffizient zwischen F und m ⋅ a dem Wert von eins gleich gesetzt (durch eine Definition). Es gilt daher die Gleichung F = m⋅a Unter F versteht man dabei den Betrag der resultierenden äußeren auf den Körper wirkenden Kraft. Da Kraft und Beschleunigung richtungsabhängig sind, wird das zweite Newtonsche Axiom folgendermaßen angeschrieben: Die Beschleunigung eines Körpers ist umgekehrt proportional zu seiner Masse und direkt proportional zur resultierenden Kraft, die auf ihn wirkt: r r a= ∑F m r oder ∑F = m ⋅ a r F m a 11TG - DYNAMIK P. Rendulić 2014 NEWTONSCHE AXIOME 40 7.2.6 Masse als direktes Maß der Trägheit Wir betrachten zwei Körper unterschiedlicher Massen m1 und m2 mit m2 > m1. Um beiden Körpern die gleiche Beschleunigung a zu vermitteln muss am massenreicheren Körper m2 eine größere Kraft wirken als am Körper m1. Würden an beiden Körpern die gleiche Kraft F wirken, so würde dem massenreicheren Körper m2 eine kleinere Beschleunigung vermittelt werden als dem Körper m1. Der Körper m2 würde sich also wesentlich träger anfühlen. Wir schlussfolgern, dass die Masse eines Körpers ein direktes Maß für seine Trägheit ist: Je größer die Masse eines Körpers ist, desto träger ist er. 7.3 Drittes Newtonsches Axiom (Reaktionsprinzip) * 7.3.1 Versuch 1 Zwei Schüler mit etwa gleicher Masse stehen sich in einigen Metern Entfernung auf einer rollbaren Plattform gegenüber. Sie halten zwischen sich ein gespanntes Seil. Das Experiment besteht aus 3 Teilen: • der linke Schüler zieht, der rechte hält das Seil fest, • der rechte Schüler zieht, der linke hält das Seil fest, • beide Schüler ziehen. In allen 3 Fällen bewegen sich die Schüler aufeinander zu und treffen sich in der Mitte. Die Bewegung kommt zustande, da 2 Körper wechselseitig aufeinander wirken. Ergebnis: Übt ein Körper eine Kraft auf einen zweiten aus, so wirkt stets auch eine Kraft vom zweiten auf den ersten Körper. Beide Kräfte sind einander entgegengesetzt gerichtet. Man spricht von Kraft und Gegenkraft. 11TG - DYNAMIK NEWTONSCHE AXIOME P. Rendulić 2014 41 7.3.2 Versuch 2 Zwei Federkraftmesser werden in gleicher Höhe an zwei Stativen befestigt und durch einen Faden miteinander verbunden. Die Stative werden schrittweise auseinander entfernt und dabei jeweils die beiden Kräfte gemessen. Unabhängig davon, welches Stativ bewegt wird, zeigen beide Kraftmesser immer Kräfte mit gleichen Beträgen an. Ergebnis: Kraft und Gegenkraft sind stets gleich groß; sie haben den gleichen Betrag. Das Reaktionsprinzip kann dementsprechend folgendermaßen formuliert werden: Kräfte treten immer paarweise auf. Wenn Körper A eine Kraft auf Körper B ausübt, so wirkt eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A. B FB auf A FA auf B A Anmerkung: Kraft und Gegenkraft wirken auf verschiedene Körper. Sie sind stets gleicher Natur (ist die Kraft z.B. eine elektrostatische Kraft, so ist die Gegenkraft auch eine elektrostatische Kraft). 11TG - DYNAMIK 7.4 P. Rendulić 2014 NEWTONSCHE AXIOME 42 Aufgaben 7.4.1 Ein Fahrzeug wird abgeschleppt * Beim Abschleppen eines Fahrzeuges besteht die Gefahr, dass das gespannte Zugseil durch ruckartiges Anfahren reißt. Begründe. 7.4.2 Der Apfel * Ein Apfel liegt auf einem Tisch. Fertige ein Schema an und bestimme alle auf den Apfel wirkende Kräfte und deren Gegenkräfte. 7.4.3 Bremsendes Auto Ein Auto der Masse 800kg fährt mit einer konstanten Geschwindigkeit von 108 km/h. Berechne die erforderliche Bremskraft um dieses Auto in 15 s zum Stillstand zu bringen. 7.4.4 Startendes Flugzeug Berechne die erforderliche Schubkraft um ein Flugzeug von 10 t in 30 s aus dem Stillstand heraus auf 216 km/h zu beschleunigen. Berechne die Schubkraft erneut, wenn ein mittlerer Luftwiderstand von 1000N berücksichtigt wird. 7.4.5 Bremsendes Schiff Berechne die Bremsdauer eines sich mit 18 km/h bewegenden Schiffes bei einer Masse von 10 000 t und einer Bremskraft von 100 kN. Wie groß ist der dabei zurückgelegte Bremsweg? 7.4.6 Auto auf geneigter Straße 1 Ein Auto mit einer Masse von 1000 kg steht auf einer geneigten Straße. Der Winkel zwischen der Straße und der Horizontalen beträgt 10°. Plötzlich löst sich die Handbremse und der Wagen setzt sich in Bewegung. Jegliche Reibung wird vernachlässigt. a. Fertige ein Schema an und bestimme die Kräfte, die auf das Auto wirken. b. Berechne die Beschleunigung des Autos. c. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Autos nach einem zurückgelegten Weg von 10 m? 7.4.7 Auto auf geneigter Staße 2 Wiederhole die Aufgabe 6 unter Berücksichtung einer Gesamtreibungskraft von 500N. 7.4.8 Güterzug Ein Güterzug von 625 Tonnen Masse fährt auf einer geneigten Strecke bergab. Der Winkel zwischen der Strecke und der Horizontalen beträgt 0,5°. Der Zugführer bremst permanent, sodass der Zug mit einer konstanten Geschwindigkeit von 10,8 km/h fährt. a. Fertige ein Schema an und trage alle am Zug wirkende Kräfte ein. b. Bestimme den Betrag der Bremskraft. c. Der Zugführer löst die Bremse komplett. Bestimme die Beschleunigung des Zuges. 11TG - PHYSIK 8 ENERGIE 8.1 Arbeit MECHANIK P. Rendulić 2014 43 8.1.1 Definition ⃗ die Strecke s Wenn ein Körper unter der Einwirkung einer konstanten Kraft F zurücklegt, dann wird an ihm die Arbeit W verrichtet. Die Arbeit W kann berechnet werden nach: ⋅s W =F Anmerkung: s ist keine Kraft! Die vektorielle Schreibweise wird hier benutzt, weil die Strecke eine gerichtete Größe ist (Betrag = Länge, Richtung, Richtungssinn). kann in 2 Komponenten Die Kraft F zerlegt werden: • eine tangentiale Komponente T (parallel zur Wegrichtung) F • N eine normale Komponente F (senkrecht zur Wegrichtung) =F TF N F zu berechnen muss die Komponente benutzt werden die in Um die Arbeit der Kraft F Wegrichtung wirkt. Daher gilt: W F =F T ⋅s Durch Benutzen der trigonometrischen Funktionen kann man auch schreiben: = F⋅s⋅cos W F 8.1.2 Spezialfall: die Kraft wirkt in Wegrichtung Kraft und Weg sind parallel. In diesem Fall gilt: =0 Und: ⇔ ⇔ ⇔ = F⋅s⋅cos W F = F⋅s⋅cos 0° W F = F⋅s⋅1 W F = F⋅s W F 11TG - PHYSIK P. Rendulić 2014 MECHANIK 44 8.1.3 Spezialfall: die Kraft wirkt entgegen der Wegrichtung (Reibungsarbeit) Kraft und Weg sind antiparallel. In diesem Fall gilt: =180 ° ⇔ ⇔ ⇔ = F⋅s⋅cos W F = F⋅s⋅cos 180 ° W F = F⋅s⋅−1 W F =−F⋅s W F 8.1.4 Spezailfall: Kraft und Wegrichtung stehen senkrecht zueinander In diesem Fall gilt: =90 ° ⇔ = F⋅s⋅cos W F = F⋅s⋅cos 90° W F = F⋅s⋅0 W F =0 W F ⇔ ⇔ Eine senkrecht zur Wegrichtung wirkende Kraft verrichtet keine Arbeit! 8.1.5 Einheit der Arbeit Die SI-Einheit der Arbeit ist das Joule (Einheitszeichen: J): [W ]=[ F ]⋅[s ]=1 N⋅1 m=1 N⋅m=1 J Wenn eine Kraft von 1 N an einem Körper wirkt und diese Kraft ihren Angriffspunkt um 1 m in Wegrichtung verlagert, dann wird an diesem Körper eine Arbeit von 1 J verrichtet. 8.2 Mechanische Energie 8.2.1 Definition Mechanische Energie ist die unabdingbare Bedingung mechanische Arbeit zu verrichten. Mechanische Energie tritt in Form von kinetischer und potentieller Energie auf. 11TG - PHYSIK MECHANIK P. Rendulić 2014 45 8.2.2 Arbeit der Hubkraft: potenzielle Lageenergie Beim Heben eines Körpers um die Höhe h wird Hubarbeit verrichtet. Die Figur zeigt, dass die Hubkraft in Wegrichtung wirkt und wir wissen dass beim Heben mit konstanter Geschwindigkeit der Betrag der Hubkraft dem Betrag der Gewichtskraft entspricht. F Hub =F G =m⋅g Wir können daher die von der Hubkraft verrichtete Arbeit einfach berechnen: Hub =F Hub⋅h W F Hub =F G⋅h ⇔W F Hub =m⋅g⋅h ⇔W F Hub F Daher gilt: Hub =m⋅g⋅h W F Die verrichtete Hubarbeit entspricht der Zunahme der potenziellen Lageenergie eines Körpers. Sie kann berechnet werden mit: E Lage =m⋅g⋅h wobei h die Hubhöhe ist. 8.2.3 Arbeit der Beschleunigungskraft: kinetische Energie Ein Körper der Masse m wird unter dem Einfluss der konstanten Kraft Stillstand gleichmäßig geradlinig beschleunigt. Die von der Kraft verrichtete F Bewegungsenergie) des Körpers. Es gilt: =m⋅a F 1 s= ⋅a⋅t 2 2 v =a⋅t ⇔t= v a Arbeit erhöht die kinetische F aus dem Energie (= 1 v 2 v2 v2 s= ⋅a⋅ 2 = ⇔ a⋅s= 2 a 2⋅a 2 Die verrichtete Arbeit und somit die Änderung der kinetischen Energie kann bestimmt werden mit: ⋅s=F⋅s=m⋅a⋅s= W =F m⋅v 2 2 11TG - PHYSIK P. Rendulić 2014 MECHANIK 46 Für die kinetische Energie gilt daher: 1 2 E Kin= ⋅m⋅v 2 8.2.4 Satz der kinetischen Energie auf einen Körper der Masse m eine Änderung der Bewirkt eine beliebige Kraft F Geschwindigkeit von v Anf auf v End , so ist die Änderung der kinetischen Energie E kin gegeben durch die von der Kraft verrichtete Arbeit. Es gilt F dementsprechend: 1 1 E kin= ⋅m⋅v End 2− ⋅m⋅v Anf 2=W F 2 2 8.2.5 Arbeit der Spannkraft: potenzielle Spannenergie Wir spannen eine Feder: nicht konstant, denn es gilt das Beim Spannen der Feder ist der Betrag der Kraft F Hookesche Gesetz F =D⋅x , wobei D der Federkonstante und x der Verlängerung der Feder entspricht. Die verrichtete Arbeit und die Spannenergie entspricht in diesem Fall dem Wegintegral der Kraft: x ⋅d s W =E spann=∫ F 0 Das Kraft-Weg-Diagramm hat die folgende Form: Man kann zeigen, dass das Wegintegral der Kraft der Fläche zwischen dem Graphen und der x-Achse entspricht. Diese beträgt: W =E spann= F⋅x D⋅x⋅x = 2 2 Somit finden wir schließlich die Formel zur Berechnung der Spannenergie: E spann = D⋅x 2 2 11TG - PHYSIK 8.3 P. Rendulić 2014 MECHANIK 47 Energieerhaltung 8.3.1 Abgeschlossenes System Unter einem abgeschlossenen System versteht man eine Anordnung von Körpern, auf die keine äußeren Kräfte einwirken. 8.3.2 Energieerhaltungssatz Versuche zeigen dass: (siehe auch Praktikum) In einem abgeschlossenen System, wenn Vorgänge reibungsfrei ablaufen, ist zu jedem Zeitpunkt die mechanische Energie E, das heißt die Summe aus kinetischer Energie Ekin und potenzieller Energie Epot konstant: E = Ekin +Epot = konstant Bei physikalischen Vorgängen kann mechanische Energie von einer Form in eine andere umgewandelt werden. 8.3.3 Reibungsbehaftete Systeme In reibungsbehafteten Systemen kann die mechanische Energie abnehmen. Diese verschwindet jedoch nicht sondern man stellt fest dass die innere Energie U der Körper zunimmt. Durch die verursachte Reibungsarbeit erwärmen sich die Körper durch die Zunahme ihrer thermischen Energie. In einem abgeschlossenen reibungsbehafteten System, entspricht die Änderung ΔE der mechanischen Energie der Arbeit der Reibungskräfte. ⃗ Reibung ) ΔE = W ( F Anmerkung: Die Änderung der mechanischen Energie ist negativ, da die Energie im Endzustand niedrieger ist als im Anfangszustand. Dies ist auch kompatibel mit der Definition der Reibungsarbeit deren Betrag negativ ist. 8.3.4 Beispiel: freier Fall Beim freien Fall bilden der fallende Körper der Masse m und die Erde ein abgeschlossenes System, unter der Voraussetzung dass man den Luftwiderstand vernachlässigen kann. In diesem System gibt es potenzielle Lageenergie und kinetische Energie. Wenn sich der Körper in der Höhe h befindet, so entspricht die mechanische Energie E der Lageenergie ELage des Körpers E=E Lage =m⋅g⋅h sh , so setzt sich seine Wenn der Körper um die Strecke s gefallen ist mit mechanische Energie aus der Lageenergie ELage' und der kinetischen Energie Ekin' zusammen 1 E=E Lage ' E kin ' =m⋅g⋅ h−s ⋅m⋅v 2s 2 11TG - PHYSIK P. Rendulić 2014 MECHANIK 48 Kurz bevor der Körper auf dem Boden aufschlägt und somit um die Strecke s=h gefallen ist, hat sich die gesamte Lageenergie in kinetische Energie umgewandelt und die mechanische Energie E besteht nur noch aus kinetischer Energie Ekin 1 2 E=E kin= ⋅m⋅v 2 Die Geschwindigkeit des Körpers beträgt dann v und durch Anwendung des Energieerhaltungssatzes kann man schreiben 1 m⋅g⋅h= ⋅m⋅v 2 ⇔ 2⋅g⋅h=v 2 2 und v = 2⋅g⋅h Man stellt fest, dass die Aufschlaggeschwindigkeit v unabhängig von der Masse des Körpers ist. Daher fallen alle Körper gleich (unter Vernachlässigung des Luftwiderstands). 8.3.5 Beispiel: Bungee-Sprung Ein Bungee-Springer von m = 60 kg Masse springt aus der Höhe h1 = 45m von einer Brücke. Das Bungee-Seil hat im ungespannten Zustand die Länge L = 25 m und besitzt eine Federkonstante von D = 160 N/m. Der tiefste Punkt des an den Füßen des Springers befestigten Seils kann durch eine Anwendung des Energieerhaltungssatzes bestimmt werden. Als abgeschlossenes System betrachten wir die Erde, den Springer und das Seil. Für die mechanische Energie gilt: Zustand 1: Zustand 2: E 1=E Lage =m⋅g⋅h1 1 2 E 2=E Lage E Spann =m⋅g⋅h 2 ⋅D⋅x 2 Da keine äußeren Kräfte wirken (Reibung vernachlässigbar) ist der Energiesatz anwendbar und die mechanische Energie daher konstant. 11TG - PHYSIK Figur: (*) ⇔ ⇔ ⇔ a x 2b xc=0 Lösung: −b± b2−4 a c x 1 /2= = 2a ⇔ x 1 /2= ⇔ x= ⇔ 49 1 2 E 1=E 2 ⇔m⋅g⋅h1 =m⋅g⋅h2 ⋅D⋅x (*) 2 h 1=h 2x L⇔ h2 =h1− x−L 1 2 m⋅g⋅h1 =m⋅g⋅h 1−x− L ⋅D⋅x 2 1 ⋅D⋅x 2−m⋅g⋅x−m⋅g⋅Lm⋅g⋅h 1−m⋅g⋅h1=0 2 1 2 ⋅D⋅x −m⋅g⋅x−m⋅g⋅L=0 2 Form: daher: MECHANIK P. Rendulić 2014 1 m g ± m2 g 24⋅ D m g L 2 1 2⋅ D 2 m g ± m2 g 22 D m g L D (die Zeichnung zeigt: x 0 ) m g m2 g 22 D m g L D 60⋅9,81 60 2⋅9,8122⋅160⋅60⋅9,81⋅25 m=17,73 m 160 h 2=h 1−x− L⇔ h2 =45 m−17,73 m−25 m=2,27 m x= und: Der tiefste Punkt des an den Füßen des Springers befestigten Seils liegt daher 2,27 Meter über der Wasseroberfläche. Die Person wird nicht mit dem Kopf ins Wasser eintauchen. 11TG - PHYSIK 8.4 P. Rendulić 2014 MECHANIK 50 Aufgaben 8.4.1 Pendel Ein punktförmiger Körper A der Masse m hängt an einem straffen Kabel. Das andere Ende des Kabels, O, ist befestigt. OA = l. Das Pendel wird um den Winkel α0 aus seiner Gleichgewichtslage gebracht und ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen. Der Punkt O’ befindet sich auf einer Vertikalen unter O. In O’ befindet sich ein horizontaler Stift. OO’ = ¾ l. a. Was kann über die mechanische Energie von A ausgesagt werden, wenn jegliche Reibung vernachlässigbar ist? b. Bestimme den Punkt, wo A zum ersten Mal seine Richtung ändert. Der Winkel zwischen O’A und der Vertikalen soll angegeben werden. Des weiteren soll die Höhe dieses Punktes in Bezug zum tiefsten Punkt der Bahn bestimmt werden. c. Numerische Applikation: α0 = 20°, l = 1 m 8.4.2 Steifes Pendel Ein Pendel besteht aus einer steifen Stange von vernachlässigbarer Masse. Am Ende befindet sich ein Körper A von 200 g Masse. Das Pendel wird um den Winkel α0 = 30° aus v0 , seiner Gleichgewichtslage gebracht. Es wird dann mit der Geschwindigkeit senkrecht zu OA = 0,5 m angestoßen. a. Bestimme den minimalen Betrag für v0 , damit A eine komplette Umrundung durchführen kann (Länge der Stange: 0,5 m). b. A wird mit der Geschwindigkeit v0 = 4,5 m/s angestoßen. Bestimme den minimalen und maximalen Wert der Geschwindigkeit von A. 8.4.3 Rutschbahn Der 3 kg schwere Körper wird aus der Ruhe in einer Höhe von 5 m auf der gekrümmten, reibungsfreien Rampe losgelassen. An deren Ende befindet sich eine Feder mit der Federkonstante D = 400 N/m. Der Körper gleitet die Rampe herunter und drückt die Feder um die Strecke x zusammen, bevor er seine Bewegungsrichtung ändert. a. Bestimme x. b. Was geschieht, nachdem der Körper erstmals kurzzeitig zur Ruhe kam? c. Wie ändert sich x bei Verdopplung der Masse des Körpers? 8.4.4 Stillstand durch Reibung Der Körper der Masse 2 kg gleitet aus der Ruhe die reibungsfreie, gekrümmte Rampe aus einer Höhe von 3 m hinunter. Danach rutscht er 9 m weit über die raue, horizontale Fläche, bis er stehen bleibt. a. Mit welcher Geschwindigkeit verlässt der Körper die Rampe? 11TG - PHYSIK P. Rendulić 2014 MECHANIK b. Wieviel Arbeit wird an ihm durch Reibung verrichtet? c. Bestimme die Reibungszahl zwischen dem Körper und der horizontalen Ebene. 8.4.5 51 Zwei Körper In der Abbildung sind die Körper anfangs in Ruhe. a. Drücke die Gesamtenergie des Systems als Funktion der Fallhöhe y des leichteren Körpers aus. b. Bestimme die Geschwindigkeit des leichteren Körpers, nachdem er aus der Ruhe 2 m tief gefallen ist. Die Reibung soll vernachlässigt werden. 8.4.6 Nochmals zwei Körper Die Gleitreibungszahl zwischen dem schwereren Körper und dem Tisch in der obigen Abbildung beträgt 0,35. a. Bestimme die von der Reibungskraft verrichtete Arbeit, während der leichtere Körper um eine Strecke y gefallen ist. b. Bestimme die Geschwindigkeit der beiden Körper, wenn der leichtere Körper gerade 2 m tief gefallen ist. 8.4.7 Alphateilchen Ein Alphateilchen (Helium-Kern) soll in einem Teilchenbeschleunigung aus dem Stillstand auf eine Geschwindigkeit von 100 km/s beschleunigt werden. Die Beschleunigereinheit besteht aus einem Plattenkondensator, an dem eine Hochspannung angelegt werden kann. Das Teilchen bewegt sich senkrecht zu den Platten. Bestimme die anzulegende Spannung U. Angabe: qp = 1,602 ∙ 10-19 C mn = 1,675 0 ∙ 10-27 kg mp = 1,672 64 ∙ 10-27 kg